Nr. 83 - Sommer 2022
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs"
Drôme: die Schönheit der Dörfer
Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus"
Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen
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DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN <strong>Nr</strong>. <strong>83</strong> · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong><br />
BELFORT · CENTRE-VAL DE LOIRE · DRÔME · NORMANDIE · OKZITANIEN · PARIS<br />
Mont Saint-Michel<br />
Die Geheimnisse des « Gefängnisbergs »<br />
Drôme<br />
Die Schönheit der Dörfer<br />
Rambouillet<br />
Der Krieg der Schafe<br />
Okzitanien<br />
Céret, das « Mekka<br />
des Kubismus »<br />
Territoire de<br />
Belfort<br />
Die Stärke der Kleinen<br />
Paris Streit um die « Schönheit » der Stadt<br />
Rezept Tarte aux myrtilles<br />
Tradition Das « Trou normand »<br />
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EDITORIAL<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
wenn man es sich innerhalb der Redaktion<br />
zum Ziel gesetzt hat, « Sie, unsere<br />
Leser, in Erstaunen zu versetzen! », dann<br />
ist es nicht einfach, einen umfassenden Artikel über den<br />
Mont Saint-Michel, einen der bekanntesten und meistbesuchten<br />
Orte Frankreichs, zu verfassen! Über ihn scheint<br />
schon alles gesagt und geschrieben worden zu sein.<br />
Und doch haben wir nicht nur für das<br />
Titelbild eine ganz ungewöhnliche Perspektive<br />
– vom Dach der Basilika – gefunden,<br />
sondern der Beitrag handelt zudem, wie Sie<br />
feststellen werden, von einem ungewöhnlichen<br />
und kaum beachteten Abschnitt der<br />
Vergangenheit des Mont Saint-<br />
Michel: von seiner Zeit als Gefängnis.<br />
Selbst diejenigen, die glauben, den<br />
Klosterberg zu kennen, werden ihn<br />
unter diesem Aspekt neu entdecken!<br />
Und nun noch ein paar Worte<br />
an Sie, liebe Abonnentinnen<br />
und Abonnenten. Es geht um<br />
ein Thema, das uns am Herzen<br />
liegt: den Schutz der Umwelt. Sie<br />
haben sicherlich festgestellt, dass<br />
die letzte Ausgabe (<strong>Nr</strong>. 82) zum ersten<br />
Mal ohne die übliche Plastikhülle<br />
in Ihrem Briefkasten steckte. Immer<br />
mehr Verlage nutzen inzwischen diesen<br />
neuen Service der Deutschen Post für<br />
den Versand innerhalb Deutschlands.<br />
Dies trägt dazu bei, eine große Menge an Plastikmüll zu<br />
vermeiden, denn es ist allgemein bekannt, dass dieses Material<br />
sehr umweltschädlich ist. Obwohl uns der Nutzen<br />
dieser Umstellung für unseren Planeten sofort überzeugte,<br />
muss ich ehrlicherweise zugeben, dass dennoch<br />
eine gewisse Skepsis blieb. Wir wollten sicher sein, dass<br />
die Magazine in einwandfreiem Zustand bei den<br />
Empfängern ankommen. Die Deutsche Post hat<br />
dies garantiert, wir haben darauf vertraut. Dass<br />
es die richtige Entscheidung war, bestätigen<br />
die Zahlen, die wir Ihnen nicht vorenthalten<br />
möchten: Lediglich bei 0,2 % der im<br />
Abonnement gelieferten Magazine gab<br />
es eine Reklamation. Diese Quote ist<br />
kaum höher, als es mit der Plastikverpackung<br />
der Fall war. Insofern haben<br />
wir entschieden, diese Versandart beizubehalten.<br />
Sollte Ihr Exemplar aus unglücklichen<br />
Umständen einmal nicht in einwandfreiem<br />
Zustand bei Ihnen ankommen, kontaktieren Sie<br />
einfach unseren Aboservice. Wir senden Ihnen<br />
dann gerne ein neues Exemplar. Dieses wirtschaftliche<br />
« Risiko » nehmen wir angesichts<br />
der ökologischen Herausforderungen auf uns.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser<br />
Ausgabe von Frankreich erleben und einen sonnigen,<br />
heiteren <strong>Sommer</strong> voller schöner Entdeckungen!<br />
Titelbild: Blick vom Dach der Basilika auf die<br />
Bucht des Mont Saint-Michel (Manche).<br />
Jean-Charles Albert<br />
Chefredakteur<br />
jc.albert@frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 3
INHALT<br />
Belfort · 68<br />
Mont Saint-Michel · 24<br />
Rambouillet · 46<br />
Montrichard · 82<br />
Paris · 78<br />
Drôme · 36<br />
Rezept · 92<br />
Céret · 56<br />
4 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Lille<br />
Rennes<br />
Nantes<br />
Bordeaux<br />
Rouen<br />
24 · Mont Saint-Michel 78 · Paris<br />
46 · Rambouillet<br />
Tours<br />
82 · Montrichard<br />
Montpellier<br />
Toulouse<br />
Marseille<br />
56 · Céret<br />
Straßburg<br />
68 · Belfort<br />
22 · Dijon<br />
Lyon<br />
36 · Drôme<br />
Unterwegs in Frankreich<br />
24 Mont Saint-Michel<br />
Die Geheimnisse des « Gefängnisbergs »<br />
Der Mont Saint-Michel, das « Wunder des Westens », hat nichts von<br />
seiner magischen Anziehungskraft auf Touristen und Pilger verloren.<br />
Die Kehrseite des Erfolges: Die Besichtigung gleicht oftmals<br />
einem « touristischen Pflichtprogramm ». Dabei ist es durchaus<br />
möglich, sich für eine ganz andere Seite des Klosterbergs zu<br />
interessieren: für die Zeit, in der der Mont ein Gefängnis war.<br />
36 Drôme<br />
Die Schönheit der Dörfer<br />
Zwischen Vercors und Provence laden Flüsse und Wälder, Berge<br />
und Lavendelfelder dazu ein, dem Alltag zu entfliehen! Unser<br />
Vorschlag für eine 341 Kilometer lange Strecke, auf der Sie sechs<br />
sehenswerte Dörfer in einer vielfältigen Landschaft entdecken.<br />
46 Bergerie nationale de Rambouillet<br />
Der Krieg der Schafe<br />
Südwestlich von Paris liegt in einer abgelegenen Ecke des Parks<br />
von Schloss Rambouillet eine ganz besondere Schäferei, die<br />
erstaunlicherweise selbst bei Franzosen relativ unbekannt<br />
ist, obwohl sie unter anderem einen regelrechten Schatz<br />
besitzt: eine Herde mit Merinoschafen und -widdern, die sich<br />
dadurch auszeichnen, dass sie niemals gekreuzt wurden.<br />
56 Okzitanien<br />
Céret, das « Mekka des Kubismus »<br />
Braque, Chagall, Dalí, Dufy, Gris, Soutine und Picasso sind<br />
nur einige Namen berühmter Künstler, die in Céret lebten<br />
oder sich zumindest zeitweilig dort aufhielten. Der Ort besitzt<br />
ein Museum, das mit einer der reichhaltigsten Sammlungen<br />
Frankreichs nicht nur diese weltweit renommierten Meister<br />
ihres Fachs würdigt, sondern sich auch dafür engagiert,<br />
zeitgenössische Künstler bekannt zu machen. Ein Besuch.<br />
Frankreich heute<br />
66 Tourismus<br />
Hotels: die Reform des französischen Sterne-Systems<br />
Am 1. April <strong>2022</strong> trat im französischen Hotelwesen ein neues<br />
Verfahren für die Vergabe der Sterne in Kraft. Eine Übersicht über<br />
diese bedeutende Neuerung, die man als Tourist kennen sollte.<br />
68 Territoire de Belfort<br />
Die Stärke der Kleinen<br />
Das Territoire de Belfort wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Trotz<br />
der überschaubaren Größe – 609 km 2 – wollte man dort immer<br />
hoch hinaus und agierte entschlossen, ganz nach dem Vorbild<br />
der Symbolfigur, dem berühmten Löwen von Belfort. Ein Beispiel,<br />
das zeigt, wie stark manchmal gerade die Kleinsten sein können.<br />
78 Städteplanung<br />
Streit um die « Schönheit » von Paris<br />
Ist Paris die « schönste Stadt der Welt » oder ist Paris<br />
« verwüstet »? Darüber wird in der Hauptstadt diskutiert,<br />
zuweilen sogar sehr heftig. Worum geht es dabei? Wir haben<br />
versucht, vor Ort etwas Klarheit in das Thema zu bringen ...<br />
Art de vivre<br />
82 Weintourismus<br />
Wenn Loire-Schlösser Weinkeller illuminieren<br />
In den Kellern von Maison Monmousseau in Montrichard werden<br />
seit 1886 Schaumweine nach der Méthode traditionnelle<br />
hergestellt. Die beeindruckenden Stollen sind die Kulisse für<br />
ein ganz unerwartetes Erlebnis. Lesen Sie mehr über eine<br />
schöne Art, die Region und ihre Weine zu entdecken!<br />
92 Chantals Rezept<br />
Tarte aux Myrtilles<br />
94 Produkt<br />
Louit Frères: der besondere Senf im kleinen Fass<br />
Denkt man an Senf, fallen einem unweigerlich Burgund und die<br />
« Hauptstadt des Senfs », Dijon, ein. Dabei gibt es noch einen<br />
anderen Senf, den man kennen sollte und dessen Ursprung<br />
überraschenderweise nicht in Dijon, sondern in Bordeaux liegt.<br />
3 Editorial<br />
6 On en parle<br />
12 On lit<br />
14 On lit en France<br />
16 On regarde<br />
18 On surfe<br />
20 Am Tag als …<br />
22 On écoute<br />
77 Leserbriefe<br />
88 Nach bestellungen<br />
96 Guéwen a testé<br />
98 Impressum<br />
98 Vorschau<br />
Frankreich erleben im Internet: www.frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 5
ON EN PARLE<br />
SEHNSUCHT<br />
Grand Est versus Elsass<br />
Manche Veränderungen setzen sich offensichtlich<br />
nur schwer durch. Sechs Jahre nach der<br />
Gründung der neuen Region Grand Est, in der<br />
die ehemaligen Regionen Elsass, Champagne-<br />
Ardenne und Lothringen zusammengefasst<br />
sind, und ein Jahr nach der Fusion der beiden<br />
elsässischen Departements Haut-Rhin und<br />
Bas-Rhin haben die Elsässer in einer aktuellen<br />
Bürgerbefragung den Wunsch geäußert, wieder<br />
ihrer « alten » Region Alsace anzugehören. Dafür<br />
sprachen sich 92,4 % der 168 456 abgegebenen<br />
Stimmen aus. An der Befragung, die von der<br />
Collectivité européenne d’Alsace organisiert<br />
wurde und die einen rein beratenden Charakter<br />
hat, nahm zwar lediglich 13 % der elsässischen<br />
Wählerschaft teil, allerdings überstieg die<br />
Beteiligung die bei der Lancierung der Umfrage<br />
erwarteten 100 000 Stimmen deutlich. Vor allem<br />
aber beeindruckt die hohe Quote derer, die eine<br />
Rückkehr zur Region Alsace befürworten. Über<br />
dieses Thema wird in den kommenden Monaten<br />
vermutlich heftig diskutiert werden …<br />
STRASSBURG<br />
Der « grüne Strahl »<br />
ist verschwunden<br />
Den berühmten « grünen Strahl », ein<br />
bei Touristen und Esoterikanhängern<br />
sehr beliebtes Phänomen im<br />
Straßburger Münster, gibt es nicht<br />
mehr. Er war erstmals 1972 zu sehen,<br />
nachdem eine getönte Scheibe<br />
des Kirchenfensters, das Judas<br />
repräsentiert, im Rahmen von<br />
Renovierungsarbeiten durch eine<br />
transparente Scheibe ersetzt worden<br />
war. Seitdem durchquerte jeweils<br />
bei Tagundnachtgleiche ein grüner<br />
Lichtstrahl das Kirchenschiff und fiel<br />
auf die große steinerne Kanzel der<br />
Kathedrale. Doch nun wurde der Teil<br />
des Kirchenfensters, das für dieses<br />
Phänomen verantwortlich war, erneut<br />
ersetzt, und es gibt keinen « grünen Strahl » mehr. Das Ende<br />
eines « Mysteriums », das nicht wirklich eines war …<br />
6 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
TURMSPITZE<br />
Eiffelturm jetzt 330 Meter hoch<br />
Die Passanten konnten es nicht fassen: An einem regnerischen Tag « wuchs » der<br />
Pariser Eiffelturm innerhalb nur weniger Stunden um sechs Meter und ist nun 330<br />
Meter hoch. Eine neue, 350 kg schwere Antenne wurde per Hubschrauber innerhalb<br />
nur weniger Stunden auf die Turmspitze gesetzt und dort befestigt. Sie dient der<br />
Übertragung des Digitalradios und deckt die gesamte Region Île-de-France ab. Auf<br />
diese Weise erinnert die « eiserne Dame » an ihre historische Beziehung zu Radiowellen:<br />
Der Eiffelturm, der für die Weltausstellung 1889 errichtet worden war, hätte eigentlich<br />
20 Jahre später wieder abgebaut werden sollen. Seine Rettung war schließlich die<br />
Möglichkeit, ihn für die Ausstrahlung von Radiowellen – zunächst für militärische,<br />
später dann für zivile Zwecke – zu nutzen.<br />
GASTRONOMIE<br />
Guide Michelin Frankreich: eine sehr maskuline Rangliste<br />
Der Guide Michelin zeigte sich am 22. März dieses Jahres insofern innovativ,<br />
als die Verantwortlichen die Auszeichnungen <strong>2022</strong> nicht wie üblich in<br />
Paris, sondern in Cognac (Charente) verkündeten. Schließlich « befinden<br />
sich 80 % der französischen Sternerestaurants außerhalb des Großraums<br />
Paris », äußerte sich Gwendal Poullennec, seines Zeichens International<br />
Director der Guides Michelin, bei dem Anlass. Erstaunlich ist jedoch, dass<br />
von den insgesamt 49 vergebenen Sternen nur drei (!) an Küchenchefinnen<br />
gingen. Für eine Küchenchefin war es der erste Stern,<br />
die beiden anderen waren bereits mit Sternen gekrönt.<br />
Aber es geht noch weiter: Die Kategorie « Ambiente<br />
und Service », deren Bewertungen traditionell zu<br />
Beginn der Zeremonie bekanntgegeben werden, ist<br />
die einzige Kategorie, in der mehr Frauen als Männer<br />
gewürdigt wurden. Sollte der Guide Michelin etwa<br />
frauenfeindlich sein? Die Kritik scheint etwas vorschnell,<br />
obwohl sie in Frankreich zunehmend lauter wird. « Es<br />
arbeiten zwar viele Frauen in Restaurants, doch nur<br />
wenige besetzen verantwortungsvolle Positionen in<br />
der Küche. Das bedauern wir. » So rechtfertigte sich<br />
der Direktor des Guide Michelin in einem Interview mit<br />
der Zeitung Le Monde, bevor er seinem Gedankengang<br />
eine überraschende Wendung gab: « Aber die Rolle des<br />
Michelin besteht darin, Fachkönnen zu bewerten und<br />
nicht, Quoten einzuhalten. » Mit dieser Aussage geriet er<br />
jedoch umgehend in die Kritik: Ist es wirklich notwendig,<br />
« Quoten für Frauen in der Küche » vorzugeben, damit<br />
die Qualität der Arbeit französischer Küchenchefinnen<br />
anerkannt wird? Die Diskussion ist eröffnet! Das Thema<br />
sollte man im Auge behalten …<br />
Video von der Zeremonie der Sterneverleihung: https://<br />
guide.michelin.com/fr/fr/article/michelin-star-revelation/<br />
guide-michelin-france-<strong>2022</strong>-toutes-les-nouvelles-etoiles<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 7
ON EN PARLE<br />
BRETAGNE<br />
MUSEUM<br />
UMZUG<br />
Maison Gainsbourg in Paris<br />
wird eröffnet<br />
Aus Paris wegziehen ist möglich!<br />
In der Stadt zu wohnen, galt lange Zeit bei vielen Franzosen als<br />
Chance, vor allem, wenn die Stadt Paris hieß. Seit jedoch vor zwei<br />
Jahren die Coronakrise mit ihren diversen Lockdowns begann,<br />
hat sich die Einstellung geändert. Laut der statistischen Abteilung<br />
des Arbeitsministeriums stieg die Anzahl der Umzüge von der<br />
Hauptstadt an einen mehr als 100 km entfernten Ort zwischen April<br />
2020 und April 2021 sprunghaft um 34 %. Und in welche Gebiete<br />
wanderten die Pariser ab? 28,6 % der Umzüge entfallen auf Zielorte,<br />
die in ländlich geprägten Departements liegen.<br />
Viele nach wie vor treue Fans des Texters,<br />
Komponisten und Interpreten Serge Gainsbourg<br />
(1928-1991) warten seit langer Zeit auf die<br />
Realisierung eines Projektes, für das sich die<br />
Tochter des Künstlers, Charlotte Gainsbourg,<br />
engagierte: Das legendäre Pariser Stadthaus in<br />
der Rue de Verneuil 5 bis (VII. Arrondissement),<br />
in dem Serge Gainsbourg 20 Jahre lang lebte,<br />
soll in Kürze zugänglich sein. So erstaunlich es<br />
auch klingen mag, im Inneren wurde seit seinem<br />
Tod nichts verändert: weder die Einrichtung<br />
noch die Getränkedosen im Kühlschrank und<br />
die überall verstreuten Zigarettenkippen. Im<br />
Rahmen einer dreißigminütigen Audioführung<br />
kann man dann den Ort, an dem die Zeit stehen<br />
geblieben zu sein scheint, besichtigen. Genau<br />
gegenüber (Hausnummer 14) bietet ein Museum<br />
mit angeschlossenem Museumsshop eine weitere<br />
Möglichkeit, in das Leben und Werk des Künstlers<br />
einzutauchen. Nach dem Besuch werden echte<br />
Fans es sich nicht nehmen lassen, im Café-<br />
Restaurant Gainsbarre (das sich abends in eine<br />
einladende Pianobar verwandelt) ein Glas zu<br />
trinken oder eine Kleinigkeit zu essen.<br />
Informationen: www.maisongainsbourg.fr<br />
PRIX GONCOURT<br />
Flucht durch Lesen<br />
Der renommierteste der französischen<br />
Literaturpreise, der Prix Goncourt,<br />
wurde 1892 kreiert und zeichnet<br />
jedes Jahr Anfang November<br />
französischsprachige Autoren für<br />
ein Werk aus, das im jeweiligen Jahr<br />
veröffentlicht wurde. Inzwischen gibt<br />
es mehrere « Ableger » des berühmten<br />
Preises, darunter den Goncourt des<br />
lycéens, den Goncourt du premier<br />
roman, den Goncourt de la poésie und<br />
den Goncourt de la biographie. Jetzt hat<br />
die Académie Goncourt gemeinsam<br />
mit dem Centre national du livre (CNL)<br />
und den Strafvollzugsbehörden den<br />
Goncourt des détenus kreiert. Dabei sind<br />
die Inhaftierten in dreißig französischen<br />
Haftanstalten aufgefordert, die 15 für<br />
den Prix Goncourt nominierten Werke<br />
zu lesen und über sie abzustimmen.<br />
Die erste Preisvergabe ist im Dezember<br />
<strong>2022</strong> vorgesehen.<br />
Streit um Lithium<br />
In ganz Europa gibt<br />
es Projekte, um die<br />
Abhängigkeit von<br />
den großen Lithium-<br />
Förderländern zu<br />
reduzieren. Der Rohstoff ist<br />
ein wichtiger Bestandteil<br />
bei der Herstellung<br />
von Batterien und<br />
Akkus, vor allem für<br />
umweltfreundliche Autos. In<br />
Frankreich gibt es mehrere<br />
Lithiumvorkommen,<br />
beispielsweise im<br />
Departement Allier<br />
und im Elsass. Im<br />
Zusammenhang mit der<br />
« neuen Lithiumbranche »<br />
macht jedoch derzeit<br />
vor allem Tréguennec im<br />
Finistère von sich reden:<br />
Vor vier Jahren wurden<br />
dort vielversprechende<br />
Reserven entdeckt, die der<br />
französische Staat abbauen<br />
möchte. Das Problem: Sie<br />
befinden sich in der Bucht<br />
von Audierne, in einem<br />
Gebiet mit Mooren und<br />
Dünen, das als Natura-2000-<br />
Schutzgebiet ausgewiesen<br />
ist und das die Bretonen<br />
logischerweise schützen<br />
möchten. Umso mehr,<br />
als dass sie bereits Ende<br />
der 70er-Jahre den Bau<br />
eines Atomkraftwerks am<br />
anderen Ende der Bucht<br />
erfolgreich verhinderten. Vor<br />
Ort gab es bereits mehrere<br />
Demonstrationen gegen<br />
das Vorhaben. Allerdings<br />
betont die Regierung,<br />
dass der Lithiumbedarf<br />
laut der Internationalen<br />
Energieagentur bis 2040<br />
um das 42-Fache steigen<br />
wird. Wir werden Sie über<br />
die aktuelle Entwicklung auf<br />
dem Laufenden halten.<br />
8 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
ERNÄHRUNG<br />
Franzosen und ihr Brot<br />
Laut einer aktuellen Umfrage der Fédération des Entreprises de<br />
Boulangerie (FEB) haben 87 % der Franzosen immer Brot im Haus; 52 %<br />
von ihnen haben sogar einen Vorrat an Brot eingefroren, damit die<br />
« Versorgung » gesichert ist. Mit durchschnittlich 57 kg Brot pro Kopf<br />
und Jahr konsumieren die Franzosen dabei aber nur noch ein Drittel<br />
dessen, was sie 1950 verzehrten. Und sie liegen noch weit hinter den<br />
« größten Brotessern » der Welt, dies sind mit einem Pro-Kopf-Verzehr<br />
von 104 kg pro Jahr die Türken.<br />
LE CORBUSIER<br />
Kapelle Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp wird renoviert<br />
Die Kapelle Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp (Haute-<br />
Saône) wurde zwischen 1953 und 1955 vom französischschweizerischen<br />
Architekten Le Corbusier (1887-1965)<br />
errichtet und ist seit 2016 Teil des Weltkulturerbes der<br />
UNESCO. In der Ausgabe 69 von Frankreich erleben widmeten<br />
wir dem meisterhaften Sakralbau des 20. Jahrhunderts<br />
einen Artikel (Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine<br />
Rechenaufgabe für Le Corbusier). Während die Struktur des<br />
Gebäudes den Angriffen von Wind und Wetter standhalten<br />
konnte und nach wie vor als solide eingestuft wird, hat der<br />
äußere Verputz gelitten. Er wurde seinerzeit mit Spritzbeton<br />
aufgebracht und bildete all die Jahre eine Art « schützende<br />
Hülle » für die Struktur. Heute besteht jedoch dringender<br />
Renovierungsbedarf. Für die notwendigen Arbeiten wurde<br />
ein umfangreiches Projekt entwickelt, das sich durch<br />
die Coronapandemie verzögerte. Die Arbeiten sollen<br />
demnächst mit dem Abbeizen der südlichen Fassade – der<br />
sogenannten Mur de Lumière – beginnen. Dafür wird eine<br />
innovative Technik angewendet, die auf der Kombination<br />
eines chemischen Stoffes und mechanischem Sandstrahlen<br />
beruht. Auf diese Weise soll der ursprüngliche Spritzbeton<br />
erhalten werden. Das Restaurierungsprojekt, für das<br />
ein Budget von 2,3 Millionen Euro angesetzt ist, wird<br />
voraussichtlich bis August 2024 dauern.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 9
ON EN PARLE<br />
LABEL<br />
Befürchtungen für Bio-Salz<br />
Die französischen Hersteller von<br />
Meersalz an der Atlantikküste sind<br />
über ein europäisches Vorhaben<br />
zutiefst beunruhigt: Ein Gesetzentwurf<br />
sieht vor, ein Bio-Label für Salz<br />
zuzulassen, egal mit welcher<br />
Methode dieses produziert wird.<br />
Die traditionellen Salzhersteller,<br />
die grobes Salz und Fleur de Sel<br />
von Hand und auf vollkommen<br />
natürliche Art – nach der sogenannten<br />
« Solarmethode » – erzeugen (siehe<br />
Frankreich erleben <strong>Nr</strong>. 4: Atlantikküste,<br />
die wilde Schönheit), sind jedoch<br />
der Ansicht, dass lediglich Salz, das<br />
seine natürlichen Merkmale bewahrt<br />
hat und keinerlei Zusatzstoffe<br />
enthält, mit dem Label « Bio »<br />
ausgezeichnet werden darf. Sollte<br />
das Gesetzesvorhaben angenommen<br />
werden, könnten ihrer Aussage nach<br />
jedoch in Europa Dutzende Millionen<br />
Tonnen industriell hergestelltes Salz<br />
ein solches Gütesiegel erhalten.<br />
Auch Salz, das mit immensem<br />
Wasser- und Energieeinsatz aus<br />
Salzminen gewonnen (indem man<br />
Süßwasser mit hohem Druck in<br />
den Salzstock in der Tiefe presst)<br />
oder mithilfe chemischer Stoffe<br />
extrahiert wird. Für die traditionellen<br />
Salzerzeuger ist es zudem « der<br />
Gipfel », dass selbst Streusalze und<br />
Salze, die in der chemischen Industrie<br />
verwendet werden, als « Bio-Produkt »<br />
ausgezeichnet werden könnten.<br />
Daher wollen sie das europäische<br />
Gesetzesvorhaben genauestens im<br />
Auge behalten.<br />
BEWERBUNGEN<br />
Viele möchten Europäische<br />
Kulturhauptstadt 2028 werden!<br />
Das französische Kulturministerium hat das Bewerbungsverfahren<br />
für die Ernennung der Europäischen Kulturhauptstadt 2028 eröffnet.<br />
Wie üblich wird der Titel jeweils an zwei Städte in Europa vergeben, in<br />
diesem Fall an eine französische und eine tschechische Stadt. Nach<br />
Paris (1989), Avignon (2000), Lille (2004) und Marseille (2013) stehen<br />
mehrere Kandidaten Schlange: Amiens, Bastia, Bourges, Clermont-<br />
Ferrand, Nizza, Reims und Saint-Denis haben bereits ihr Interesse<br />
bekundet. Anfang 2023 werden vier Bewerber ausgewählt, die finale<br />
Entscheidung wird 2024 getroffen.<br />
HOCHZEITEN<br />
Nachholbedarf in Frankreich<br />
Dem Institut National de la Statistique et des<br />
Études Économiques (INSEE) zufolge wurde 2021 in<br />
Frankreich 220 000 Mal geheiratet. Das entspricht<br />
einer Steigerung von 42 % gegenüber 2020. Allerdings<br />
ist zu berücksichtigen, dass sich während der ersten<br />
Ausgangssperre (17. März bis 10. Mai 2020) lediglich<br />
538 Paare das Ja-Wort gaben, während es im<br />
selben Zeitraum des Vorjahres 25 000 waren.<br />
Der starke Anstieg der Trauungen ist also<br />
vor allem auf einen Nachholeffekt<br />
zurückzuführen.<br />
10 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
RESTAURANTS<br />
« Immersive Restaurants »: ein neues Konzept?<br />
Auf den ersten Blick hat das neue « immersive Restaurant »<br />
Ephemera in Paris alles, um die Verfechter der « traditionellen<br />
französischen Küche », wie sie 2010 ins immaterielle<br />
Weltkulturerbe aufgenommen wurde, zu reizen: Es hat nur<br />
wenig mit dem « Ritual » zu tun, das Teil der französischen<br />
« Volkskultur » ist und dessen Bedeutung von der UNESCO<br />
gewürdigt wurde. Die Mahlzeit, die man dort serviert,<br />
verspricht laut den Aussagen der drei erst 23 Jahre alten<br />
Gründer – für die Duzen ein Bestandteil des Konzepts ist –<br />
« ein Eintauchen und eine Erfahrung, die du noch niemals<br />
erlebt hast », « einen unvergesslichen immersiven Moment ».<br />
Wenn schon, denn schon! Das Trio konnte mit dem Ansatz<br />
immerhin zwei bedeutende französische Unternehmer<br />
überzeugen: Xavier Niel (unter anderem Gründer des<br />
Telekommunikationsanbieters Free) und Elisha Karmitz<br />
(Direktor von MK2). Gemeinsam entwickelten sie große<br />
Ambitionen und eröffneten ein XXL-Restaurant (700 m², 150<br />
Plätze) im Gebäude des Multiplexkinos MK2 Bibliothèque<br />
(Paris, XIII. Arrondissement). Die Besonderheit besteht darin,<br />
dass die Dekoration von Fachleuten aus dem Bereich Kino<br />
kreiert wurde und vollkommen von der Unterwasserwelt<br />
inspiriert ist. Das wird damit begründet, dass sich die Gäste<br />
sofort wie « untergetaucht » vorkommen sollen. Um dies zu<br />
erreichen, wurde der Raum mit immensen Tüll-Leinwänden<br />
ausgestattet, auf die täuschend natürliche Bilder von Delfinen,<br />
Schildkröten und Haien projiziert werden. An der Decke<br />
baumeln über den Gästen riesige Imitationen von Korallen und<br />
Algen, der Boden scheint sich durch die aufgedruckten Wellen<br />
zu bewegen. Das Personal trägt Matrosenkostüme, während<br />
ein nahezu berauschender Walgesang den akustischen<br />
Hintergrund bildet … Zweifellos ein großes Spektakel für das<br />
Ambiente! Aber was befindet sich eigentlich auf dem Teller?<br />
Mancher mag vermuten, die Initiatoren hätten sich auf einen<br />
aufsehenerregenden « Marketing-Coup » beschränkt, der<br />
mehr mit Disneyland als mit einem Restaurant zu tun hat. Die<br />
gute Nachricht: Der kulinarische Aspekt wird bei Weitem nicht<br />
vernachlässigt, denn auch in dieser Hinsicht erfüllt Ephemera<br />
die Erwartungen – und das noch dazu zu Preisen, die für ein<br />
Pariser Restaurant absolut korrekt sind: kurz angebratene,<br />
marinierte Riesengarnelen (9 €), gegrillter Tintenfisch mit<br />
glasierten Karotten und Ingwer (19 €), Ceviche von der<br />
Dorade mit Passionsfrucht, Kaffernlimette, Kokosmilch und<br />
grüner Zitrone (17 €). Es sei darauf hingewiesen, dass alle<br />
Meeresprodukte in französischen Gewässern nachhaltig<br />
gefischt werden. Das sollte auch die letzten Zweifler<br />
überzeugen und vielleicht – das hoffen zumindest die<br />
Kreateure des gewagten Konzeptes – in Frankreich den Trend<br />
zu « immersiven Restaurants » lancieren. Diesen ersten Ort<br />
kann man nun 16 Monate lang in Paris besuchen, bevor er<br />
abgebaut und an einem anderen Ort im Hexagon wieder<br />
aufgebaut wird.<br />
Informationen: www.ephemerarestaurant.com<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 11
ON LIT<br />
BIOGRAFIE - REISEBUCH<br />
Marcel Proust am Genfer See<br />
Jürgen Ritte, Insel, 139 Seiten, 14 €, ISBN 978-3458195115<br />
Es war zu erwarten, dass die französischen Buchhandlungen in diesem Jahr anlässlich des 100.<br />
Todestages von Marcel Proust (1871-1922) mit unzähligen, dem Dichter gewidmeten Werken<br />
überschwemmt werden. Von diesen vielen Veröffentlichungen bieten allerdings nur wenige<br />
einen so originellen Ansatz wie dieses kleine Buch im Taschenformat, das in Deutschland<br />
herausgegeben wurde. Geschrieben hat es der deutsche Literaturkritiker und Übersetzer Jürgen<br />
Ritte, der unter anderem Mitbegründer und Vizepräsident der Marcel-Proust-Gesellschaft ist. Die<br />
meisten der in Frankreich erschienenen Werke spielen in Paris oder der Normandie, was insofern<br />
nicht überraschend ist, als sich der Dichter dort bekanntlich gerne aufhielt. Nur wenige wissen<br />
jedoch, dass Proust auch dem Charme von Évian-les-Bains (Haute-Savoie) und dem Genfer See<br />
erlegen war. Und genau dahin nimmt uns dieses Buch mit. Man erfährt, dass Proust nach einem ersten Aufenthalt<br />
dort im September und Oktober 1899 in der Folge regelmäßig die Region besuchte. « In Évian fühlte ich mich noch am<br />
ehesten zu Hause », schrieb er sogar. Jürgen Ritte besuchte die Gegend, recherchierte viel über die Verbindung Prousts<br />
zu ihr und lädt uns ein, mit ihm auf den Spuren des Dichters zu wandeln und selbst nachzuvollziehen, was diesen<br />
an Évian so anzog. Die Verbindung von Stadtbesichtigung, Literatur und Geschichte lässt beim Leser eine Neugier<br />
