Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
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die Automobilbranche zeigen, dass selbst in der klassischen
Industrie der Umgang mit digitalen Daten zum entscheidenden
Wettbewerbskriterium wird (vgl. Boes & Ziegler 10 ).
In der Folge verändern sich die Innovationsprozesse in
der Wirtschaft grundlegend. Digitale Daten werden zu einem
Motor permanenten Lernens. Die bei der Wertschöpfung,
aber auch bei der Nutzung und im Betrieb ununterbrochen
anfallenden Daten – ob sie nun von den Sensoren einer Gasturbine,
einem mit dem Internet verbundenen Auto oder einem
Streaming-Portal wie Netflix erzeugt werden – können genutzt
werden, um Produkte, Dienstleistungen und die zu Grunde
liegenden Algorithmen kontinuierlich zu verbessern. Informatisierung
wird damit zum permanenten Innovationsimpuls in der
Informationsökonomie – und die damit erzeugte Transparenz
zu einem Basisprinzip ihrer Innovationskulturen.
Auch in einer datengetriebenen Informationsökonomie
gilt jedoch weiterhin: Innovationen und neue Geschäftsmodelle
sind das Ergebnis menschlicher Arbeit. Im Arbeitsprozess
werden Daten von Beschäftigten „veredelt“, in Information
verwandelt und für konkrete Innovationen genutzt. Für immer
mehr Menschen werden digitale Daten so zu einem zentralen
Arbeitsgegenstand. Und nicht zuletzt die Erfahrungen in den
Corona-Lockdowns zeigen, dass der digitale Informationsraum
für einen großen Anteil der Beschäftigten zur zentralen
Bezugsebene von Arbeit, mithin einem „neuen Raum der Produktion“
(Boes 6 ) geworden ist.
Diese soziologische, informatisierungstheoretische Perspektive
macht den Handlungsbedarf, die Herausforderungen
und die Brisanz einer neuen Gestaltung von Transparenz in der
Arbeitswelt deutlich. Augenfällig werden die dabei systematisch
angelegten, gegenläufigen Entwicklungstendenzen: Auf
der einen Seite steigen die Gefahren von Kontrolle und Überwachung
in der Informationsökonomie. Selbst hochqualifizierte
Tätigkeiten finden heute im digitalen Informationsraum statt
und werden in neuer Qualität informatorisch durchdrungen.
Neuen, marktförmig organisierten Kontrollformen und einem
„System permanenter Bewährung“ (Boes & Bultemeier 8 ), die
heute euphemistisch oft als „gamification“ bezeichnet werden,
wird so der Boden bereitet. Auf der anderen Seite entstehen
jedoch auch neue emanzipative Potenziale und Chancen für
eine nachhaltige Gestaltung einer digitalen Arbeitswelt. Die
Innovationsdynamik führt zu neuen Anforderungen an die
Organisation von Arbeit selbst, die neue Spielräume für Empowerment
in der Arbeitswelt öffnen können. Gefragt sind nun
nicht mehr starre Strukturen und das repetitive Abarbeiten von
immer gleichen Prozessen, sondern agile Ansätze, die permanente
Innovation ermöglichen und die Menschen befähigen,
aus Daten wirklich Wert zu schöpfen.
3_ Mit Inverser Transparenz einen Perspektivenwechsel
wagen
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Aufbauend auf diesen Überlegungen steht Inverse Transparenz
dafür, im Umbruch zur Informationsökonomie nach neuen Wegen
im Umgang mit Transparenz in der Arbeitswelt zu suchen.
Ausgangspunkt dafür ist die neue Qualität der Informatisierung
der Welt und der damit verbundene neue Stellenwert von
Daten für die Wertschöpfung. Das Spannungsfeld zwischen
dem Schutz vor Kontrolle und der Entfaltung von Innovationspotenzialen
führt in der Praxis zu immer neuen Widersprüchen
und Gestaltungsdilemmata. Dies macht neue Ansätze und
einen wirklichen Perspektivenwechsel notwendig.
Der Blick auf die Geschichte der Informatisierung
zeigt, dass die bisher bestimmende Praxis der betrieblichen
Ausgestaltung und Aushandlung von Transparenz sehr eng
verbunden ist mit dem Taylorismus und den Prinzipien der
„wissenschaftlichen Betriebsführung“. Sie ist Ausdruck der
entsprechenden Kontrollstrategien des Managements, der
betrieblichen Herrschaftsverhältnisse und der damit verbundenen
Interessenauseinandersetzungen. Im Zeitalter
des bürokratisch-fordistischen Unternehmens hat sich in
der Arbeitswelt ein spezifischer, bis heute prägender Modus
der Schaffung, Nutzung und Einhegung von Transparenz
herausgebildet. Komplementär zur hierarchischen, pyramidenförmigen
Struktur der Organisation wirkt Transparenz in
der Folge nur in eine Richtung und ist top-down ausgerichtet
(siehe Abbildung 1).
II – BERICHTE