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Nr. 83 - Sommer 2022

Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen

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ART DE VIVRE Produkt<br />

Serie: Typisch französische Produkte (33)<br />

Louit Frères<br />

Der besondere Senf im kleinen Fass<br />

Denkt man an Senf, fallen einem unweigerlich Burgund<br />

und die « Hauptstadt des Senfs » Dijon (Côte<br />

d‘Or) ein. Die Stadt kann sich zu Recht an die<br />

Fahnen heften, dieses Würzmittel in der ganzen Welt bekannt<br />

gemacht zu haben. Allerdings haben sich inzwischen<br />

internationale Konzerne der Rezeptur bemächtigt und<br />

produzieren und vermarkten skrupellos einen Senf, der –<br />

abgesehen vom Namen auf dem Etikett – nicht mehr viel<br />

mit dem Moutarde de Dijon zu tun hat. Das Versäumnis, die<br />

Herkunftsbezeichnung nicht rechtzeitig geschützt zu haben,<br />

rächt sich also, wie man in Dijon schmerzlich erfahren<br />

muss. Dennoch gibt es immer noch « echten Dijon-Senf »,<br />

denn einige Produzenten halten hartnäckig an der altüberlieferten<br />

Rezeptur fest. Vielleicht haben Sie unseren Artikel<br />

in der Ausgabe 72 von Frankreich erleben über das Familienunternehmen<br />

Fallot gelesen, das in der Nähe von<br />

Dijon seit 1840 einen außergewöhnlichen Senf produziert<br />

(Moutarde Fallot: ein Senf mit Tradition und einem einzigartigen<br />

Geschmack): mit lokalen Produkten und unter strikter<br />

Einhaltung des traditionellen Verfahrens. Und er verkauft<br />

sich gut, sogar sehr gut. Die Konsumenten schätzen den<br />

authentischen Senf, und das Unternehmen entwickelt sich<br />

nach wie vor sehr erfolgreich, wie wir seit unserem Besuch<br />

immer wieder feststellen konnten. Dank Herstellern wie<br />

Fallot kann sich der echte Senf aus Burgund also gegenüber<br />

industriell erzeugten Konkurrenzprodukten durchaus<br />

behaupten, daran wird sich wohl auch in der Zukunft nicht<br />

so schnell etwas ändern. Was französischen Senf angeht,<br />

gibt es allerdings noch ein anderes Produkt, das sie kennen<br />

sollten. Es handelt sich dabei um einen Senf, dessen Ursprung<br />

überraschenderweise nicht in Dijon, sondern in<br />

Bordeaux liegt. Auch wenn er heute von einem italienischen<br />

Unternehmen in Italien produziert wird, war er in<br />

Frankreich einst ausgesprochen geschätzt, bevor er allmählich<br />

aus den Regalen verschwand. Allerdings haben sich die<br />

Einstellungen und die kulinarischen Gewohnheiten im<br />

Hexagon in der letzten Zeit verändert, und das steigende<br />

Interesse für authentische Produkte lässt auch diesen « anderen<br />

französischen Senf » namens Louit Frères wieder « in<br />

Mode » kommen.<br />

Anhänger dieses rar gewordenen Produktes konnten<br />

sich diese Kehrtwendung gar nicht vorstellen, so kompliziert<br />

war es lange, Senf der Marke Louit Frères in Frankreich<br />

überhaupt zu bekommen. Dies gelang im Wesentlichen<br />

nur noch echten « Fans », die bereit waren, für das<br />

geliebte Würzmittel weite Strecken zu fahren. Der frische<br />

Wind, der dieser Marke jedoch seit einigen Monaten in<br />

Frankreich wieder Aufschwung verleiht, führt dazu,<br />

dass man die kleinen Gläser in der charakteristischen<br />

Form eines Holzfasses – das Markenzeichen von Louit<br />

Frères – erneut in immer mehr Lebensmittel- und Feinkostgeschäften<br />

erhält. Jedes dieser Gläser enthält exakt<br />

130 Gramm – auf keinen Fall mehr! – eines als hervorragend<br />

eingestuften Senfes, den es in sieben Sorten gibt<br />

(à l’ancienne Bio, Rôtisseur, Estragon, Diaphane, Dilora,<br />

Dijon und Poivre vert). Da man für das relativ kleine Glas<br />

immerhin den stolzen Preis von rund vier Euro bezahlt,<br />

handelt es sich dabei um ein « Premium-Produkt », eine<br />

Tatsache, zu der der Hersteller jedoch absolut steht. Das<br />

delikate Aroma des Senfes tendiert dazu, sich schnell zu<br />

verflüchtigen, sobald das Glas einmal geöffnet ist, sodass<br />

man sich bewusst auf die kleine Verpackungsgröße beschränkt.<br />

Doch nicht nur Verpackung, Geschmack und<br />

Preis machen die Originalität dieses Senfes aus, sondern<br />

vor allem sein Ursprung und seine Geschichte.<br />

Alles beginnt 1825 in Bordeaux. Die Entwicklung der<br />

Kolonien und vor allem der Sklavenhandel haben den Hafen<br />

der Stadt zu einem wichtigen Warenumschlagplatz für<br />

exotische Produkte gemacht. Dazu gehört auch Kakao,<br />

ein besonders beliebtes Produkt. Paul Louit, Händlersohn<br />

und ehemaliger Offizier der kaiserlichen Armee, erkennt<br />

schnell das wirtschaftliche Potenzial dieser neuen Ware.<br />

Er gründet eine Schokoladenfabrik, deren Erfolg es ihm<br />

ermöglicht, schrittweise auch andere Lebensmittel zu vermarkten.<br />

Nach Pauls Tod führen seine Witwe und seine<br />

beiden Söhne, Emile und Edouard, das Unternehmen<br />

weiter und diversifizieren erneut das Produktangebot.<br />

Inzwischen vertreiben sie auch Tee, Nudeln, Fisch- und<br />

Gemüsekonserven sowie Tapioka. Gleichzeitig bauen sie<br />

die bereits vielversprechend lancierte Produktion von Senf<br />

94 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>

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