entstehen, die auch Proust eigen war. Eine universelle Neugier, die unweigerlich Lust zum Reisen weckt. Dabei entdeckt<br />
man auf nicht alltägliche, spannende und zudem reich bebilderte Art nicht nur Marcel Proust (wieder), sondern auch die<br />
Gegend um Évian, der wir in der Ausgabe 71 einen Artikel widmeten (Évian: das Gedächtnis des Wassers).<br />
SPRACHLICHE KURIOSITÄTEN<br />
Andere Länder, andere Sprüche<br />
Michela Tartaglia, mit Illustrationen von Daniele Simonelli,<br />
Originaltitel: Una mela al giorno. Proverbi e modi di dire dal<br />
mondo, aus dem Italienischen von Alexandra Titze-Grabec,<br />
Dumont, 144 Seiten, 18 €, ISBN 978-3<strong>83</strong>2169022<br />
Wenn Sie gerne ins Ausland reisen, beispielsweise nach<br />
Frankreich, ist Ihnen vermutlich bereits aufgefallen, dass es viele<br />
beliebte Redewendungen gibt, die sich von einem zum anderen<br />
Land durch – oftmals lustige – Details unterscheiden und<br />
am Ende doch dasselbe ausdrücken. Dieses Buch nimmt auf<br />
humorvolle Art die französischen, englischen, italienischen und<br />
spanischen Pendants zu 25 in Deutschland sehr gebräuchlichen<br />
Redewendungen unter die Lupe und erläutert gleichzeitig deren<br />
Ursprung in den jeweiligen Ländern. Wenn man in Deutschland<br />
« vom Teufel spricht », bezieht sich der Franzose beispielsweise<br />
auf « den Wolf, von dem man schon den<br />
Schwanz sieht » (quand on parle du loup,<br />
on en voit la queue). Oder während man<br />
in Deutschland nach dem berühmten<br />
« Haar in der Suppe » sucht, fahndet man<br />
in Frankreich « nach kleinem Getier »<br />
(chercher la petite bête). Amüsant ist<br />
auch das französische Gegenstück zum<br />
deutschen Ausdruck « Perlen vor die<br />
Säue werfen », denn jenseits des Rheins<br />
« gibt man den Schweinen Marmelade »<br />
(donner de la confiture aux cochons). Es<br />
lebe Europa!<br />
ROMAN<br />
Was es braucht<br />
in der Nacht<br />
Laurent Petitmangin, Originaltitel:<br />
Ce qu’il faut de nuit, übersetzt aus<br />
dem Französischen von Holger Fock<br />
und Sabine Müller, dtv Verlag, 160<br />
Seiten, 20 €, ISBN 978-3423290128<br />
Mit seinem ersten Roman<br />
hinterließ Laurent Petitmangin in<br />
Frankreich sofort Eindruck. Das Buch<br />
wurde mit mehreren Preisen – unter anderem mit dem<br />
renommierten Prix Femina des lycéens – ausgezeichnet. Es<br />
erzählt mit viel Feingefühl vom vordergründig einfachen<br />
Leben eines Eisenbahners der französischen SNCF, der<br />
nach dem Tod seiner Frau die beiden Kinder alleine<br />
großziehen muss. Der liebevolle und aufmerksame Vater<br />
ist Mitglied der Sozialisten und muss zu seinem Bedauern<br />
erleben, wie einer seiner Söhne sich immer mehr von ihm<br />
entfernt und den örtlichen Rechtsextremen annähert. Die<br />
Ereignisse überstürzen sich, dieses Engagement gipfelt<br />
in einer schrecklichen Tragödie. Kann man seinem Kind<br />
verzeihen, wenn es sich von den Werten, die man ihm<br />
vermittelt hat, abwendet und eine furchtbare Tat begeht?<br />
Das ist eine der wesentlichen Fragen, auf die Laurent<br />
Petitmangin versucht, eine Antwort zu finden. Ein Buch<br />
voller Liebe und Hellsichtigkeit. Schönes Lesevergnügen.<br />
12 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
ERZÄHLUNGEN<br />
Bretonisches Lied<br />
HISTORISCHER ROMAN<br />
Celeste, Gott und der<br />
König (Band 1) / Das<br />
Manuskript der Amazone<br />
(Band 2)<br />
Sabrina Kiefner, Celeste, Gott<br />
und der König (Band 1), Tredition<br />
Verlag, 344 Seiten, 26 €,<br />
ISBN 978-3347121317 / Das<br />
Manuskript der Amazone (Band<br />
2), Tredition Verlag, 380 Seiten,<br />
27 €, ISBN 978-3347154049. Die<br />
französischen Ausgaben erschienen<br />
bei Le Lys et le Lin Éditions (www.lelysetlelin-editions.com).<br />
Das Departement Vendée liegt an der Atlantikküste<br />
und ist Teil der Region Pays de la Loire. Während der<br />
Französischen Revolution war es Schauplatz besonders<br />
blutiger Bürger- und Religionskriege. Dabei standen<br />
Katholiken und Royalisten aus dem Westen Frankreichs<br />
den republikanischen Truppen der Revolutionsregierung<br />
gegenüber. Die im baden-württembergischen Waiblingen<br />
geborene Sabrina Kiefner lebt heute im Departement<br />
Vendée und begeistert sich für diese immer noch heikle<br />
Periode der französischen Geschichte. In zwei Bänden<br />
– die zunächst in französischer Sprache veröffentlicht<br />
wurden und in der Folge durch die Autorin selbst auf<br />
Deutsch übersetzt wurden – zeichnet sie ein sehr gut<br />
belegtes, lebendiges und lehrreiches Porträt einer<br />
unerschrockenen Reiterin und mutigen Kämpferin aus<br />
der Vendée, Céleste Bulkeley (1753-1<strong>83</strong>2), die unter dem<br />
adeligen Namen Céleste Talour de la Cartrie geboren<br />
wurde. Man spürt sofort, dass dieser Roman über das<br />
Schicksal von Céleste<br />
Bulkeley und ihren<br />
lebenslangen Einsatz<br />
für ihre Ideale von der<br />
Begeisterung der Autorin<br />
für diese Zeit und dem<br />
Kampf der Bewohner der<br />
Vendée inspiriert wurde.<br />
Letzten Endes ist es ein<br />
ehrliches und zweifellos<br />
engagiertes Porträt. Aber<br />
zeichnet nicht gerade das<br />
ein interessantes Buch<br />
aus?<br />
Jean-Marie Gustave Le Clézio, Originaltitel:<br />
Chanson bretonne/L’enfant et la guerre - Deux<br />
contes, übersetzt aus dem Französischen<br />
von Uli Wittmann, Kiepenheuer & Witsch,<br />
192 Seiten, 22 €, ISBN 978-3462001709<br />
Es ist immer wieder schön, von einem<br />
Autor, den man zu kennen glaubt,<br />
überrascht zu werden! Jean-Marie Gustave<br />
Le Clézio, Literaturnobelpreisträger 2008,<br />
hat uns mit seinen Romanen schon oft<br />
begeistert. Mit den beiden Erzählungen in<br />
diesem Buch lernen wir den Schriftsteller<br />
jedoch von einer ganz anderen Seite<br />
kennen. In zwei<br />
Erzählungen lässt<br />
uns der Autor durch<br />
seine Kindheitserinnerungen<br />
in die<br />
Bretagne und die<br />
Provence reisen.<br />
Bretonisches Lied<br />
ist eine regelrechte<br />
Hymne an die<br />
Bretagne. Le Clézio<br />
erinnert sich an<br />
die glücklichen<br />
<strong>Sommer</strong> aufenthalte,<br />
die er<br />
zwischen 1948 und<br />
1954 mit seiner<br />
Familie im Finistère<br />
verbrachte.<br />
In Das Kind und der Krieg erzählt der<br />
Autor dann allerdings von einem sehr<br />
traumatisierenden Ereignis, das er im<br />
Alter von nur drei Jahren hatte: Eines<br />
Nachts verliert ein kanadisches Flugzeug<br />
versehentlich eine Bombe, die in<br />
unmittelbarer Nähe des Gebäudes in Nizza<br />
einschlägt, in dem die Familie lebt. Sie<br />
ist gezwungen, in das Dorf Roquebillière<br />
(Alpes-Maritimes) im Hinterland zu<br />
fliehen. Der kleine Le Clézio entdeckt<br />
urplötzlich den Krieg und erlebt, wie die<br />
Erwachsenen versuchen, ihre eigenen<br />
Ängste vor ihm zu verbergen. Der Autor<br />
war vermutlich nicht darauf gefasst,<br />
dass diese Erzählung angesichts der<br />
derzeitigen Situation aktueller denn je ist.<br />
Gleichzeitig ruft er uns ins Gedächtnis, dass<br />
solche Kindheitserinnerungen niemals in<br />
Vergessenheit geraten dürfen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 13
ON LIT EN FRANCE<br />
Unsere Auswahl an Büchern, über die man<br />
zurzeit in Frankreich spricht<br />
NOVELLEN<br />
HISTORISCHE ERZÄHLUNG<br />
Une sortie honorable<br />
Les petits personnages<br />
Marie Sizun, Arléa, 260 Seiten,<br />
20 €, ISBN 978-2363082909<br />
Die « kleinen Figuren » von denen Marie Sizun<br />
in den 30 Novellen in diesem Buch spricht, sind<br />
« diese Winzigen, diese Namenlosen », die Maler manchmal in ihre<br />
Gemälde integrieren, « wie Statisten zweiten Grades, die ohne<br />
Zweifel die Gesamtaussage des Bildes stützen, deren individuelles<br />
Schicksal jedoch offensichtlich niemanden interessiert ». Diese<br />
unaufdringlichen menschlichen Gestalten haben die Autorin schon<br />
immer neugierig gemacht. Die am Anfang jeder Novelle abgebildeten,<br />
mehr oder weniger bekannten Gemälde haben die Fantasie von<br />
Marie Sizun beflügelt, und sie erzählt uns amüsiert die Geschichten<br />
der « nur grob umrissenen Kreaturen ». Aus der unerwarteten und<br />
nicht alltäglichen Begegnung zwischen Kunst und Literatur sind<br />
liebenswerte und sehr poetische kleine Leseerlebnisse entstanden.<br />
Ein erfreuliches und ermutigendes Buch!<br />
Éric Vuillard, Actes Sud, 208 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-2330159665<br />
Éric Vuillard, der 2017 für sein Buch L’ordre du jour den Prix Goncourt<br />
erhielt (das Buch erschien 2018 in Deutschland bei Matthes & Seitz<br />
unter dem Titel Die Tagesordnung), besitzt echtes Talent: Auf der<br />
Basis eingehender Recherchen – man könnte sie auch nahezu als<br />
verbissen bezeichnen – gelingt es ihm, Abschnitte der Geschichte,<br />
die jeder zu kennen glaubt, unter einem neuen Blickwinkel zu<br />
zeigen. In diesem Fall geht es um den Indochina-Krieg (1946-1954),<br />
einen nicht sehr rühmlichen Abschnitt der französischen<br />
Kolonialgeschichte, in dem sehr viel Blut floss. Der Autor<br />
zeichnet ein lehrreiches Porträt dieser Zeit, indem<br />
er uns sowohl mit nach Saigon (Vietnam), auf eine<br />
vom Michelin-Konzern auf üble Weise ausgebeutete<br />
Gummibaum-Plantage, als auch in die französische<br />
Nationalversammlung mitnimmt. Das Bild der<br />
politischen und militärischen Klassen dieser Zeit<br />
ist oftmals erschreckend. Ein nützliches Werk, das<br />
bewegt und nachdenklich macht!<br />
HISTORISCHER ROMAN<br />
Le gosse<br />
Véronique Olmi, Albin Michel, 304<br />
Seiten, 20,90 €, ISBN 978-2226448040<br />
An dieses Buch erinnert man sich mit<br />
Sicherheit noch lange, nachdem man es<br />
gelesen hat. Le gosse, der kleine Junge, das<br />
ist Joseph, ein sogenannter Titi parisien, ein<br />
Pariser Bengel, wie man auf Deutsch sagen<br />
würde: ein lebenslustiger Kerl, der 1919<br />
im Armenviertel Bastille in Paris geboren<br />
wird. Zunächst führt Joseph ein glückliches<br />
Leben mit Mutter und Großmutter, bis sein<br />
Leben eines Tages eine Wendung nimmt:<br />
Als Joseph sieben Jahre alt ist, stirbt seine<br />
Mutter, und er wird offiziell Pupille de l’État,<br />
ein vom Jugendamt betreutes Waisenkind.<br />
Anstatt nun vom französischen Staat in<br />
Obhut genommen zu werden, landet der<br />
Waise jedoch in der Hölle des Gefängnisses<br />
Petite Roquette (eine schreckliche<br />
Pariser Anstalt, die heute noch düstere<br />
Erinnerungen hervorruft, obwohl sich an<br />
ihrer Stelle heute ein Park befindet). Später<br />
teilt Joseph das tragische Schicksal vieler<br />
anderer Waisenkinder der damaligen Zeit in<br />
einem der sogenannten « Kinder-Bagnos »,<br />
die es überall im Land gibt. Dennoch gelingt<br />
es ihm, in diesem schrecklichen Umfeld die<br />
Liebe zu finden und schließlich die Freiheit<br />
zu erlangen. Ein erschütterndes Buch,<br />
wunderschön aus der Sicht des Kindes<br />
geschrieben. Anmerkung: Zum Thema der<br />
« Kinder Bagnos » haben wir in Frankreich<br />
erleben <strong>Nr</strong>. 76 einen Artikel publiziert (26.<br />
August 1934: Am Tag als die Kinder aus dem<br />
Bagno auf Belle-Île-en-Mer flüchten).<br />
14 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
ROMAN - FAMILIENSAGA<br />
Regardez-nous danser - Le pays des autres, 2<br />
Leïla Slimani, Gallimard, 370 Seiten, 21 €, ISBN 978-2072972553<br />
Regardez-nous danser ist der zweite Band der dreiteiligen<br />
Familiensaga, die Leïla Slimani vor zwei Jahren mit Le Pays des<br />
autres begann. Das Buch erschien in Deutschland 2021 bei Luchterhand<br />
unter dem Titel Das Land der Anderen. Erfreut treffen wir die Elsässerin<br />
Mathilde und den Marokkaner Amine wieder, in deren Leben inzwischen 12<br />
Jahre vergangen sind. Seit 1956 lebt das französisch-marokkanische Paar<br />
in einem unabhängigen Land. Mit dieser zum großen Teil autobiografisch<br />
geprägten Familiensaga setzt die Autorin, die selbst französischmarokkanischer<br />
Abstammung ist, auf elegante, aber zielstrebige Art das<br />
Porträt eines Landes fort, das auf der Suche nach sich selbst ist. Das Buch ist<br />
weit mehr als das Bild einer Familie, es ist ein ausgesprochen interessanter<br />
historischer Roman, den vor allem diejenigen schätzen, die mehr darüber<br />
erfahren möchten, was Marokkaner und Franzosen verbindet.<br />
ROMAN<br />
Monument national<br />
Julia Deck, Les Editions de Minuit, 208<br />
Seiten, 17 €, ISBN 978-2707347626<br />
In diesem Buch bleibt Julia Deck ihrer Gabe treu,<br />
soziale Klassen der französischen Gesellschaft und<br />
deren Widersprüche zu beschreiben. Größer könnten<br />
die Unterschiede kaum sein, als zwischen der Welt eines alternden<br />
Stars des französischen Kinos, der mit seiner Patchworkfamilie und<br />
zahlreichen Angestellten in einem Schloss im Großraum Paris residiert,<br />
und der Welt einer Supermarktangestellten, die mit ihrem Sohn unter<br />
einer falschen Identität lebt … Das Resultat ist ein amüsantes Porträt<br />
von Menschen, die oft scheinheilig, dabei aber immer anziehend sind.<br />
Eine verwirrende und erfreuliche Sozialsatire, wie wir sie lieben!<br />
Sie möchten Ihren französischen<br />
Freunden ein deutsches Buch<br />
empfehlen, das kürzlich auch in<br />
Frankreich erschienen ist? Hier kommt<br />
unser derzeitiger Coup de cœur:<br />
ROMAN<br />
L’Ukrainienne<br />
Joseph Winkler, aus dem österreichischen<br />
Deutsch übersetzt von Bernard Banoun,<br />
mit einem Vorwort für die französische<br />
Ausgabe von Josef Winkler, Verdier,<br />
Kollektion Der Doppelgänger, 272<br />
Seiten, 22 €, ISBN 978-2378560645<br />
Dieser Roman ist die wahre und<br />
berührende Geschichte der Begegnung<br />
zwischen dem österreichischen<br />
Schriftsteller Josef Winkler und<br />
Njetotschka Iljaschenko, einer 1928<br />
geborenen Ukrainerin, die als Bäuerin<br />
in Kärnten (Österreich) lebt. 1982<br />
ist der Autor auf der Suche nach<br />
einem abgelegenen und ruhigen<br />
Ort zum Schreiben und mietet bei<br />
ihr ein Zimmer. Im Laufe zahlreicher<br />
Gespräche entwickelt sich ein<br />
vertrauensvolles Verhältnis zwischen<br />
den beiden, sodass die Bäuerin nach<br />
und nach ihr schmerzliches Schicksal<br />
preisgibt. Mit ihrer Erlaubnis macht<br />
Joseph Winkler daraus einen Roman,<br />
der eine wunderschöne Hommage<br />
an die Ukrainerin ist. Angesichts der<br />
russischen Invasion in die Ukraine<br />
erhält dieses Buch eine zusätzliche<br />
Dimension, da es unter anderem die<br />
Lebensbedingungen in der ehemals<br />
russischen Ukraine dokumentiert.<br />
Ein Zeugnis, das es wert ist, gelesen<br />
zu werden. Das Buch wurde 19<strong>83</strong><br />
in Deutschland unter dem Titel Die<br />
Verschleppung - Njetotschka<br />
Iljaschenko erzählt ihre<br />
russische Kindheit<br />
veröffentlicht<br />
(Suhrkamp<br />
Taschenbuch,<br />
285 Seiten,<br />
10 €, ISBN 978-<br />
3518111772).<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 15
ON REGARDE<br />
ROMANTISCHE KOMÖDIE<br />
KOMÖDIE / FAMILIENFILM<br />
Der kleine Nick auf Schatzsuche<br />
Schmetterlinge im Ohr<br />
Alle Menschen im Umfeld von Antoine<br />
(Pascal Elbé) scheinen ihm etwas<br />
vorzuwerfen, trauen sich jedoch nicht,<br />
dies auszusprechen. Ob Schüler, Kollegen<br />
oder Geliebte: Sie wünschen sich von ihm<br />
mehr Aufmerksamkeit, Konzentration,<br />
Einfühlungsvermögen. Keiner ahnt, dass<br />
Antoine im Laufe der Zeit sehr schwerhörig<br />
geworden ist. Auch Claire (Sandrine Kiberlain), seine neue Nachbarin,<br />
schimpft zunächst über den Lärm, den Antoine macht. Vor allem<br />
über die Musik, die er immer in voller Lautstärke hört. Doch die<br />
ausgesprochen sensible Frau kommt sehr schnell hinter das<br />
Geheimnis um Antoines Handicap und hilft ihm, damit umzugehen.<br />
Dieser humorvolle und feinfühlige Film regt zum Nachdenken über<br />
eine unsichtbare Behinderung an, die mehr Menschen betrifft, als<br />
man denkt. Der Regisseur, Pascal Elbé, hat im Übrigen beim Filmstart<br />
zugegeben, dass er selbst unter dieser Situation gelitten hat. Eine<br />
Komödie mit autobiografischen Zügen also …<br />
Schmetterlinge im Ohr • Frankreich, 2021, 93 min • Originaltitel: On est fait pour<br />
s’entendre • Ein Film von Pascal Elbé, mit Pascal Elbé, Sandrine Kiberlain, Valérie<br />
Donzelli, François Berléand, Emmanuelle Devos u. a. • Ab 16. Juni <strong>2022</strong> im Kino.<br />
DRAMA<br />
Le Petit Nicolas ist in Frankreich eine<br />
richtige Institution: Das Werk der<br />
Jugendliteratur entstand zwischen 1956<br />
und 1965. Es stammt aus der Feder von<br />
René Goscinny (1926-1977), einem der<br />
Asterix-Schöpfer, und wurde von Jean-<br />
Jacques Sempé illustriert. Die Geschichten<br />
erzählen liebevoll und mit Humor die<br />
Abenteuer eines kleinen Jungen und<br />
seiner Freunde im Frankreich der 60er-<br />
Jahre. Diese Kinoverfilmung hat trotz ihrer<br />
etwas holperigen Art die französischen<br />
Kinder (ab 8 Jahren) sofort begeistert –<br />
und in vielen Fällen die Eltern ebenfalls.<br />
Man hat fast den Eindruck, letztere<br />
würden sich etwas wehmütig an die Zeit<br />
erinnern, in der Kinder noch ganz ohne<br />
Mobiltelefon und Bildschirm aufwuchsen.<br />
Eine relativ gelungene Komödie, die<br />
Erinnerungen weckt und teilweise sehr<br />
berührend ist.<br />
Der kleine Nick auf Schatzsuche • Frankreich,<br />
2021, 103 min • Originaltitel: Le trésor du Petit<br />
Nicolas • Ein Film von Julien Rappeneau, mit<br />
Illan Debrabant, Jean-Paul Rouve, Audrey<br />
Lamy u. a. • Ab 2. Juni <strong>2022</strong> im Kino.<br />
Die Zeit, die wir teilen<br />
Joan (Isabelle Huppert, großartig!) ist eine Verlegerin, der im<br />
Leben offensichtlich alles zu gelingen scheint. Als jedoch ihre erste<br />
Jugendliebe plötzlich wieder auftaucht, wirft sie das aus der Bahn.<br />
Sie beschließt, den gemeinsamen Sohn zu verschweigen, und<br />
verlässt überstürzt Paris, um sich aufs Land zurückzuziehen. Die<br />
Flucht wird zu einer regelrechten Reise zu sich selbst, bei der Joan<br />
ihr ganzes Leben Revue passieren lässt. Gleichzeitig ist es eine Reise<br />
durch 40 Jahre europäische Geschichte, in Irland, Frankreich und<br />
Deutschland. Bei dieser Gelegenheit muss Joan sich auch mit einem<br />
gut gehüteten Geheimnis auseinandersetzen … Der Film lief als<br />
Vorpremiere während der Berlinale <strong>2022</strong>, bei der Isabelle Huppert<br />
– leider coronabedingt abwesend – für ihr Lebenswerk mit dem<br />
Goldenen Bären ausgezeichnet wurde. Sowohl das Publikum als<br />
auch die Filmkritiker haben den Film sehr gut<br />
aufgenommen. Er wechselt meisterhaft und mit<br />
viel Sensibilität zwischen Komödie und Drama<br />
und strahlt eine Atmosphäre aus, die – wie so oft<br />
bei Isabelle Huppert – manchmal geheimnisvoll,<br />
an der Grenze zum Irrealen ist.<br />
Die Zeit, die wir teilen • Frankreich, Irland, Deutschland,<br />
2021, 102 min • Originaltitel: À propos de Joan • Ein<br />
Film von Laurent Larivière, mit Isabelle Huppert, Lars<br />
Eidinger, Swann Arlaud, Freya Mavor u. a. • Der Filmstart<br />
ist im Laufe des <strong>Sommer</strong>s vorgesehen, das genaue<br />
Datum war bei Drucklegung noch nicht bekannt.<br />
16 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
DOKUMENTATION<br />
UNESCO Weltkulturerbe<br />
- Schätze für<br />
die Ewigkeit: Arles<br />
Das südfranzösische<br />
Arles erfindet sich<br />
gerade neu. Bislang war der malerische Ort am<br />
Rande der Camargue vor allem für seine antiken<br />
Wahrzeichen wie das berühmte Amphitheater<br />
bekannt, die Teil des UNESCO-Weltkulturerbes sind.<br />
Mit dem weithin sichtbaren Turm des amerikanischkanadischen<br />
Architekten Frank O. Gehry hat die<br />
Stadt nun ein weiteres Wahrzeichen erhalten. Auf<br />
einer ehemaligen Industriebrache ist rund um den<br />
Gehry-Turm ein Kulturcampus entstanden, der sich<br />
als « Zukunftswerkstatt » und als Anziehungspunkt<br />
für die relevantesten Künstler des 21. Jahrhunderts<br />
versteht.<br />
Dokumentation von Marion Schmidt, <strong>2022</strong>, 52 Min.<br />
· Sonntag, 5. Juni <strong>2022</strong> um 15.55 Uhr. Online<br />
verfügbar vom 5. Juni bis 4. Juli <strong>2022</strong>.<br />
SERIE<br />
Beau Rivage (Die<br />
Rückkehr) - Staffel 2<br />
Die belgische Fantasy-Krimi-Serie « Beau Séjour » feierte<br />
bereits im Jahr 2016 ihr Debüt und gewann auf dem<br />
französischen Serienfestival « Séries Mania » kurz nach der<br />
Premiere den Publikumspreis. ARTE hat die erste Staffel unter<br />
dem Titel « Zimmer 108 » ausgestrahlt. Nun folgt die zweite<br />
Staffel mit dem Titel « Die Rückkehr ». Auch hier ermittelt<br />
sozusagen ein lebendiger Toter die Umstände seines eigenen<br />
Todes. In diesem Fall ist es der ehemalige Marineoffizier<br />
Maurice, der plötzlich während eines nächtlichen Seesturms<br />
am Mast seines Segelbootes baumelt. Von Selbstmord ist<br />
die Rede. Auch wenn Maurice sich nicht mehr daran erinnern<br />
kann, glaubt er nicht, dass er Selbstmord begangen hat.<br />
Aber was ist in jener Nacht geschehen? Unsichtbar für<br />
seine Mitmenschen macht sich Maurice auf die Suche nach<br />
Antworten.<br />
Serie von Nathalie Basteyns und Kaat Beels, 2021, 54 Min. · Donnerstag,<br />
16. Juni um 22.30 Uhr. Online verfügbar vom 9. Juni bis 14. Juli <strong>2022</strong>.<br />
Das komplette tägliche ARTE TV-Programm finden Sie im ARTE Magazin.<br />
Jeden Monat neu am Kiosk oder im Abonnement. Jetzt bestellen unter: www.arte-magazin.de.<br />
Weitere Informationen und Angebote von ARTE : www.arte.tv<br />
KONZERT<br />
Mozarts Idomeneo aus<br />
Aix-en-Provence<br />
In diesem Jahr zeigt das Festival eine neue<br />
Produktion von Mozarts Idomeneo, Re die Creta<br />
(1781). Das Werk wird von dem international<br />
renommierten Regisseur Satoshi Miyagi inszeniert,<br />
der dafür bekannt ist, östliche und westliche<br />
Theatertraditionen miteinander zu verbinden.<br />
Idomeneo ist Miyagis erste Opernaufführung<br />
in Europa. Sie wird vom Leiter des Ensembles<br />
Pygmalion, Raphaël Pichon dirigiert. Vor der<br />
unvergleichlichen Kulisse des Erzbischöflichen Palais<br />
erklingen die virtuosen Stimmen<br />
von Michael Spyres und Sabine<br />
Devieilhe in den Hauptrollen.<br />
Konzert, 190 Min. · Freitag, 15.<br />
Juli <strong>2022</strong> um 21.30 Uhr live auf<br />
ARTE Konzert, Samstag, 16.<br />
Juli <strong>2022</strong> um 22 Uhr im TV.<br />
SPIELFILM<br />
Stavisky<br />
Durch Charme und<br />
Hochstapelei verschafft<br />
sich der in Russland<br />
geborene Schwindler Serge<br />
Alexandre Stavisky einflussreiche Freunde in der Pariser<br />
Gesellschaft. Er pflegt enge Kontakte zu korrupten Politikern<br />
und Industriellen, die ihm jegliche Privilegien verschaffen und<br />
es ihm ermöglichen ein erfolgreiches Imperium aufzubauen.<br />
Als Stavisky unter rätselhaften Umständen ums Leben<br />
kommt, stürzt das Pariser Establishment in eine politische<br />
und wirtschaftliche Krise. Ein Drama über die Stavisky-<br />
Affäre, die in den 1930er Jahren in Frankreich einen großen<br />
finanziellen Skandal auslöst.<br />
Spielfilm von Alain Resnais, mit Jean-Paul Belmondo, Charles Boyer,<br />
Anny Duperey u. a., 1974, 115 Min. · Montag, 18. Juli <strong>2022</strong> um 20.15 Uhr.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 17
ON SURFE<br />
SPRACHEN<br />
Lernen mit dem Departement<br />
Moselle<br />
Das Departement Moselle, auch<br />
« Eurodepartement » genannt, ist das<br />
französische Departement, in dem man<br />
sich des Stellenwerts von kulturellem<br />
und sprachlichem Austausch am meisten<br />
bewusst ist. Die gemeinsame Grenze<br />
mit zwei deutschen Bundesländern und<br />
Luxemburg sowie die Nähe zu Belgien<br />
haben dazu geführt, dass man sich dort<br />
seit vielen Jahren für einen möglichst<br />
frühen Kontakt mit Sprache und Kultur der<br />
Nachbarn einsetzt, was in besonderem<br />
Maße für Deutschland und die deutsche<br />
Sprache gilt. Die jüngste Kreation in diesem<br />
Zusammenhang ist Moselle Langues, eine<br />
digitale Plattform zum Sprachenlernen.<br />
Ziel des kostenlos zugänglichen Portals ist<br />
es, Menschen, die ihre Sprachkenntnisse<br />
in Französisch, Deutsch, Englisch oder<br />
Luxemburgisch evaluieren, verbessern<br />
oder einfach auf dem aktuellen Stand<br />
halten möchten, das Leben zu erleichtern.<br />
Das Tool ist zwar in erster Linie für die<br />
Bewohner des Departements Moselle<br />
gedacht, erweist sich jedoch für alle als<br />
praktisch, die neugierig auf Sprachen sind.<br />
Besonders nützlich sind die Tests, mit<br />
denen man in circa 15 Minuten sein Niveau<br />
in einer der vier Sprachen evaluiert, sowie<br />
die Informationen über die verschiedenen<br />
Weiterbildungsangebote. Aktuelle<br />
Informationen im Zusammenhang mit<br />
der Mehrsprachigkeit in der Großregion<br />
(Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen,<br />
Luxemburg, Wallonien, Ostbelgien)<br />
ergänzen das Angebot. Ein sinnvolles und<br />
gut durchdachtes Tool.<br />
www.mosellelangues.eu<br />
KONSUM<br />
Spritpreise in Frankreich vergleichen<br />
Angesichts des Höhenflugs der Spritpreise hat die französische Regierung eine<br />
Website eingerichtet, die mit nur wenigen Klicks Auskunft über die Spritpreise<br />
an den Tankstellen des Hexagons liefert. Die Angaben werden in Echtzeit<br />
aktualisiert. Man kann beispielsweise Ausgangspunkt und Ziel einer Reiseroute<br />
eingeben und erhält – in Listenform oder auf einer Karte – die Tankstellen<br />
entlang der Strecke. Neben den Preisen für die verschiedenen Spritsorten sind<br />
die Öffnungszeiten sowie das Serviceangebot angegeben. Diese Informationen<br />
können sich als sehr gut für den<br />
Geldbeutel erweisen. Bei einem<br />
Test für die Strecke Bordeaux-Paris<br />
stellten wir fest, dass der Literpreis für<br />
E5/SP98 zwischen 1,86 € und 2,55 €<br />
schwankte. Dies entspricht immerhin<br />
einer Differenz von 0,69 € pro Liter!<br />
Grund genug also, sich im Vorfeld zu<br />
informieren …<br />
www.prix-carburants.gouv.fr<br />
KULTUR<br />
Die Comédie-Française immer in Reichweite<br />
Das einzige Nationaltheater Frankreichs mit einem festen Ensemble,<br />
die Comédie-Française, ist eine prestigeträchtige Institution in Sachen<br />
Kultur in Paris. Seit der Gründung im Jahr 1680 wurde der Spielbetrieb<br />
niemals unterbrochen. An dieser Tradition konnte selbst die Coronakrise<br />
nicht rütteln. Während der aufeinanderfolgenden Lockdowns ging diese<br />
altehrwürdige Institution zur allgemeinen Überraschung ganz neue Wege<br />
und kreierte einen eigenen YouTube-Kanal, auf dem mittlerweile mehr<br />
als 1500 Videos veröffentlicht wurden. Diese Initiative wird nach wie<br />
vor fortgesetzt, denn einige Serien erwiesen sich als ausgesprochene<br />
Renner, beispielsweise Théâtre à la table (wo man auf bisher noch nie<br />
da gewesene Weise mehrere Tage lang die Proben für ein Theaterstück<br />
mitverfolgen kann), packende Lesungen der Schauspielerinnen und<br />
Schauspieler des Stückes À la recherche du temps perdu von Marcel<br />
Proust (1871-1922) oder, anlässlich des 400. Geburtstags von Molière<br />
(1622-1673), Interviews mit den Mitgliedern des Ensembles über ihre<br />
Beziehung zu diesem berühmten Theaterdichter. Die Reichweite<br />
von bisher schätzungsweise knapp fünf Millionen Zugriffen auf<br />
dieses « Webfernsehen » ganz neuer Art bestätigt das Interesse der<br />
Öffentlichkeit. Vor allem junge<br />
Menschen und Menschen<br />
aus dem Ausland (ca. 20 %<br />
der Zuschauer, obwohl das<br />
Programm in französischer<br />
Sprache ausgestrahlt wird)<br />
sind zahlreich vertreten. Ein<br />
toller Erfolg also!<br />
www.youtube.com/user/<br />
LaComedieFrancaise<br />
18 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
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mir gesondert mitgeteilt.<br />
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Ort<br />
Telefonnummer für Rückfragen<br />
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Datum, Unterschrift<br />
Diese Bestellung kann innerhalb von 14 Tagen beim Aboservice schriftlich ohne<br />
Angabe von Gründen widerrufen werden.
