Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
souverän verfügen zu können, und ohne die Sicherheit, nicht
überwacht und kontrolliert zu werden, werden sich Beschäftigte
kaum ohne Vorbehalte und mit echter Überzeugung in eine
neue Informationsökonomie einbringen.
Klar ist: Die konkrete Umsetzung von Inverser Transparenz
in der Praxis ist ein voraussetzungsreicher Prozess, der seinerseits
grundlegende Innovationen erfordert: Die Herausforderungen
reichen dabei …
• … von fälschungssicheren IT-Systemen, die das Prinzip
Watch-the-Watcher technisch überhaupt erst möglich
machen,
• … über die Schaffung neuer Führungskulturen jenseits von
Mikro-Management und Command-and-Control …
• … bis hin zu von Betriebsräten getragenen kollektiven Regelungen,
die neu entstehende Beteiligungsmöglichkeiten von
Beschäftigten in der Arbeitswelt mit ihren asymmetrischen
Machtverhältnissen zuverlässig und krisenfest absichern.
Um diesen vielversprechenden Ansatz weiter voranzubringen,
muss deshalb auch die Forschung bereit sein, neue Wege zu
gehen. Unabdingbar ist auf der einen Seite ein interdisziplinärer
Zugang, der die Grundlagenforschung verschiedener
Disziplinen wie Informatik, Betriebswirtschaftslehre,
Rechtswissenschaften und Arbeitssoziologie integriert. Auf
der anderen Seite braucht es jedoch auch eine neue Qualität
der Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Neue Formen
Neue Formen der Inversen Transparenz
müssen in der Praxis der
Arbeitswelt selbst zur Anwendung
gebracht und erprobt werden
der Inversen Transparenz lassen sich nicht im akademischen
Elfenbeinturm entwerfen, sondern müssen in der Praxis
der Arbeitswelt selbst zur Anwendung gebracht und erprobt
werden. Diesen Anspruch haben wir unserem Forschungsprojekt
zugrunde gelegt. Es ist ebenso interdisziplinär wie praxisorientiert
ausgerichtet und integriert damit alle skizzierten
Perspektiven.
32
Endnoten
a
b
Die Anerkennung der besonderen Lage des Arbeitnehmers bildet den Hintergrund für das Arbeitsrecht. Es dient explizit dem Schutz des
Arbeitsnehmers und geht über die allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches hinaus, das die Rechtsbeziehungen zwischen
gleichrangigen Rechtssubjekten regelt.
Die Entwicklung der doppelten Buchführung in den Handelsgesellschaften seit dem 15. Jahrhundert bildet historisch einen wichtigen
Grundstein für die Durchsetzung kapitalistischer Unternehmen. Mit diesem Meilenstein in der Herausbildung von Informationssystemen
wurde begonnen, die Bewegung und den Fluss von Waren auf der Informationsebene systematisch zu erfassen und in Wertströmen nachzubilden.
Ziel war es, das Geschehen in zunehmend komplexeren und örtlich verteilten Organisationen sichtbar und so zentral steuerbar zu machen.
Die aufstrebenden Unternehmen des frühen Kapitalismus machten sich diese Technik schnell zu eigen und wendeten sie auch auf ihre internen
organisationellen Abläufe an. Erst die damit erzeugte Transparenz machte das „Kapital“ zu einem „strategiefähigen“ Akteur (siehe
Bechtle 3 ).
4_ Referenzen
1 Baethge, M. & Oberbeck, H. Zukunft der Angestellten – Neue Technologien und berufliche Perspektiven in Büro und Verwaltung.
Campus, 1986.
2 Baukrowitz, A. & Boes, A. Arbeit in der „Informationsgesellschaft“. Einige grundsätzliche Überlegungen aus einer (fast schon) ungewohnten
Perspektive. In Schmiede, R. (Hrsg.): Virtuelle Arbeitswelten. Arbeit, Produktion und Subjekt in der „Informationsgesellschaft“.
Edition Sigma, 1996, 129–158.
3 Bechtle, G. Betrieb als Strategie. Theoretische Vorarbeiten zu einem industriesoziologischen Konzept. Campus, 1980.
4 Brin, D. The transparent society. Wired, 4/12 (1996). https://www.wired.com/1996/12/ fftransparent/.
5 Brin, D. The transparent society. Will technology force us to choose between privacy and freedom? Perseus, 1998.
II – BERICHTE