Nr. 83 - Sommer 2022
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs"
Drôme: die Schönheit der Dörfer
Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus"
Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
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GUÉWEN A TESTÉ<br />
… Was ist ein « Trou normand »?<br />
Das Trou normand, wörtlich übersetzt das « normannische<br />
Loch », ist eine Institution in Frankreich! Es handelt sich dabei<br />
um eine sehr alte kulinarische Praxis, die man vor allem im<br />
Rahmen eines festlichen – und umfangreichen – Mahls, zum<br />
Beispiel bei einer Hochzeit, findet. Während eines solchen<br />
mehrgängigen Essens trinkt man in diesem Fall zwischen zwei<br />
Gängen ein kleines Gläschen eines normannischen Obstbrandes:<br />
einen Calvados.<br />
Wozu dient das?<br />
Ich gestehe, dass ich mir diese Frage selbst gestellt habe, als man mir das erste Mal<br />
ein Trou normand anbot. Im Gegensatz zu mir schien die Sache für alle anderen<br />
Gäste am Tisch klar zu sein. Meine Tischnachbarn erklärten mir dann, dass es für<br />
die Verdauung nichts Besseres gäbe: Calvados ist immerhin eine Spirituose mit<br />
einem Alkoholgehalt von 40 bis 45 % vol. Ihrer Meinung nach würde der enthaltene<br />
Alkohol die Verdauung fördern. Ich gestehe, dass ich diese Erklärung<br />
im ersten Moment als Ausrede einstufte, um den zusätzlichen Alkoholgenuss<br />
zu rechtfertigen. Eine Vermutung, die sich bei Überprüfung im Übrigen<br />
bestätigte: Mediziner sind der einhelligen Meinung, dass die Annahme,<br />
Alkohol würde bei der Verdauung helfen, wahrlich eine Legende ist. Im<br />
Gegenteil: Alkohol stört die Verdauung<br />
sogar eher. Insofern hat das Trou normand<br />
im Grunde genommen lediglich « einen<br />
Nutzen » in Bezug auf die Geselligkeit …<br />
Woher kommt diese Tradition?<br />
Sie breitete sich im 17. und 18. Jahrhundert<br />
aus, in einer Zeit, in der man anlässlich großer<br />
Mahlzeiten gewöhnlich die Tradition der<br />
sogenannten trois coups respektierte. Damit<br />
sind drei Gläser gemeint, die man im Rahmen<br />
einer reichhaltigen Mahlzeit konsumierte:<br />
Das « Glas zuvor » (le coup d‘avant), das<br />
heute Aperitif genannt wird; das « Glas danach<br />
» (le coup après), heutzutage der Digestif;<br />
und das « Glas in der Mitte » (le coup du milieu),<br />
also dieses « normannische Loch », um<br />
das es hier geht. Da festliche Mahlzeiten in<br />
Frankreich aus vielen Gängen bestehen und<br />
meist sehr lange dauern (drei bis vier Stunden<br />
sind keine Seltenheit), sollten diese drei<br />
96 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>