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Nr. 83 - Sommer 2022

Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen

Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs"
Drôme: die Schönheit der Dörfer
Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus"
Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche<br />

Die Grausamkeiten Ludwigs XI. und seine schrecklichen Eisenkäfige werfen noch immer dunkle Schatten über den<br />

Mont Saint-Michel. François Saint-James präsentiert gerne ganz konkrete Zeugnisse dieser « dunklen Vergangenheit»,<br />

die bei den « klassischen Führungen » meist übergangen werden. So wie die Botschaften, die ein Gefangener<br />

in die Tür seines Kerkers ritzte (rechts unten). Er zeigt auch alte Stiche, mit deren Hilfe man den damaligen<br />

Zustand einiger Räume des Klosters mit dem jetzigen Zustand vergleichen kann (rechts oben das Vestibül).<br />

Ein etwas spezielles « Gastgewerbe »<br />

Diejenigen, die ab dem Jahr 708 diese heilige Stätte<br />

zu Ehren des Erzengels Michael gründeten, konnten sich<br />

vermutlich nicht vorstellen, dass der Ort eines Tages als<br />

Kerker dienen würde. Doch genau dazu kam es im Verlauf<br />

der Jahrhunderte. Alles begann, wie uns François Saint-<br />

James erläutert, im Mittelalter: Die abgelegene geografische<br />

Lage und die Befestigungsanlagen des Berges legten bei<br />

manchen den Gedanken nahe, dort eine Haftanstalt zu<br />

schaffen, da eine solche Einrichtung besonders einfach zu<br />

überwachen schien. König Ludwig XI. (1423-14<strong>83</strong>) witterte<br />

ein « gutes Geschäft » und versuchte die Kirchenmänner<br />

auf dem Klosterberg davon zu überzeugen, einen Teil der<br />

Abtei für diese neue « Aktivität » bereitzustellen. Da diese<br />

eine nicht unerhebliche Einkommensquelle darstellen<br />

sollte, akzeptierten die Mönche den Vorschlag, auf dieses<br />

spezielle « Gastgewerbe » umzusatteln. Als Gegenleistung<br />

erhielten sie vom König für jeden Gefangenen ein Unterhaltsgeld,<br />

das teilweise von der Familie des Inhaftierten<br />

aufgestockt wurde, um dessen Verpflegung zu verbessern.<br />

Ludwig XI. war darüber erfreut, dass die Mönche seinen<br />

Vorschlag annahmen, und nutzte umgehend die Gelegenheit,<br />

politische Gegner dort einsperren zu lassen. Er ließ<br />

in der Abtei sogar einen seiner berüchtigten « Eisenkäfige »<br />

installieren, die heute noch in unseliger Erinnerung sind.<br />

Diese bestanden aus mit Eisenstäben verstärktem Holz und<br />

wurden an der Zellendecke aufgehängt, sodass sie bei jeder<br />

Bewegung des Häftlings, der sich darin befand, schwankten.<br />

Der Käfig existiert zwar heute nicht mehr, doch bei<br />

einer Besichtigung der entsprechenden Zelle in Begleitung<br />

von François Saint-James kann man sich vorstellen, welche<br />

Qualen diese Instabilität wohl ausgelöst haben muss.<br />

28 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>

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