AM TAG ALS …<br />
Es gibt Tage, die anders sind. Sie erscheinen<br />
zunächst ganz « banal », doch dann ereignet<br />
sich etwas, das die Menschen so bewegt,<br />
dass sie sich noch lange daran erinnern.<br />
Über solche Tage, die im Gedächtnis der<br />
Franzosen haften geblieben sind, berichten<br />
wir in dieser Rubrik.<br />
… die Stadt Dijon den<br />
« Trauernden <strong>Nr</strong>. 17 »<br />
zurückerhielt<br />
Auf den ersten Blick sieht man der 42 cm hohen<br />
Skulptur aus Alabaster, die heute im Musée des<br />
Beaux-Arts in Dijon, im Saal mit den Grabmälern<br />
der Herzöge von Burgund zu sehen ist, nichts Besonderes<br />
an. Eine Statuette unter vielen, ist man fast versucht zu sagen,<br />
denn dieser « Trauernde, der seine Tränen zurückhält »<br />
– auch bekannt unter dem verwaltungstechnischen und<br />
viel weniger poetischen Namen Pleurant No 17 – ist nur<br />
eine von 82 kleinen Statuen. Die Pleurants von Dijon gelten<br />
weltweit als Meisterwerke der mittelalterlichen Kunst,<br />
zu ihren Bewunderern zählten bereits Stendhal (17<strong>83</strong>-<br />
1842) und Victor Hugo (1802-1885). Sie schmückten das<br />
Grab Philipps des Kühnen (1342-1404), des ersten Herzogs<br />
von Burgund, sowie die Gräber seines Sohnes, Johann<br />
Ohnefurcht (1371-1419) und dessen Frau Margarete von<br />
Bayern (1363-1424). Dennoch ist es dieser diskrete « Trauernde<br />
<strong>Nr</strong>. 17 » wert, dass man nicht einfach an ihm vorbeigeht,<br />
sondern ihm etwas Aufmerksamkeit schenkt. Seine<br />
Geschichte gleicht einem Epos, in dem große Geschichte<br />
und juristische Rangeleien verwoben sind. Lassen Sie uns<br />
erzählen, wie sich das Ganze abspielte …<br />
Alles beginnt im Mittelalter. Damals ist es Brauch,<br />
dass man verstorbenen illustren Persönlichkeiten die Ehre<br />
erweist, indem man zu Füßen ihrer liegenden Grabfiguren<br />
(den sogenannten Gisants) kleine Statuen aufstellt, die<br />
oft Familienmitglieder oder Ordensgeistlichkeiten repräsentieren.<br />
Es ist eine Art, sie ins Jenseits zu begleiten und<br />
die Trauer um sie aufrecht zu erhalten. Da die Herzöge<br />
von Burgund in jener Zeit am Ende des Mittelalters zu<br />
den mächtigsten Herrschern in Europa gehören, erscheint<br />
es nur logisch, nach ihrem Tod ihre Gisants mit solchen<br />
Statuetten zu dekorieren. Genau aus diesem Grund werden<br />
im Laufe der Zeit in Burgund für die Dekoration der<br />
Grabmäler von Philipp dem Kühnen, seinem Sohn Johann<br />
Ohnefurcht sowie dessen Gemahlin Margarete von<br />
Bayern insgesamt 82 Skulpturen geschnitzt.<br />
Hätte nicht die Französische Revolution den Lauf<br />
der Dinge und das Schicksal vieler Zeugnisse des Anci-<br />
20 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
en Régime geändert, hätte in der Folge vermutlich nichts<br />
mehr die Ruhe dieser bemerkenswerten Gisants gestört.<br />
Dabei ist es zu Beginn gar nicht so schlecht um sie bestellt:<br />
Ein Dekret vom 2. November 1789 überführt die<br />
Gräber einschließlich der Pleurants in Staatsbesitz, um<br />
sie auf diese Weise zu schützen. Einige Jahre später,<br />
1793, ordnet allerdings ein neuer Erlass – der viel eher<br />
dem revolutionären Geist der Epoche<br />
entspricht – schlicht und einfach die<br />
Zerstörung « aller königlichen Bildnisse<br />
» an. Daraufhin werden auch die<br />
genannten Grabmale umgehend dem<br />
Erdboden gleichgemacht. Die « Trauernden<br />
» jedoch, die einfacher zu demontieren<br />
und zu transportieren sind,<br />
werden in alle Winde zerstreut. Dieses<br />
vorübergehende « Untertauchen » trägt<br />
letzten Endes zu ihrer Rettung bei.<br />
1799 tauchen die meisten von ihnen<br />
zur allgemeinen Überraschung wieder<br />
auf und werden zu Füßen originalgetreuer<br />
Rekonstitutionen der Grabmäler<br />
im ehemaligen Palast der Herzöge von<br />
Burgund (in dem sich heute das Musée<br />
des Beaux-Arts befindet) aufgestellt.<br />
Doch damit ist die Angelegenheit<br />
noch nicht zu Ende. Nach wie vor fehlen mehrere Pleurants.<br />
Vor allem für eine der Statuen, die <strong>Nr</strong>. 17, soll es<br />
sehr lange dauern, bis sie wieder ihren ursprünglichen<br />
Platz einnehmen kann …<br />
Bereits 1794 ist der Pleurant retenant ses larmes zwar<br />
– gemeinsam mit einigen seiner « Brüdern » – bei einem<br />
Antiquitätenhändler in Dijon aufgetaucht, doch aufgrund<br />
eines bis heute unergründlichen Mysteriums verliert sich<br />
die Spur direkt wieder. Erst als sie 1811 an einen privaten<br />
Kunstsammler verkauft wird, stößt man erneut auf diese<br />
Skulptur. Doch damit ist der Irrweg dieses « Trauernden »<br />
immer noch nicht beendet. Zwei Jahre später, 1813, gerät<br />
er in den Besitz einer Pariser Familie, wo er fast 200 Jahre<br />
lang verbleibt,<br />
ohne Aufsehen zu<br />
erregen.<br />
2013 kommt<br />
allerdings Bewegung<br />
in die<br />
Angelegenheit.<br />
Zu diesem Zeitpunkt<br />
erben drei<br />
Wo kann man den<br />
« Trauernden <strong>Nr</strong>. 17 »<br />
(und all die anderen)<br />
besichtigen?<br />
Musée des Beaux-Arts<br />
de Dijon<br />
Palais des Ducs et des Etats<br />
de Bourgogne<br />
Geöffnet täglich außer<br />
Dienstag.<br />
Der Zutritt zu den<br />
Dauerausstellungen,<br />
darunter der Saal mit den<br />
Grabmälern der Herzöge<br />
von Burgund und den<br />
Pleurants, ist kostenlos.<br />
www.beaux-arts.dijon.fr<br />
Schwestern in<br />
Paris den Pleurant<br />
No. 17, ohne den<br />
Hintergrund und<br />
die Geschichte der<br />
Statuette zu kennen.<br />
Sie lassen die<br />
Skulptur von Sachverständigen<br />
schätzen und erfahren zu ihrer großen Freude,<br />
dass diese fast 3 Millionen Euro wert ist! Da die drei<br />
Erbinnen das große Geschäft wittern, begleichen sie 2014<br />
anstandslos die Erbschaftssteuer, werden damit – vermeintlich<br />
– rechtmäßige Besitzerinnen des Schatzes und<br />
vertrauen das wertvolle Stück dem renommierten Auktionshaus<br />
Pierre Bergé an, um es versteigern zu lassen.<br />
Gemäß den gesetzlichen Vorschriften<br />
beantragt das Auktionshaus beim<br />
französischen Staat eine Ausfuhrgenehmigung,<br />
ein unerlässliches Dokument<br />
im Hinblick auf einen möglichen<br />
Verkauf ins Ausland. Die Antwort lässt<br />
nicht lange auf sich warten und ist für<br />
die Erbinnen eine herbe Enttäuschung.<br />
Anstatt der gewünschten Genehmigung<br />
erhalten sie vom Staat postwendend<br />
die Aufforderung, das Werk auszuhändigen,<br />
denn die drei Schwestern<br />
sind – wenngleich « unschuldig » – in<br />
den Besitz einer Sache gelangt, die « öffentliches<br />
Eigentum » ist. Im Klartext:<br />
Die Statuette ist seit dem Dekret von<br />
1789 staatliches Eigentum, deshalb<br />
muss sie an den Staat zurückgegeben<br />
werden.<br />
Es folgt eine lange juristische Auseinandersetzung.<br />
Die Schwestern sind nicht gewillt, sich etwas wegnehmen<br />
zu lassen, was sie als ihr Eigentum ansehen. Es gibt<br />
Urteile und Berufungen, im Laufe der Jahre geht die<br />
Angelegenheit bis vor den obersten französischen Verwaltungsgerichtshof,<br />
nämlich den Conseil d’État. Da der<br />
französische Staat über stichhaltige Beweise verfügt, die<br />
eine Rückforderung des Werkes stützen, bestätigt die<br />
oberste Gerichtsbarkeit am 21. Juni 2018, dass der Pleurant<br />
No 17 « öffentliches Eigentum » ist, und zwar « unveräußerlich<br />
und unverjährbar ». Am 11. Juli 2020 wird das<br />
Urteil schlussendlich umgesetzt und die Skulptur an die<br />
Stadt Dijon zurückgegeben,<br />
wo sie nach<br />
mehr als 200-jähriger<br />
Abwesenheit<br />
ihren Platz zu Füßen<br />
des Grabmals wieder<br />
einnimmt. Die Trauernden<br />
sind wieder<br />
(nahezu) vereint,<br />
denn noch immer<br />
fehlen sieben von<br />
ihnen: Vier befinden<br />
sich heute in den<br />
Vereinigten Staaten,<br />
im Cleveland<br />
Museum of Art,<br />
drei sind nach wie<br />
vor verschollen …<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 21
ON ÉCOUTE<br />
KLASSIK<br />
Quatuor Modigliani – Schubert: The String Quartets<br />
Das französische Quartett Modigliani (Amaury Coeytaux, Violine; Loïc Rio,<br />
Violine; Laurent Marfaing, Bratsche; François Kieffer, Violoncello) wurde<br />
2003 gegründet und tritt heute in den renommiertesten Konzertsälen<br />
der Welt auf. Die Aufnahme sämtlicher Streichquartette von Schubert,<br />
die auf den fünf CDs in dieser Kassette zu hören sind, war eine Premiere<br />
für die Musiker. Dem vor allem in Deutschland durch zahlreiche<br />
Auftritte bekannten Quartett gelang mit seiner Interpretation zweifellos<br />
eine musikalische Meisterleistung. Abgesehen von der perfekten<br />
Beherrschung der Noten und Instrumente ist vor allem die unglaubliche<br />
Harmonie zwischen den Musikern ein emotionales Highlight. Jeder<br />
von ihnen ergänzt bei seinem Einsatz auf subtile Art die Darbietung der<br />
anderen und vervollkommnet dadurch das kollektive Werk. Angesichts<br />
dieses Wohlklangs stockt einem nahezu der Atem. Man hat den Eindruck,<br />
die Musik sei nicht nur das Ergebnis jahrelanger hartnäckiger Arbeit, sondern<br />
beruhe auch auf einer tiefen Freundschaft und Vertrautheit zwischen den Künstlern. Ein Meisterwerk! Zur<br />
Information: Das Quatuor Modigliani hat die künstlerische Leitung von Vibre, dem renommierten Concours<br />
International & Festival de Quatuors à cordes in Bordeaux. Dieses Festival mit angeschlossenem Wettbewerb<br />
findet vom 9. bis 20. Mai <strong>2022</strong> statt. Aus diesem Anlass werden in Stadt und Umgebung zahlreiche Konzerte<br />
ausgetragen. Freunde klassischer Musik sollten sich die Daten vormerken! (www.vibrefestival.com)<br />
POP<br />
Stromae: Multitude<br />
Der aus Belgien stammende und in Frankreich sehr populäre Popstar<br />
Stromae gab nach siebenjähriger Abwesenheit Anfang des Jahres in den<br />
20-Uhr-Nachrichten des französischen Senders TF1 überraschend ein<br />
Interview. Es war sehr ergreifend und sorgte für Schlagzeilen. Vor allem,<br />
weil Stromae dank einer minutiös geplanten Inszenierung die letzte Frage<br />
der Journalistin zu seiner jahrelangen Abwesenheit plötzlich mit einem<br />
Chanson beantwortete: Ich habe manchmal Suizidgedanken gehabt,<br />
und darauf bin ich nicht gerade stolz / Man glaubt manchmal, dass es der<br />
einzige Weg ist, sie zum Schweigen zu bringen. Ganz Frankreich entdeckte<br />
bei dieser Gelegenheit den schmerzlichen Text des Songs L’enfer, der<br />
auf dieser neuen CD zu hören ist. Gleichzeitig erfuhren die Zuschauer<br />
in dem Interview zur besten Sendezeit mehr über ein bislang von einer<br />
prominenten Person nur selten so offen angesprochenes Thema:<br />
Depressionen. In der Zwischenzeit wurde dieses Album von Stromae, das<br />
im Übrigen voller liebevoller<br />
Texte und Musik steckt,<br />
zum Symbol dafür,<br />
wie man mit<br />
Entschlossenheit<br />
wieder zurück<br />
zu Optimismus<br />
und Lebenslust<br />
finden kann.<br />
Ermutigend!<br />
CHANSON<br />
Fishbach: Avec les yeux<br />
Fishbach ist eine dreißigjährige Sängerin<br />
mit einer vielversprechenden Begabung.<br />
J’aimerais quitter la ville singt sie mit sanfter<br />
Stimme im gleichnamigen Chanson dieses<br />
Albums, worauf die Backgroundsänger fragen:<br />
Pour aller où? Die Musikerin hat schließlich im<br />
Verlauf der verschiedenen Ausgangssperren<br />
und Lockdowns der jüngsten Zeit den Weg aus<br />
der Stadt Paris zurück in die geliebte Region<br />
gefunden, in der sie ihre Kindheit verbrachte:<br />
die Ardennen. Die Rückkehr zu den Wurzeln war<br />
offensichtlich eine Inspirationsquelle für die<br />
Realisation dieses sehr persönlichen Albums<br />
voller Poesie. Schöne musikalische Momente!<br />
22 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche<br />
Mont Sain<br />
Die Geheimnisse des<br />
24 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
t-Michel<br />
« Gefängnisbergs »<br />
Nähert man sich der Baie du Mont Saint-Michel lässt der Anblick der<br />
pyramidenförmigen Silhouette der Insel mit ihrer Abtei auch heute<br />
noch, mehr als 1300 Jahre nach der Gründung des Klosters im Jahr<br />
708, niemanden gleichgültig. Das Betreten des felsigen Eilands ist<br />
nach wie vor ein besonderes Erlebnis. Kein Zweifel, das « Wunder des<br />
Westens » hat nichts von seiner magischen Anziehungskraft auf Touristen<br />
und Pilger verloren. Die Kehrseite des Erfolges ist jedoch, dass<br />
die Besichtigung eines solchen Anziehungspunktes oftmals einem<br />
« touristischen Pflichtprogramm » gleicht, das keine Gelegenheit für<br />
wirkliche Entdeckungen bietet. Dabei ist es durchaus möglich, sich für<br />
eine ganz andere, vielfach unbekannte Seite des Mont Saint-Michel zu<br />
interessieren: die Zeit, in der der Mont ein Gefängnis war, als das ehemalige<br />
Benediktinerkloster in eine der bedeutendsten Haftanstalten<br />
Frankreichs verwandelt worden war. Ein Thema, um ausgetretene<br />
Touristenpfade zu verlassen und diesen besonderen Ort unter einem<br />
ganz neuen und packenden Blickwinkel zu entdecken!<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 25
UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche<br />
26 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Diskutiert man mit François Saint-James während<br />
des Spaziergangs durch die Gassen der<br />
Gemeinde Mont Saint-Michel, muss man darauf<br />
gefasst sein, immer wieder unterbrochen zu werden.<br />
Von allen Seiten ertönt ein « Hallo, wie gehts? » oder ein<br />
« Tag François, alles klar? », sodass man den Eindruck<br />
hat, sich in Begleitung einer lokalen Berühmtheit zu<br />
befinden. Was im Grunde genommen nicht falsch ist.<br />
Die meisten der noch verbliebenen rund 20 Einwohner<br />
und derjenigen, die hier arbeiten, kennen ihn gut, denn<br />
der Mann gehört sozusagen zum « Inventar ». Seit 1989<br />
ist der « altgediente » Gästeführer der Abtei hier tätig,<br />
lange Zeit wohnte er zudem hier, und schon immer<br />
hegte er eine ausgeprägte Leidenschaft für den Felsen<br />
und seine Geschichte. Beide kennt er wie seine Westentasche.<br />
Wie die meisten seiner Kollegen trennt er sich<br />
niemals von dem beeindruckenden Schlüsselbund mit<br />
riesigen Schlüsseln, die ihm Zugang zu allen Räumen<br />
der Abtei und den Respekt der Besucher verschaffen.<br />
Wir haben einen Termin mit François Saint-James vereinbart,<br />
weil er der Initiator einer der spannendsten und<br />
ungewöhnlichsten Besichtigungen des Mont Saint-Michel<br />
ist, die sich einer eher unbekannten Epoche widmet,<br />
nämlich der Zeit, in der hier ein Gefängnis war:<br />
Zunächst gingen die Mönche einer « Nebentätigkeit »<br />
als Kerkermeister nach; in der Folge wurde aus der Abtei<br />
ein bedeutendes Gefängnis, in dem knapp 600 Häftlinge<br />
eingesperrt waren. Grund genug also, den Mont<br />
einmal aus einer ganz anderen, ungewöhnlichen Perspektive<br />
zu betrachten!<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 27
UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche<br />
Die Grausamkeiten Ludwigs XI. und seine schrecklichen Eisenkäfige werfen noch immer dunkle Schatten über den<br />
Mont Saint-Michel. François Saint-James präsentiert gerne ganz konkrete Zeugnisse dieser « dunklen Vergangenheit»,<br />
die bei den « klassischen Führungen » meist übergangen werden. So wie die Botschaften, die ein Gefangener<br />
in die Tür seines Kerkers ritzte (rechts unten). Er zeigt auch alte Stiche, mit deren Hilfe man den damaligen<br />
Zustand einiger Räume des Klosters mit dem jetzigen Zustand vergleichen kann (rechts oben das Vestibül).<br />
Ein etwas spezielles « Gastgewerbe »<br />
Diejenigen, die ab dem Jahr 708 diese heilige Stätte<br />
zu Ehren des Erzengels Michael gründeten, konnten sich<br />
vermutlich nicht vorstellen, dass der Ort eines Tages als<br />
Kerker dienen würde. Doch genau dazu kam es im Verlauf<br />
der Jahrhunderte. Alles begann, wie uns François Saint-<br />
James erläutert, im Mittelalter: Die abgelegene geografische<br />
Lage und die Befestigungsanlagen des Berges legten bei<br />
manchen den Gedanken nahe, dort eine Haftanstalt zu<br />
schaffen, da eine solche Einrichtung besonders einfach zu<br />
überwachen schien. König Ludwig XI. (1423-14<strong>83</strong>) witterte<br />
ein « gutes Geschäft » und versuchte die Kirchenmänner<br />
auf dem Klosterberg davon zu überzeugen, einen Teil der<br />
Abtei für diese neue « Aktivität » bereitzustellen. Da diese<br />
eine nicht unerhebliche Einkommensquelle darstellen<br />
sollte, akzeptierten die Mönche den Vorschlag, auf dieses<br />
spezielle « Gastgewerbe » umzusatteln. Als Gegenleistung<br />
erhielten sie vom König für jeden Gefangenen ein Unterhaltsgeld,<br />
das teilweise von der Familie des Inhaftierten<br />
aufgestockt wurde, um dessen Verpflegung zu verbessern.<br />
Ludwig XI. war darüber erfreut, dass die Mönche seinen<br />
Vorschlag annahmen, und nutzte umgehend die Gelegenheit,<br />
politische Gegner dort einsperren zu lassen. Er ließ<br />
in der Abtei sogar einen seiner berüchtigten « Eisenkäfige »<br />
installieren, die heute noch in unseliger Erinnerung sind.<br />
Diese bestanden aus mit Eisenstäben verstärktem Holz und<br />
wurden an der Zellendecke aufgehängt, sodass sie bei jeder<br />
Bewegung des Häftlings, der sich darin befand, schwankten.<br />
Der Käfig existiert zwar heute nicht mehr, doch bei<br />
einer Besichtigung der entsprechenden Zelle in Begleitung<br />
von François Saint-James kann man sich vorstellen, welche<br />
Qualen diese Instabilität wohl ausgelöst haben muss.<br />
28 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Von « VIP-Zellen » zur unbewohnten Abtei<br />
Die Praxis, Gegner der Staatsgewalt und unerwünschte<br />
Politiker in der Abtei einzusperren, stieß auch bei den<br />
Nachfolgern Ludwigs XI. auf Interesse. Das Vorgehen<br />
war sehr « praktisch » und es bürgerte sich daher ein, dass<br />
in den Wohnräumen der Abtei einige « VIP-Zellen » für<br />
« Pensionsgäste des Königs » reserviert waren. Letztere<br />
waren meist aus gutem Hause und wurden ohne Verurteilung,<br />
lediglich auf Wunsch des Königs, dort eingesperrt.<br />
Manchmal ging die Initiative auch von Standesgenossen<br />
oder Familienmitgliedern aus, die Personen auf diese Weise<br />
« aus persönlichen Gründen aus dem Verkehr ziehen »<br />
wollten. Der Auslöser war oftmals relativ unbedeutend,<br />
teilweise handelte es sich lediglich um einen Sittenskandal.<br />
Selbstverständlich waren die Zellen dieser Inhaftierten<br />
nicht mit denen politischer Häftlinge vergleichbar.<br />
Da die Mönche in solchen Fällen einen höheren Betrag<br />
erhielten, war die Unterbringung ziemlich komfortabel,<br />
was den Aufenthalt für die Betroffenen « angenehmer »<br />
machte. Dennoch reichte das durch diese Tätigkeit erzielte<br />
Einkommen nicht aus, um den Finanzbedarf der Abtei<br />
zu decken, deren glanzvolle Ausstrahlung mehr und mehr<br />
verblasste. Umso mehr, als zu Beginn der Französischen<br />
Revolution, 1789, nach einhelliger Meinung der Historiker<br />
nur noch schätzungsweise sechs bis zwölf Gefangene<br />
auf dem Mont Saint-Michel eingesperrt waren. Für den<br />
Orden, der bereits mehr als 1000 Jahre dort lebte, begann<br />
damals eine schreckliche Zeit. Am 2. November 1789<br />
beschloss die konstituierende Nationalversammlung die<br />
Verstaatlichung der Kirchengüter, und am 13. Februar<br />
1790 wurden Orden ganz verboten, die Mönche aus ihren<br />
Klöstern verjagt. Auch auf dem Klosterberg mussten die<br />
letzten Geistlichen die Abtei verlassen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 29
UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche<br />
Von der « Bastille des Mers »<br />
zum « Maison centrale »<br />
In den folgenden Jahrzehnten wurde von der Revolutionsregierung<br />
die Bestimmung des Mont Saint-Michel<br />
als Gefängnis wieder aufgegriffen, knapp 300 widerspenstige<br />
Priester, die sich weigerten, den Schwur auf die<br />
Zivilverfassung des Klerus zu leisten, kamen dort hinter<br />
Gitter. Doch erst Napoleon (1769-1821) ließ die Funktion<br />
als « Bastille der Meere » in vollem Umfang wieder<br />
aufleben und nutzte den Ort als Kerker. Durch ihn erhielt<br />
das Gefängnis auf dem Mont eine ganz andere Dimension.<br />
Bisher hatte die königliche Macht – abgesehen<br />
von einigen politischen Häftlingen – im Wesentlichen<br />
bekannte Persönlichkeiten der Aufsicht der Mönche<br />
« unterstellt ». 1811, während des Ersten Kaiserreichs,<br />
wurde die Haftanstalt im Rahmen einer umfassenden<br />
administrativen Reorganisation nach der Revolution in<br />
ein Maison centrale, ein Zentralgefängnis, verwandelt.<br />
Solche Einrichtungen waren Häftlingen vorbehalten,<br />
die lange Strafen verbüßen mussten. So war aus dem Ort<br />
eine neue Art von Gefängnis geworden, in dem Verurteilte<br />
nun ganz « offiziell » inhaftiert und von Aufsehern<br />
und Soldaten einer dort stationierten Einheit bewacht<br />
wurden. Neben dem Mont Saint-Michel wurden noch<br />
andere weitläufige Nationalgüter in Gefängnisse umgewandelt,<br />
beispielsweise die Abbaye de Fontevraud, über<br />
die wir in der Ausgabe <strong>Nr</strong>. 81 von Frankreich erleben berichteten<br />
(Fontevraud, eine Abtei, die ihrer Zeit schon immer<br />
voraus war).<br />
« So gut wie eben möglich »<br />
Aufgrund des kaiserlichen Dekrets von 1811 bevölkerten<br />
also Gefangene und ihre Wächter die Abtei. Und<br />
Arbeiter, denn die Umwandlung des Ortes in ein Zentralgefängnis<br />
war mit einigen Umbaumaßnahmen verbunden.<br />
So wurden die Öffnungen beispielsweise mit Eisengittern<br />
versehen, um Ausbrüche zu vermeiden. Angesichts der beeindruckenden<br />
Zahl an Häftlingen, die man dort einsperrte<br />
(im Durchschnitt 600 Frauen und Männer), wurde schnell<br />
offensichtlich, dass es an Platz fehlte. In der Abtei machte<br />
man sich daher daran, jede noch so kleine Fläche für die<br />
Nutzung als Gefängnis im großen Stil umzubauen. Allerdings<br />
hatte der Staat nicht vor, viel Geld für seine Gefangenen<br />
auszugeben, ganz im Gegenteil. Die meisten Arbeiten<br />
wurden nur notdürftig ausgeführt, zu geringstmöglichen<br />
Kosten. Die Architektur des Ortes oder gar der « Komfort »<br />
Als sich auf dem Mont ein Gefängnis befand, war die Insel sehr isoliert, da es keinen Deich gab. Der Zugang war<br />
von den Gezeiten abhängig und oft sehr gefährlich. Rechte Seite: Die Krypta wurde in jener Zeit als Lagerraum<br />
für Waren für die diversen Werkstätten genutzt, in denen die Gefangenen arbeiten mussten.<br />
30 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
der Inhaftierten waren keine Aspekte, an die man einen<br />
Gedanken verschwendete. Offenbar ging es nur darum,<br />
alles « so gut wie eben möglich » zu machen. Der Gipfel<br />
der Ironie: Im Bestreben, Kosten zu sparen, schreckte die<br />
Staatsgewalt nicht einmal davor zurück, die Gefangenen<br />
selbst für bestimmte Arbeiten einzusetzen. Man war<br />
demzufolge sehr weit von dem entfernt, was man unter<br />
einem modernen Gefängnis versteht. In vielen Fällen<br />
nutzte man die bestehende Gebäudestruktur, beispielsweise<br />
vorhandene Zellen und Kerker. In anderen Fällen,<br />
zum Beispiel im ehemaligen Refektorium der Mönche,<br />
zog man eine Decke ein, sodass der obere Teil als Schlafsaal<br />
genutzt werden konnte, während unten eine Werkstatt<br />
eingerichtet wurde. Nach demselben Prinzip wurde<br />
