19.05.2022 Aufrufe

Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

16

Im Fokus steht dabei vor allem die neue Qualität der

Transparenz, die Einzug in unser aller Leben hält, und das

damit einhergehende Kontroll- und Beherrschungspotenzial.

Schließlich hinterlassen wir bei nahezu sämtlichen Tätigkeiten

einen Datenschatten – als Konsumenten, zum Beispiel beim

Shoppen im Internet, der Nutzung von Social Media oder Streamingdiensten,

aber vor allem auch als Beschäftigte in einer

durchdigitalisierten Arbeitswelt; man denke nur an die unzähligen

Kommunikations- und Kollaborationsumgebungen wie

Microsoft Teams, Google Workspace, Zoom oder TeamViewer,

die spätestens seit der Corona-Pandemie den Arbeitsalltag

vieler Beschäftigtengruppen strukturieren und diesen in bisher

ungeahntem Ausmaß durchleuchtbar machen.

Die ambivalente Gemengelage verdeutlicht: Gesellschaft,

Politik und Wirtschaft ringen aktuell darum, einen Umgang mit

Daten und der damit einhergehenden Transparenz zu entwickeln.

Die Logik „entweder Datenschutz oder Datenökonomie“

manövriert uns in eine Sackgasse – beides ist unverzichtbar.

Die zentrale Gestaltungsfrage lautet also: Wie kann es gelingen,

die intelligente Nutzung von Daten zu ermöglichen, um sie

Innovation und Wertschöpfung zugänglich zu machen, und sie

gleichzeitig mit dem Schutz „sensibler“ Daten – und den damit

verbundenen Werten, Rechten und Selbstentfaltungsmöglichkeiten

– in Einklang zu bringen?

Zunächst müssen wir aber einen Schritt zurückgehen. Um

Ansatzpunkte für einen nachhaltigen Umgang mit datenbasierter

Transparenz zu finden, braucht es ein Verständnis von den

tieferliegenden Veränderungsprozessen, die sich gegenwärtig

in der Wirtschaft vollziehen. Und wir müssen die Auswirkungen

auf die Arbeitswelt in den Blick nehmen, weil hier – im „Maschinenraum“

datenbasierter Innovationen – die Chancen und

Risiken datenbasierter Transparenz in zugespitzter Form zum

Tragen kommen.

Den Umbruch verstehen: Paradigmenwechsel

„Informationsökonomie“

Die Bedeutungszunahme von Daten ist zentrales Moment

eines Paradigmenwechsels in der Wirtschaft. Im Übergang zur

„Informationsökonomie“ zeichnet sich eine grundlegende Veränderung

in der Art und Weise des Wirtschaftens ab – ähnlich

dem Übergang von der Manufaktur zur großen Industrie. Ausgangspunkt

hierfür sind jedoch nicht einfach die Verbreitung

digitaler Technologien oder steigende Rechen- und Datenverarbeitungskapazitäten.

Entscheidend ist vielmehr der Aufstieg

des Internets zu einem global verfügbaren „Informationsraum“.

Mit ihm ist eine neue gesellschaftliche Handlungsebene entstanden,

welche das soziale Handeln von Menschen aneinander

anschlussfähig macht und digital abbildet. Das vielfältige Tun

und Treiben im Informationsraum – von Webseitenbesuchen

und einzelnen Klicks über die Abwicklung von Geschäftstransaktionen

bis hin zu Sprachnachrichten – erzeugt im Selbstlauf

Wir hinterlassen auch als

Beschäftigte bei nahezu

sämtlichen Tätigkeiten einen

Datenschatten.

gigantische Datenmengen, die analysiert und verarbeitet

werden können.

Mit dem Vordringen des World Wide Web bis in die Poren

der Lebenswelt erreicht die Informatisierung der Gesellschaft

eine neue Qualität: Daten durchdringen heute (fast) alles, was

wir tun, und erzeugen ein immer detailgetreueres Abbild der

materiell-stofflichen Welt. Das enorme ökonomische Verwertungspotenzial

dieser Entwicklung hat auch die Wirtschaft

längst erkannt. Vorreiter-Unternehmen wie die US-amerikanischen

und chinesischen Tech-Unternehmen orientieren mit

ihren Strategien darauf, die Möglichkeiten der Datafizierung

auszuschöpfen. Sie denken Wertschöpfung ausgehend vom

Informationsraum neu, nutzen die darin erzeugten Daten als

Produktionsmittel und revolutionieren damit die Wirtschaft.

Dabei folgen sie im Wesentlichen drei Prinzipien:

• Aus Daten Wert schaffen: Die Unternehmen machen die

im Informationsraum entstehenden Daten zum Ausgangspunkt

ihrer Wertschöpfung. Ein anschauliches Beispiel

liefert Google Maps. Der Online-Dienst stellt auf Basis der

Bewegungsdaten von Handy-Nutzern ein leistungsfähiges

Navigationssystem zur Verfügung, das auf Echtzeit-Basis

optimale Routen für seine Anwenderinnen und Anwender

berechnet. Tech-Konzerne wie Alphabet haben ein Instrumentarium

für die kontinuierliche Erzeugung, Speicherung

und Verarbeitung von Daten entwickelt und dieses in ihre

Produkte, Plattformen und Dienste integriert. So generieren

sie einen permanenten Datenstrom, der analysiert und

ausgewertet werden kann. Diese Praxis versetzt sie in die

Lage, auf vielfältigste Weise Wert zu schaffen (sei es durch

die Entwicklung neuer Produkte oder die Optimierung ihrer

Dienste) und Profite zu erwirtschaften.

• Daten als Motor permanenten Lernens nutzen: Tech-Unternehmen

verwenden die im Informationsraum gewonnenen

(Nutzungs-)Daten als Ausgangspunkt für die Entwicklung

neuer und die Verbesserung bestehender Produkte oder

I – EINFÜHRUNG

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!