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4/2010 - Leporello

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ühne<br />

Rezension<br />

Wie ein Stasi-iM: im Keller hat Klamm belastendes Material gesammelt, für<br />

jeden Schüler eine Mappe, für jeden Lehrer einen Ordner.<br />

20 l <strong>Leporello</strong><br />

Radio<br />

Opera<br />

lädt ein in den<br />

TOSCANA-SAAL DER RESIDENZ WÜRZBURG<br />

Samstag, 24. April <strong>2010</strong>, 19.30 Uhr<br />

zu einer besonderen Konzert-Lesung in französischer Sprache<br />

SOUS LE PONT MIRABEAU<br />

COULE LA SEINE<br />

BLAGOY APOSTOLOV<br />

liest Gedichte der Impressionisten und Surrealisten<br />

GUILLAUME APOLLINAIRE * PAUL VERLAINE<br />

ARTHUR RIMBAUD * STEPHANE MALLARME<br />

PAUL ELUARD * JACQUES PREVERT<br />

PROF. GISELLE HERBERT<br />

spielt an der Harfe Musik von<br />

CLAUDE DEBUSSY * ERIC SATIE U.A.<br />

Ausführliche Information und Karten im Internet:<br />

www.bayerische-kammeroper.de<br />

oder im Rathaus Veitshöchheim<br />

0931.9802727<br />

Amoklauf<br />

eines Lehrers<br />

„Klamms Krieg“ am E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg<br />

Sascha hat sich umgebracht, im<br />

Schulhof erhängt. Seine Mitschüler<br />

haben den Täter schnell<br />

ausgemacht: Ihr Deutschlehrer<br />

Klamm gab ihm nur fünf Punkte<br />

– sechs Punkte hätte Sascha gebraucht,<br />

um das Abitur zu bestehen.<br />

In einem Brief erklären sie<br />

Klamm den Krieg, verweigern jede<br />

Mitarbeit, schweigen in passiver<br />

Aggression. Der Lehrer rastet aus<br />

und zieht schließlich eine Waffe.<br />

Kai Hensels Monolog von 2000<br />

ist darauf ausgelegt, in Klassenzimmern<br />

gespielt zu werden, mit<br />

„echten“ Schülern als imaginäre<br />

Front gegen den Schauspieler.<br />

Das E.T.A.-Hoffmann-Theater<br />

zeigt es deshalb vormittags unter<br />

Ausschluss der Öffentlichkeit an<br />

Schulen, abends in Kulturzentren<br />

der Stadt. Dieser Monolog würde<br />

sicherlich auch auf einer Theaterbühne<br />

funktionieren. Dennoch<br />

war es eine gute Idee, mit dem<br />

Stück auf Wanderschaft zu gehen,<br />

in privatere Räume der Stadt, die es<br />

ermöglichen, ein kleines Publikum<br />

unmittelbar anzusprechen. Eine<br />

ebenso gute Idee war es, Klamm<br />

mit Gerhard Fehn zu besetzen.<br />

Denn Fehn war selbst viele Jahre<br />

lang Lehrer. Im Pressegespräch<br />

wird deutlich: Der Schauspieler<br />

weiß, wovon er spricht, benennt<br />

ganz klar die Misere eines jeden<br />

Lehrers: „Wenn du das Notenbüchlein<br />

rausziehst, bist du auf der<br />

anderen Seite, da kannst du so witzig<br />

und verständnisvoll sein wie du<br />

willst.“ Er spricht von den beiden<br />

Fronten, die es im Klassenzimmer<br />

immer gab und wahrscheinlich<br />

immer geben wird, um sogleich<br />

festzustellen: Fronten – das ist<br />

Kriegsvokabular. Unterricht ist, so<br />

pädagogisch und idealistisch der<br />

Lehrer auch ist, immer ein Kampf.<br />

Um diesen Kampf, wenn auch<br />

in einer extremen Form, geht es<br />

in „Klamms Krieg“. Fehns Spiel<br />

zwingt den Zuschauer bereits<br />

nach Minuten in die Auseinandersetzung:<br />

Man kann seine Wut<br />

verstehen, ahnt irgendwo hinter all<br />

dem widerlichen Geschrei den Idealisten.<br />

Und wird doch selbst wütend<br />

ob der Heuchelei des Lehrers.<br />

Man muss lachen über Klamm und<br />

erwartet beinahe, gleich einen Verweis<br />

wegen Unaufmerksamkeit zu<br />

bekommen. Bei vermutlich allen –<br />

sollten sie nicht Schüler oder Lehrer<br />

sein – werden Erinnerungen an<br />

die eigene Schulzeit wach. Diese<br />

Erinnerungen und den Diskussionsbedarf,<br />

der durch das Stück<br />

entsteht, versuchen Gerhard Fehn<br />

und die Dramaturgin Anja Simon<br />

aufzufangen, indem sie nach jeder<br />

Aufführung die Möglichkeit<br />

zum Gespräch geben – die dritte<br />

gute Idee. Denn es ist nicht nur bei<br />

Schulklassen angebracht, darüber<br />

zu reden, ob und wie das System<br />

Schule aggressive Außenseiter auf<br />

beiden Seiten des Pults produziert.<br />

Das haben die bisherigen Aufführungen<br />

gezeigt. Denn da blieben<br />

bewegte – auch sehr wütende –<br />

Zuschauer noch lange sitzen und<br />

hatten Einiges zu sagen.<br />

Marie Gunreben<br />

Foto: inGrid rose<br />

Karten unter telefon 0951.873030<br />

Sollten Sie „Klamms Krieg“ in ihrer<br />

Schule oder ihrem Kulturzentrum anbieten<br />

wollen, erreichen Sie Anja Simon<br />

unter theaterpädagogik@stadt.bamberg.de<br />

oder unter 0951.873024.

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