auch das Kirchenschiff der ehemaligen Abtei verwandelt:<br />
Eingezogene Decken teilten den Raum in drei Ebenen<br />
auf. François Saint-James weist bei Besichtigungen regelmäßig<br />
darauf hin, dass deren Spuren heute noch zu sehen<br />
sind. Auf diese Weise entstanden ein Speisesaal für die<br />
Häftlinge, ein Schlafsaal und ebenfalls eine Werkstatt.<br />
In den angrenzenden Kapellen wurden Webereien und<br />
Schuhmachereien eingerichtet, der ehemalige Rittersaal<br />
wurde zur Spinnerei umfunktioniert, der Wandelgang des<br />
Klosters diente als Hutfabrik. Die Abtei war kaum mehr<br />
wiederzuerkennen.<br />
Eine Art ausgedehnte « Fabrik »<br />
Die Gefängnisverwaltung beschränkte sich demnach<br />
nicht nur darauf, aus der Abtei eine Haftanstalt zu machen,<br />
sondern sie verwandelte sie gleichzeitig in eine Art<br />
ausgedehnte « Fabrik », deren offizielle Bestimmung es<br />
war, die Gefangenen « zu beschäftigen », damit diese mit<br />
den Früchten ihrer Arbeit einen großen Teil ihrer Unterbringungskosten<br />
selbst finanzierten. Überall entstanden<br />
unterschiedlichste Arbeitsbereiche, in denen Wolle gesponnen<br />
wurde, Stoffe gewoben oder Strohhüte gefertigt<br />
wurden. Insofern darf man sich die Abtei in dieser Epoche<br />
nicht – wie es naheliegend wäre – als Ort vorstellen,<br />
an dem Mönche ein ruhiges Leben mit Beten und Arbeiten<br />
zubrachten; es war vielmehr eine Ansammlung von<br />
Ein umstrittenes Thema: Hat das Gefängnis den<br />
Mont Saint-Michel vor dem Verfall gerettet?<br />
Standpunkt von Jérémie Halais, Doktor für<br />
Geschichte, Experte für die Geschichte der<br />
Normandie im 19. Jahrhundert und Autor<br />
eines demnächst erscheinenden Werkes<br />
über das Gefängnis auf dem Mont Saint-<br />
Michel.<br />
Jérémie Halais, man sagt manchmal, dass das<br />
Gefängnis, das sich von 1792 bis 1864 auf dem<br />
Klosterberg befand, diesen – und vor allem die Abtei – vor<br />
dem Verfall gerettet habe. Wie denken Sie darüber?<br />
Sicher ist, dass sich die Abtei Ende des 18. Jahrhunderts<br />
in einem sehr schlechten Zustand befand, dass sie zum<br />
Großteil verlassen war. Aufgrund der Tatsache, dass dort<br />
ein Gefängnis eingerichtet wurde, führte man einige<br />
Arbeiten durch, und die riesigen Gebäude wurden im<br />
Laufe der Jahre zumindest minimal instand gehalten.<br />
Unter diesem Aspekt hat das Gefängnis sicher dazu<br />
beigetragen, einen Verfall der Abtei zu verhindern,<br />
zumindest was das Gebäude an sich angeht. Dennoch<br />
glaube ich nicht, dass die Abtei ohne das Gefängnis<br />
« eingestürzt » wäre, wie manche behaupten. Oft wird<br />
der furchtbare Brand im Jahr 1<strong>83</strong>4 zitiert, bei dem die<br />
Abtei in der Tat beinahe zerstört worden wäre. Sicher, in<br />
diesem Zusammenhang erinnert man gerne daran, dass<br />
Aufseher und Gefangene dabei halfen, die Flammen zu<br />
löschen und so das Gebäude retteten. Doch dabei vergisst<br />
man gerne, dass es während der « Gefängniszeit » der<br />
Abtei mindestens zehn Brände gab, die gerade von den<br />
Häftlingen oder dem Personal ausgelöst wurden … Daher<br />
ist es schwierig, diese Zeit als « positiv » für den Mont Saint-<br />
Michel einzustufen. Man darf zudem nicht vergessen,<br />
dass der Staat für den Unterhalt seines Gefängnisses so<br />
wenig Geld wie möglich ausgeben wollte. Eine « Null-<br />
Kosten-Politik », aufgrund derer beispielsweise einer der<br />
Direktoren auf der Suche nach Material für dringende<br />
Reparaturarbeiten in der Abtei gezwungen war, Steine<br />
direkt aus der Stadtmauer zu entnehmen. Auch auf die<br />
Gefahr hin, dass diese einstürzt … Insofern betrachte ich<br />
die Aussage, das Gefängnis habe die Abtei « gerettet » sehr<br />
differenziert. Man kann vielleicht sagen, dass es die Abtei<br />
« am Leben erhalten » hat. Im Übrigen muss man sich nur<br />
die Berichte der Architekten der Monuments historiques<br />
nach Schließung des Gefängnisses ansehen: Alle sind sich<br />
darin einig, dass es eine regelrechte Ruine war!<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 31
UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche<br />
Räumen, in denen Frauen und Männer unter Bewachung<br />
arbeiteten, Webstühle und lärmende Maschinen bedienten,<br />
mehr schlecht als recht einen Strohhut oder einen<br />
Stoff anfertigten, sofern sie nicht damit beschäftigt waren,<br />
Rohstoffe von einem Raum in den anderen zu transportieren.<br />
Jérémie Halais, ein Experte für diese Zeit (siehe<br />
Infobox « Für alle, die noch tiefer einsteigen möchten »)<br />
hält diesbezüglich fest: « Es gibt zwar nur wenige Aussagen<br />
von Gefangenen, allerdings haben wir das wertvolle<br />
Zeugnis eines von ihnen, des Doktors Hyacinthe Ledain.<br />
» Dieser musste nach einem versuchten politischen<br />
Aufstand bis 1824 eine fünfjährige Zuchthausstrafe auf<br />
dem Mont Saint-Michel verbringen und in der Krankenabteilung<br />
dem Gefängnisarzt zur Hand gehen. Dies sind<br />
einige seiner Aussagen über die Arbeitsbedingungen der<br />
Häftlinge in den Werkstätten: « Tagsüber sind alle arbeitenden<br />
Häftlinge in ihren Werkstätten eingesperrt, die<br />
sie nicht verlassen können […] Die geringe Fläche der<br />
Werkstätten im Verhältnis zur Anzahl der Arbeiter, die<br />
dort eingepfercht sind, ist ein Nachteil […] Einige Werkstätten<br />
des Mont Saint-Michel sind ziemlich geräumig<br />
und ausreichend hoch; in den meisten macht man diese<br />
Vorteile jedoch wieder zunichte, indem man zu viele Gefangene<br />
einsperrt […] Man könnte auch sagen, dass diese<br />
Werkstätten nicht für die Unterbringung von Gefangenen<br />
konzipiert wurden, sondern um dort angemessen die<br />
Maschinen zu verteilen, welche [die Gefangenen] dann<br />
antreiben müssen. »<br />
Bleizisternen und ein « Hamsterrad »<br />
Oben: Das « Hamsterrad », eine erfinderische Vorrichtung, die von<br />
Gefangenen betrieben wurde, um auf diese Weise die Versorgung<br />
mit Nahrung und anderen Waren sicherzustellen. Unten: Der<br />
Kreuzgang war zwar integraler Bestandteil des Gefängnisses,<br />
trotzdem konnte man hier oft Besucher antreffen, vor allem aus<br />
der lokalen Bourgeoisie. Rechte Seite: Der Rittersaal, der damals<br />
eine Werkstatt war, in dem die Häftlinge arbeiten mussten.<br />
Doch nicht nur die Arbeitsbedingungen in den Werkstätten<br />
waren schwierig, gleiches galt für die Haftbedingungen<br />
ganz allgemein. Der Mont Saint-Michel war<br />
schließlich kein Ort wie jeder andere. Die isolierte Lage<br />
und das maritime Umfeld mit seinen Gezeiten stellten<br />
zwar einen Vorteil für die Überwachung der Gefangenen<br />
dar, erschwerten jedoch die Beschaffung von Nahrung<br />
und Wasser. Da es auf dem felsigen Eiland keine natürlichen<br />
Ressourcen gab, erfolgte die Wasserversorgung der<br />
Bewohner und Gefangenen durch Zisternen, in denen<br />
Regenwasser aufgefangen wurde. Angesichts der stark<br />
gestiegenen Zahl der Häftlinge wurde Wasser jedoch<br />
schnell ein knappes Gut. Im Winter schmolz man daher<br />
oftmals Schnee, um so an das wertvolle Nass zu kommen.<br />
Der Wassermangel hatte Folgen: Um die Hygiene war<br />
es schlecht bestellt, was wiederum die Entstehung von<br />
Krankheiten begünstigte. Auch in diesem Punkt handelte<br />
die Gefängnisverwaltung « so gut wie eben möglich »:<br />
Erneut scherte man sich weder um die Geschichte noch<br />
um die Architektur des Ortes, sondern erhöhte die Anzahl<br />
der Zisternen unter anderem durch die Umwandlung<br />
einer Krypta der Abtei in ein großes Wasserreservoir. Viele<br />
Besucher, die heute die hübsche Krypta Saint-Martin<br />
bewundern, ahnen von dieser Episode nichts. Dabei ist<br />
nicht sicher, ob solche « Verbesserungen » den Häftlingen<br />
32 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
tatsächlich einen Nutzen brachten. Doktor Ledain hielt in diesem Zusammenhang<br />
fest: « Geruch und Geschmack dieses Wassers waren furchtbar; ich sah<br />
mehrere Personen, die Koliken bekamen, die keine andere Ursache hatten, als<br />
die Verwendung [dieses Wassers] und seine Verweildauer in den Bleizisternen »,<br />
schrieb er. Die Gefängnisverwaltung gab zwar « ihr Bestes », doch es war offensichtlich,<br />
dass der Mont Saint-Michel bei Weitem nicht der ideale Ort für eine<br />
derartige Einrichtung war. Abgesehen vom Wasser war die Warenbeschaffung<br />
ein großes Problem. Sie erfolgte in Abhängigkeit von Wetter und Gezeiten.<br />
Und nach einem findigen, aber sehr komplizierten und zeitaufwendigen System:<br />
Die Waren wurden zu Füßen des Klosterbergs abgeladen. Dort befand sich eine<br />
Rampe aus Granitgestein, La rampe des Fanils, die steil nach oben zur Abtei<br />
führte. Die Waren wurden auf Karren festgebunden und mit Seilen hochgezogen.<br />
Der Mechanismus funktionierte wie eine Art « Hamsterrad »: Mehrere<br />
Gefangene liefen in einem großen Holzrad, um es anzutreiben. Dieses System,<br />
das noch heute besichtigt werden kann, funktionierte zwar nicht schlecht, erwies<br />
sich aber angesichts der steigenden Häftlingszahlen als nicht ausreichend.<br />
Eine Kröte im Reliquienschrein<br />
Man kann gut nachvollziehen, dass die Lebensbedingungen in der zum<br />
Zentralgefängnis umgewandelten Abtei sehr hart waren. Diese Tatsache blieb<br />
kein Geheimnis, sondern es sprach sich im Laufe der Jahre herum. Zum einen<br />
gelang es einigen Häftlingen, vor allem politischen, schriftlich mit der<br />
Außenwelt zu kommunizieren. Darüber hinaus gab es aber auch zahlreiche<br />
Besucher aus Kreisen der lokalen Bourgeoisie oder Persönlichkeiten der damaligen<br />
Zeit, die darüber berichteten. So seltsam es auch erscheinen mag: Die<br />
Abtei hatte durch die Umwandlung in ein Gefängnis zwar ihren ursprünglichen<br />
Glanz verloren, dennoch war die Insel nach wie vor ein « unglaublich<br />
romantischer » Ort, an dem man in gut betuchten Kreisen gerne spazieren<br />
ging und an dem man sich manchmal « unters gemeine Volk mischte » und den<br />
Direktor um Erlaubnis bat, das Gefängnis zu besichtigen. Das wurde in der<br />
Regel gerne gewährt. Einer der Direktoren schrieb sogar einen Führer speziell<br />
für die Besichtigung, der gedruckt wurde! Es gibt im Übrigen noch zahlreiche<br />
Darstellungen aus dieser Zeit, die Zeugnis von diesem « Trend » ablegen. Sie<br />
LA CITÉ DE LA MER<br />
Gare Maritime Transatlantique<br />
50100 CHERBOURG-EN-COTENTIN<br />
NORMANDY - FRANKREICH<br />
Von 10:00 bis 18:00 Uhr<br />
Im <strong>Sommer</strong> von 9:30 bis 19:00 Uhr<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 33
UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche<br />
Die Wandvertäfelung aus Holz in der Kirche Saint-Pierre zu Füßen<br />
des Klosterbergs. Heute vergisst man oft, dass diese schöne Arbeit<br />
von Inhaftierten des ehemaligen Gefängnisses realisiert wurde.<br />
Für alle, die noch tiefer einsteigen möchten:<br />
Jérémie Halais recherchiert seit vielen Jahren über den<br />
Mont Saint-Michel als Haftanstalt. Er wertete zahlreiche<br />
Quellen aus dem Staatsarchiv und aus den Archiven<br />
des Departements Manche aus. Vor Kurzem beendete<br />
er eine sehr umfassende Studie über dieses Thema.<br />
Er ist der Erste, der sich so intensiv mit dieser Zeit<br />
auseinandergesetzt hat. Quasi<br />
als Vorpremiere stellte uns der<br />
Autor für diese Reportage einige<br />
Auszüge zur Verfügung, wofür wir<br />
ihm herzlich danken. Das Werk ist<br />
Ende des Jahres im Buchhandel<br />
erhältlich, und wird zweifellos ein<br />
unumgängliches Referenzwerk<br />
über die Zeit des Mont Saint-Michel<br />
als Gefängnis werden.<br />
Jérémie Halais, La prison du mont<br />
Saint-Michel 1792-1864, Éditions<br />
Lemme Edit, circa 500 Seiten, Preis<br />
noch nicht bekannt, ISBN 978-<br />
2492818134. Im Buchhandel<br />
erhältlich ab 24. November<br />
<strong>2022</strong>.<br />
zeigen unter anderem elegante Frauen, die während eines<br />
Besuchs im Gefängnis posieren, vor allem im Kreuzgang,<br />
manchmal an der Seite von Häftlingen. Im Grunde ging<br />
vom Mont und dem Gefängnis eine gewisse Faszination<br />
aus. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass berühmte<br />
Autoren sich für ihn zu interessieren begannen. Einer<br />
von ihnen war Victor Hugo (1802-1885). « Ein sehr seltsamer<br />
Ort, dieser Mont Saint-Michel! », schrieb er 1<strong>83</strong>6<br />
anlässlich eines Besuchs. Aus der Ferne war er zunächst<br />
von diesem « erhabenen Etwas », dieser « wundervollen<br />
Pyramide » angetan, beim Näherkommen faszinierte ihn<br />
die Arbeit der Menschen, die dazu beigetragen hatten,<br />
dieses « Wunder » zu konstruieren. Als er jedoch die Insel<br />
betrat, war die Ernüchterung groß: Seinen Worten nach<br />
war das Dorf « ekelhaft », von einer « schrecklichen Unsauberkeit<br />
». Was das Gefängnis anging, so betrachtete<br />
er es als erbärmlich. Einige Tage nach seinem Besuch<br />
schrieb er Folgendes an seine Frau: « Stell dir ein Gefängnis<br />
vor, das in dieser herrlichen Hülle für Priester und<br />
Ritter aus dem vierzehnten Jahrhundert eingerichtet ist.<br />
Eine Kröte in einem Reliquienschrein. » Zurück in der<br />
Hauptstadt berichtete der große Schriftsteller und Politiker,<br />
gegenüber jedem, der es hören wollte, detailliert über<br />
seine Eindrücke anlässlich des Besuches und prangerte<br />
offen die Nutzung der Abtei als Gefängnis an. Aus dem<br />
romanischen Kirchenschiff war, so schrieb er, ein « widerlicher<br />
Speisesaal », geworden, der « charmante Kreuzgang<br />
mit den zierlichen Spitzbögen » war in einen schmutzigen<br />
Gang verwandelt worden und der Rittersaal, das<br />
ehemalige Skriptorium, in eine « Spinnerei, in der sich<br />
Gefangene abrackern ». Als größten Frevel prangerte<br />
Hugo nachdrücklich die Installation eines ausgesprochen<br />
unschönen « Teils » auf der Spitze der Abteikirche<br />
an, das eine Respektlosigkeit gegenüber dem Ort sei: ein<br />
Telegraf, der Vorläufer des Telefons. Seine Worte und die<br />
zahlreicher anderer Persönlichkeiten und Intellektueller<br />
trugen Früchte: Am 20. Oktober 1863 ordnete ein kaiserliches<br />
Dekret die definitive Schließung des Gefängnisses<br />
an. Was folgte, war ein neues Abenteuer: die Restaurierung<br />
und die Öffnung im großen Stil für den Tourismus.<br />
Das Kapitel « Gefängnis » in der Geschichte des Mont<br />
Saint-Michel war auf jeden Fall abgeschlossen.<br />
Bevor wir den Klosterberg verlassen, erinnert uns<br />
François Saint-James jedoch daran, dass man diese Zeit<br />
auf keinen Fall vergessen darf. Als wir in seiner Begleitung<br />
von der Abtei die Grand‘Rue hinuntergehen, biegt<br />
er plötzlich nach rechts zur kleinen Kirche Saint-Pierre<br />
ab, die zu Füßen des Hügels liegt. Die meisten Touristen<br />
gehen an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. Sie besitzt<br />
ein kostbares Holzmobiliar, unter anderem eine fein geschnitzte<br />
Wandtäfelung in einer der Kapellen. « Fast niemand<br />
beachtet sie heute, aber sie wurde von Häftlingen<br />
des Gefängnisses geschnitzt », erfahren wir von François<br />
Saint-James. Mit diesem Wissen erhält ihr Anblick eine<br />
ganz neue Bedeutung. Genauso wie dieser Besuch des<br />
Mont Saint-Michel abseits der ausgetretenen Pfade.<br />
34 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Reiseinfos & Lesetipps<br />
Mont Saint-Michel …<br />
… Berlin 1338 km … Hamburg 1180 km<br />
… Köln 774 km … Frankfurt 937 km<br />
… München 1196 km … Wien 1602km<br />
… Zürich 924 km … Paris 360 km<br />
… Rennes 71 km … Avranches 24 km<br />
Die nächstgelegenen Flughäfen, die<br />
aus dem deutschsprachigen Raum<br />
direkt angeflogen werden, sind<br />
Rennes-Bretagne (76 km), Paris-Orly<br />
(374 km) und Paris-Charles-de-Gaulle<br />
(381 km).<br />
Die nächstgelegenen TGV-Bahnhöfe<br />
liegen in Dol-de-Bretagne (29 km) und Brest<br />
Rennes (69 km). Hinweis: Im <strong>Sommer</strong><br />
fährt der Train du Mont Saint-Michel<br />
vom Bahnhof Paris-Montparnasse Ile de Sein<br />
direkt zum Bahnhof Pontorson, der nur<br />
9 km vom Mont Saint-Michel entfernt Pointe<br />
ist. Von dort bringt ein Pendelbus du Raz die<br />
Besucher zum Klosterberg (Fahrpreis<br />
3,10 €).<br />
Fahrplan siehe https://www.<br />
bienvenueaumontsaintmichel.com/de.<br />
Abbaye du Mont Saint-Michel<br />
50170 Le Mont Saint-Michel<br />
Telefon: +33 (0)2 33 89 80 00<br />
www.abbaye-mont-saint-michel.fr<br />
Der Zugang zum Mont Saint-Michel ist<br />
rund um die Uhr möglich.<br />
Öffnungszeiten der Abtei:<br />
1. Mai bis 31. August:<br />
täglich 9.00 bis 19.00 Uhr<br />
1. September bis 30. April:<br />
täglich 9.30 bis 18.00 Uhr<br />
Letzter Einlass: 17 Uhr<br />
Normaltarif: 11 €, freier Eintritt unter<br />
anderem für Besucher unter 18 Jahren<br />
(Details siehe Website).<br />
Aufgrund der Renaturierung zur<br />
Wiederherstellung des maritimen<br />
Charakters des Mont Saint-Michel<br />
wurden die Parkplätze verlegt und<br />
liegen nun weiter entfernt. Vom<br />
Parkplatz aus erreicht man den<br />
Klosterberg entweder zu Fuß oder mit<br />
einem Shuttlebus (Fahrpreis in den<br />
Parkgebühren enthalten). Wenn Sie<br />
ein Zeitfenster für die Besichtigung<br />
der Abtei reserviert haben, müssen<br />
Sie demzufolge die Zeit für die Strecke<br />
zwischen Parkplatz und Eingang<br />
Lannion<br />
der Abtei berücksichtigen (30 bis 45<br />
Minuten). Die Parkgebühren N12/E50 sind mit<br />
15 € in der Hauptsaison Saint-Brieuc hoch. Der Preis<br />
N12/E50<br />
gilt für eine Dauer von 24 Stunden ab<br />
Ankunft. Informationen erhalten Sie auf<br />
N164<br />
www.bienvenueaumontsaintmichel.<br />
com/de<br />
Quimper<br />
D768<br />
Cherbourg-<br />
Octeville<br />
N176/E401<br />
Rennes<br />
Vermeiden Sie möglichst den Besuch<br />
N165/E60<br />
N24<br />
des Mont Saint-Michel im <strong>Sommer</strong>.<br />
Le Mans<br />
Der Besucherandrang Lorient ist dann enorm.<br />
Im Frühjahr und Herbst sind die<br />
Vannes<br />
A11/E501<br />
Bedingungen viel angenehmer, vor<br />
N165/E60<br />
allem gleich morgens, wenn die Abtei<br />
Quiberon<br />
öffnet. Auch ein Besuch im Winter ist<br />
Angers<br />
durchaus zu empfehlen, da man dann Ein Tipp: Wenn<br />
A11/E60<br />
La Baule<br />
möglich, verpflegen Sie<br />
oft das Privileg hat, (fast) alleine durch sich vor dem Besuch des Mont Saint-<br />
A86/E60<br />
St. Nazaire<br />
die Straßen bummeln zu können.<br />
Michel oder Nantes nehmen Sie ein Sandwich<br />
mit. Es ist ein offenes Geheimnis,<br />
A87<br />
Monts<br />
Eine Führung zum Thema « Mont<br />
dass es kein Ort Clisson für kulinarische<br />
Cholet<br />
Saint-Michel als Gefängnis » ist « ein<br />
Highlights ist. Die Restaurants und<br />
Geheimtipp » und findet ausschließlich Imbissstuben A<strong>83</strong> sind in der Regel teuer<br />
auf vorherige Reservierung statt.<br />
und Les nicht Sablesd’Olonne<br />
berühmten « auf dem Holzfeuer<br />
sehr gut. Eine Ausnahme sind<br />
Erkundigen Sie sich bei Interesse<br />
die<br />
telefonisch oder via Kontaktformular zubereiteten » Omeletts der Mère<br />
auf der Website danach.<br />
Poulard in ihrer legendären A<strong>83</strong> Auberge am Poitiers<br />
Fuße des Klosterbergs. Saint-Sigismond<br />
Wenn Sie sich<br />
Hinweis: Aufgrund der geografischen etwas gönnen möchten, empfehlen<br />
N11/E601<br />
und architektonischen Gegebenheiten wir Ihnen jedoch, einen Tisch zu Niort<br />
ist der Mont Saint-Michel für Menschen reservieren. Zudem La Rochelle sollten Sie bereit<br />
mit eingeschränkter Mobilität nur<br />
sein, immerhin 32 € für das E5/A10 günstigste<br />
bedingt zugänglich. Das gilt vor allem Omelett mit « Speck, Champignons,<br />
für diejenigen, die auf einen Rollstuhl Kartoffeln und cremiger E602/A<strong>83</strong>7 Sauce »<br />
angewiesen sind.<br />
auszugeben.<br />
A84<br />
A84/E401<br />
Avranches<br />
Saint-Lô<br />
N13<br />
Caen<br />
Mont-Saint-Michel<br />
Le Havre<br />
A13/E46<br />
A28/E402<br />
A2<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 81<br />
Fontevraud, eine Abteil, die ihrer Zeit<br />
schon immer voraus war (245 km entfernt)<br />
Die Abbaye Royale de<br />
Fontevraud besitzt nicht nur eine<br />
bemerkenswerte Architektur,<br />
sondern auch eine erstaunliche<br />
Vergangenheit und Gegenwart.<br />
Mehr über die Geschichte der ersten<br />
« Abtei der Frauen », die in ein<br />
Gefängnis verwandelt wurde und<br />
heute eines der innovativsten Museen für moderne Kunst<br />
Frankreichs beherbergt.<br />
Angoulême<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 71<br />
An Bord der Marité von Granville zu den<br />
Chausey-Inseln Montalivet(50 km entfernt)<br />
Einige Dutzend Kilometer vom<br />
Mont-Saint-Michel entfernt,<br />
Périgu<br />
hält der Hafen Granville eine<br />
A89/E<br />
Überraschung für Segelfreunde<br />
E5/A10<br />
und Liebhaber von Großseglern<br />
Le bereit. Porge In den <strong>Sommer</strong>monaten<br />
Bordeaux<br />
kann man von dort aus an<br />
Sarlat-le-Ca<br />
Cap-Ferret Bord des größten hölzernen<br />
A52/E72<br />
Dreimasters des maritimen Erbes Frankreichs in See<br />
stechen und einen besonderen Tag erleben.<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN Mimizan SIE AUF SEITE 88.<br />
E5-E70/A63<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 35<br />
Hossegor<br />
France
UNTERWEGS IN FRANKREICH Auvergne-Rhône-Alpes / Drôme<br />
Drôme<br />
Die Schönheit der Dörfer<br />
36 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
km 0<br />
Mirmande<br />
601 Einwohner / Höhe: 195 m<br />
Das Departement Drôme liegt an der Route nationale 7 – also an der berühmten<br />
« Ferienstraße » – und kann sich stolz damit rühmen, dass auf seinem<br />
Gebiet sechs Orte mit dem Qualitätslabel Les plus beaux Villages de<br />
France liegen. Bereist man sie, entdeckt man nicht nur die Schönheit dieser<br />
bemerkenswerten Dörfer, sondern wird sich darüber hinaus der erstaunlichen<br />
geografischen Vielfalt der Gegend bewusst: Zwischen Vercors und<br />
Provence laden Flüsse und Wälder, Berge und Lavendelfelder dazu ein, dem<br />
Alltag zu entfliehen! Wir haben für Sie einen Streckenvorschlag ausgearbeitet,<br />
der in einem Ort zwischen Valence und Montélimar beginnt und endet:<br />
Mirmande ist gleichzeitig eines dieser « schönsten Dörfer », die fünf anderen<br />
besuchen Sie im Verlauf der 341 Kilometer langen Strecke in Ihrem eigenen<br />
Rhythmus. Idealerweise sollten Sie sich mindestens zwei bis drei Tage Zeit<br />
dafür nehmen.<br />
Der Anblick des hoch auf dem Hügel gelegenen<br />
Dorfes Mirmande ist faszinierend. Das Auge wird<br />
sofort von der ganz oben gelegenen – heute entweihten<br />
– Kirche Sainte-Foy angezogen, die mittlerweile als Ausstellungsort<br />
dient. Vor allem aber ist man darüber erstaunt, welche Harmonie der Ort ausstrahlt.<br />
Die alten Dorfhäuser, deren Steine im Sonnenlicht goldgelb leuchten, liegen so<br />
dicht beieinander, dass sie wie miteinander verschmolzen scheinen. Diese Bauweise ist jedoch<br />
ein exzellentes Mittel, um sich vor dem Mistral, dem eisigen Nordwind, zu schützen.<br />
Im Inneren ist das Dorf ein wahres Labyrinth blumengeschmückter Gässchen und Treppen.<br />
Überall verstecken sich kleine Gärten, von einigen Stellen hat man einen herrlichen Ausblick<br />
auf das Rhonetal und die Berge des Vivarais. Im Frühjahr verzaubert die Umgebung<br />
