Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)
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Im Fokus steht dabei vor allem die neue Qualität der
Transparenz, die Einzug in unser aller Leben hält, und das
damit einhergehende Kontroll- und Beherrschungspotenzial.
Schließlich hinterlassen wir bei nahezu sämtlichen Tätigkeiten
einen Datenschatten – als Konsumenten, zum Beispiel beim
Shoppen im Internet, der Nutzung von Social Media oder Streamingdiensten,
aber vor allem auch als Beschäftigte in einer
durchdigitalisierten Arbeitswelt; man denke nur an die unzähligen
Kommunikations- und Kollaborationsumgebungen wie
Microsoft Teams, Google Workspace, Zoom oder TeamViewer,
die spätestens seit der Corona-Pandemie den Arbeitsalltag
vieler Beschäftigtengruppen strukturieren und diesen in bisher
ungeahntem Ausmaß durchleuchtbar machen.
Die ambivalente Gemengelage verdeutlicht: Gesellschaft,
Politik und Wirtschaft ringen aktuell darum, einen Umgang mit
Daten und der damit einhergehenden Transparenz zu entwickeln.
Die Logik „entweder Datenschutz oder Datenökonomie“
manövriert uns in eine Sackgasse – beides ist unverzichtbar.
Die zentrale Gestaltungsfrage lautet also: Wie kann es gelingen,
die intelligente Nutzung von Daten zu ermöglichen, um sie
Innovation und Wertschöpfung zugänglich zu machen, und sie
gleichzeitig mit dem Schutz „sensibler“ Daten – und den damit
verbundenen Werten, Rechten und Selbstentfaltungsmöglichkeiten
– in Einklang zu bringen?
Zunächst müssen wir aber einen Schritt zurückgehen. Um
Ansatzpunkte für einen nachhaltigen Umgang mit datenbasierter
Transparenz zu finden, braucht es ein Verständnis von den
tieferliegenden Veränderungsprozessen, die sich gegenwärtig
in der Wirtschaft vollziehen. Und wir müssen die Auswirkungen
auf die Arbeitswelt in den Blick nehmen, weil hier – im „Maschinenraum“
datenbasierter Innovationen – die Chancen und
Risiken datenbasierter Transparenz in zugespitzter Form zum
Tragen kommen.
Den Umbruch verstehen: Paradigmenwechsel
„Informationsökonomie“
Die Bedeutungszunahme von Daten ist zentrales Moment
eines Paradigmenwechsels in der Wirtschaft. Im Übergang zur
„Informationsökonomie“ zeichnet sich eine grundlegende Veränderung
in der Art und Weise des Wirtschaftens ab – ähnlich
dem Übergang von der Manufaktur zur großen Industrie. Ausgangspunkt
hierfür sind jedoch nicht einfach die Verbreitung
digitaler Technologien oder steigende Rechen- und Datenverarbeitungskapazitäten.
Entscheidend ist vielmehr der Aufstieg
des Internets zu einem global verfügbaren „Informationsraum“.
Mit ihm ist eine neue gesellschaftliche Handlungsebene entstanden,
welche das soziale Handeln von Menschen aneinander
anschlussfähig macht und digital abbildet. Das vielfältige Tun
und Treiben im Informationsraum – von Webseitenbesuchen
und einzelnen Klicks über die Abwicklung von Geschäftstransaktionen
bis hin zu Sprachnachrichten – erzeugt im Selbstlauf
Wir hinterlassen auch als
Beschäftigte bei nahezu
sämtlichen Tätigkeiten einen
Datenschatten.
gigantische Datenmengen, die analysiert und verarbeitet
werden können.
Mit dem Vordringen des World Wide Web bis in die Poren
der Lebenswelt erreicht die Informatisierung der Gesellschaft
eine neue Qualität: Daten durchdringen heute (fast) alles, was
wir tun, und erzeugen ein immer detailgetreueres Abbild der
materiell-stofflichen Welt. Das enorme ökonomische Verwertungspotenzial
dieser Entwicklung hat auch die Wirtschaft
längst erkannt. Vorreiter-Unternehmen wie die US-amerikanischen
und chinesischen Tech-Unternehmen orientieren mit
ihren Strategien darauf, die Möglichkeiten der Datafizierung
auszuschöpfen. Sie denken Wertschöpfung ausgehend vom
Informationsraum neu, nutzen die darin erzeugten Daten als
Produktionsmittel und revolutionieren damit die Wirtschaft.
Dabei folgen sie im Wesentlichen drei Prinzipien:
• Aus Daten Wert schaffen: Die Unternehmen machen die
im Informationsraum entstehenden Daten zum Ausgangspunkt
ihrer Wertschöpfung. Ein anschauliches Beispiel
liefert Google Maps. Der Online-Dienst stellt auf Basis der
Bewegungsdaten von Handy-Nutzern ein leistungsfähiges
Navigationssystem zur Verfügung, das auf Echtzeit-Basis
optimale Routen für seine Anwenderinnen und Anwender
berechnet. Tech-Konzerne wie Alphabet haben ein Instrumentarium
für die kontinuierliche Erzeugung, Speicherung
und Verarbeitung von Daten entwickelt und dieses in ihre
Produkte, Plattformen und Dienste integriert. So generieren
sie einen permanenten Datenstrom, der analysiert und
ausgewertet werden kann. Diese Praxis versetzt sie in die
Lage, auf vielfältigste Weise Wert zu schaffen (sei es durch
die Entwicklung neuer Produkte oder die Optimierung ihrer
Dienste) und Profite zu erwirtschaften.
• Daten als Motor permanenten Lernens nutzen: Tech-Unternehmen
verwenden die im Informationsraum gewonnenen
(Nutzungs-)Daten als Ausgangspunkt für die Entwicklung
neuer und die Verbesserung bestehender Produkte oder
I – EINFÜHRUNG