19.05.2022 Aufrufe

Forschungsreport Daten – Innovation – Privatheit

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

Mit Inverser Transparenz das Gestaltungsdilemma der digitalen Arbeitswelt lösen. Forschungsreport von Andreas Boes, Thomas Hess, Alexander Pretschner, Tobias Kämpf, Elisabeth Vogl (Hrsg.)

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Alexander Pretschner: Und die Technologien, die diese Daten analysieren

und korrelieren, entwickeln sich immer weiter. Wie oft

hat man in Slack geliket? Das ist dann ein Positivindikator. Oder

es werden Sentimentanalysen von E-Mails erstellt. Da entstehen

schon wirklich bedenkliche Szenarien. Gleichzeitig müssen wir uns

fragen: Korreliert das alles mit der echten Welt? Verbieten kann

man das Datensammeln nicht. Mein Punkt ist: Es gibt durchaus

nützliche Daten. Die müssen wir lokalisieren und ihre Nutzung in

einem Zusammenspiel von technischen und organisatorischen

Prozessen gestalten.

Ein eigenes Gesetz für den Beschäftigtendatenschutz

rückt gerade wieder auf die politische

Agenda. Kann Inverse Transparenz einen fairen

Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und

Arbeitnehmern fördern?

Thomas Hess: Die Erfahrungen, die wir mit unserem Praxislaboratorium

bei der Software AG gemacht haben, zeigen das aus meiner

Sicht durchaus. Wir haben dort nach sinnvollen Anwendungsfällen

für dieses Konzept gesucht, die für beide Seiten vorteilhaft sind,

und eine Einigung auf der betrieblichen Ebene gefunden. Daraus

kann man lernen, dass man ein solch breit angelegtes Thema nicht

unbedingt in ein Gesetz gießen muss. Sondern dass es vielleicht

auch sinnvoll sein kann, auf den Sachverstand der Akteurinnen

und Akteure in den Betrieben zu setzen.

Braucht man überhaupt ein solches Gesetz?

Andreas Boes: Meine persönliche Meinung ist: Wir brauchen eine

spezielle gesetzliche Grundlage im Bereich des Beschäftigtendaten

schutzes, weil Beschäftigte in einer anderen Position sind

als normale Bürger und Bürgerinnen in der Gesellschaft. Ich glaube

nicht daran, dass sich die Machtasymmetrien in der Arbeitswelt

auflösen. Darüber muss man sich die Karten legen. Entscheidend

wird am Ende sein, dass man den Beschäftigtenstatus koppelt

an eine Mitbestimmungskultur, die in Inverser Transparenz, wenn

man sie gut umsetzt, eine neue Basis hat – und so einer neuen

Kultur im ganzen Unternehmen den Weg bahnen kann. Nach dieser

Logik würde ich den Beschäftigtendatenschutz anlegen.

Herr Prof. Hess, Sie haben Zweifel?

Thomas Hess: Zum Teil. Weil ich überzeugt bin, dass die Argumentation

„hier die armen Beschäftigten, dort der übermächtige Arbeitgeber“

heute nicht mehr trägt. Nach meiner Beobachtung verändern

sich die Machtverhältnisse in der Arbeitswelt gerade. Aber

es ist richtig: Was wir in dieser Situation vor allem brauchen, sind

mehr Kompetenzen, damit sinnvolle Prozesse des Interessenausgleichs

Erfolg haben können. Dieses Learning aus dem Lab würde

ich gerne denen, die für die Regulation zuständig sind, mitgeben.

Denn die Menschen können mehr, als wir ihnen oftmals zutrauen.

Alexander Pretschner: Ich würde gerne einen anderen Aspekt mit

einbringen. Die Welt hat sich nicht nur durch die Technologie verändert,

sondern Mitarbeitende sind auch mächtiger geworden.

Schlicht deswegen, weil es zu wenige von ihnen gibt. Wie Unternehmen

mit ihren Leuten umgehen, wird entscheidend auch

durch die Art und Weise der Datenverwendung geprägt sein, und

diese Datennutzungskultur wird zu einem Faktor werden, der mitentscheidend

ist im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte.

Und da wäre ich auf der Seite des Liberalismus: Lasst es uns versuchen.

Welche Learnings haben Sie noch aus dem Praxislaboratorium

gezogen?

Alexander Pretschner: Was ich absolut sensationell finde ist, dass

wir die Gelegenheit bekommen haben, unsere Idee der Inversen

Transparenz in der Praxis auszutesten und dass alle dabei mit riesigem

Engagement mitgemacht haben.

Andreas Boes: Genau. Klassische akademische Projekte scheitern

meistens an der Implementierung. Man macht Konzepte und baut

vielleicht noch Demonstratoren und an der Umsetzung in die Praxis

scheitert es dann meistens. Dieses Projekt hat erstmals gezeigt,

dass der Ansatz der Inversen Transparenz super funktioniert.

Wir haben ein fälschungssicheres Tooling in einer beteiligungsorientierten

Kultur umgesetzt, gleichzeitig das Thema Führung

adressiert und Use Cases aufgebaut, die den Beschäftigten einen

empowerten Umgang mit Daten ermöglichen.

» Die Menschen können

mehr als wir ihnen oftmals

zutrauen. «

Prof. Thomas Hess

Thomas Hess: Und dabei hat sich bewährt, dass wir die Methoden

der Ingenieurs-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kombiniert

haben. So ist es uns gelungen, nicht nur die Welt zu beschreiben

und nach Best Practices zu suchen, sondern darüber hinaus

auch eine völlig neue Lösung in die Welt zu bringen, die sowohl

technisch als auch organisational funktioniert.

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