den Besucher mit Tausenden blühender Obstbäume. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts<br />
die meisten Seidenraupenzüchter der Gegend den Betrieb einstellten, sind es heute neben<br />
den vielen Künstlern und Galerien, die das ganze Jahr über eine wichtige Rolle für das kulturelle<br />
Leben spielen, vor allem Obstproduzenten (Kirschen,<br />
Pfirsiche, Aprikosen, Kiwi …), die für die wirtschaftliche<br />
Grundlage des Dorfes sorgen.<br />
Office de Tourisme du Val de Drôme<br />
Place du Champ de Mars<br />
26270 Mirmande<br />
www.valleedeladrome-tourisme.com<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 37
UNTERWEGS IN FRANKREICH Auvergne-Rhône-Alpes / Drôme<br />
Km 34<br />
(Entfernung von Mirmande:<br />
34 km, Fahrzeit rund 40 Min.)<br />
Le Poët-Laval<br />
1007 Einwohner / Höhe: 307 m<br />
Das Dorf Le Poët-Laval wurde im 12.<br />
Jahrhundert vom Johanniterorden gegründet<br />
– die Mönchsritter bewachten die Wege<br />
nach Jerusalem – und hat wie viele andere Bergdörfer der Region eine bewegte Vergangenheit. Vor<br />
allem die Zeit der Religionskriege war turbulent. Streift man heute durch die Gässchen, entdeckt man<br />
nicht nur auf angenehme Weise zahlreiche Galerien, Künstlerateliers und sogar ein dynamisches Centre<br />
d ’Art mit einem anspruchsvollen Ausstellungsprogramm, sondern kann gleichzeitig die Geschichte des<br />
Ortes nachvollziehen. Auf dem Scheitelpunkt des Dorfes liegt noch immer das Schloss aus dem 12.<br />
Jahrhundert mit seinem massiven Bergfried. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es allerdings umgestaltet<br />
und erhielt durch einen Taubenschlag ein moderneres Aussehen. Etwas unterhalb entdeckt man<br />
noch Spuren aus dem 15. Jahrhundert, als die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Dorfes<br />
auf ihrem Höhepunkt war: Überreste der Befestigungsmauer und ein ausgehöhltes Kirchenschiff, das<br />
ein berührendes Zeitzeugnis einer romanischen Kirche darstellt, die einmal imposant gewesen sein<br />
muss. Noch etwas weiter unten befindet sich in einer ansprechenden<br />
kleinen Gasse, in der ehemaligen protestantischen Kirche, das Musée du<br />
Protestantisme. Es legt Zeugnis davon ab, dass die religiöse Vergangenheit Office de Tourisme du Pays<br />
von Poët-Laval nicht nur vom Johanniterorden, sondern auch vom in der<br />
de Dieulefit-Bourdeaux<br />
Region besonders stark verankerten Protestantismus geprägt wurde.<br />
1, place Abbé Magnet<br />
26220 Dieulefit<br />
www.dieulefit-tourisme.com<br />
und www.lepoetlaval.org<br />
38 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Km 60<br />
(Entfernung von Le Poët-Laval:<br />
26 km, Fahrzeit ungefähr 30 Min.)<br />
Grignan<br />
Grignan, südöstlich von<br />
1621 Einwohner / Höhe: 130 m Montélimar, liegt wie eine<br />
Akropolis auf einer felsigen<br />
Bergspitze und dominiert<br />
auf ungewöhnliche Art die<br />
Ebene von Tricastin. Das Schloss aus dem 12. Jahrhundert<br />
war einst das größte Renaissanceschloss im Südosten<br />
Frankreichs. Obwohl diese touristische Sehenswürdigkeit<br />
hinsichtlich der Besucherzahlen auf Platz drei in<br />
der Drôme liegt (156 000 Besucher 2019), konnte das<br />
Dorf eine Authentizität bewahren, die den Besuch angenehm<br />
macht. Das Château de Grignan wurde durch<br />
den Briefwechsel von Madame de Sévigné (1626-1696)<br />
berühmt, die sich im 17. Jahrhundert dort aufhielt.<br />
Heute ist es jeden <strong>Sommer</strong> der Schauplatz für eines der<br />
sehenswürdigsten <strong>Sommer</strong>festivals der Drôme, das in<br />
diesem Jahr Molière (1622-1673) gewidmet ist: Les Fêtes<br />
Nocturnes. Von der Schlossterrasse hat man einen Panoramablick<br />
auf den Mont Ventoux, die Felsenlandschaft<br />
Dentelles de Montmirail, die Rhone und die Berge um<br />
Nyons. Bei einem Besuch in Grignan bieten sich zudem<br />
die folgenden Sehenswürdigkeiten an: der ausgeschilderte<br />
Rundgang zu alten Rosensorten Circuit des<br />
Roses anciennes (Grignan trägt zudem das Label Village<br />
botanique), die Stiftskirche Saint-Sauveur, der öffentliche<br />
Waschplatz Lavoir du Mail, und das spannende<br />
Museum für<br />
Druck und<br />
Typografie.<br />
Office de Tourisme Pays de<br />
Grignan-Enclave des Papes<br />
12, place du Jeu de ballon<br />
26230 Grignan<br />
www.grignanvalreas-tourisme.com<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 39
UNTERWEGS IN FRANKREICH Auvergne-Rhône-Alpes / Drôme<br />
Km 76<br />
(Entfernung von<br />
Grignan: 16 km, Fahrzeit<br />
ungefähr 20 Min.)<br />
La Garde-<br />
Adhémar<br />
La Garde-<br />
Adhémar liegt auf<br />
einem ausladenden<br />
Felsvorsprung oberhalb<br />
des Rhonetals.<br />
1149 Einwohner / Höhe: 170 m Bereits die Lage und<br />
der damit verbundene<br />
Panoramablick<br />
sind einen Besuch wert. Das ansprechend restaurierte<br />
Dorf hat seine historische Struktur bewahrt, die zum<br />
Großteil aus dem Mittelalter stammt: Befestigungsanlagen<br />
mit Stadtmauer und Toren, enge Straßen, eine<br />
romanische Kirche, ein Renaissanceschloss, alte Wohngebäude.<br />
Die größte Überraschung ist für die Besucher<br />
jedoch zweifellos der Jardin des Herbes unterhalb der<br />
Kirche Saint-Michel. Dieser als Jardin remarquable ausgezeichnete<br />
Garten präsentiert auf ausgedehnten natürlichen<br />
Terrassen oberhalb des Rhonetals mehr als 200<br />
medizinische Pflanzenarten. Der Ort ist nicht nur sehr<br />
instruktiv, sondern verzaubert vor allem im <strong>Sommer</strong> bei<br />
Sonnenuntergang<br />
durch seinen besonderen<br />
Charme.<br />
Office de Tourisme Drôme<br />
Sud Provence<br />
Rue marquis de la Baume<br />
26700 La Garde-Adhémar<br />
www.drome-sud-provence.com/de<br />
40 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Km 154<br />
(Entfernung von La Garde-Adhémar:<br />
78 km, Fahrzeit ungefähr 1 Std. 25 Min.)<br />
Montbrunles-Bains<br />
Das im Osten des<br />
Departements gelegene<br />
Dorf Montbrun-les-<br />
Bains gleicht im wahrsten<br />
451 Einwohner / Höhe: 600 m Sinne des Wortes einem<br />
Adlerhorst: Zwischen<br />
Montagne de Lure und<br />
Mont Ventoux gelegen scheint sich der Ort an den schroffen Abhang<br />
zu klammern. In das mittelalterliche Dorf gelangt man über sogenannte<br />
Calades, mit Steinen gepflasterte Straßen, die typisch für<br />
die Provence sind und in diesem Fall durch eine Trockensteinmauer<br />
abgestützt werden. Die Häuserfronten schmiegen sich so an den Felsen,<br />
dass man von Weitem oft nicht unterscheiden kann, was Haus<br />
und was Gestein ist. Die Gebäude beeindrucken zudem durch ihre<br />
Größe, denn sie haben bis zu sieben Etagen. Die Ruinen eines mittelalterlichen<br />
Schlosses auf dem höchsten Punkt, das in der Renaissance wieder<br />
aufgebaut und während der Revolution geplündert und zerstört wurde,<br />
scheinen nach wie vor über diesen Ort mit seiner ruhigen Ausstrahlung<br />
zu wachen. Überraschend sind in Montbrun-les-Bains auch die zahlreichen<br />
Brunnen (16 an der Zahl). Sie sind eines der besonderen Merkmale<br />
des Thermalbades Montbrun, dessen wohltuendes schwefelhaltiges Wasser<br />
seit der Römerzeit dafür bekannt ist,<br />
dass es Rheuma und Atemwegserkrankungen<br />
lindert. Ein Tipp für Radfahrer: Der<br />
Aufstieg von Montbrun-les-Bains auf den<br />
Mont Ventoux ist zwar mit rund 30 Kilometern<br />
die längste der drei Strecken, die<br />
auf den legendären Géant de Provence (1919<br />
m) führen, gilt aber dafür als die « am wenigsten<br />
anstrengendste » von allen.<br />
Office de Tourisme des<br />
Baronnies en Drôme Provençale<br />
Place de la libération<br />
26610 Nyons<br />
www.baronnies-tourisme.com<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 41
UNTERWEGS IN FRANKREICH Auvergne-Rhône-Alpes / Drôme<br />
Km 270<br />
(Entfernung von Montbrunles-Bains:<br />
116 km, Fahrzeit<br />
ungefähr 2 Std. 10 Min.)<br />
Châtillonen-Diois<br />
678 Einwohner / Höhe: 570 m<br />
Dies ist das jüngste der sechs<br />
Plus beaux Villages de France in der<br />
Drôme, denn es wurde erst im<br />
Juli 2021 in die begehrte Liste aufgenommen.<br />
Châtillon-en-Diois bildete die Kulisse für einige Romane des großen französischen Schriftstellers<br />
und Provence-Spezialisten Jean Giono (1895-1970). Dieser beschrieb den Ort in seinem Werk Die<br />
starken Seelen nicht ohne Humor, aber sehr zutreffend wie folgt: « Es ist ein kleiner, friedlicher Marktflecken<br />
zwischen zwei Berghängen, ganz ohne Lärm. Das Wort, das man dort am meisten hört, ist:<br />
Sonne. Man sonnt sich. Man wird sich sonnen. Kommen Sie, um sich zu sonnen. Er ist gegangen,<br />
um sich zu sonnen. Die Sonne scheint nicht. Die Sonne wird scheinen. Ich kann es nicht erwarten,<br />
dass die Sonne scheint. Da ist sie, die Sonne, ich werde mich sonnen. Und so weiter. Das ist der größte<br />
Lärm. » Abgesehen von der omnipräsenten Sonne gibt es in Châtillon auch ein befestigtes Stadttor,<br />
einen Uhrenturm, Brunnen, einen sehr belebten Markt und vieles<br />
mehr. Vor allem Fotografen sind von den unzähligen wunderschönen<br />
kleinen Häuschen angetan, die man in der Umgebung inmitten von<br />
Reben sieht.<br />
Office de Tourisme du Pays Diois<br />
Square Jean Giono<br />
26410 Châtillon-en-Diois<br />
www.diois-tourisme.com<br />
42 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
UNTERWEGS IN FRANKREICH Auvergne-Rhône-Alpes / Drôme<br />
Wie erhält ein Dorf das Label « Les plus beaux Villages de France »?<br />
Die Vereinigung Les plus beaux Villages de<br />
France wurde vor 40 Jahren gegründet<br />
und arbeitet vollkommen unabhängig. Sie<br />
erhält rund zehn Bewerbungen pro Jahr.<br />
Im Durchschnitt führen fünf davon zur<br />
Klassifizierung. Ein Dorf, das einen Antrag<br />
stellt, muss einen genau definierten<br />
Selektionsprozess durchlaufen, der bis<br />
zu einem Jahr dauern kann: Vorauswahl<br />
auf Basis der eingereichten Unterlagen,<br />
Begutachtung vor Ort, Abstimmung<br />
in der zuständigen Fachkommission,<br />
offizielle Auszeichnung. Im Rahmen<br />
von Vorauswahl und Bewertung vor<br />
Ort werden insgesamt 30 Kriterien<br />
berücksichtigt.<br />
3 Vorauswahlkriterien<br />
Dabei handelt es sich um Aus schlusskriterien,<br />
auf deren Basis über die Annahme<br />
der Bewerbung entschieden wird.<br />
So muss der Ort einen ländlichen Charak<br />
ter und darf demzufolge nicht mehr<br />
als 2000 Einwohner haben. Auf seinem<br />
Gebiet muss es mindestens zwei geschütz<br />
te Denkmäler geben und die Motivation<br />
der gesamten Gemeinde für die<br />
Bewerbung muss durch einen Ge mein derats<br />
beschluss nachgewiesen werden.<br />
27 Evaluationskriterien<br />
Anhand dieser Kriterien wird vor Ort die<br />
Qualität des Dorfes bewertet. Sie teilen<br />
sich in drei große Kategorien auf.<br />
In der ersten Kategorie geht es um<br />
Kulturgüter des Dorfes, die bereits<br />
offiziell als schützenswert klassifiziert<br />
wurden. Dabei werden fünf sehr<br />
spezifische Kriterien herangezogen, da<br />
Einstufung und Schutz von Denkmälern<br />
in Frankreich sehr differenziert erfolgen<br />
(Monument historique, Monument<br />
classé, Monument inscrit, Patrimoine<br />
remarquable …).<br />
Die zweite Kategorie umfasst<br />
städte bauliche (4 Kriterien) und<br />
architektonische Merkmale (6 Kriterien).<br />
Im Hinblick auf die städtebaulichen<br />
Eigen schaften geht es um die Um gebung<br />
und den Zugang zum Dorf, die Di mensionen<br />
der Gebäude und die Häuserdichte,<br />
die Homogenität der Gebäude<br />
sowie um Umfang und Vielfalt des<br />
Verkehrs wege netzes. Bei den archi tekton<br />
ischen Eigenschaften wird Wert auf<br />
Har monie und Homogenität gelegt, und<br />
zwar der Gebäude als solche sowie der<br />
Materi alien und Farben von Dächern und<br />
Fas saden. Positiv fallen darüber hinaus<br />
archi tek tonische Details ins Gewicht.<br />
In der dritten Kategorie werden<br />
schließlich 12 Kriterien<br />
bewertet, die zur Aufwertung<br />
des Dorfes<br />
bei tragen. Wichtige<br />
Punk te sind zunächst<br />
die städteplanerische<br />
Politik (Gibt es eine<br />
dies bezügliche Do kumen<br />
tation? Welche<br />
Politik ver folgt die<br />
Gemeinde hin sicht lich<br />
der Dorfent wicklung?)<br />
und deren Qualität. Weitere Kriterien<br />
betref fen das Gesamtbild des Dorfes.<br />
Be wertet werden daher die Qualität der<br />
Gebäudesanierung, die Gestaltung des<br />
öffentlichen Raums, der Umgang mit<br />
Schildern und Werbeflächen (Gelingt<br />
es, die Werbe- und Schilderflut einzu<br />
dämmen?), die Begrünung und<br />
Bepflanzung mit Blumen sowie die<br />
Ästhetik des Beleuchtungskonzepts<br />
allgemein und die lichttechnische<br />
Hervorhebung von Kulturgütern im<br />
Besonderen. Weitere Aspekte, die in<br />
den Bereich der Ästhetik fallen – jeder<br />
Frankreichurlauber weiß das nur zu<br />
gut – ist die Frage, ob es gelungen<br />
ist, die unschönen Strom- und<br />
Telefonleitungen so unauffällig wie<br />
möglich zu verlegen. Zuletzt werden<br />
Kriterien herangezogen, die die<br />
Themen Verkehr und Parken betreffen:<br />
Wie ist der Verkehrsfluss organisiert?<br />
Gelingt es, das Verkehrsaufkommen<br />
zu beherrschen? Wie ist es um die<br />
Parkmöglichkeiten bestellt und wie wird<br />
der Parksuchverkehr kanalisiert?<br />
Ein Dorf, welches das<br />
Label erhalten hat, wird<br />
alle sechs bis neun Jahre<br />
erneut begutachtet, um die<br />
Kriterien zu überprüfen. Die<br />
Liste der 164 « schönsten<br />
Dörfer Frankreichs » ist<br />
unter folgendem Link<br />
abrufbar: www.les-plusbeaux-villages-de-france.<br />
org/fr/nos-villages/<br />
44 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
A85<br />
A38<br />
Besançon<br />
Monts<br />
A10/E5<br />
Bourges<br />
Beaune<br />
mond<br />
Niort<br />
10<br />
A10<br />
E72<br />
Angoulême<br />
Poitiers<br />
A20/E9<br />
Km 341<br />
(Entfernung von Châtillonen-Diois:<br />
71 km, Fahrzeit<br />
ungefähr 1 Std. 15 Min.)<br />
Mirmande<br />
Limoges<br />
Reiseinfos und Lesetipps<br />
Tulle<br />
Périgueux<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
A89/E70 Mirmande … Le Pescher<br />
… Berlin Souillac 1363 km sur … Hamburg 1314 Saillac km<br />
… Köln Dordogne <strong>83</strong>9 km … Frankfurt 826 km<br />
Sarlat-le-Canéda<br />
… München 828 km … Wien 1239 km<br />
… Paris 594 Payrac km … Zürich Rocamadour<br />
524 km<br />
A20/E9<br />
… Lyon 138 km … Valence 33 km<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der<br />
aus dem deutschsprachigen Raum<br />
direkt angeflogen wird, ist Lyon-Saint-<br />
Exupéry (148 km).<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof<br />
befindet sich in Montélimar (20 km).<br />
www.ladrometourisme.com/de<br />
Toulouse<br />
A71/E11<br />
Montluçon<br />
A89/E70<br />
A71/E11<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
A75/E11<br />
le Mont-Dore<br />
Aurillac<br />
A75/E11<br />
Puy de Dôme<br />
Lodève<br />
Bézier<br />
A81/E80<br />
Limoux<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 62<br />
Wandern auf den Spuren der Hugenotten A9/E15<br />
Nachdem Ludwig XIV. 1685 France das Edikt von<br />
Nantes aufgehoben hatte, sind im Verlauf<br />
mehrerer Jahrzehnte rund 200 Perpignan 000 Protestanten<br />
aufgrund ihrer religiösen Verfolgung aus<br />
Andorra<br />
Collioure<br />
Frankreich geflohen. Céret Vor allem in der<br />
Dauphiné lebten viele Protestanten.<br />
Der länderübergreifende AP7/E15<br />
Fernwanderweg Spanien GR965 Sur les<br />
pas des Huguenots folgt auf einer<br />
Länge von 1800 Kilometern, von<br />
Le Poët-Laval in der Drôme bis<br />
ins deutsche Bad Karlshafen, der<br />
historischen Route dieses Exils. 374<br />
Kilometer der Strecke liegen in Frankreich und durchqueren<br />
die Departements Drôme, Isère, Savoie und Haute-Savoie. Auf<br />
dem in der Drôme gelegenen Abschnitt (knapp 100 Kilometer,<br />
aufgeteilt in sieben Teilstrecken), den wir Ihnen hier vorstellen,<br />
kann man auf angenehme Art und Weise die wunderschöne<br />
Landschaft der Region Rhône-Alpes und einen großen Teil des<br />
geschichtlichen Kulturerbes der Hugenotten entdecken.<br />
A9/E15<br />
A72/E70<br />
A6/E15<br />
Lyon<br />
St.-Etienne<br />
Valence<br />
Mirmande<br />
A9/E15<br />
A7/E15<br />
Nîmes<br />
A54/E805<br />
A7/E15<br />
A55<br />
A43/E70<br />
A49/E713<br />
Le-Poët-Laval<br />
La Garde-Adhémar Grignan<br />
Montpellier<br />
Cluny<br />
Arles<br />
Chalon-sur-Saône<br />
Orange<br />
Avignon<br />
Aix-en-<br />
Provence<br />
Marseille<br />
Chambéry<br />
A52<br />
Grenoble<br />
A50<br />
A51/E712<br />
A8/E80<br />
Genève<br />
Annecy<br />
Lausanne<br />
Briançon<br />
Châtillon-en-Diois<br />
Montbrun-les-Bains<br />
Apt<br />
Toulon<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 40<br />
Grignan, im Land der schönen Briefe<br />
Auf einem Hügel thronend und<br />
mit einem Lavendelfeld zu Füßen,<br />
könnte seine Anmutung nicht<br />
provenzalischer sein, obwohl es noch<br />
im Departement Drôme<br />
liegt. Grignan verheißt die<br />
Verlockungen des Südens.<br />
Doch Grignan ist noch<br />
mehr als eine perfekte<br />
Postkartenidylle. Der<br />
Ort ist bekannt für einen<br />
berühmt gewordenen<br />
Schriftwechsel zwischen<br />
einer Mutter und ihrer<br />
Tochter. Fast 800 Briefe schrieben sich beide<br />
zwischen 1671 und 1696, heute ein Meisterwerk<br />
der französischen Literatur. Selbst 350 Jahre<br />
später, im Zeitalter der SMS und E-Mails, spürt<br />
man in den Gassen von Grignan noch immer diese<br />
besondere Lust für die Kunst des Schreibens.<br />
A57<br />
Sch<br />
Itali<br />
France<br />
A8/E80<br />
R<br />
Can<br />
su<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN SIE AUF SEITE 88.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 45
UNTERWEGS IN FRANKREICH Île-de-France / Yvelines<br />
46 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Bergerie nationale<br />
de Rambouillet<br />
Der Krieg der Schafe<br />
Rund 50 Kilometer südwestlich von Paris liegt in<br />
einer abgelegenen Ecke des Parks von Schloss<br />
Rambouillet eine ganz besondere Schäferei, die<br />
man besichtigen kann. Die ehemals « königliche<br />
Schäferei » – aus der in der Folge eine kaiserliche<br />
und schließlich eine nationale wurde – befindet<br />
sich in wunderschönen Gebäuden aus dem 18.<br />
Jahrhundert. Erstaunlicherweise ist sie selbst bei<br />
Franzosen relativ unbekannt, obwohl sie unter<br />
anderem einen regelrechten Schatz besitzt: eine<br />
Herde mit Merinoschafen und -widdern, die sich<br />
dadurch auszeichnen, dass sie niemals gekreuzt<br />
wurden. Genetisch entsprechen diese Tiere exakt<br />
denen, die der spanische König 1786 Frankreich<br />
schenkte und die der Ursprung für diese Schäferei<br />
waren. Die Schafe wurden gegen alle Wechselfälle<br />
der Geschichte des Landes sorgsam beschützt<br />
und stellen heute einen einzigartigen und<br />
sorgsam umhegten Tierbestand dar, der seinesgleichen<br />
auf dem Globus sucht. Die unglaubliche<br />
Geschichte dieser Schafe und der nationalen<br />
Schäferei ist wahrlich einen Besuch wert …<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 47
UNTERWEGS IN FRANKREICH Île-de-France / Yvelines<br />
Auch heute, knapp 240 Jahre nach Ankunft der ersten Merinoschafe aus Spanien, wird die Schafherde der Bergerie<br />
nationale de Rambouillet noch immer ganz besonders umhegt, um die Biodiversität aufrechtzuerhalten. Jedes Jahr<br />
kommen viele Besucher hierher, um diese außergewöhnlichen Tiere zu sehen, die quasi einzigartig auf der Welt sind.<br />
Die Herde, die am 12. Oktober 1786 Schloss Rambouillet<br />
(Yvelines) erreichte, konnte nicht unbemerkt<br />
bleiben: 366 Schafe, genauer gesagt 318<br />
Mutterschafe, 41 Widder und 7 Leithammel. Die Tiere<br />
waren abgemagert, einige von Krätze befallen. Sie machten<br />
einen erschöpften Eindruck, was jedoch nachvollziehbar<br />
war: Schließlich hatten sie fünf Monate zuvor, am 15. Mai<br />
1786, ihre Heimat in der nordwestlich von Madrid gelegenen<br />
spanischen Provinz Segovia verlassen und seitdem<br />
eine Strecke von fast 1500 Kilometern zurückgelegt! Doch<br />
davon abgesehen war es etwas ganz anderes, was die Schaulustigen,<br />
die der Ankunft beiwohnten, neugierig machte:<br />
Die Herde stand nämlich unter starkem Geleitschutz. Abgesehen<br />
von der nicht weiter aufsehenerregenden Anwesenheit<br />
einiger Schäfer wurden sie von Mitgliedern der<br />
Nationalgarde begleitet und bewacht. Zweifellos musste es<br />
sich also um ganz besondere Tiere handeln!<br />
Schafe als zentrales Element<br />
eines königlichen Projektes<br />
Damals vermutete man sicherlich, die Tiere seien dazu<br />
bestimmt, eine « Vergnügungs-Schäferei » zu animieren<br />
und für die Zerstreuung des Königs zu sorgen, wie dies<br />
bei Marie-Antoinette (1755-1793) in ihrem berühmten<br />
Hameau de la Reine in Versailles oder bei Ludwig XV.<br />
(1710-1774) in der Nähe von Schloss Trianon der Fall war.<br />
Doch dem war nicht so. Die 366 Schafe waren deswegen<br />
48 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
so wertvoll, weil diese Wiederkäuer Teil eines königlichen<br />
Projektes waren, das eine politische, strategische und<br />
wirtschaftliche Bedeutung für die Zukunft Frankreichs<br />
hatte. Wenngleich es danach zunächst überhaupt nicht<br />
aussah. Die Bedingungen für die Überführung der Herde<br />
von Spanien nach Frankreich waren nach der Überquerung<br />
der Pyrenäen zwar relativ gut gewesen, denn die<br />
Verwalter der französischen Provinzen waren zuvor über<br />
die Passage der Schafe informiert worden und hatten den<br />
Auftrag, eine gute Versorgung der Tiere zu gewährleisten<br />
und die königliche Macht über den geringsten Zwischenfall<br />
in Kenntnis zu setzen. Bei der Ankunft in Rambouillet<br />
sah das allerdings ganz anders aus. Obwohl Ludwig<br />
XVI. (1754-1793) mehrere hunderttausend Livres in den<br />
Bau einer ganz neuen « königlichen Schäferei » auf dem<br />
Landgut von Schloss Rambouillet investiert hatte, waren<br />
die Arbeiten in Verzug. Genauer gesagt war überhaupt<br />
nichts fertig. Eiligst stattete man daher einfache Scheunen<br />
im Park für die Unterbringung der Schafe aus. Für die<br />
Tiere, die an die Wiesen im Zentrum Spaniens gewöhnt<br />
waren und sich nun erst an das regnerische Oktoberwetter<br />
in dieser Gegend anpassen mussten, war das ganz und gar<br />
nicht ideal. Die spanischen Schäfer bezweifelten im Übrigen<br />
den Erfolg der ganzen Aktion. Im April 1787 machten<br />
sie sich daher auf den Weg zurück in ihr Heimatland.<br />
Glücklicherweise gelang es dem französischen Team, das<br />
für die Versorgung der Schafe zuständig war und sich<br />
vor allem auf die sehr nützlichen Arbeiten des Naturfor-<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 49
UNTERWEGS IN FRANKREICH Île-de-France / Yvelines<br />
schers Louis Jean-Marie Daubenton (1716-1799) stützen<br />
konnte, die Herde wieder auf die Beine zu bringen. Und<br />
die spanischen Schafe begannen, sich in Rambouillet zu<br />
akklimatisieren.<br />
Merino: ein Schaf, das Begehrlichkeiten weckt<br />
Was machte diese spanischen Schafe überhaupt so interessant,<br />
dass man ihnen eine so große Aufmerksamkeit<br />
und intensive Pflege zukommen ließ? Um das zu verstehen,<br />
muss man sich den Kontext der damaligen Zeit etwas<br />
genauer ansehen. Mitte des 18. Jahrhunderts war die Entwicklung<br />
