Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.) Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

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19.05.2022 Aufrufe

DEEP DIVE74Von derUmfrage zurModellierungChristopher WeißChristopher Weiß und Team 1 wollten wissen, wiedie Beschäftigten der Software AG zu InverserTransparenz stehen und was es braucht, um dasKonzept erfolgreich umzusetzen. Gemeinsamhaben sie quantitativ und qualitativ geforschtund die wichtigsten Parameter identifiziert.Herr Weiß, wie haben Sie sich dem Konzept derInversen Transparenz genähert?In unserem Team ging es hauptsächlich um die menschlichenAspekte. Wir wollten vermitteln, was Inverse Transparenz bedeutet,und die Haltungen, Erwartungen und Bedenken derBeschäftigten zu diesem Konzept evaluieren. Im Hinterkopfhatten wir immer: Sollte man es überhaupt umsetzen, wennja, wie und welche Auswirkungen würde es haben?Wie sind Sie methodisch vorgegangen?Wir haben uns zunächst ein Anwendungsszenario gesucht,mit dem wir Inverse Transparenz theoretisch erforschenkönnen – eine Skilldatenbank mit integrierter Expertensucheals hypothetische Erweiterung der Jira-Anwendung iTrac.Wir sind von der Annahme ausgegangen, dass das ThemaSkill-Management sich aus zwei Gründen eignet. Zum einen,weil es um persönliche und vertrauliche Daten geht. Zum anderen,weil es insgesamt kontrovers diskutiert wird. Es warein Gedankenexperiment, an dem wir alles Weitere orientierthaben.Wie haben Sie dieses Gedankenexperiment dannweiterverfolgt?Als nächstes haben wir mit methodischer Unterstützung vonRahild Neubauer und Maren Gierlich-Joas, unseren Projektpartnerinnenvon der LMU, eine Umfrage durchgeführt, diedie iTrac-Nutzenden in den Bereichen R&D und Support anden deutschen Standorten der Software AG adressiert hat.III PRAXIS

Für diese Erhebung haben wir zum einen auf genormte Fragenzurückgegriffen, zum anderen mit Blick auf das ThemaSkill-Management-System eigene Fragen konzipiert. Vonrund 620 Mitarbeitenden, die wir eingeladen haben, habenam Ende 154 teilgenommen. Das ist ein sehr guter Rücklauf.Was stand im Fokus der Umfrage?Wir haben drei übergeordnete inhaltliche Kategorien definiertund mittels Multiple Choice und Single Choice, aber auch vielerFreitextfelder abgefragt: die Wahrnehmung der Führungskulturdurch die Beschäftigten, das Thema Skill-Managementund das Thema Datenschutz & Transparenz. Die zentrale Frage,die wir losgelöst von den anderen am Ende gestellt habenund auf die sich die komplexeren Analysen beziehen, war:„Empfinden Sie die Einführung eines Skill-Management-Systemsals Erweiterung zum iTrac-System als Verbesserung?“In der Psychologie nennen wir eine solche Frage die abhängigeVariable.Wie verlief dann die Analyse?Als erstes haben wir alle Multiple- und Single-Choice-Fragenausgewertet – um überhaupt ein Gefühl für die Stichprobeund die allgemeine Stimmung, die sie widerspiegelt, zu bekommen.Hier zeigte sich zum Beispiel, dass die Befragtenweitgehend zufrieden waren mit der Vertrauenskultur und derPersonalführung im Unternehmen. Dann haben wir die Korrelationenberechnet, das heißt, nach den Wechselbeziehungenzwischen der abhängigen Variablen und den anderen Fragengesucht. Da wurde unter anderem schnell klar: Wem einSkill-Management-System Sorgen bereitet, der hält es auchfür sinnlos, ein solches System einzuführen. Um tiefer gehenzu können, haben wir dann eine Clusteranalyse durchgeführt.Haben Sie auch qualitativ geforscht?Ja. Wir haben in zwei Workshops mit Mitarbeitenden, Führungskräftenund Angehörigen des Betriebsrats aus unterschiedlichenUnternehmensbereichen unser Szenario technischund inhaltlich testen lassen. Diese Evaluation hat unsgezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, weil die Ergebnisseder quantitativen Forschung mit denen der qualitativenForschung übereinstimmen.Welche Erfolgskriterien für Inverse Transparenzkonnten Sie identifizieren und wie kannman sie positiv beeinflussen?Der erste entscheidende Erfolgsfaktor ist die Vertrauenskultur.Unsere Auswertung zeigt, dass viele Beschäftigte zwardas Gefühl haben, dass die Daten bei der Software AG sichersind, aber nicht wissen, welche Daten das Unternehmen vonihnen speichert. Die Inhalte der gesammelten Daten solltenalso klarer kommuniziert und zugänglich gemacht werden.Dadurch würde die bereits stark vorhandene Vertrauenskulturinnerhalb der Software AG gestärkt und erweitert werden.Zweites wichtiges Thema: die Dateneigentümerschaft. DieBeschäftigten wollen die Kontrolle über die eigenen Daten.Das heißt, sie sollten sehen können, wer wie oft und warumauf ihre Skill-Daten zugegriffen hat. Für die Einführung eineshypothetischen Skill-Management-Systems müsste dasUnternehmen drittens den Privatheitsbedenken der MitarbeitendenRechnung tragen, indem es unter Beteiligung desBetriebsrats transparente Regeln für die Datenauswertungschafft und den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, die eigenen,automatisiert erstellten Skill-Profile zu korrigieren.Das Gespräch führte Dr. Jutta Witte75Was bedeutet das?Hierbei untersucht man mit Hilfe spezieller Cluster-Algorithmen,wie jeder und jede Teilnehmende auf alle Fragengeantwortet hat, und teilt die Stichprobe auf dieser Basis inGruppen ein. Die abhängige Variable lässt man zunächst außenvor. In unserem Fall kristallisierten sich zwei in etwa gleichstarke Gruppen heraus – die wir die Skeptiker-Gruppe und dieGruppe der tendenziellen Befürworter tauften. Beide Gruppenhaben wir dann mit Blick auf die abhängige Variable weiteranalysiert und mithilfe einer idealtypischen Person nähercharakterisiert und beschrieben. Anschließend haben wir aufBasis unserer Daten ein statistisches Modell entwickelt, dasRückschlüsse darauf zulässt, welche Faktoren die Akzeptanzeines Skill-Management-Systems beeinflussen.III PRAXIS

