Zukunft Forschung 01/2017
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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ESSAY
WETTBEWERB BIS AN DIE
GRENZEN DES WACHSTUMS?
Laut Wilhem Guggenberger darf nicht übersehen werden, dass Wettbewerb
nicht nur auf der Angebots-, sondern auch auf der Nachfrageseite herrscht.
„Fatalerweise setzt
nun aber die Natur
in ihrer schlichten
Endlichkeit unserem
Wachstumsmodell
unübersehbare
Grenzen.“
WILHELM GUGGEN-
BERGER ist Professor am
Institut für Systematische
Theologie. Der 1966 in Innsbruck
Geborene studierte
Theologie (Dissertation
1996) und wurde 1991
Assistent am Institut für
Systematische Theologie.
Guggenberger habilitierte
sich 2006 an der Universität
Innsbruck zu den Sackgassen
der Wirtschaftsethik in einer
funktional differenzierten
Gesellschaft.
Konkurrenz belebt das Geschäft und spornt
zu Höchstleistungen an. Das gilt im Sport
ebenso, wie in Politik, Forschung und
Wirtschaft. Da der Markt als Paradebeispiel einer
qualitätsoptimierenden Wettbewerbssituation
gilt, will ich mich hier auf das Thema ökonomischer
Konkurrenz konzentrieren.
Konkurrenz unter den Anbietern von Arbeit,
Ideen, Dienstleistungen und Waren resultiert in
einer steigenden Qualität des Angebots und hält
zugleich die Preise niedrig. Mit anderen Worten
bewirkt sie die optimale Anpassung des Angebots
an die Wünsche der Konsumenten. So stellt
der Markt nicht nur einen wesenhaft demokratischen
Interaktionsprozess dar, wie F.A. von Hayek
betonte, er realisiert – folgt man dem deutschen
Wirtschaftsethiker Karl Homann – auch
Solidarität, indem er jenen Wohlstand generiert,
der es erlaubt, auch den wenig Erfolgreichen ein
gewisses Maß an Gütern zukommen zu lassen,
ohne von den Bessergestellten ethischen Heroismus
zu fordern.
Was mitunter übersehen wird, ist, dass Wettbewerb
nicht nur auf der Angebots-, sondern
auch auf der Nachfrageseite herrscht. Ohne die
Konkurrenz unter Konsumentinnen und Konsumenten
käme die Wachstumsdynamik unserer
Ökonomie bald zum Erliegen. Der aus Primärbedürfnissen
erwachsende Bedarf ist rasch gedeckt.
Das Nachfrageniveau der modernen Konsumgesellschaft
lässt sich nur durch den Wettbewerb
um die Aneignung von Gütern erhalten, die aufgrund
ihrer signifikanten Statusqualität praktisch
keinen Grenznutzen kennen.
Das Zusammenspiel von Angebots- und Nachfragekonkurrenz
bringt jene Dynamik hervor, die
der Ökonomie den Glanz der Unendlichkeit verleiht,
die erstmals in der Geschichte das Problem
der Knappheit zu lösen verspricht. Damit ist auch
die Genialität des Modells Wettbewerbswirtschaft
angesprochen, das zwar nicht ohne Ambivalenz
ist, diese aber im eigenen Vollzug auch wieder absorbiert.
Besteht die dunkle Seite der Konkurrenz
doch in dem, was wir gewöhnlich Rivalität nennen.
Die Weltliteratur ist voll mit dramatischen
Darstellungen ihrer Folgen. Die hebräische Bibel
stellt tödlich eskalierende Bruderrivalität gar
an den Anfang der Menschheitsgeschichte. Wo
immer es um die Verteilung von Anerkennung,
Macht, singulären Positionen und exklusiven Gütern
geht, droht solche Eskalation zum Äußersten.
In der Marktwirtschaft spornt die Konkurrenz
aber eben nicht nur Rivalität an, sondern auch
jene Produktivkräfte, die den Warenkorb derart
füllen, dass Konfliktpotenziale sich in der schieren
Menge seiner Möglichkeiten erschöpfen bis
zur domestizierten Kauflust: Ein genialer Selbstläufer,
in dem Wohlstand und Friede entstehen,
ohne, dass es der Forderung nach Altruismus und
Selbstbegrenzung bedürfte.
Unverzichtbar freilich bleibt permanentes
Wachstum, weil der Wettlauf der Konkurrenz nur
so lange harmlos ist, als er kein finales Ziel kennt
und immer neue Handelstage stets neue Möglichkeiten
bieten. Wo vorne zu sein, das einzige Ziel
ist, ohne, dass ein letztes Wohin bestimmt werden
müsste, scheint sich auch Ethik zu erübrigen.
Fatalerweise setzt nun aber die Natur in ihrer
schlichten Endlichkeit unserem Wachstumsmodell
unübersehbare Grenzen. Damit gewinnt unausweichlich,
wie Ulrich Beck schon früh zeigte,
Konkurrenz um die Verteilung von Risiken und
Gefahren unangenehm an Bedeutung.
Die Dringlichkeit ethischer Fragen kehrt somit
wieder. Wir können uns ihr auch in der Wissenschaft
nicht entziehen, wollen wir nicht an einem
Modell von Wohlstand und Frieden festhalten,
das auf Dauer nur um den Preis kollektiver
Selbstzerstörung zu haben ist.
Eine dieser Fragen ist die nach den Zielen
unseres Begehrens. Wo gegenüber Konsumgütern
jene Gemeinschaftsgüter im Sinne Charles
Taylors an Gewicht gewinnen, die sowohl gemeinsam
hergestellt, als auch gemeinsam, ohne
Exklusion genossen werden können, erschließen
sich möglicherweise Auswege aus der konkurrenzgetriebenen
Wachstumsspirale. Da alternative
Realitäten ihre Wurzeln im Denken und in
der Sprache haben, setzt ein Systemwechsel vom
Wettbewerb zum Teilen aber voraus, dass die spirituelle
Entdeckung, weniger könnte mehr sein,
in eine Gegenwartssprache übersetzt wird, für die
materieller Verzicht weitgehend identisch mit krisenhafter
Rezession ist.
50 zukunft forschung 01/17
Foto: Andreas Friedle