des internationalen Handels in vollem Gange<br />
und es entstanden zwangsläufig die ersten Konkurrenzkämpfe<br />
zwischen den Ländern. Die größten, diejenigen,<br />
die vom Geist der Aufklärung geprägt waren, begeisterten<br />
sich für Wirtschaft und Wissenschaft, was in Industrie<br />
und Landwirtschaft zur Entstehung von Manufakturen<br />
und neuen Produktionstechniken führte. Die Wollindustrie<br />
war zu dieser Zeit ein Wirtschaftssektor ersten<br />
Ranges. Wolle war ein Rohstoff, der aus dem täglichen<br />
Leben der Menschen nicht wegzudenken war und stellte<br />
bei Weitem den größten Anteil an den Herstellungskosten<br />
von Kleidung und Gebrauchsgütern wie Laken dar. Am<br />
Vorabend der Französischen Revolution entfielen vermutlich<br />
bis zu 60 % und mehr der Produktionskosten für ein<br />
Oben: Wollmuster, die aus der kaiserlichen Schäferei in Arles stammen. Abbildung von Merinoschafen vor der Schäferei in Rambouillet<br />
aus dem Jahr 1873. Kaiserliches Dekret vom 8. März 1811, mit dem die Kreation von Depots reinrassiger Merinowidder angeordnet<br />
wurde. Unten: Fotografie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Merinoschafen und Schäfern in Rambouillet. Rechte<br />
Seite: Tafel mit Wollmustern von Merinos aus den Jahren 1786 bis 1822. Anhand solcher Tafeln konnte man die Merinowolle über<br />
mehrere Jahre vergleichen. Bei den Weltausstellungen ab 1850 dienten sie als « Schaufenster » der Bergerie de Rambouillet.<br />
50 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
simples Leintuch auf Wolle. Ein Land, das in der Lage<br />
war, qualitativ hochwertige Wolle in großen Mengen zu<br />
produzieren, hatte demnach einen klaren wirtschaftlichen<br />
Vorteil. Spanien spielte in dieser Beziehung eine<br />
herausragende Rolle in Europa. Die extrafeine Wolle der<br />
spanischen Merinoschafe war bei Weitem die wertvollste<br />
und weckte demzufolge Begehrlichkeiten. Das wusste die<br />
königliche Macht dort nur zu gut, denn die Wollexporte<br />
in die großen Tuch erzeugenden Länder Europas brachten<br />
ihr ein kleines Vermögen ein. Insofern musste man die<br />
Herden äußerst sorgfältig beschützen und die Grenzen<br />
genau überwachen. Kein einziges Schaf durfte den spanischen<br />
Boden verlassen, das war offiziell verboten! Diese<br />
Politik war ganz und gar nicht nach dem Geschmack der<br />
Europäer, am wenigsten der Franzosen. Die französischen<br />
Hersteller und Händler hatten sich bereits zum großen<br />
Teil auf die Herstellung erlesener Textilien konzentriert<br />
und daher einen besonders hohen Bedarf an hochwertiger<br />
Wolle aus Spanien. Der Import dieses Rohstoffs war<br />
jedoch sehr teuer. Logischerweise hätte man es vorgezogen,<br />
die Wolle direkt in Frankreich zu produzieren, doch<br />
dazu war es notwendig, in den Besitz einiger spanischer<br />
Merinoschafe zu kommen. Das war der Auslöser für eine<br />
diplomatische Aktion auf höchstem Niveau.<br />
Die Ersten sind nicht zwangsläufig die Erfolgreichsten<br />
Tatsache war, dass alle bedeutenden Nationen im 18.<br />
Jahrhundert auf die Merinoherden des spanischen Hofes<br />
schielten. Einigen diplomatisch besonders geschickten<br />
Ländern – Schweden (1723), Sachsen (1764) und Österreich<br />
(1770) – gelang es sogar, Spanien davon zu überzeugen, ihnen<br />
Tiere zu überlassen. Sie hofften, damit ihren eigenen<br />
Schafsbestand nach und nach durch Kreuzungen zu « merinosieren<br />
». Doch das spanische Königreich war nicht auf<br />
den Kopf gefallen: Man schickte weder die für die Reproduktion<br />
geeignetsten Tiere noch eine ausreichende Anzahl,<br />
um die ausländischen Tierbestände wirklich zu verbessern.<br />
Mit Frankreich lief die Angelegenheit jedoch etwas anders.<br />
Das Land gehörte zwar nicht zu den Ersten, die den Versuch<br />
starteten, Spanien zur Herausgabe von Merinoschafen<br />
zu bewegen, doch es bereitete sich am besten vor und brachte<br />
dafür neben Gelehrten und diplomatischen Fähigkeiten<br />
eine « Geheimwaffe » ins Spiel: die verwandtschaftlichen<br />
Beziehungen zwischen Ludwig XVI. und Karl III. von<br />
Spanien (1716-1788). Nach einem ersten gescheiterten<br />
Versuch durch « gewöhnliche » französische Abgesandte<br />
wandte sich Ludwig XVI. selbst an seinen Cousin, der sich<br />
einverstanden erklärte, Merinoschafe nach Frankreich zu<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 51
UNTERWEGS IN FRANKREICH Île-de-France / Yvelines<br />
senden. Es scheint, als ob der spanische König – über die<br />
Blutsbande zu Ludwig XVI. hinaus – wohl an den jüngsten<br />
Entdeckungen der Franzosen interessiert war, vor allem was<br />
die Bodenbestellung anging. So kam es, dass der französische<br />
Botschafter am spanischen Hof die Erlaubnis bekam,<br />
Merinoschafe auszuwählen – und das noch dazu bei den<br />
zehn besten Züchtern des Landes. Karl III. ging sogar so<br />
weit, die Schafbesitzer aufzufordern,<br />
ihre besten Tiere zu präsentieren<br />
und die Zusammenstellung der<br />
Herde für seinen Cousin zu erleichtern.<br />
So kam es also dazu, dass am<br />
12. Oktober 1786 die berühmten<br />
366 Merinoschafe in Rambouillet<br />
ankamen.<br />
Der Krieg der Schafe<br />
In den Jahren nach der Ankunft<br />
der Schafe nahm die Bergerie<br />
royale de Rambouillet allmählich<br />
Gestalt an. Die imposanten<br />
Gebäude waren schließlich fertig<br />
und der Ort entwickelte sich zu<br />
einer Art « Drehscheibe » für das<br />
damalige Wissen, vor allem was<br />
Zuchttechniken anging. Man begann<br />
mit ersten fundierten wissenschaftlichen<br />
Forschungen über die<br />
Reproduktion der Merinoschafe.<br />
Abgesehen davon zeichnete sich<br />
nach und nach ein neues Ziel für<br />
die Schäferei ab: Sie sollte eine<br />
führende Rolle im Rahmen eines<br />
ausgedehnten Projektes für die<br />
Entwicklung der Wollproduktion<br />
spielen, zunächst in Frankreich<br />
und dann, im Zuge der revolutionären<br />
und kaiserlichen Eroberungen, in den angeschlossenen<br />
Ländern. Napoleon Bonaparte (1769-1821) sah<br />
darin eine gute und willkommene Möglichkeit, durch<br />
die Herstellung von Wolle im eigenen Land die englische<br />
Dominanz im Handel anzugreifen. Er beschloss, aus der<br />
Schäferei in Rambouillet eine « kaiserliche Schäferei » zu<br />
machen, die das zentrale Element im Rahmen der geplanten<br />
« Merinosierung » nicht nur des französischen, sondern<br />
des europäischen Tierbestandes sein sollte. Die Schäferei<br />
in Rambouillet wurde damit de facto ein politisches und<br />
strategisches Werkzeug des Kaisers. Was folgte, war ein<br />
Wirtschafts- und Handelskrieg zwischen den verschiedenen<br />
Nationen, ein regelrechter « Krieg der Schafe »!<br />
« Depots reinrassiger Merinowidder »<br />
Für alle, die noch tiefer<br />
einsteigen möchten:<br />
Für die Einkreuzung von Merinoschafen in die französischen<br />
Herden stützte sich Napoleon auf das kleine<br />
Wenn Sie sich für dieses Thema<br />
interessieren, empfehlen wir Ihnen<br />
das exzellente Buch La guerre des<br />
Moutons: Le Mérinos à la conquête<br />
du monde 1786-2021 (Pierre Cornu<br />
und Henri Pinoteau, Gourcuff<br />
Gradenigo, 208 Seiten, 2021, 29 €,<br />
ISBN 978-2353403431). Das Werk ist<br />
ausgesprochen umfassend und<br />
gut belegt, es enthält zahlreiche<br />
Grafiken, Aquarelle und Fotografien.<br />
Eine Fundgrube interessanter<br />
Informationen!<br />
bestehende Netz an Schäfereien, welches die Krone nach<br />
und nach aufgebaut hatte. Die erste Schäferei war beispielsweise<br />
in Perpignan gegründet worden, in der Nähe<br />
von Betrieben mit Schafen einer lokalen Rasse, die vor<br />
der Ankunft der spanischen Merinoschafe in Rambouillet<br />
zu den Tieren mit der besten Wolle des Königreiches<br />
zählten. Der Ansatz, die lokalen Schafrassen mit den<br />
Merinoschafen aus Rambouillet<br />
zu kreuzen, wurde allmählich auf<br />
rund zehn Schäfereien im Land<br />
ausgeweitet. Diese Schäfereien arbeiteten<br />
in ihrer Gesamtheit jedoch<br />
nur mittelmäßig und Frankreich<br />
war noch weit von den <strong>83</strong>3 000<br />
Tieren entfernt, die man Schätzungen<br />
zufolge benötigte, um die Manufakturen<br />
des Landes zu betreiben,<br />
ohne Wolle aus dem Ausland<br />
importieren zu müssen. Daher entschied<br />
sich Napoleon für eine noch<br />
viel dirigistischere Vorgehensweise.<br />
Er kreierte sogenannte « Depots<br />
reinrassiger Merinowidder », welche<br />
als einzige die französischen<br />
Schafe decken durften. Per Dekret<br />
vom 8. März 1811 verfügte er, dass<br />
die « autorisierten Zuchttiere » in<br />
« von Privatpersonen geführten Depots<br />
» untergebracht würden, « die<br />
zur kostenlosen Verfügung aller<br />
Züchter stehen, die, wenn sie sich<br />
in der Nähe eines Depots befinden,<br />
alle gekreuzten männlichen Tiere<br />
kastrieren müssen ». Um dies zu<br />
kontrollieren, wurde ein regelrechter<br />
Verwaltungsapparat eingerichtet,<br />
doch das System war ein Misserfolg.<br />
Aufgrund fehlender Mittel<br />
gab es Anfang 1813 lediglich 28 solcher Depots, anstatt<br />
der geplanten 60. Selbst mit Napoleon war Frankreich<br />
weit davon entfernt, seinen Tierbestand « merinosiert » zu<br />
haben.<br />
Die letzten reinrassigen Merinoschafe<br />
Das Ende des Ersten Kaiserreichs war gleichzeitig<br />
auch das Ende der französischen Pläne für eine Vormachtstellung<br />
in der europäischen Wollindustrie. Um<br />
die Zukunft der Schäferei in Rambouillet war es dagegen<br />
besser bestellt, denn sie besaß immer noch ihren unbezahlbaren<br />
Schatz, nämlich die Herde reinrassiger Merinoschafe.<br />
Vor allem aber hatte sie sich im Laufe der Jahre<br />
ein wertvolles Know-how angeeignet. Dieses trug in den<br />
folgenden Jahrzehnten zu ihrem Ruf bei, als sich plötzlich<br />
Länder der südlichen Hemisphäre (Australien, Neuseeland,<br />
Südafrika) ebenfalls für Wolle, Merinoschafe und<br />
52 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Oben links: Entnahme von Sperma in der nationalen Schäferei Mitte der 40er-Jahre. Nach Kriegsende diente die Herde in Rambouillet<br />
als wertvolle Ressource im Rahmen des nationalen Wiederaufbaus. Die Schäferei war Vorreiter bei der Entwicklung der künstlichen<br />
Befruchtung. Oben rechts: 1963 besuchte Charles de Gaulle die Schäferei. Unten: Um die Entwicklung der Tiere zu überwachen,<br />
führte die Bergerie nationale die regelmäßige Erstellung von Fotoaufnahmen ein. Dafür erfand man eine Vorrichtung mit einer<br />
horizontalen und einer vertikalen Messlatte aus Holz sowie mit einem Geländer, um das Schaf zu immobilisieren (Foto um 1925).<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 53
CAFÉ<br />
UNTERWEGS IN FRANKREICH Île-de-France / Yvelines<br />
4<br />
4<br />
6<br />
5 7<br />
Ferme pédagogique<br />
de la Bergerie nationale<br />
8<br />
9<br />
10<br />
Rundgang<br />
1 Eingang Bauernhof und<br />
Zugang zum Shop<br />
2 Ticketverkauf<br />
3 Merinoschafe<br />
4 Schafe und Tierwohl<br />
5 Ausstellung mit alten<br />
landwirtschaftlichen<br />
Geräten<br />
6 Hühnerhof<br />
7 Kühe und Kälber<br />
(Rückkehr in den Stall<br />
gegen 16.30 Uhr)<br />
8 Weidemanagement<br />
9 Zugpferde und Esel<br />
10 Ausblick auf die Wiesen<br />
11 Landwirtschaftliche Geräte<br />
12 Spielplatz für die Kleinen<br />
13 Pflanzenlabyrinth<br />
14 Shop und Ausgang<br />
3<br />
12<br />
11<br />
Gebäude für Tiere und Geräte<br />
• Schafe<br />
• Kühe<br />
• Pferde und Esel<br />
• Ziegen<br />
• Hühner<br />
• Landwirtschaftliche Geräte<br />
2<br />
14<br />
13<br />
1<br />
die Einkreuzung dieser Tiere in die einheimischen Tierbestände<br />
interessierten. In Rambouillet wurde man sich<br />
daraufhin bewusst, dass die Rolle der Schäferei nun nicht<br />
mehr darin bestand, eine Rasse zu kreieren, sondern die<br />
Rasse mit ihren interessanten Merkmalen zu bewahren.<br />
Im 19. und 20. Jahrhundert setzte man daher auf eine<br />
neue Karte: das ausgezeichnete agrarwissenschaftliche<br />
und tiermedizinische Wissen von Rambouillet. Die Herde<br />
der reinrassigen Merinoschafe sowie die Kenntnisse über<br />
die Rasse wurden zu einer einmaligen Ressource. Nicht<br />
54 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
nur, was die Merinoschafe als solche anging, sondern im<br />
weiteren Sinn die Forschungen im Hinblick auf wissenschaftliche<br />
Vorgehensweisen in der Tierzucht. Vor allem<br />
die Entwicklung einer innovativen Technik, die künstliche<br />
Befruchtung, sollte die Praxis beim Züchten tiefgreifend<br />
verändern. Auf diese Weise konnte die Schäferei in<br />
Rambouillet – die inzwischen offiziell eine Bergerie nationale<br />
geworden war – an die internationale Ausrichtung<br />
ihrer Anfänge anknüpfen. Gleichzeitig baute sie in den<br />
letzten Jahren einen Status als Ausbildungsbetrieb auf, der<br />
Reiseinfos & Lesetipps<br />
von Auszubildenden für den Beruf des Schäfers sowie von<br />
Forschern und landwirtschaftlichen Ausbildern aus der<br />
ganzen Welt aufgesucht wird. Ein pädagogischer Bauernhof<br />
lädt zudem zu einem angenehmen und unterhaltsamen<br />
Rundgang ein. Bei dieser Gelegenheit begegnet man<br />
noch heute den Nachkommen der spanischen Merinoschafe<br />
Ludwigs XVI. mit ihrer beeindruckenden üppigen<br />
Wolle. Und man staunt noch immer über die Calais unglaubliche<br />
Dunkerque<br />
Geschichte dieser besonderen Schafe, die zu den letzten<br />
reinrassigen Merinoschafen der Welt gehören.<br />
Boulogne<br />
Roubaix<br />
Lille<br />
est<br />
Rambouillet …<br />
… Berlin 1104 km … Hamburg 944 km<br />
… Köln 541 km … Frankfurt 628 km<br />
… München 886 km … Wien 1292 km<br />
… Zürich 619 km … Paris 54 km<br />
Eintritt: 7 €, ermäßigt 5 €. Kinder unter<br />
3 Jahren haben freien Eintritt.<br />
Der<br />
<br />
ausgeschilderte Rundgang<br />
(siehe nebenstehende Karte), in<br />
dessen Rahmen man auch die<br />
Quimper<br />
D768<br />
Rennes<br />
sonn- und feiertags von 14 bis 18 Uhr durch den ganzen Schlosspark (1<br />
N165/E60<br />
für das Publikum geöffnet.<br />
N24<br />
Stunde). (Infos: http://www.bergerie-<br />
Le Mans<br />
Achtung: Der Ticketverkauf schließt um nationale.educagri.fr/exploitation-<br />
agricole/les-balades-en-caleche/)<br />
Lorient<br />
A11/E501<br />
17 Uhr.<br />
Vannes<br />
A28/E502<br />
Quiberon<br />
N165/E60<br />
E5/A10<br />
Rouen<br />
A13/E5<br />
Evreux<br />
Dreux<br />
Chartres<br />
A11/E50<br />
A10/E5<br />
Amiens<br />
Versailles<br />
Rambouillet<br />
A16<br />
Orléans<br />
PARIS<br />
A6/E15<br />
Arras<br />
Blois<br />
Chambord<br />
A10/E5-E60<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 60 Cheverny<br />
A86/E60 Saint-Germain-des-Prés:<br />
Tours Chenonceau mehr A71/E9 als ein<br />
Viertel, die Seele von A85 Paris? (53 km<br />
Monts entfernt)<br />
A10/E5<br />
Saint-Germain-des-Prés gehört neben Bourges dem<br />
Eiffelturm, Montmartre und den Champs-<br />
Élysées zu den legendären Orten<br />
A20/E9<br />
in Paris. Das Viertel war jahrelang A71/E11<br />
ein beliebter Treffpunkt von<br />
Intellektuellen, Künstlern und<br />
Poitiers<br />
Politikern und wurde lange Zeit<br />
als die intellektuelle Seele der<br />
Hauptstadt betrachtet. Was ist<br />
von diesem Mythos heute noch<br />
Montluçon<br />
übriggeblieben? Wie sieht die<br />
Realität in diesem Viertel aus?<br />
A1/E15-E19<br />
A5/E54<br />
A4/E50<br />
Sens<br />
A71/E11<br />
E602/A<strong>83</strong>7<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN SIE AUF SEITE 88.<br />
Limoges<br />
Montalivet<br />
Angoulême<br />
A89/E70<br />
Angers<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 27<br />
A11/E60<br />
Versailles, La Baule das eigentümliche Paradies der<br />
Marie-Antoinette St. Nazaire(33 km entfernt)<br />
Nantes<br />
Manchmal muss man die Dinge nur mit A87<br />
anderen Augen betrachten, um in ihnen<br />
Clisson<br />
Unbekanntes zu entdecken. Auch bei Cholet einer<br />
Berühmtheit wie A<strong>83</strong> dem Schloss von<br />
Versailles ist das so. Unzählige<br />
Les Sablesd’Olonne<br />
besucht und<br />
Male beschrieben,<br />
fotografiert, ist es darum nicht<br />
weniger möglich, bei einem<br />
A<strong>83</strong><br />
Spaziergang der anderen Art ein<br />
ganz neues Versailles zu erfahren. Saint-Sigismond<br />
Folgen Sie mir auf den N11/E601 Spuren<br />
Niort<br />
einer Königin, die so ganz anders<br />
La Rochelle<br />
war als alle anderen … Marie-Antoinette.<br />
Die nächstgelegenen Flughäfen, die aus Merinoschafherde sieht, ist frei<br />
Cherbourgdem<br />
deutschsprachigen Raum direkt Octeville zugänglich und besonders bei<br />
angeflogen werden, sind Paris-Orly<br />
schönem Wetter sehr angenehm. Man<br />
(57 km) und Paris-Charles-de-Gaulle sollte ungefähr zwei Stunden dafür Le A29/E44 Havre<br />
(80 km).<br />
einplanen. Wir empfehlen Ihnen, den A131<br />
Honfleur<br />
Besuch mit einer Besichtigung von<br />
Die nächstgelegenen TGV-Bahnhöfe Schloss Rambouillet N13 ganz in der Nähe<br />
Caen A13/E46<br />
sind Massy-TGV (47 km) und Paris-<br />
zu verbinden. Saint-Lô (Infos: www.chateaurambouillet.fr).<br />
Montparnasse (51 km).<br />
Im Mérinos Café gibt es kleine Gerichte<br />
Bergerie Nationale<br />
(Vesper, A84/E401 Nachmittagsimbiss). Zudem<br />
Parc du château<br />
sind dort Nahrungsmittel erhältlich,<br />
Lannion<br />
DinardSaint-Malo<br />
78514 Rambouillet<br />
die Avranches in der Schäferei produziert<br />
A28/E402<br />
werden<br />
Telefon: N12/E50 +33 (0)1 61 08 68 70<br />
(Fleisch, Konserven, Milchprodukte,<br />
N176/E401 Mont-Saint-Michel<br />
Saint-Brieuc<br />
andere Lebensmittel …), sowie<br />
N12/E50<br />
www.bergerie-nationale.educagri.fr<br />
A84 Wolle von den Merinoschafen aus<br />
Rambouillet und Kleidungsstücke, Alençon die<br />
N164<br />
Der landwirtschaftliche Betrieb und aus dieser Wolle hergestellt sind.<br />
der angeschlossene pädagogische<br />
Ebenfalls möglich ist eine Kutschfahrt<br />
Bauernhof sind mittwochs, samstags, über den Bauernhof (20 Min.) oder<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
Puy<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 55 A75/E1<br />
le Mont-Dore
UNTERWEGS IN FRANKREICH Okzitanien / Pyrénées-Orientales<br />
Céret<br />
56 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Ein Künstlerdorf<br />
zwischen<br />
Bergen und Meer<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 57
UNTERWEGS IN FRANKREICH Okzitanien / Pyrénées-Orientales<br />
58 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Denkt man an französische Dörfer, die eine enge Verbindung<br />
zu Kunst und Künstlern haben, so kommen einem meist Orte<br />
wie Barbizon (Seine-et-Marne) – Ende des 19. Jahrhunderts ein<br />
beliebtes Dorf bei Landschaftsmalern und Frühimpressionisten<br />
– oder auch Pont-Aven (Finistère) – die berühmte « Stadt der<br />
Maler », deren bekanntester Botschafter Gauguin war – in den<br />
Sinn. Allerdings gibt es zu Füßen der Pyrenäen, nur wenige Kilometer<br />
von der spanischen Grenze entfernt, ein kleines Dorf,<br />
das ebenfalls einen wichtigen Platz in der modernen Kunstgeschichte<br />
einnimmt: Céret im Departement Pyrénées-Orientales.<br />
Braque, Chagall, Dalí, Dufy, Gris, Soutine und Picasso sind<br />
nur einige Namen berühmter Künstler, die dort lebten oder<br />
sich zumindest zeitweilig dort aufhielten, um schöpferisch tätig<br />
zu sein. Ein kleines, relativ unbekanntes Museum würdigt<br />
mit einer der reichhaltigsten und interessantesten Sammlungen<br />
Frankreichs nicht nur diese weltweit renommierten<br />
Meister ihres Fachs, sondern engagiert sich auch dafür, zeitgenössische<br />
Künstler bekannt zu machen. Gerade wurde es nach<br />
zweijährigen bedeutenden Umbaumaßnahmen wieder eröffnet.<br />
Die ideale Gelegenheit, diesen Ort mit seinem außergewöhnlichen<br />
Schicksal zu besuchen.<br />
Die Neuigkeiten, die man derzeit aus der französischen Museumsszene<br />
hört, sind erstaunlich: Obwohl die Kulturbranche von der<br />
Coronaviruskrise und den aufeinanderfolgenden Lockdowns im<br />
Verlauf der vergangenen zwei Jahre besonders betroffen war, folgt eine positive<br />
Nachricht auf die andere. Im November 2021 eröffnete in Hyères (Var)<br />
das neue Musée des Cultures et du Paysage La Banque. In Paris begrüßt<br />
man im Maison Gainsbourg inzwischen die ersten Besucher (wie Sie in der<br />
Rubrik On en parle auf Seite 8 lesen können). Eine weitere sehr kostenintensive<br />
Metamorphose (60 Millionen Euro) erfolgte im Großraum Paris, wo<br />
das Musée départemental Albert-Kahn in Boulogne-Billancourt (Île-de-<br />
France) seit Anfang April wieder zugänglich und das Publikum angesichts<br />
der durchgeführten Arbeiten sprachlos ist. Und in Cahors (Lot) sind die<br />
Türen des Musée Henri-Martin nach immensen Instandsetzungsmaßnahmen<br />
ebenfalls wieder geöffnet. Diese Wiedereröffnungen und Einweihungen<br />
deuten darauf hin, dass die französischen Museen die Zeit der<br />
Pandemie genutzt haben, um sich dem Geist der Zeit anzupassen. Dies ist<br />
auch in einem abgelegenen Dorf unweit von Perpignan der Fall, in einem<br />
Dorf, das weitgehend unbekannt ist, obwohl es in kultureller Hinsicht eine<br />
legendäre Bedeutung hat. Die Rede ist von Céret.<br />
Ein Dorf wie aus dem Bilderbuch …<br />
Das 1950 gegründete Musée d’art moderne öffnete am 5. März <strong>2022</strong><br />
nach bedeutenden Renovierungsarbeiten wieder seine Pforten. Das Gebäude<br />
– ein ehemaliges Karmeliterkloster, später ein Gefängnis mitten im<br />
Dorfzentrum – wurde bereits 1933 durch den Architekten Jaume Freixa<br />
(dem man beispielsweise die Erweiterung der Fondation Joan Miró in Barcelona<br />
verdankt) umgebaut und erweitert. Nun präsentiert es sich mit einer<br />
erneut um mehr als 1300 m² vergrößerten Fläche und einer neuen Museo-<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 59
UNTERWEGS IN FRANKREICH Okzitanien / Pyrénées-Orientales<br />
Das Musée de l'Art moderne in Céret besitzt sehr umfangreiche Sammlungen und veranstaltet zudem immer wieder<br />
Sonderausstellungen (vorherige Seiten: Chaque visage est un lieu, Jaume Plensa). Oben: Les gens du voyage, Marc Chagall.<br />
Unten links: Sardane de la paix, Pablo Picasso. Darunter eine der berühmten 29 mit Stieren bemalten Keramikschalen, die<br />
der Künstler vom 12. bis 17. April 1953 in Vallauris (Alpes-Maritimes) aus roter Erde aus dem Luberon kreierte.<br />
60 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
grafie den Besuchern. Nach diesen Arbeiten<br />
kann das « kleine Museum » ohne Zweifel in<br />
der Klasse der « großen Museen » für moderne<br />
Kunst in Frankreich mitmischen. Trotz<br />
der umfassenden Umbaumaßnahmen hat der<br />
Ort selbst jedoch nichts von der Schlichtheit<br />
verloren, die seinen besonderen Charme ausmacht.<br />
Nach wie vor ist Céret ein kleines,<br />
sonnenverwöhntes, katalanisches Dorf – die<br />
Region wurde 1659 französisch –, in dem es<br />
sich offenkundig gut leben lässt. Dem Spaziergänger<br />
von heute präsentiert sich der Ort<br />
mit seinen hundertjährigen Platanen, seinen<br />
etwas altmodischen Bistros mit einladenden<br />
Terrassen, seinen Bouleplätzen und den<br />
engen Gässchen, die im <strong>Sommer</strong> für eine<br />
wohltuende Kühle sorgen, wie aus dem Bilderbuch entsprungen.<br />
Bei dieser Gelegenheit wird man sich darüber<br />
bewusst, dass es wohl die Verbindung all dessen ist, was<br />
