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Zukunft Forschung 01/2017

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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LOGISTIK

rücksichtigt werden müssen. Das macht

hochkomplexe mathematische Berechnungen

erforderlich“, erklärt Missbauer.

In einem Teilbereich des Projekts

„smartproduction 4.0“, das auch von

der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft

(FFG) unterstützt

wird, beschäftigt sich das Team momentan

mit einer verbesserten Abstimmung

zwischen Stranggießen und Warmwalzen

von Stahl. „Der flüssige Stahl muss

verfestigt werden, um weiter verarbeitet

werden zu können. Dafür kommen

Stranggießanlagen zum Einsatz, in denen

Stahl durch eine Art Trichter gegossen

wird und anschließend zunächst als

durchgehender Strang vorliegt, der in

Quader geschnitten wird. Diese Form

wird als ‚Bramme’ bezeichnet und ist mit

einer Dicke von etwa 25 Zentimetern die

Grundlage für das weitere Walzen des

Stahls: Im Warmwalzwerk werden die

Brammen zu einem Stahlband gewalzt

und anschließend je nach Bedarf auf bis

zu weniger als einen Millimeter Dicke

weitergewalzt“, beschreibt Hubert Missbauer

diesen Vorgang.

Innerhalb dieses Teilabschnitts der

Stahlproduktion spielen verschiedene

Faktoren eine Rolle, die etwa Fragen

der Einhaltung der richtigen Bearbeitungstemperatur

der Brammen umfassen,

aber auch technische Restriktionen

beim Gießen diverser Stahlsorten betreffen.

„All das muss in der computerbasierten

Steuerung der Anlagen

berücksichtigt werden“, so Missbauer.

„Wir können vonseiten der Universität

Innsbruck hier unsere Expertise auf dem

Gebiet der mathematischen Optimierung

einbringen. Klar ist aber, dass es sich in

diesem Projekt um wechselseitiges Profitieren

handelt: Ohne das Know-how

und die jahrelange Praxiserfahrung der

Kollegen von der voestalpine wäre das

nicht möglich.“

Grenzenloses Rechnen

Für Hubert Missbauer ist die Zusammenarbeit

mit einem internationalen Unternehmen

dieser Größenordnung und die

Erarbeitung von Lösungsansätzen in

ganz konkreten industriellen Fragestellungen

auf mehreren Ebenen spannend:

„Der Bereich der Industriegüter, wie

etwa die Stahlproduktion, hat für mich

schon immer eine gewisse Faszination

ausgeübt. Die Anlagen der voestalpine

zum Beispiel sind allein schon aufgrund

ihrer Dimensionen beeindruckend.

Durch den engen Kontakt mit Unternehmen

habe ich in den letzten Jahrzehnten

unheimlich viel gelernt. Das halte ich

auch für sehr wichtig: Um ein kompetenter

Gesprächspartner für die Industrie

sein zu können, muss man sich intensiv

mit deren Bedarf und Abläufen auseinandersetzen.

Die Ergebnisse unserer Arbeit

werden dann in den konkreten Produktionsabläufen

unmittelbar umgesetzt“,

erzählt der Wissenschaftler.

Für das Forschungsgebiet von Hubert

Missbauer ist der Industriezweig auch

nach vielen Jahren Erfahrung immer wieder

eine neue Herausforderung – nicht

zuletzt aufgrund des technologischen

Fortschrittes. „Wir können heute auf eine

Vielzahl ausgereifter Planungsmethoden

und Planungssoftware zurückgreifen, die

sich laufend weiter verbessern. Dennoch

stoßen wir immer noch an Grenzen, die

sich aus der exponentiell steigernden

Komplexität ergeben“, verdeutlicht

Missbauer. „In der mathematischen Optimierung

müssen wir zunächst immer

identifizieren, worüber es innerhalb der

Problemstellung zu entscheiden gilt.

Anschließend werden diese Entscheidungstatbestände

mathematisch durch

Entscheidungsvariable ausgedrückt.

Dadurch erhalten wir ein Modell in

Form eines Gleichungssystems mit einer

großen Zahl von Variablen, das verschiedenste

Lösungen erlaubt, jedoch sicherstellt,

dass die relevanten Nebenbedingungen,

sowohl von Markt- als auch von

HUBERT MISSBAUER (2.v.li., im Bild

mit seinem Team in Innsbruck) studierte

an der Johannes-Kepler-Universität

Linz Betriebswirtschaftslehre mit den

Schwerpunkten Fertigungswirtschaft

und Betriebsinformatik. Während dieser

Zeit hatte er bereits erste Berührungspunkte

mit der Systementwicklung in

der voestalpine AG. Seit 1997 ist er

Professor für Betriebswirtschaftslehre

mit Schwerpunkt Produktionswirtschaft

und Logistik an der Uni Innsbruck.

Produktionsseite, eingehalten werden.

Unter Einbeziehung einer Zielfunktion,

die etwa die zu erwartenden Produktionskosten

ausdrückt, sucht dann der Lösungsalgorithmus

die optimale Lösung“,

beschreibt der Wirtschaftswissenschaftler

seine Arbeit.

Hubert Missbauer betont aber gleichzeitig,

dass es „die eine Lösung“ im

Sinne einer perfekten Lösung nicht gibt

– zumindest noch nicht. „Das komplexe

Umfeld und die Vielzahl an Aspekten,

die wie in diesem Beispiel in der Stahlproduktion

zu berücksichtigen sind, ließen

die Rechenzeiten exponentiell mit

dem Umfang des Problems ansteigen,

wenn das Ziel eine exakte Lösung wäre.

Das ist jetzt und vermutlich auch in naher

Zukunft nicht bewältigbar. Das Gute

ist aber: Der technische Fortschritt ermöglicht

uns, das mathematische Limit

immer weiter auszureizen und uns immer

mehr anzunähern. ‚Fast perfekt’ trifft

es daher wohl am besten“, betont Missbauer.

mb

zukunft forschung 01/17 29

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