Nr. 83 - Sommer 2022

phen zusammengefasst, die sich alle mit der Frage befassen,
was der Begriff « Schönheit » im Zusammenhang mit
einer Stadt bedeutet. Diese Publikation ist geradezu eine
Aufforderung zum Ideenaustausch. Es ist jedoch nicht
sicher, dass es damit gelingt, eine Einigung zwischen Anhängern
und Gegnern von Anne Hidalgo herbeizuführen.
Leider ist es eine Tatsache, dass nur wenige Pariser letzten
Endes das ausgesprochen interessante Werk gelesen haben.
Das ist schade. Würde es doch dazu beitragen, die
derzeitige polemische Debatte in einen weiter gefassten
historischen Kontext zu stellen. Die Geschichte von Paris
war schon immer von einem Balanceakt zwischen dem
Erhalt von Kulturerbe auf der einen und dem Trend zu
mehr Modernität auf der anderen Seite geprägt. Genauer
gesagt, zwischen « Tradition und Wagemut », wie die Pariser
Bürgermeisterin zu Recht in der Einführung des genannten
Werkes schreibt. Niemand kann heute abstreiten,
dass es bereits in der Vergangenheit in Paris zahlreiche
Auseinandersetzungen um Ästhetik gab. Ob Eiffelturm,
Centre Pompidou, Strawinsky-Brunnen, Buren-Säulen,
Louvre-Pyramide oder Cité des Sciences et de l’Industrie:
Alle herausragenden städtebaulichen Veränderungen wurden
zu ihrer Zeit zunächst verunglimpft. Die « feindliche
Einstellung » Veränderungen gegenüber ist also nichts
Neues. So empörte sich bereits Victor Hugo (1802-1885)
im Jahr 1882 in seiner sehr politischen Schmähschrift
Guerre aux démolisseurs über das neue Stadtbild, welches
der Präfekt Haussmann (1809-1891) entwickelte: « In
Paris ist Vandalismus der Architekt. Von dem Wenigen,
das uns noch vom herrlichen alten Paris geblieben ist, zerstört
man jeden Tag ein bisschen mehr. » Wie viele andere
prangerte Hugo vor allem eine zu nüchterne Vorstellung
von Urbanismus an, die darauf abziele, « breite, geradlinige
und monotone Straßen » zu kreieren. Es ging also
um den berühmten Haussmann‘schen Stil, für den Paris
seitdem in der ganzen Welt bekannt ist und der den Stolz
der Stadt ausmacht.
Eine rein politische Wende
Die Schwierigkeit der Politiker, « Paris zu verwandeln
», ist folglich nicht neu. Die Tatsache, dass sich die
französische Hauptstadt im Laufe der Jahrhunderte zur
meistbesuchten Stadt der Welt entwickelte (29 Millionen
Touristen im Jahr 2019, also vor der Coronaviruspandemie)
macht die Dinge nicht einfacher, das ist sicher.
Viele betrachten Paris inzwischen als ein urbanistisches
« Werk », das man auf keinen Fall verändern darf, selbst
wenn dahinter der Wille zur Verbesserung steht. Dabei
riskiert man, dass sich Paris im Laufe der Zeit in eine
Museumsstadt verwandelt. Genau das wollen Anne Hidalgo
und ihr Team vermeiden. Ihrer Ansicht nach muss
sich die Stadt zwangsläufig anpassen, sei es an äußere
Zwänge oder auch an den Klimawandel. Und dafür muss
sie sich weiterentwickeln: Die Reduzierung des Autoverkehrs,
die Bevorzugung einer umweltverträglichen
Mobilität (zu Fuß, mit dem Fahrrad), die Schaffung
eines Radwegenetzes nach dem Vorbild der nordeuropäischen
Länder sind nur einige Punkte, in denen man
Handlungsbedarf sieht. Solche politischen Entscheidungen
sind mit Veränderungen verbunden, welche die Gewohnheiten
der Pariser und die Ästhetik der Stadt « stören
». Dass dies politisch riskant ist, weiß Anne Hidalgo
nur zu gut. Die 2014 erstmals und 2020 wiedergewählte
Bürgermeisterin weicht jedoch von dieser Richtschnur
nicht ab und hat vor, den Wandel weiter voranzutreiben.
Mit diesem Führungsstil eckt sie bei einem Teil der Pariser
an, die sich dann der sozialen Netzwerke bedienen,
um Missstände anzuprangern. Das Ergebnis: Es sieht
alles danach aus, als ob es in den derzeitigen Diskussionen
nicht mehr darum geht, ob Paris eine « schöne » oder
eine « verwüstete » Stadt ist, sondern um pro oder contra
Anne Hidalgo. Wie so oft in Frankreich, hat die Debatte
eine rein politische Wende genommen. Und das ist sehr
bedauerlich …
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