die Besonderheit von Céret ausmacht. Ein Gefühl, das<br />
auch die vielen Künstler, die hier lebten oder die sich hier<br />
aufhielten und denen das Museum seine Existenz verdankt,<br />
gespürt haben müssen.<br />
« Mekka des Kubismus »<br />
Wir befinden uns also in einer ruhigen und abgelegenen<br />
Gemeinde zwischen Bergen und Meer mit kaum<br />
einmal 8000 Einwohnern, in der sich heute eines der<br />
bedeutendsten Museen für moderne Kunst befindet. In<br />
einer Gemeinde, die man in der Kunstszene als Village<br />
des Peintres, also als Künstlerdorf, bezeichnet, oder – wie<br />
es der französische Schriftsteller und Kunstkritiker André<br />
Salmon (1881-1969), einer der größten Verfechter des<br />
Kubismus ausdrückte –, als « Mekka des Kubismus ». Wie<br />
kam es, dass dieser Ort eine so unglaubliche Vergangenheit<br />
hat? Was hat sich genau zugetragen?<br />
Die Geschichte nimmt um 1910 ihren Anfang.<br />
Überlieferungen zufolge beginnt sie mit einem gewissen<br />
Manolo, einem katalanischen Künstler, dessen richtiger<br />
Name Manuel Martinez Hugué (1872-1945) lautet. Er<br />
lebt seit 1892 in Paris, sodass es nicht verwunderlich ist,<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 61
UNTERWEGS IN FRANKREICH Okzitanien / Pyrénées-Orientales<br />
Kirschen, das « rote Gold » von Céret<br />
Sie heißen Burlat, Bigalise und Folfer.<br />
Diese Kirschsorten haben neben<br />
der Kunst nicht unwesentlich<br />
zum Renommee von Céret<br />
beigetragen. Das liegt nicht<br />
nur daran, dass sie köstlich<br />
schmecken, sondern vor allem<br />
daran, dass es frühreife Sorten sind, nämlich die<br />
ersten Kirschsorten, die im Frühjahr in Frankreich<br />
verkauft werden. Sie werden traditionell in Céret<br />
und im Vallée du Vallespir angebaut, wo die<br />
klimatischen Bedingungen ideal sind. Ab April<br />
werden die frühreifen Kirschen geerntet und auf<br />
Märkten in ganz Frankreich sehnsüchtig erwartet,<br />
da sie als wohlschmeckende Vorboten des<br />
<strong>Sommer</strong>s gelten. Seit 1932 will es die Tradition,<br />
dass jedes Jahr eine Kiste mit Kirschen aus Céret<br />
direkt an den französischen Staatspräsidenten<br />
in den Élysée-Palast geschickt wird. Seit 2020<br />
erhält der Premierminister dasselbe Geschenk,<br />
vielleicht, weil er neidisch war, die Spezialität nicht<br />
selbst symbolisch vor den Kameras verkosten<br />
zu dürfen … Auf jeden Fall ist es eine originelle<br />
und sympathische Art, die Werbetrommel für<br />
diese Früchte zu rühren, auf die die Obstbauern<br />
in den Pyrénées-Orientales sehr stolz sind. Dies<br />
gilt umso mehr in diesem Jahr, da Frostnächte im<br />
April einen Teil der Ernte zunichtemachten und<br />
die ersten Kirschen aus Céret daher erst Mitte Mai<br />
erhältlich sein werden.<br />
dass er zahlreiche Künstler in Montmartre und Montparnasse<br />
kennt. In Barcelona lernt er Pablo Picasso (1881-1973) kennen<br />
und freundet sich mit ihm an. Manolo ist unter anderem vom<br />
Maler und Bildhauer Aristide Maillol (1861-1944) fasziniert,<br />
der wiederum in Banyuls-sur-Mer lebt. Als er diesen besucht,<br />
findet er an der Region Gefallen und lässt sich 1910 im nicht<br />
weit von Banyuls entfernten Ort Céret nieder. Manolo erliegt<br />
sprichwörtlich dem Charme und vor allem dem Licht der Stadt.<br />
Schnell entstehen unzählige Bilder, Zeichnungen, Aquarelle<br />
und Skulpturen aus Ton und Bronze, die vom lokalen Leben<br />
geprägt sind und von denen heute eine umfangreiche Sammlung<br />
im Museum zu sehen ist. Es dauert nicht lange, bis Manolo<br />
zunächst Picasso, dann seine zahlreichen Künstlerfreunde<br />
nach Céret einlädt. Picasso besucht 1911 erstmals den Ort und<br />
verliebt sich ebenfalls sofort in ihn. Von 1911 bis 1914 verbringt<br />
er jeweils den <strong>Sommer</strong> in Céret und kehrt in den 50er-Jahren<br />
erneut hierher zurück. Selbstverständlich bleibt seine Anwesenheit<br />
bei den Bewohnern nicht unbemerkt. Angefangen vom berühmten<br />
Affenweibchen, das dem Künstler fast auf Schritt und<br />
Tritt folgt, bis hin zu seinen zahlreichen Geliebten: Er erregt<br />
zwangsläufig die Aufmerksamkeit der Menschen. Obwohl diese<br />
ihn oft als Sonderling bezeichnen, beginnen sie bald, ihn zu<br />
schätzen. Man muss wissen, dass der Künstler im Ort für beachtlichen<br />
Umsatz sorgt – vor allem in Cafés und Restaurants,<br />
in denen er gerne in Begleitung seiner zahlreichen Freunde zum<br />
Essen und Trinken einkehrt. Noch heute erinnern viele Exponate<br />
im Museum an die enge Verbindung zwischen dem Dorf<br />
und Picasso.<br />
Eine tiefgreifende<br />
Umwälzung in der Malerei<br />
Picasso entwickelt sich schnell zum Botschafter<br />
für Céret. Aufgrund seiner vielen<br />
Kontakte dauert es nicht lange, bis man<br />
überall im Ort bekannte Künstler sieht,<br />
allen voran Georges Braque (1882-1963).<br />
Schnell finden die beiden umtriebigen<br />
künstlerischen Wegbereiter in Céret kreative<br />
Inspirationen: Im Schatten von Platanen<br />
malen sie 1911 unermüdlich zahlreiche Bilder,<br />
die sich heute zum Großteil im Musée<br />
national Picasso und im Musée national<br />
d’Art moderne in Paris sowie im New Yorker<br />
Museum of Modern Art befinden. Alle<br />
gelten als Meisterwerke des Kubismus und<br />
sind Ausdruck einer tiefgreifenden Umwälzung<br />
in der Malerei, die sich im Laufe der<br />
Jahre kontinuierlich fortsetzt. 1913 entwickelt<br />
Picasso in Céret gemeinsam mit Max<br />
Jacob (1876-1944) die von Braque initiierte<br />
Technik der Papiers collés weiter. Zu diesem<br />
Zeitpunkt hat der Ort bereits einen gewissen<br />
Ruf erworben, der sich in der Folge in<br />
der ganzen Welt herumspricht.<br />
62 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Der neue Flügel des Museums hat eine Fläche von 1300 m². Die Räume sind hell und lichtdurchflutet; viele Fensteröffnungen lassen nicht<br />
nur das Tageslicht herein, sondern beziehen auch die Landschaft der Umgebung mit ein. Linke Seite: Femme oiseau, Joan Miró.<br />
Hagelnde Steine<br />
zur Begrüßung<br />
Es dauert nicht lange, bis andere große Namen der<br />
modernen Kunst, von Picasso und Braque angezogen,<br />
mehr oder weniger lange Aufenthalte in Céret verbringen.<br />
Der Erste Weltkrieg sorgt zwar für eine Unterbrechung<br />
dieses « Kulturtourismus », doch mit Beginn der Zwanzigerjahre<br />
flammt die künstlerische Begeisterung umso<br />
stärker wieder auf, vor allem viele Künstler aus Montparnasse<br />
zieht es hierher. So malt beispielsweise Chaïm<br />
Soutine (1893-1943) zwischen 1919 und 1922 mehr als<br />
200 Landschaftsbilder in Céret, die als bedeutende Werke<br />
des Impressionismus gelten, denn dieser Kunstrichtung<br />
wendet sich Soutine urplötzlich zu. Offenbar von der<br />
Sonne berauscht, lässt er auf seinen Gemälden die Farben<br />
sprichwörtlich explodieren. Wenn Soutine malt, versteckt<br />
er sich meist unter einer Decke. Die Einwohner des Dorfes<br />
behalten den sehr zurückgezogen lebenden Künstler<br />
in denkwürdiger Erinnerung, sie nennen ihn « El pintre<br />
brut », den schmutzigen Maler. Alle wissen, dass man ihn<br />
in Ruhe lassen muss, wenn er malt, da man ansonsten riskiert,<br />
vom Künstler mit einem Hagel von Steinen begrüßt<br />
zu werden. Das ist allerdings nicht böse gemeint und weder<br />
die Bewohner von Céret noch die anderen Maler lassen<br />
sich dadurch in Aufregung versetzen. 1928 lässt sich<br />
Marc Chagall (1887-1985) für einige Monate in einem<br />
Landhaus in der Umgebung von Céret nieder, später sind<br />
es Künstler wie Raoul Dufy (1877-1953), Jean Cocteau<br />
(1889-1963) und Jean Dubuffet (1901-1985), die vor den<br />
tragischen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs fliehen.<br />
Pläne für ein Museum<br />
Es ist naheliegend, dass die – zumindest zeitweilige<br />
– Anwesenheit der Künstler und die vielen Werke, die<br />
in Céret entstehen, den Gedanken an die Gründung eines<br />
Museums aufkommen lassen. Den Künstlern Pierre<br />
Brune (1887-1956) und Frank Burty Haviland (1886-<br />
1971) – die beide immer wieder Künstlerkollegen bei sich<br />
beherbergen – gelingt es Ende der 1940er-Jahre, eine erste<br />
namhafte Sammlung solcher Werke zusammenzustellen;<br />
sie versuchen daher, die Gemeindeverwaltung davon<br />
zu überzeugen, dass ein Museum für den Ort durchaus<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 63
UNTERWEGS IN FRANKREICH Okzitanien / Pyrénées-Orientales<br />
von Interesse ist. Die Verantwortlichen der Gemeinde<br />
sind sich im Grunde schon längst darüber bewusst, wie<br />
wichtig es ist, Künstler zu unterstützen. Bereits 1919 hat<br />
die Stadtverwaltung bei Maillol ein Kriegerdenkmal in<br />
Auftrag gegeben. Der vom Ersten Weltkrieg gezeichnete<br />
Künstler kreiert daraufhin La Douleur, ein Monument,<br />
das man noch heute in Céret sehen kann. 1933 realisiert er<br />
im Übrigen dasselbe für seine Geburtsstadt Banyuls-sur-<br />
Mer. Insofern ist es nicht schwer, die Stadt von der Idee<br />
für ein Museum zu überzeugen, umso mehr, als hochrangige<br />
Künstler das Vorhaben sehr schnell durch großzügige<br />
Spenden unterstützen. Allen voran Picasso und Matisse.<br />
Picasso schenkt dem Museum 53 Werke, darunter die berühmte<br />
Serie der mit Stieren bemalten Keramikschalen,<br />
die im Museum zu sehen ist, während Matisse 14 beklebte<br />
Zeichnungen stiftet, die er in Collioure realisiert hat.<br />
« Wiederauferstehungszeremonie »<br />
und ein Plakat von Miró<br />
1950 wird das Museum für moderne Kunst in Céret<br />
in den Räumen eines ehemaligen Karmeliterklosters aus<br />
dem 17. Jahrhundert eingeweiht. Bereits in den 1960er-<br />
Jahren besitzt es ganz außerordentliche Werke, die beim<br />
Publikum gut ankommen. Vor allem profitiert das Museum<br />
nach wie vor durch die Anwesenheit von Künstlern in<br />
Céret. So sorgt beispielsweise 1965 Salvador Dalí (1904-<br />
1989) für eine willkommene mediale Aufmerksamkeit.<br />
Der Künstler kommt nach Céret, aber wie üblich macht er<br />
keine halben Sachen, denn er verwandelt seinen Besuch in<br />
eine regelrechte « Performance », wie nur er es versteht: Er<br />
kommt in einer Kutsche an, hält eine Rede vor einem Nashorn<br />
aus Karton, isst in der Arena zu Mittag, veranstaltet<br />
eine « Wiederauferstehungszeremonie », bevor er letztendlich<br />
in einem Güterwagen nach Perpignan weiterreist<br />
… Alles natürlich vor den Kameras der internationalen<br />
Presse. Das hinterlässt zwangsläufig Eindruck, die ganze<br />
Welt spricht über Céret und das Museum. Es ist jedoch<br />
nicht die einzige willkommene Hilfestellung für das Museum.<br />
Einige Jahre später, 1977, organisiert der spanische<br />
Künstler Joan Miró (1893-19<strong>83</strong>) dort nicht nur eine Ausstellung<br />
seiner Werke, sondern entwirft auch noch selbst<br />
das Plakat dafür. Es ist naheliegend, dass dieses Plakat in<br />
Sammlerkreisen einen ganz besonderen Wert hat.<br />
Kontinuität im<br />
künstlerischen Schaffen<br />
Seitdem geben sich große Namen der zeitgenössischen<br />
Kunst – vor allem aus Katalonien – in Céret die Klinke in<br />
die Hand: egal ob für einen Besuch des Ortes und seines<br />
Museums oder um dort eigene Werke zu kreieren, denn<br />
dieses Phänomen existiert nach wie vor. So schuf unter<br />
anderem Antoni Tàpies (1923-2012) ein zweiteiliges<br />
Wandbild, das noch heute den Eingang des Museums<br />
einrahmt. Vielleicht ist es gerade diese Kontinuität in Bezug<br />
auf das künstlerische Schaffen und die Art, wie Céret<br />
eine einzigartige Verbindung zu den Künstlern aufrechterhält,<br />
die bei einem Besuch am meisten fasziniert. Der<br />
Eindruck wird durch die jüngste Vergrößerung des Museums<br />
noch verstärkt. Man ist weit davon entfernt, einzig<br />
und allein auf einen – nicht von der Hand zu weisenden<br />
– architektonischen Erfolg zu setzen, darüber hinaus ist es<br />
gelungen, die Seele des Museums von 1950 zu bewahren<br />
und die Intentionen der ehemaligen Initiatoren fortzusetzen.<br />
Das von Künstlern für Künstler gegründete Museum<br />
beschränkt sich nicht nur darauf, deren Werke zu präsentieren,<br />
sondern es führt auch vor Augen, wodurch Céret<br />
sich von anderen Orten unterscheidet, warum Céret ein so<br />
inspirierender Ort ist. Eine wunderbare Art, Kultur und<br />
Tourismus zu verbinden!<br />
64 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
A<strong>83</strong><br />
Poitiers<br />
Saint-Sigismond<br />
N11/E601<br />
Niort<br />
La Rochelle<br />
E5/A10<br />
Montluçon<br />
A71/E11<br />
E602/A<strong>83</strong>7<br />
Angoulême<br />
Limoges<br />
A89/E70<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
A75/E11<br />
le Mont-Dore<br />
Puy de Dôme<br />
A72/E70<br />
Montalivet<br />
Le Porge<br />
Cap-Ferret<br />
Bordeaux<br />
E5/A10<br />
A52/E72<br />
Périgueux<br />
A89/E70<br />
Sarlat-le-Canéda<br />
Souillac sur<br />
Dordogne<br />
Le Pescher<br />
Payrac<br />
Tulle<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
A20/E9<br />
Saillac<br />
Rocamadour<br />
Aurillac<br />
Mimizan<br />
Reiseinfos & Lesetipps<br />
Céret …<br />
… Berlin 1708 km … Hamburg 1659 km<br />
… Köln 11<strong>83</strong> Hossegor km … Frankfurt 1171 km<br />
… München 1173 km … Wien 15<strong>83</strong> km<br />
Biarritz Bayonne<br />
… Zürich 869 km … Paris 874 km<br />
Hendaye<br />
A64/E80<br />
… Montpellier 182 km … Perpignan 32 km<br />
Sare<br />
Donostia-<br />
Pau<br />
Die nächstgelegenen S. Sebastian Flughäfen, die aus<br />
dem deutschsprachigen Raum direkt<br />
angeflogen werden, sind der spanische<br />
Flughafen Girona an der Costa Brava<br />
Pamplona<br />
(92 km) sowie der französische<br />
Flughafen Montpellier-Méditerranée Spanien<br />
(187 km).<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof<br />
befindet sich in Perpignan (32 km).<br />
Musée<br />
<br />
d’Art Moderne de Céret<br />
8, boulevard Maréchal<br />
E5-E70/A63<br />
France<br />
64400 Céret<br />
Telefon: +33 (0)4 68 87 27 76<br />
www.musee-ceret.com<br />
September bis Juni: dienstags bis<br />
sonntags 10 bis 18 Uhr.<br />
Juli und August: täglich 10 bis 19 Uhr.<br />
Eintritt 10 €, ermäßigt 7 €, Kinder unter<br />
12 Jahren haben freien Eintritt.<br />
Gut zu wissen: Das Eintrittsticket ist<br />
den ganzen Tag gültig. Es ist also<br />
beispielsweise möglich, vormittags<br />
das Museum zu besuchen, zum<br />
Mittagessen in eines der zahlreichen<br />
Restaurants in der Umgebung zu<br />
gehen und anschließend ins Museum<br />
zurückzukehren.<br />
Toulouse<br />
Andorra<br />
A75/E11<br />
Lodève<br />
Montpellier<br />
A9/E15<br />
Bézier<br />
Narbonne<br />
A81/E80<br />
Limoux<br />
France<br />
Perpignan<br />
Céret<br />
Spanien<br />
A9/E15<br />
AP7/E15<br />
Collioure<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 56<br />
Perpignan, Frankreichs katalanische<br />
Seele (32 km entfernt)<br />
Mit seinen knapp 120 000 Einwohnern<br />
zählt Perpignan nicht gerade zu<br />
Frankreichs größten und<br />
wichtigsten Städten.<br />
Trotzdem ist die Hauptstadt<br />
des Departements Pyrénées-<br />
Atlantiques eine ganz<br />
besondere Stadt im Land.<br />
Der Grund liegt nicht in<br />
ihrer Größe, sondern in ihren kulturellen Wurzeln.<br />
Perpignan ist so etwas wie ein Vorbote katalanischer<br />
Kultur nördlich der Pyrenäen. Das Lebensgefühl in<br />
der Stadt ähnelt mehr dem in Barcelona als dem in<br />
Paris. Doch auch die nun schon 350 Jahre dauernde<br />
Verbundenheit zu Frankreich zeigt sich in der Stadt.<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 57<br />
Paulilles, wenn die Hölle zu Paradies wird (39 km<br />
entfernt)<br />
Die Bucht von Paulilles liegt in den Pyrénées-Orientales,<br />
eingebettet zwischen Collioure und Banyuls-sur-<br />
Mer. Sie besitzt eine ganz außergewöhnliche<br />
Vergangenheit, denn hier errichtete Alfred Nobel<br />
1870 die erste französische Dynamitfabrik, die<br />
bis 1984 in Betrieb und im Laufe der Zeit oftmals<br />
von tragischen Ereignissen geprägt war. Nach<br />
einem Jahrhundert intensiver Industrietätigkeit,<br />
gefolgt von einem Jahrzehnt, in dem der<br />
Ort brachlag, hat sich Paulilles, nicht zuletzt dank eines starken<br />
öffentlichen Drucks, spektakulär verändert: Die Hölle wurde zum<br />
Paradies und zu einem Juwel an der Côte Vermeille. Heute kommen<br />
Familien zum Baden und Spazierengehen hierher und können<br />
gleichzeitig ein außergewöhnliches historisches und industrielles<br />
Kulturerbe entdecken.<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN SIE AUF SEITE 88.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 65
FRANKREICH HEUTE Tourismus<br />
Hotels: die Reform<br />
des französischen<br />
Sterne-Systems<br />
Am 1. April <strong>2022</strong> trat im französischen<br />
Hotelwesen ein neues<br />
Verfahren für die Vergabe der<br />
Sterne in Kraft. Dies ist eine bedeutende<br />
Neuerung im Bereich des Tourismus<br />
in Frankreich, denn das bestehende<br />
Klassifizierungssystem, das in den 1930er-<br />
Jahren eingeführt wurde, ist zwar nicht obligatorisch,<br />
wurde jedoch von den Hotelbesitzern<br />
weitestgehend übernommen: 87 % der<br />
rund 17 000 Hotels schmücken sich mit einem bis<br />
maximal fünf Sternen. Was hat sich mit der « neuen<br />
Klassifizierung <strong>2022</strong> » genau geändert? Übersicht über<br />
eine Reform, die man als Tourist kennen sollte.<br />
Die bislang bestehenden Hotelkategorien in Frankreich<br />
gehen auf ein Gesetz vom 7. Juni 1937 zurück,<br />
in dem 30 Kriterien definiert wurden, die der<br />
Vergabe von bis zu vier Sternen zugrunde lagen. In der<br />
Folge dauerte es lange, genauer gesagt bis 2009, bis es eine<br />
weitreichende Reform gab: Für die immer mehr verbreiteten<br />
Luxushotels, die sogenannten Palace, wurde mit fünf<br />
Sternen eine neue Kategorie eingeführt. Vor allem aber<br />
wurde damit berechtigterweise das – für Hotelbesitzer<br />
« bequeme » – Prinzip der lebenslangen Einstufung abgeschafft.<br />
Seitdem gilt der Grundsatz, dass die Sternekategorie<br />
vom Hotel alle fünf Jahre neu beantragt werden muss,<br />
was mit der Kontrolle durch eine zugelassene Einrichtung<br />
einhergeht. Die bestehende Praxis ist im Übrigen nicht<br />
länderübergreifend einheitlich. Jedes Land kann die Kriterien<br />
für die Auszeichnung frei vergeben, sodass zum Beispiel<br />
der Standard für zwei Sterne in Frankreich nicht<br />
zwangsläufig dem eines anderen europäischen oder außereuropäischen<br />
Landes entspricht. Seit 13 Jahren hat sich die<br />
Vorgehensweise für die Klassifizierung französischer Hotels<br />
allerdings nicht weiterentwickelt, zumal das System<br />
relativ gut funktioniert. Auch wenn man durch das Aufkommen<br />
von Reservierungsplattformen im Internet, wie<br />
Booking.com oder Hotels.com, zunächst Befürchtungen<br />
hegte, da dort die Beherbergungsbetriebe aufgrund der von<br />
den Kunden vergebenen Noten bewertet werden, sind die<br />
Sterne für Hotels nach wie vor ein wichtiges Auswahlkriterium,<br />
auf das sich Gäste generell verlassen. Was allerdings<br />
die Erwartungen der Hotelgäste angeht, so haben sich diese<br />
seit 2009 zwangsläufig verändert, sodass eine Anpassung<br />
des Verfahrens vonnöten wurde. Dies ist in Frankreich per<br />
1. April <strong>2022</strong> erfolgt, ohne dass man nun gleich von einer<br />
« Revolution » oder gar von einem « Großreinemachen » bei<br />
den Sternen sprechen könnte. Man kann jedoch sagen,<br />
dass diese Reform, ähnlich wie im Jahr 2009, das französische<br />
Hotelgewerbe einen Schritt nach vorne bringt. Im<br />
Übrigen gilt sie nicht nur für Hotels, sondern auch für andere<br />
kommerzielle Beherbergungsbetriebe (Campingplätze,<br />
Freizeitparks, Ferienwohnungen, Feriendörfer usw.).<br />
Das Grundprinzip der Einstufung hat sich durch die<br />
66 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Reform nicht geändert: Generell besteht nach wie vor<br />
keine Pflicht, die Einstufung zu beantragen, die Entscheidung<br />
liegt beim Betreiber selbst. Wenn sich dieser jedoch<br />
mit einem oder mehreren Sternen schmücken möchte,<br />
muss er dafür bestimmte Formalitäten abwickeln, indem<br />
er ein offizielles Formular ausfüllt. Dieses Formular<br />
umfasst heute eine lange Liste mit 243 Kriterien, wobei<br />
es für jedes erfüllte Kriterium Punkte gibt. Je höher die<br />
Gesamtpunktzahl ist, desto mehr Sterne kann der Betrieb<br />
erhalten. Die Erfüllung einiger Kriterien ist Pflicht. Dies<br />
kann für alle der fünf Kategorien (ein bis fünf Sterne) gelten,<br />
was beispielsweise bei Anforderungen wie « saubere<br />
Kleidung des Empfangspersonals » oder « Zimmer sauber<br />
und in gutem Zustand (Wände, Boden, Decke) » relativ<br />
naheliegend ist. Andere Kriterien sind dagegen von der<br />
jeweiligen Kategorie abhängig. So muss beispielsweise die<br />
Mindestfläche eines Doppelzimmers (inkl. Bad/Toilette)<br />
in einem 1-Sterne-Hotel 10,5 m², in einem 2-Sterne-<br />
Hotel 10,75 m², bei drei Sternen 13,5 m², bei vier Sternen<br />
16 m² und bei fünf Sternen 24 m² betragen. Ein weiteres<br />
Beispiel für ein « maßgeschneidertes » Kriterium ist das<br />
Vorhandensein eines « funktionsfähigen » Tresors, der erst<br />
ab einem Standard von vier Sternen vorhanden sein muss.<br />
Dagegen müssen selbst in einem Hotel mit nur einem<br />
Stern ausnahmslos alle Zimmer mit einem Spiegel ausgestattet<br />
sein.<br />
Was die neuen Anforderungen der Reform <strong>2022</strong> allerdings<br />
auszeichnet, ist der deutlich gestiegene Stellenwert<br />
der Nachhaltigkeit in der Bewertung. Für diesen Punkt<br />
gibt es nun insgesamt 27 Kriterien, von denen 12 zwingend<br />
erfüllt sein müssen, während es bisher nur drei waren,<br />
die alle erfüllt sein mussten. Insofern muss jeder Anwärter<br />
für einen oder mehrere Sterne unter anderem « mindestens<br />
eine Maßnahme zur Reduzierung des Wasserverbrauchs »,<br />
« das Vorhandensein eines Mülltrennungssystems für die<br />
Gäste », « den Einsatz mindestens eines umweltverträglichen<br />
Reinigungsmittels » sowie « die Ausbildung des Personals<br />
im Hinblick auf Maßnahmen für einen sparsamen<br />
Umgang mit Energie und Wasser sowie<br />
im Abfallmanagement » nachweisen.<br />
Obwohl diese Kriterien heutzutage<br />
eigentlich auf der Hand liegen, zeigen<br />
sie dennoch, dass man die Branche mit<br />
sanftem Druck zur Erfüllung auffordern<br />
muss.<br />
Gleichzeitig passt sich die Reform<br />
auch neuen Gewohnheiten aufseiten<br />
der Gäste an. So wird zum Beispiel<br />
bereits ab dem ersten Stern<br />
eine Website verlangt,<br />
« die den Betrieb, das<br />
Angebot und die Preise<br />
vorstellt », ebenso wie<br />
« der Internetzugang<br />
über ein drahtloses<br />
Netz (WLAN) » und<br />
zwar nicht nur in den öffentlichen Bereichen, sondern<br />
auch in allen Zimmern, wobei das Angebot nicht zwangsläufig<br />
kostenlos sein muss. Dies erfüllt mit Sicherheit die<br />
Bedürfnisse großer Teile der Kunden, die solche Punkte<br />
heutzutage als wesentlich einstufen.<br />
Über einige der 243 Kriterien dieser langen Liste muss<br />
man sich jedoch eher wundern. Obwohl inzwischen quasi<br />
jeder ein Smartphone oder Tablet besitzt, ist « eine zusätzliche<br />
freie Steckdose in der Nähe des Bettes » immer<br />
noch nicht verpflichtend, dabei ist es naheliegend, dass<br />
der Gast ein solches Gerät in Bettnähe aufladen möchte,<br />
