AUF EIN GLAS MIT … Text & Interview Martin Stein Remy Savage musste die Eröffnung seiner »Bar with Shapes for a Name« wegen Corona um acht Monate verschieben. Kurz danach begeisterten er und sein Team auf dem Bar Convent Berlin zahlreiche Menschen mit ihrem vom Bauhaus beeinflussten Pop-up. Unser Autor hat ihn in London zum Gespräch über die eigene Bar, das Berliner Gastspiel und natürlich über das Bauhaus getroffen. »DER LIEBE WEGEN« Foto: Constanze Fleischmann 34
Foto: Martin Stein Mixology: Lieber Remy, wir haben uns im Oktober 2020 bei dir zu Hause getroffen, und damals hattest du dich darauf gefreut, deine neue Bar etwa vier bis sechs Wochen später aufmachen zu dürfen … Remy Savage: (lacht) Ja, ja, und genau so ist das ja bekanntermaßen auch passiert … Wann war denn schließlich Eröffnung? Acht Monate später. Acht Monate nach meiner treffenden Prophezeiung. Irgendwann war das auch so eine Ego-Geschichte. Wir haben begonnen, so dieses und jenes zu machen, wir hatten eine Bar als Konzept, bevor sie schließlich physisch Gestalt annahm. Wir haben Drinks international verschickt, und zwar aus demselben Wohnzimmer heraus, in dem wir beide Schach gespielt haben, und wir haben in diesen acht Monaten glaube ich in mehr als 50 Länder Cocktails versandt, bis wir schließlich am 17. Mai endlich offiziell öffnen durften. Zumindest konntest du öffnen. Viele, gerade Neugründer, sind in diesen Zeiten untergegangen, bevor sie überhaupt an den Start gehen konnten. Du wirkst ja immer sehr offen und positiv, aber ich kann mir vorstellen, dass dir diese Zeit auch ziemlich an die Nieren gegangen ist. Wir hatten in einer Beziehung Glück, weil wir nur ein einziges Mitglied für das Team anheuern mussten, zusätzlich zu mir, meinem Geschäftspartner Paul Lougrat und der Barmanagerin Maria Kontorravdis, die schon ein Jahr vor der Eröffnung bei uns war. Das bedeutet, dass wir keine allzu hohen Fixkosten hatten, im Gegensatz zu vielen etablierten Läden, die auch noch versuchen mussten, ihr Personal zu halten. Außerdem habe ich dir ja erzählt, dass das hier früher einer der ersten ZUR PERSON Der Franzose mit irischen Wurzeln zählt seit Jahren zu den bekanntesten und innovativsten Bartendern Europas. Seit letztem Jahr ist er Mitbetreiber der namenlosen »Bar with Shapes for a Name« in London. Dönerläden Londons war, und insofern ist die Pacht hier nicht die fürchterlichste der Stadt. Und natürlich ist das hier im East End auch nicht Mayfair. Trotzdem war es nicht leicht. Ich hab’ halt nix mehr gegessen, aber es war eh mal Zeit für eine Diät. Und sogar günstige Londoner Mieten gelten in den allermeisten Orten der Welt als sauteuer. So hat man ständig Kosten, denen man hinterherläuft. Als international renommierter Bartender hattest du ja eventuell Möglichkeiten, Einkommen außerhalb des Barbetriebs zu generieren. Wie sah es denn damit aus? Nachdem die ganze Welt geschlossen hatte, war es damit natürlich auch Essig. All diese Dinge, Vorträge, Messen, großzügiges Sponsoring einer Marke, das fiel ja auch alles weg. Hattest du Angst? Nein. Es ist ja alles nur Geld, und Geld gibt es schließlich nicht, oder? Es wäre natürlich schade gewesen, wenn die Bar nicht hätte öffnen können, aber wir hätten uns bestimmt irgendwie angepasst. Ich glaube, auf bestimmte Weise passen wir uns nach wie vor an, schließlich haben wir ja auch erst acht oder neun Monate offen. Es ist tatsächlich viel mehr los als erhofft, was sehr schön