ESSAYWETTBEWERB BIS AN DIEGRENZEN DES WACHSTUMS?Laut Wilhem Guggenberger darf nicht übersehen werden, dass Wettbewerbnicht nur auf der Angebots-, sondern auch auf der Nachfrageseite herrscht.„Fatalerweise setztnun aber die Naturin ihrer schlichtenEndlichkeit unseremWachstumsmodellunübersehbareGrenzen.“WILHELM GUGGEN-BERGER ist Professor amInstitut für SystematischeTheologie. Der 1966 in InnsbruckGeborene studierteTheologie (Dissertation1996) und wurde 1991Assistent am Institut fürSystematische Theologie.Guggenberger habilitiertesich 2006 an der UniversitätInnsbruck zu den Sackgassender Wirtschaftsethik in einerfunktional differenziertenGesellschaft.Konkurrenz belebt das Geschäft und sporntzu Höchstleistungen an. Das gilt im Sportebenso, wie in Politik, Forschung undWirtschaft. Da der Markt als Paradebeispiel einerqualitätsoptimierenden Wettbewerbssituationgilt, will ich mich hier auf das Thema ökonomischerKonkurrenz konzentrieren.Konkurrenz unter den Anbietern von Arbeit,Ideen, Dienstleistungen und Waren resultiert ineiner steigenden Qualität des Angebots und hältzugleich die Preise niedrig. Mit anderen Wortenbewirkt sie die optimale Anpassung des Angebotsan die Wünsche der Konsumenten. So stelltder Markt nicht nur einen wesenhaft demokratischenInteraktionsprozess dar, wie F.A. von Hayekbetonte, er realisiert – folgt man dem deutschenWirtschaftsethiker Karl Homann – auchSolidarität, indem er jenen Wohlstand generiert,der es erlaubt, auch den wenig Erfolgreichen eingewisses Maß an Gütern zukommen zu lassen,ohne von den Bessergestellten ethischen Heroismuszu fordern.Was mitunter übersehen wird, ist, dass Wettbewerbnicht nur auf der Angebots-, sondernauch auf der Nachfrageseite herrscht. Ohne dieKonkurrenz unter Konsumentinnen und Konsumentenkäme die Wachstumsdynamik unsererÖkonomie bald zum Erliegen. Der aus Primärbedürfnissenerwachsende Bedarf ist rasch gedeckt.Das Nachfrageniveau der modernen Konsumgesellschaftlässt sich nur durch den Wettbewerbum die Aneignung von Gütern erhalten, die aufgrundihrer signifikanten Statusqualität praktischkeinen Grenznutzen kennen.Das Zusammenspiel von Angebots- und Nachfragekonkurrenzbringt jene Dynamik hervor, dieder Ökonomie den Glanz der Unendlichkeit verleiht,die erstmals in der Geschichte das Problemder Knappheit zu lösen verspricht. Damit ist auchdie Genialität des Modells Wettbewerbswirtschaftangesprochen, das zwar nicht ohne Ambivalenzist, diese aber im eigenen Vollzug auch wieder absorbiert.Besteht die dunkle Seite der Konkurrenzdoch in dem, was wir gewöhnlich Rivalität nennen.Die Weltliteratur ist voll mit dramatischenDarstellungen ihrer Folgen. Die hebräische Bibelstellt tödlich eskalierende Bruderrivalität garan den Anfang der Menschheitsgeschichte. Woimmer es um die Verteilung von Anerkennung,Macht, singulären Positionen und exklusiven Güterngeht, droht solche Eskalation zum Äußersten.In der Marktwirtschaft spornt die Konkurrenzaber eben nicht nur Rivalität an, sondern auchjene Produktivkräfte, die den Warenkorb derartfüllen, dass Konfliktpotenziale sich in der schierenMenge seiner Möglichkeiten erschöpfen biszur domestizierten Kauflust: Ein genialer Selbstläufer,in dem Wohlstand und Friede entstehen,ohne, dass es der Forderung nach Altruismus undSelbstbegrenzung bedürfte.Unverzichtbar freilich bleibt permanentesWachstum, weil der Wettlauf der Konkurrenz nurso lange harmlos ist, als er kein finales Ziel kenntund immer neue Handelstage stets neue Möglichkeitenbieten. Wo vorne zu sein, das einzige Zielist, ohne, dass ein letztes Wohin bestimmt werdenmüsste, scheint sich auch Ethik zu erübrigen.Fatalerweise setzt nun aber die Natur in ihrerschlichten Endlichkeit unserem Wachstumsmodellunübersehbare Grenzen. Damit gewinnt unausweichlich,wie Ulrich Beck schon früh zeigte,Konkurrenz um die Verteilung von Risiken undGefahren unangenehm an Bedeutung.Die Dringlichkeit ethischer Fragen kehrt somitwieder. Wir können uns ihr auch in der Wissenschaftnicht entziehen, wollen wir nicht an einemModell von Wohlstand und Frieden festhalten,das auf Dauer nur um den Preis kollektiverSelbstzerstörung zu haben ist.Eine dieser Fragen ist die nach den Zielenunseres Begehrens. Wo gegenüber Konsumgüternjene Gemeinschaftsgüter im Sinne CharlesTaylors an Gewicht gewinnen, die sowohl gemeinsamhergestellt, als auch gemeinsam, ohneExklusion genossen werden können, erschließensich möglicherweise Auswege aus der konkurrenzgetriebenenWachstumsspirale. Da alternativeRealitäten ihre Wurzeln im Denken und inder Sprache haben, setzt ein Systemwechsel vomWettbewerb zum Teilen aber voraus, dass die spirituelleEntdeckung, weniger könnte mehr sein,in eine Gegenwartssprache übersetzt wird, für diematerieller Verzicht weitgehend identisch mit krisenhafterRezession ist.50 zukunft forschung 01/17Foto: Andreas Friedle
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