DEEP DIVE

74

Von der

Umfrage zur

Modellierung

Christopher Weiß

Christopher Weiß und Team 1 wollten wissen, wie

die Beschäftigten der Software AG zu Inverser

Transparenz stehen und was es braucht, um das

Konzept erfolgreich umzusetzen. Gemeinsam

haben sie quantitativ und qualitativ geforscht

und die wichtigsten Parameter identifiziert.

Herr Weiß, wie haben Sie sich dem Konzept der

Inversen Transparenz genähert?

In unserem Team ging es hauptsächlich um die menschlichen

Aspekte. Wir wollten vermitteln, was Inverse Transparenz bedeutet,

und die Haltungen, Erwartungen und Bedenken der

Beschäftigten zu diesem Konzept evaluieren. Im Hinterkopf

hatten wir immer: Sollte man es überhaupt umsetzen, wenn

ja, wie und welche Auswirkungen würde es haben?

Wie sind Sie methodisch vorgegangen?

Wir haben uns zunächst ein Anwendungsszenario gesucht,

mit dem wir Inverse Transparenz theoretisch erforschen

können – eine Skilldatenbank mit integrierter Expertensuche

als hypothetische Erweiterung der Jira-Anwendung iTrac.

Wir sind von der Annahme ausgegangen, dass das Thema

Skill-Management sich aus zwei Gründen eignet. Zum einen,

weil es um persönliche und vertrauliche Daten geht. Zum anderen,

weil es insgesamt kontrovers diskutiert wird. Es war

ein Gedankenexperiment, an dem wir alles Weitere orientiert

haben.

Wie haben Sie dieses Gedankenexperiment dann

weiterverfolgt?

Als nächstes haben wir mit methodischer Unterstützung von

Rahild Neubauer und Maren Gierlich-Joas, unseren Projektpartnerinnen

von der LMU, eine Umfrage durchgeführt, die

die iTrac-Nutzenden in den Bereichen R&D und Support an

den deutschen Standorten der Software AG adressiert hat.

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