ist und auch Paul und mir zugutekommt, weil wir beide nicht besonders gut mit Geld umgehen können und dazu neigen, in Kleinigkeiten zu investieren, die kaum jemandem auffallen, wir uns das aber der konzeptuellen Kohärenz wegen einbilden. Das Konzeptuelle war auch das, was uns an Berlin gereizt hat. Tatsächlich war euer Auftritt beim BCB äußerst eindrucksvoll. Eigentlich ging es ja anfangs nur um eine Gastschicht in der Green Door, aber ich dachte mir, das wäre doch schade, nur deswegen nach Berlin zu gehen, das zwar nicht gerade die Geburtsstätte des Bauhaus als Schule ist, sondern eher dessen Sterbezimmer. Jedenfalls war der BCB 2021 für uns als Bar der wichtigste Ort, an dem man sein konnte. Und dann habt ihr da einen ziemlichen Auftritt hingelegt. Ich fand das auch im Nachhinein sehr klug, gerade weil die Riesenstände der großen Firmen fehlten. Aber die Abwesenheit vieler, die üblicherweise glänzten, hat zwangsläufig deine Pop-up-Bar zum Epizentrum der Messe gemacht. Sehr nett, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das wahr ist. Auf jeden Fall. Schon allein das Ambiente, die Möbel … So großartig! Und darum ging es auch, weil wir, wenn wir unsere Vorstellung einer Bar vermitteln wollen, nicht zwangsläufig über Cocktails reden. Natürlich sind sie Bestandteil dessen, was wir hier anbieten, aber es ist doch sehr viel mehr. Weil wir da bei null angefangen haben, haben wir auch von Anfang an das Design mitgestaltet. Es hat riesigen Spaß gemacht, mit echten Möbelstücken aus der Zeit zu arbeiten, und auch die Leute vom BCB waren da unfassbar hilfreich, nachdem wir gesagt hatten, dass wir eben mal etwas ganz anderes wagen wollten. Und so wurde der Auftritt zu einem Highlight. Wer den Namen Remy Savage noch nicht gekannt haben sollte <strong>–</strong> mit dem BCB hat sich das sicher geändert. War der Werbeeffekt für die »Bar with Shapes for a Name« in diesem Maße erwartet oder gar beabsichtigt? Das ist alles sehr schmeichelhaft, aber wir hatten die Bar ja noch nicht lange, und man darf auch nicht vergessen, dass das auch mein erster eigener Laden ist und wir nicht wirklich wissen, was wir eigentlich tun. Man sperrt eigentlich keine Bar zu, die gerade einmal vier Monate offen hat, und macht sich mit dem ganzen Team auf die Reise. Ich sag das mal mit aller gebotenen Zurückhaltung: Hier arbeiten sechs Leute und zwei davon sind die Besitzer. Wir haben gar nicht die Möglichkeiten, etwaige Auswirkungen so einer Aktion objektiv zu erfassen. Wichtig war erstens wieder die konzeptuelle Kohärenz und zweitens mussten wir einfach den Andrang bewältigen, den wir so keinesfalls erwartet hatten. Mein Geschäftspartner aus Paris war da, wir haben uns freudig begrüßt, dann habe ich ihn in die Uniform gesteckt und ihm gesagt, dass er jetzt mitarbeiten muss. Anstatt der erwarteten 500 Drinks pro Tag haben wir 2000 gemacht, alles war weg und so hieß es gleich am ersten Abend, die Prep für den nächsten Tag zu machen, anstatt feiern zu gehen. Der neue Ort des BCB hat euch da ja auch sehr in die Karten gespielt. Genau. Die Architektur ist ja sehr vom Bauhaus inspiriert, was die Verwendung von Licht und Raum angeht, all das, auch mit Elementen des Art-Déco, das spricht alles miteinander, mit der Philosophie des Bauhaus. Ganz abgesehen von der historischen Verbindung ist der Veranstaltungsort selbst so aussagekräftig, bringt alles zum Leben. 35
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