Nr. 83 - Sommer 2022
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs"
Drôme: die Schönheit der Dörfer
Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus"
Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Okzitanien / Pyrénées-Orientales<br />
von Interesse ist. Die Verantwortlichen der Gemeinde<br />
sind sich im Grunde schon längst darüber bewusst, wie<br />
wichtig es ist, Künstler zu unterstützen. Bereits 1919 hat<br />
die Stadtverwaltung bei Maillol ein Kriegerdenkmal in<br />
Auftrag gegeben. Der vom Ersten Weltkrieg gezeichnete<br />
Künstler kreiert daraufhin La Douleur, ein Monument,<br />
das man noch heute in Céret sehen kann. 1933 realisiert er<br />
im Übrigen dasselbe für seine Geburtsstadt Banyuls-sur-<br />
Mer. Insofern ist es nicht schwer, die Stadt von der Idee<br />
für ein Museum zu überzeugen, umso mehr, als hochrangige<br />
Künstler das Vorhaben sehr schnell durch großzügige<br />
Spenden unterstützen. Allen voran Picasso und Matisse.<br />
Picasso schenkt dem Museum 53 Werke, darunter die berühmte<br />
Serie der mit Stieren bemalten Keramikschalen,<br />
die im Museum zu sehen ist, während Matisse 14 beklebte<br />
Zeichnungen stiftet, die er in Collioure realisiert hat.<br />
« Wiederauferstehungszeremonie »<br />
und ein Plakat von Miró<br />
1950 wird das Museum für moderne Kunst in Céret<br />
in den Räumen eines ehemaligen Karmeliterklosters aus<br />
dem 17. Jahrhundert eingeweiht. Bereits in den 1960er-<br />
Jahren besitzt es ganz außerordentliche Werke, die beim<br />
Publikum gut ankommen. Vor allem profitiert das Museum<br />
nach wie vor durch die Anwesenheit von Künstlern in<br />
Céret. So sorgt beispielsweise 1965 Salvador Dalí (1904-<br />
1989) für eine willkommene mediale Aufmerksamkeit.<br />
Der Künstler kommt nach Céret, aber wie üblich macht er<br />
keine halben Sachen, denn er verwandelt seinen Besuch in<br />
eine regelrechte « Performance », wie nur er es versteht: Er<br />
kommt in einer Kutsche an, hält eine Rede vor einem Nashorn<br />
aus Karton, isst in der Arena zu Mittag, veranstaltet<br />
eine « Wiederauferstehungszeremonie », bevor er letztendlich<br />
in einem Güterwagen nach Perpignan weiterreist<br />
… Alles natürlich vor den Kameras der internationalen<br />
Presse. Das hinterlässt zwangsläufig Eindruck, die ganze<br />
Welt spricht über Céret und das Museum. Es ist jedoch<br />
nicht die einzige willkommene Hilfestellung für das Museum.<br />
Einige Jahre später, 1977, organisiert der spanische<br />
Künstler Joan Miró (1893-19<strong>83</strong>) dort nicht nur eine Ausstellung<br />
seiner Werke, sondern entwirft auch noch selbst<br />
das Plakat dafür. Es ist naheliegend, dass dieses Plakat in<br />
Sammlerkreisen einen ganz besonderen Wert hat.<br />
Kontinuität im<br />
künstlerischen Schaffen<br />
Seitdem geben sich große Namen der zeitgenössischen<br />
Kunst – vor allem aus Katalonien – in Céret die Klinke in<br />
die Hand: egal ob für einen Besuch des Ortes und seines<br />
Museums oder um dort eigene Werke zu kreieren, denn<br />
dieses Phänomen existiert nach wie vor. So schuf unter<br />
anderem Antoni Tàpies (1923-2012) ein zweiteiliges<br />
Wandbild, das noch heute den Eingang des Museums<br />
einrahmt. Vielleicht ist es gerade diese Kontinuität in Bezug<br />
auf das künstlerische Schaffen und die Art, wie Céret<br />
eine einzigartige Verbindung zu den Künstlern aufrechterhält,<br />
die bei einem Besuch am meisten fasziniert. Der<br />
Eindruck wird durch die jüngste Vergrößerung des Museums<br />
noch verstärkt. Man ist weit davon entfernt, einzig<br />
und allein auf einen – nicht von der Hand zu weisenden<br />
– architektonischen Erfolg zu setzen, darüber hinaus ist es<br />
gelungen, die Seele des Museums von 1950 zu bewahren<br />
und die Intentionen der ehemaligen Initiatoren fortzusetzen.<br />
Das von Künstlern für Künstler gegründete Museum<br />
beschränkt sich nicht nur darauf, deren Werke zu präsentieren,<br />
sondern es führt auch vor Augen, wodurch Céret<br />
sich von anderen Orten unterscheidet, warum Céret ein so<br />
inspirierender Ort ist. Eine wunderbare Art, Kultur und<br />
Tourismus zu verbinden!<br />
64 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>