19.05.2022 Aufrufe

Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

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REPORTAGE

70

Vom

Konzept

zum Use

Case

Wie Mitarbeitende

der Software AG

Inverse Transparenz

in die Praxis bringen

Als das Praxislaboratorium „Inverse Transparenz“ der Software

AG im August 2020 an den Start ging, wusste niemand, wo die

Reise hinführen würde. Am Ende lagen Tools und Use Cases

auf dem Tisch, die zeigen: Die im Arbeitsprozess anfallenden

Daten souverän zu nutzen ist voraussetzungsvoll, aber es

funktioniert. Ein Rückblick auf die Gestaltungsarbeit von zwei

Labteams aus Software entwicklerinnen und -entwicklern,

die selbst die COVID-19-Pandemie nicht aus dem Konzept

bringen konnte und die komplett remote unterwegs waren.

Angenommen, eine Supportmitarbeiterin namens

Judith bekommt über das Ticketing-System Jira einen

Vorgang zur Bearbeitung, der sich um die Schnittstelle

zwischen der Unternehmenssoftware ARIS

und der Cloudplattform Cumulocity IoT dreht. Das Thema ist für

sie neu und sie sucht in der Software AG nach Kolleginnen und

Kollegen, die sich bereits besser damit auskennen. Jira würde

eine solche Expertensuche möglich machen. Judith könnte auf

der Basis der dort erzeugten Daten fragen, wer bereits Tickets zu

den Themen ARIS und Cumulocity IoT bearbeitet hat, und dann

Kontakt aufnehmen. Denn das Tool dokumentiert nicht nur jeden

Vorgang, sondern auch die Menschen, die damit zu tun haben,

und wie sie ihn bearbeiten. Alle Aufgaben, Arbeitsschritte und

auch Fehler sind hier digital „verzettelt“ und können personal

zugeordnet werden. Macht dies Judith und alle anderen im

Support zu „gläsernen Mitarbeitenden“, die laufend getrackt

werden? Oder bietet die Transparenz, die Jira herstellt, ihnen

neue Möglichkeiten, die eigene Arbeit und die des gesamten

Teams besser zu gestalten?

Ein Gestaltungsdilemma auflösen

Der Anwendungsfall „Supporter-Suche“, den Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter aus den Bereichen Research & Development sowie

Support der Software AG im Rahmen des Betrieblichen Praxislaboratoriums

„Inverse Transparenz“ entwickelt haben, ist nicht

irgendein theoretisches Szenario. Er basiert auf den konkreten

Arbeitserfahrungen der Beteiligten. Und er veranschaulicht gut,

welches Gestaltungsdilemma die datenbasierte Transparenz in

der Arbeitswelt hervorruft. Das Konzept der Inversen Transparenz

könnte dieses Dilemma auflösen. Denn gemäß dem Prinzip „watch

the watcher“ ermöglicht es den Beschäftigten zum einen, die Erhebung

und Nutzung von Daten nachzuvollziehen, zu kontrollieren

und zu problematisieren. Zum anderen zielt es darauf ab, Mitarbeitende

zu befähigen, sich die im Arbeitsprozess anfallenden

Daten anzueignen und sie souverän nutzen zu lernen. Die beiden

Labteams wollten wissen, ob und vor allem wie diese Idee in der

betrieblichen Praxis umgesetzt werden kann – ein komplexes

Vorhaben. Wer die Diskussionen im Laboratorium verfolgt hat,

bekam schnell ein Gefühl davon, wie vielschichtig die Fragen sind,

die auftauchen, wenn man die intelligente Nutzung von Daten in

Einklang bringen will mit den Schutzrechten der Beschäftigten.

Es zeigte sich schnell, dass es dabei um weit mehr geht als um

die Bewältigung technischer Herausforderungen. Auf die Agenda

rückten mehr und mehr auch juristische, soziale und nicht zuletzt

interessenpolitische Fragestellungen.

III PRAXIS

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