Nr. 83 - Sommer 2022

FRANKREICH HEUTE Hundertjahrfeier
INTERVIEW
Florian Bouquet,
Präsident des
Departements
Territoire de Belfort
Florian Bouquet, Sie bezeichnen
das Territoire de Belfort gerne als « eines der kleinsten »,
wenn nicht gar « das kleinste » französische Departement, sieht
man einmal von Paris und drei Departements im Großraum
Paris ab. Was bedeutet das konkret?
Ganz konkret bedeutet das beispielsweise, dass ich der
einzige Präsident eines Conseil départemental in Frankreich
bin, der – selbstverständlich unter Einhaltung aller Geschwindigkeitsbeschränkungen
– nicht mehr als 30 Minuten
benötigt, um von seinem Arbeitsplatz aus auch den
abgelegensten Punkt seines Departements zu erreichen.
Glauben Sie mir, um diesen « Luxus » beneiden mich viele
Kollegen! (Lacht.) Ernsthaft: Das Territoire de Belfort
ist mit einer Fläche von 609 km 2 in der Tat ein kleines
Departement. Man könnte auch sagen, alles liegt hier nah
beieinander ...
Was bedeutet das für Sie?
Das ist für mich sehr positiv ... sehr, sehr positiv sogar!
(Lacht.) Ich sage Ihnen nun etwas, das Sie vielleicht in der
heutigen Zeit erstaunen mag: Obwohl in dieser Grande
Nation, in diesem zentralisierten, hierarchisch gegliederten,
hyperstrukturierten Land eher « die Großen » im
Trend sind, glaube ich, dass die « kleine Größe » für uns
ein echter Vorteil ist. Eine Stärke, durch die das Territoire
de Belfort in der wirtschaftlichen Entwicklung im Frankreich
von heute und morgen vermutlich eine wichtige Rolle
spielen wird ...
In welcher Beziehung ist die « kleine Größe » des Territoire de
Belfort Ihrer Ansicht nach ein Vorteil?
Zunächst in Bezug auf das Zugehörigkeitsgefühl der
Bewohner zum Departement und die Solidarität untereinander.
Die Menschen werden es Ihnen bestätigen:
Wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt, dann fühlen sich
alle betroffen und reagieren. Das hat sich in der Vergangenheit
bereits mehrfach gezeigt, unter anderem bei der
Belagerung von Belfort 1871. Aber ich versichere Ihnen,
dass das auch heute noch so ist. Nehmen Sie zum Beispiel
die Ereignisse im Jahr 2016, als der Alstom-Konzern, der
schon lange in Belfort ansässig war, ankündigte, das Werk
zu schließen. Das löste umgehend eine wahre Volksbewegung
aus. Und diese war weit davon entfernt, « nur » eine
Demonstration zu sein. Innerhalb weniger Stunden sorgte
70 · Frankreich erleben · Sommer 2022