Nr. 83 - Sommer 2022
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs"
Drôme: die Schönheit der Dörfer
Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus"
Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
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FRANKREICH HEUTE Städteplanung<br />
genutzt werden? In Städten wie Bordeaux gibt es im Übrigen<br />
für solche Fälle eine Applikation, über die man der<br />
Stadtverwaltung ein Foto übermitteln kann, wenn man<br />
auf ein Problem gestoßen ist, das eine Intervention erfordert.<br />
Die Praxis zeigt, dass es effizienter ist, derartige Informationen<br />
über eine solche App direkt an die richtige<br />
Stelle zu leiten – anstatt sie über die sozialen Netzwerke<br />
zu verbreiten –, und das System<br />
scheint die Menschen zufriedenzustellen.<br />
Man sagt sich, dass so<br />
etwas in Paris ebenfalls sinnvoll<br />
wäre, zumal es bei vielen der<br />
über Twitter und Co. verbreiteten<br />
Bilder besser wäre, sie in ihrem<br />
Kontext zu sehen. Bei einem<br />
Rundgang durch die Straßen der<br />
Hauptstadt wird zudem klar, dass<br />
es weniger um Veränderungen im<br />
Bereich der Sauberkeit – die Gegner<br />
von Anne Hidalgo würden<br />
selbstverständlich von Unsauberkeit<br />
sprechen – geht, als um eine<br />
ganz andere Entwicklung. Es<br />
geht nämlich eher um « die generelle<br />
Ästhetik der Stadt », die in<br />
der Tat teilweise Fragen aufwirft<br />
und die von den Initiatoren von<br />
#SaccageParis im Übrigen ebenfalls<br />
angeprangert wird.<br />
Kontroverse um Gestaltung<br />
und Stadtmobiliar<br />
Spaziert man heute – vielleicht<br />
sogar nach mehrjähriger<br />
Abwesenheit – durch Paris, so<br />
wird man zweifellos einige Überraschungen<br />
erleben. Denn über<br />
einige Gestaltungselemente und<br />
manche Stadtmöbel, die hier und<br />
da in den Straßen stehen, kann<br />
man nur staunen: zum Beispiel<br />
über die einfachen Betonklötze,<br />
die – wie man sich mit einiger<br />
Fantasie ausmalen kann – wohl die<br />
liebenswerten « Davioud-Bänke »,<br />
die historischen grünen Bänke,<br />
die seit Jahrhunderten eines der<br />
Markenzeichen von Paris sind,<br />
ersetzen sollen, oder auch über die<br />
seltsamen Naturinoirs, die sogenannten « Solar-Pissoirs »,<br />
in denen der Urin gesammelt und als Dünger verwendet<br />
werden sollte. Letztere erschienen zwar auf dem Papier<br />
als gute Idee, in der Praxis erwiesen sie sich jedoch als<br />
untauglich. Sobald nämlich im Frühjahr die Blätter der<br />
Bäume austrieben, wurden die Solarzellen nicht mehr<br />
Bilder wie diese wurden von Parisern unter dem<br />
Hashtag #SaccageParis auf Twitter veröffentlicht.<br />
mit ausreichend Sonnenlicht versorgt, um die Pumpen<br />
zu betreiben, was die Naturinoirs großräumig in äußerst<br />
« unappetitliche » Orte verwandelt. Auch die Tatsache,<br />
dass die klassischen geschlossenen Abfalleimer durch ein<br />
System bestehend aus einem Metallring mit einem transparenten<br />
Plastiksack ersetzt wurden, erweckt einen unschönen<br />
Eindruck. Ausgelöst wurde dies durch die Pariser<br />
Attentate, insofern ist es nachvollziehbar.<br />
Und offensichtlich hat<br />
man nicht die Absicht, die neuen<br />
Abfallbehälter, die nun im ganzen<br />
Stadtgebiet « herumbaumeln »,<br />
wieder durch die ursprüngliche<br />
Ausführung zu ersetzen. So wird<br />
sich das Auge nach und nach an<br />
dieses objektiv gesehen hässliche<br />
und störende Element gewöhnen<br />
müssen …<br />
Eine alte Diskussion:<br />
zwischen Tradition<br />
und Wagemut<br />
Es ist gut bekannt, dass Ästhetik<br />
in Paris ein äußerst sensibles<br />
Thema ist und dass bei den<br />
geringsten Veränderungen im<br />
öffentlichen Raum, sei es, was das<br />
Stadtmobiliar oder die Gepflogenheiten<br />
der Müllbeseitigung<br />
angeht, umgehend kritische Stimmen<br />
laut werden. Das weiß das<br />
Team um Anne Hidalgo nur zu<br />
gut, und es muss heute deswegen<br />
einiges ausbaden. Um den guten<br />
Willen für eine « Verschönerung<br />
von Paris » unter Beweis zu stellen,<br />
beschäftigte sich auf Initiative von<br />
Emmanuel Grégoire, seines Zeichens<br />
erster stellvertretender Bürgermeister<br />
von Paris und unter anderem<br />
für die Städteplanung verantwortlich,<br />
das Pariser Zentrum<br />
für Architektur und Städtebau<br />
Pavillon de l’Arsenal mit der Frage,<br />
was genau zur Verschönerung der<br />
Stadt beiträgt. Vor Kurzem fand<br />
dazu eine Ausstellung mit dem<br />
Titel La Beauté d’une Ville statt.<br />
Der Zustrom von knapp 150 000<br />
Besuchern zeigt, wie groß das Interesse der Pariser an der<br />
Thematik ist. Bei dieser Gelegenheit wurde gleichzeitig<br />
ein mit 580 Seiten sehr umfangreicher und zudem ungewöhnlicher<br />
Ausstellungskatalog publiziert: Darin sind<br />
rund 50 Texte von Historikern, Architekten, Städteplanern,<br />
Landschaftsarchitekten, Soziologen und Philoso-<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>