um es gleichzeitig nutzen zu können. Ebenso ist bedauerlich,<br />
dass in den ersten vier Sterne-Kategorien für « die<br />
Betten in allen Zimmern nur ein Mindestmaß » von 0,80<br />
x 1,90 m (Einzelbett) beziehungsweise 1,40 x 1,90 m<br />
(Doppelzimmer) gefordert ist. Das « berühmte » schmale<br />
Doppelbett à la française mit einer Breite von nur 1,40 m<br />
ist also nach wie vor kein Auslaufmodell. Nur für Häuser<br />
mit fünf Sternen sind Doppelbetten vorgeschrieben, die<br />
mindestens eine Größe von 1,60 x 2,00 m haben. Ebenso<br />
mag es heute überraschen, dass zwar in allen Kategorien<br />
systematisch eine « zusätzliche Decke » angeboten werden<br />
muss, aber eben nur eine « Decke ». Nirgendwo ist in<br />
dieser Klassifizierung von einer « Steppdecke » die Rede,<br />
obwohl diese in Frankreich seit einigen Jahren immer<br />
verbreiteter ist. Dieser Punkt wird viele Touristen nicht<br />
zufriedenstellen, zumal, wenn sie aus dem Norden Europas<br />
kommen. Gut zu wissen ist auch, dass der Gast erst ab<br />
dem dritten Stern einen Bademantel im Zimmer erwarten<br />
kann. Gleiches gilt für die Möglichkeit, das Frühstück im<br />
Zimmer einzunehmen. Will man Zahnbürste und Zahncreme<br />
im Badezimmer vorfinden, muss man allerdings in<br />
einem 5-Sterne-Hotel absteigen, was zugegebenermaßen<br />
den Preis für solche « kostenlosen » Hygieneartikel sehr in<br />
die Höhe treibt … Beachten sollte man zudem, dass die<br />
neuen Kriterien erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist der<br />
aktuellen Klassifizierung eines Hotels zur Anwendung<br />
kommen. Ein Haus, das seine Sterne 2021 zuerkannt<br />
bekam, ist demnach erst 2026 von den<br />
Änderungen betroffen. Als Fazit lässt<br />
sich festhalten, dass es sich hierbei um<br />
eine eher halbherzige Reform handelt,<br />
die zwar einige Veränderungen berücksichtigt,<br />
jedoch keine bahnbrechende<br />
Neuerung darstellt. Regierung und<br />
Fachkreisen zufolge zielt die Reform<br />
auf alle Fälle darauf ab, Frankreich<br />
den Platz als « die Nummer eins<br />
der weltweiten Reiseziele » zu<br />
sichern. Die Zukunft wird<br />
zeigen, ob sie ambitioniert<br />
genug ist, dafür zu<br />
sorgen, dass die Sterne<br />
der französischen Hotels<br />
nach wie vor hell<br />
strahlen werden …<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 67
FRANKREICH HEUTE Hundertjahrfeier<br />
68 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Territoire de Belfort<br />
DIE STÄRKE DER KLEINEN<br />
Das Territoire de Belfort in der Region Bourgogne-Franche-Comté ist die Nummer 90<br />
der 101 französischen Departements. In diesem Jahr wird es 100 Jahre alt. Ein bedeutender<br />
Geburtstag also, den man im Verlauf des gesamten Jahres würdig begeht.<br />
Wir haben die Gelegenheit genutzt, um uns mit dem Präsidenten des Departements,<br />
Florian Bouquet, über dieses liebenswerte Departement mit ausgeprägtem<br />
Charakter zu unterhalten. Trotz der überschaubaren<br />
Größe – 609 km 2 , eines der kleinsten des<br />
Landes – wollte man dort immer hoch hinaus<br />
und agierte entschlossen, ganz nach dem Vorbild<br />
der Symbolfigur, dem berühmten Löwen<br />
von Belfort. Ein schönes Beispiel dafür, wie stark<br />
manchmal gerade die Kleinsten sein können.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 69
FRANKREICH HEUTE Hundertjahrfeier<br />
INTERVIEW<br />
Florian Bouquet,<br />
Präsident des<br />
Departements<br />
Territoire de Belfort<br />
Florian Bouquet, Sie bezeichnen<br />
das Territoire de Belfort gerne als « eines der kleinsten »,<br />
wenn nicht gar « das kleinste » französische Departement, sieht<br />
man einmal von Paris und drei Departements im Großraum<br />
Paris ab. Was bedeutet das konkret?<br />
Ganz konkret bedeutet das beispielsweise, dass ich der<br />
einzige Präsident eines Conseil départemental in Frankreich<br />
bin, der – selbstverständlich unter Einhaltung aller Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
– nicht mehr als 30 Minuten<br />
benötigt, um von seinem Arbeitsplatz aus auch den<br />
abgelegensten Punkt seines Departements zu erreichen.<br />
Glauben Sie mir, um diesen « Luxus » beneiden mich viele<br />
Kollegen! (Lacht.) Ernsthaft: Das Territoire de Belfort<br />
ist mit einer Fläche von 609 km 2 in der Tat ein kleines<br />
Departement. Man könnte auch sagen, alles liegt hier nah<br />
beieinander ...<br />
Was bedeutet das für Sie?<br />
Das ist für mich sehr positiv ... sehr, sehr positiv sogar!<br />
(Lacht.) Ich sage Ihnen nun etwas, das Sie vielleicht in der<br />
heutigen Zeit erstaunen mag: Obwohl in dieser Grande<br />
Nation, in diesem zentralisierten, hierarchisch gegliederten,<br />
hyperstrukturierten Land eher « die Großen » im<br />
Trend sind, glaube ich, dass die « kleine Größe » für uns<br />
ein echter Vorteil ist. Eine Stärke, durch die das Territoire<br />
de Belfort in der wirtschaftlichen Entwicklung im Frankreich<br />
von heute und morgen vermutlich eine wichtige Rolle<br />
spielen wird ...<br />
In welcher Beziehung ist die « kleine Größe » des Territoire de<br />
Belfort Ihrer Ansicht nach ein Vorteil?<br />
Zunächst in Bezug auf das Zugehörigkeitsgefühl der<br />
Bewohner zum Departement und die Solidarität untereinander.<br />
Die Menschen werden es Ihnen bestätigen:<br />
Wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt, dann fühlen sich<br />
alle betroffen und reagieren. Das hat sich in der Vergangenheit<br />
bereits mehrfach gezeigt, unter anderem bei der<br />
Belagerung von Belfort 1871. Aber ich versichere Ihnen,<br />
dass das auch heute noch so ist. Nehmen Sie zum Beispiel<br />
die Ereignisse im Jahr 2016, als der Alstom-Konzern, der<br />
schon lange in Belfort ansässig war, ankündigte, das Werk<br />
zu schließen. Das löste umgehend eine wahre Volksbewegung<br />
aus. Und diese war weit davon entfernt, « nur » eine<br />
Demonstration zu sein. Innerhalb weniger Stunden sorgte<br />
70 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Mund-zu-Mund-Propaganda dafür, dass sich zwischen<br />
5000 und 6000 Menschen aus dem ganzen Departement<br />
spontan im Stadtzentrum versammelten und solidarisch<br />
demonstrierten. Das ist typisch für die Gesinnung der<br />
Menschen hier, und für mich ist das ein echter Trumpf.<br />
Hilft es auch bei einer effizienteren Entscheidungsfindung,<br />
wenn man kleiner<br />
ist?<br />
Gewiss, gerade das ist eine weitere<br />
wesentliche Stärke. Ein konkretes<br />
Beispiel: Im Departement gibt es beispielsweise<br />
101 Bürgermeister. Das<br />
mag viel erscheinen, aber wenn man<br />
bedenkt, dass es im ganzen Land fast<br />
36 000 Gemeinden gibt, dann ist das<br />
eine « lächerliche » Zahl, verglichen<br />
mit anderen, größeren Departements.<br />
Und als Präsident des Conseil départemental<br />
kann ich Ihnen versichern,<br />
dass es ein nicht zu vernachlässigender<br />
Vorteil ist, denn ich kenne diese 101 Bürgermeister<br />
alle persönlich. Das Territoire stellt ein überschaubares<br />
Arbeitsgebiet dar. Man trifft sich regelmäßig, ohne sich<br />
zwangsläufig verabreden zu müssen; das erleichtert Austausch<br />
und Entscheidungsfindung ungemein, das können<br />
Sie mir glauben!<br />
Das Department in Zahlen:<br />
100 Jahre (1922 - <strong>2022</strong>)<br />
609 km 2 fünftkleinstes<br />
Departement hinter<br />
Paris (105 km 2 ), Hautsde-Seine<br />
(176 km 2 ),<br />
Seine-Saint-Denis (236<br />
km 2 ) und Val-de-Marne<br />
(245 km 2 ), wobei diese<br />
vier Departements alle<br />
in der Region Île-de-<br />
France liegen.<br />
141 852 Einwohner<br />
101 Kommunen<br />
Wie verschafft man sich aber in einem, wie Sie es ausdrücken,<br />
so zentralisierten und hierarchisch gegliederten Land Gehör,<br />
wenn man das kleinste – oder fast das kleinste –Departement<br />
ist?<br />
Ich gebe zu, das ist nicht immer einfach. Ich will<br />
nicht behaupten, ich müsse nicht<br />
manchmal zu härteren Mitteln<br />
greifen, um mir Gehör zu verschaffen,<br />
vor allem gegenüber<br />
staatlichen Stellen und Anbietern,<br />
die daran gewöhnt sind, mit<br />
größeren Strukturen zusammenzuarbeiten.<br />
Doch auch in dieser<br />
Beziehung gilt, dass die Tatsache,<br />
« klein » zu sein, manchmal einen<br />
ganz unerwarteten Vorteil bieten<br />
kann. Als ich beispielsweise vor<br />
Kurzem über die Verlegung des<br />
Glasfaserkabels auf dem Gebiet<br />
des Departements verhandelte,<br />
war mein wichtigstes Argument<br />
die hohe Bevölkerungsdichte von 233 Einwohnern pro<br />
Quadratkilometer. Das war für die Netzbetreiber ein<br />
schlagkräftiges Argument, da sie möglichst viele Kunden<br />
benötigen, um die Arbeiten zu finanzieren. Das vordergründig<br />
« kleine » Gebiet, war für sie letzten Endes hinsichtlich<br />
der Rentabilität interessanter als andere Depar-<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 71
FRANKREICH HEUTE Hundertjahrfeier<br />
tements, die zwar größer sind, aber dafür eine geringere<br />
Bevölkerungsdichte aufweisen.<br />
Was die industrielle und wirtschaftliche Seite des Territoire<br />
de Belfort angeht, so ist man zwangsläufig überrascht, wenn<br />
man sieht, welche Unternehmen hier angesiedelt sind. Man<br />
stößt auf Namen großer Industriebetriebe wie General Electric<br />
und Alstom, um nur zwei Beispiele zu nennen. Darüber<br />
hinaus gibt es Kompetenzzentren in hoch spezialisierten Bereichen<br />
wie Transport und Energie. Eine derartige industrielle<br />
Anziehungskraft würde man eher in größeren Departements<br />
erwarten ...<br />
Sie sagen es. Was zeigt, dass Kleine manchmal ausgesprochene<br />
Stärken besitzen ... Die Industriedichte im Territoire<br />
ist hoch, vor allem gibt es sehr innovativ ausgerichtete<br />
Unternehmen. Das geht sogar über die Grenzen des<br />
Departements hinaus: Alleine im Gebiet Nord Franche-<br />
Comté (Territoire de Belfort, Pays de Montbéliard) gibt es<br />
rund 30 000 Arbeitsplätze in der Industrie. Das entspricht<br />
mit 25 % dem höchsten Anteil industrieller Arbeitsplätze<br />
in Frankreich. Und der Industriepark Techn‘hom in Belfort<br />
ist ein Prunkstück der französischen Innovationskraft.<br />
Auf einer Fläche von 110 Hektar sind dort neben dem<br />
Vallée de l‘Énergie – einem Industriecluster der Energiebranche<br />
– mehr als 100 Industrieunternehmen und<br />
Ingenieurbüros ansässig, die insgesamt rund 7000 Mitarbeiter<br />
beschäftigen. Dazu gehören auch zwei der größten<br />
72 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Auftraggeber der Energiebranche: General Electric Power<br />
and Water mit seinem europäischen Unternehmenssitz sowie<br />
Alstom Power mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum.<br />
Daneben produziert Alstom Transport<br />
dort TGV der neuesten Generation, die dann in die ganze<br />
Welt exportiert werden, und das Unternehmen H2SYS<br />
entwickelt Wasserstoff-Lösungen von morgen.<br />
Die Beziehungen zwischen dem Territoire de Belfort und<br />
Deutschland waren historisch betrachtet eher kompliziert. Wie<br />
steht man heute zu Deutschland und den Deutschen?<br />
Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert!<br />
Deutschland ist heute für uns nicht nur ein Nachbarland<br />
und europäischer Partner, sondern die Deutschen sind<br />
unsere Freunde. Das sind keine leeren Worte: Die freundschaftlichen<br />
Bande sind tief im Bewusstsein und manchmal<br />
sogar im Alltag der Menschen hier verankert. Bereits<br />
unsere geografische Lage legt nahe, dass viele Schweizer<br />
und Deutsche das Territoire de Belfort besuchen. Das<br />
hat zur Folge, dass man in den Straßen von Belfort nicht<br />
selten jemanden Deutsch sprechen hört. Ganz besonders<br />
gilt das für den Flohmarkt, der immer am ersten Sonntag<br />
im Monat stattfindet. Viele Deutsche nutzen die Gelegenheit,<br />
um inmitten der Einwohner von Belfort durch die<br />
Straßen der Altstadt zu bummeln und nach Trödelwaren<br />
zu suchen. Glauben Sie mir, die Preise werden sowohl<br />
auf Französisch als auch auf Deutsch verhandelt. Genau<br />
das ist Europa! Ein ganz anderes Beispiel mit einem ganz<br />
anderen Ambiente sind die Eurockéennes de Belfort, dieses<br />
unglaubliche Festival, eine der größten Veranstaltungen<br />
dieser Art in Europa. (Anm. d. Red.: <strong>2022</strong> findet es vom 30.<br />
Juni bis 3. Juli statt). Auch dort hört man die Besucher oft<br />
Deutsch sprechen – und singen! Wenn Menschen solche<br />
festlichen Momente teilen, wenn sie durch die Freude an<br />
derselben Musik verbunden sind, dann trägt dies dazu<br />
bei, dass echte freundschaftliche Beziehungen entstehen,<br />
da bin ich mir sicher. Umgekehrt ist es ebenso naheliegend,<br />
dass die Bewohner des Territoire de Belfort häufig<br />
Deutschland und die Schweiz besuchen. Zudem glaube<br />
ich stark an Austausch und Städtepartnerschaften. Diese<br />
findet man hier besonders häufig. Ich habe im Übrigen<br />
während meiner Schulzeit selbst mehrfach vom Schüleraustausch<br />
mit Deutschland profitiert. Alle Begegnungen<br />
sind mir in sehr guter Erinnerung geblieben. Viele Städte<br />
im Territoire de Belfort pflegen eine Partnerschaft mit einer<br />
deutschen Stadt, so ist die Stadt Belfort zum Beispiel<br />
mit Leonberg in Baden-Württemberg verbunden. All<br />
das trägt dazu bei, dass dieses Departement Deutschland<br />
heute sehr nahesteht. Und das beschränkt sich nicht auf<br />
die geografische Nähe. Ich spüre zutiefst, dass wir eine gemeinsame<br />
Kultur haben. Es tut gut, dass man dies heute<br />
voll und ganz leben kann. Wir, die Feinde von gestern,<br />
würden heute keinen Krieg mehr gegeneinander führen,<br />
das ist sicher!<br />
Florian Bouquet, wir danken Ihnen für das Gespräch.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 73
ADVERTORIAL<br />
Ein unvergesslicher Tag<br />
Wecken Sie den Entdecker, der in Ihnen schlummert!<br />
Es gibt unzählige Möglichkeiten für einen Urlaub<br />
im Territoire de Belfort. Um den Aufenthalt vorzubereiten,<br />
braucht man aber nur eine einzige Eigenschaft:<br />
Neugier. Lesen Sie den Vorschlag für einen<br />
Städtetrip, bei dem Sie rundum von den vielfältigen<br />
Angeboten dieses Reiseziels profitieren. Zusammengestellt<br />
wurde er von den besten Botschaftern der<br />
Region, von enthusiastischen Einwohnern, die ihr<br />
Wissen gerne mit anderen teilen: von den berühmten<br />
Greetern.<br />
9 Uhr: ein Stadtbummel voller Überraschungen<br />
Nutzen Sie den Vormittag, um die ausgeglichene und heitere<br />
Atmosphäre von Belfort zu spüren. Lassen Sie sich nicht<br />
von der militärischen Vergangenheit der Stadt täuschen, denn<br />
das Zentrum ist ruhig. Die Traditionen der Region Franche-<br />
Comté vermischen sich mit deutschen Einflüssen und sorgen<br />
für den ganz besonderen Charme. Nehmen Sie sich Zeit, um<br />
sich in der Altstadt treiben zu lassen, sofern Sie nicht auf den<br />
unerwarteten Spuren der 150 Löwen wandeln möchten, die<br />
sich an allen Ecken und Enden verstecken. Buntsandstein,<br />
Gelb, Violett, Blau, Grün: Sie werden feststellen, dass das<br />
Leben in Belfort bunt und schön ist! Am Ufer des Flusses<br />
Savoureuse vergisst man ganz einfach seine Sorgen. Oder man<br />
genießt das nostalgische Flair in den Geschäften der zahllosen<br />
Antiquitätenhändler. Flanieren Sie bis zur Fréry-Markthalle,<br />
die ganz im berühmten Stil Gustave Eiffels erbaut wurde und<br />
zu den 25 schönsten Gebäuden dieser Art in Frankreich zählt.<br />
Von außen fasziniert die « Kathedrale » aus Metall und Glas<br />
durch ihr majestätisches Aussehen, innen ist es das ach so typische<br />
Marktgewimmel, dem man sich nicht entziehen kann.<br />
74 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
im Territoire de Belfort<br />
Ein Tipp: Warum nicht die Gelegenheit nutzen, um dort lokale<br />
Produkte einzukaufen oder sich von einer Platte regionaler<br />
Käsesorten verführen zu lassen? Dazu passt im Übrigen ein<br />
handwerklich gebrautes Bier ganz hervorragend.<br />
14 Uhr: auf Erkundungsreise an einem Ort,<br />
der als « Militärgeheimnis » gilt<br />
Diese Aktivität verbindet Geschichte und Abenteuer auf<br />
ganz unerwartete Art und wird sowohl Klein als auch Groß<br />
in Bann ziehen! Doch zunächst: Tapetenwechsel und ein<br />
Blick zurück. 1953, mitten im Kalten Krieg, entstand unter<br />
dem Mont Salbert ein unterirdischer Komplex, der Ouvrage<br />
G genannt wurde. Er wurde von der NATO eingerichtet, um<br />
russische Flugzeuge aufzuspüren. Bis 1959 in Betrieb, ist es der<br />
einzige Tunnel der internationalen Organisation, den man im<br />
Osten Frankreichs besichtigen kann. Früher lebten hier rund<br />
500 Soldaten, die Aviateurs genannt wurden. Als der Ort<br />
aufgegeben wurde, befand sich noch viel Material dort. Heute<br />
kann man das Labyrinth der Gänge und die Kommandozentrale<br />
besichtigen. Die besondere Ausstrahlung des Ortes sorgt<br />
dafür, dass man sich ein bisschen wie in einem Spionagekrimi<br />
vorkommt. fort-otan-belfort.com<br />
18 Uhr: ein versteckter Ort für Naturliebhaber<br />
Glücklich leben ... in der Höhe! Das ist die Philosophie<br />
von Gaspard und Emmanuel, zwei begeisterten Liebhabern<br />
von Natur, Tourismus und Nachhaltigkeit. In Joncherey, südwestlich<br />
von Belfort, entwickelten sie vor einigen Jahren ein<br />
umweltverträgliches Übernachtungskonzept. Rund zwanzig<br />
Fahrminuten von der Stadt entfernt fügen sich die Baumhütten<br />
des Resorts Coucoo Grands Reflets harmonisch in die<br />
Natur am Étang de Verchat ein. Man « badet » regelrecht<br />
im Wald, es ist der ideale Ort, um seine Batterien wiederaufzuladen.<br />
Es gibt dort auch schwimmende Hütten und einen<br />
Wellnessbereich, der Massagen und Yogakurse anbietet. Ein<br />
unvergesslicher Aufenthalt zwischen Wildnis und Komfort.<br />
Traumhaft, um die Natur in vollen Zügen zu genießen und zu<br />
sich selbst zu finden! www.cabanesdesgrandsreflets.com<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 75
ADVERTORIAL<br />
Le Centenaire<br />
<strong>2022</strong> feiert das Territoire de Belfort<br />
sein hundertjähriges Bestehen. Die<br />
Veranstaltungen sind eine perfekte<br />
Gelegenheit, die besondere Geschichte<br />
und die unzähligen Facetten<br />
eines Departements (neu) zu entdecken,<br />
die das « Gebiet des Löwen »<br />
über seine Grenzen hinaus erstrahlen<br />
lassen.<br />
Die Highlights der Hundertjahrfeier:<br />
20. bis 26. Juni: Saype, Land-Art XXL. Der<br />
zeitgenössische Künstler Saype, dessen meisterhafte<br />
Werke in der freien Natur auf der<br />
ganzen Welt Beifall ernten, hält die Fahne des<br />
Departements, aus dem er stammt, hoch. Um<br />
seine Kreation bewundern zu können, begeben<br />
Sie sich auf den Rundweg La Balade des<br />
Points de vue Ballon d'Alsace.<br />
12. Juli bis 23. August: Les Flâneries du<br />
Centenaire. Festliche Musikdarbietungen in<br />
verschiedenen Gemeinden, gefolgt von einer<br />
Feuershow bei Einbruch der Nacht.<br />
22. bis 24. Juli: Reenactment im Fort des Basses-Perches<br />
und in der Zitadelle von Belfort.<br />
8. bis 26. August: Street-Art des Graffiti-<br />
Künstlers Nacle. Für diesen runden Geburtstag<br />
realisiert er ein Wandgemälde auf der<br />
Fassade der ehemaligen Militärreithalle Le<br />
Manège (6 avenue de Sarrail).<br />
10. September: Schlussakkord für die Hundertjahrfeier<br />
am Lac de Malsaucy. Ein außergewöhnliches<br />
Spektakel zwischen Jazz und<br />
DJ-Klängen, zwischen Tänzen auf dem Wasser,<br />
in der Luft und Feuershows.<br />
Alle Details des Programms der Hundertjahrfeier<br />
finden Sie auf www.centenaire90.fr/de
Leserbriefe<br />
Guten Tag,<br />
wir haben seit vielen Jahren<br />
Frankreich erleben im Abo und sind<br />
sehr zufrieden. Die Preiserhöhung<br />
ist mehr als gerechtfertigt. Wir<br />
halten sogar 8 € für angemessen.<br />
Hätten Sie nicht den Hinweis in<br />
Ausgabe 82 gegeben, hätten wir<br />
das gar nicht gemerkt. Schade ist<br />
nur, dass Ausgaben vor <strong>Nr</strong>. 25 nicht<br />
mehr verfügbar sind. Kann man<br />
diese nicht als PDF ins Internet zum<br />
Download stellen?<br />
Schöne Grüße aus Bonn<br />
Jörg Marquardt + Frau<br />
Redaktion:<br />
Liebes Ehepaar Marquardt,<br />
die Entscheidung, den Preis pro<br />
Ausgabe um einen Euro zu erhöhen,<br />
ist uns nicht leichtgefallen. Als treue<br />
Abonnenten wissen Sie, dass wir<br />
bisher alles darangesetzt haben, um<br />
dies zu vermeiden, denn 14 Jahre<br />
lang lag der Preis von Frankreich<br />
erleben unverändert bei 5,90 €. Nun<br />
war eine Erhöhung allerdings nicht<br />
mehr zu vermeiden, um Qualität,<br />
Unabhängigkeit und letzten Endes<br />
die Zukunft des Magazins zu sichern.<br />
Vielen Dank also für Ihr Verständnis<br />
und Ihre Treue, die uns sehr berühren.<br />
Was die vergriffenen Ausgaben<br />
des Magazins angeht, so können<br />
Sie diese über die App Frankreich<br />
erleben auf Ihr Smartphone oder<br />
Tablet herunterladen. Die App gibt<br />
es sowohl im Apple-Store als auch<br />
bei Google Play. Die Möglichkeit, auf<br />
die Archive von Frankreich erleben<br />
zugreifen zu können, liegt uns sehr<br />
am Herzen, denn seit der ersten<br />
Ausgabe im Januar 2006 haben<br />
wir immerhin rund 8200 Seiten mit<br />
knapp 1700 Artikeln und Rubriken<br />
veröffentlicht, die alle Regionen des<br />
Hexagons abdecken. Eine ungeheure<br />
Fundgrube an Informationen! Wir sind<br />
derzeit auch in der Testphase für ein<br />
optionales Digitalabonnement, bei<br />
dem Abonnenten der Printausgabe<br />
auf Wunsch gleichzeitig die digitalen<br />
Ausgaben beziehen können.<br />
Informationen über das neue Angebot<br />
finden Sie demnächst im Heft.<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
die Preisanpassung auf 6,90 € pro Ausgabe ist sicher berechtigt. Alles greift ineinander. Jeder<br />
ist von jedem abhängig. Soweit ist Ihre Preiserhöhung nachvollziehbar und ich trage sie mit.<br />
Der Euro sollte nicht zum Verzicht auf dieses wunderbare Magazin führen. Ich bedanke mich<br />
für Ihr Engagement. Ohne dieses hätten wir Leser kein so tolles und vielfältiges Magazin. Ohne<br />
dieses wäre Frankreich nicht so nah, in jeder Beziehung.<br />
Es wäre schön, wenn Sie den Unterschieden und den Gemeinsamkeiten zwischen Franzosen<br />
und Deutschen mehr Raum bieten könnten. Diese kleinen Eigenheiten, diese besonderen<br />
Erlebnisse der Deutschen in Frankreich und der Franzosen in Deutschland machen immer<br />
viel Spaß und man ertappt sich manchmal bei eben diesen Eigenheiten. Die Sendung<br />
KARAMBOLAGE bei ARTE zeigt das auch stets sehr schön auf.<br />
Gibt es eigentlich auch ein « Deutschland erleben » in Frankreich ? Und wie stehen aktuell die<br />
Franzosen zu uns Deutschen? Gibt es bei Ihnen Hinweise auf das Empfinden der Franzosen in<br />
Bezug auf die Deutschen?<br />
Ich bedanke mich für all die schönen Informationen in den zahllosen Heften und freue mich<br />
schon auf die kommende Ausgabe.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Bernd Rehwald<br />
Redaktion:<br />
Lieber Herr Rehwald,<br />
ein herzliches Dankeschön für Ihren Kommentar und Ihre Unterstützung! Sie können sicher sein,<br />
dass die Neugier auf « Unterschiede » und « Ergänzungen » zwischen Deutschen und Franzosen<br />
für uns wesentlich ist. Sie war einer der Gründe, warum wir dieses Magazin kreiert haben, und sie<br />
hat uns all die Jahre niemals verlassen. Diese Neugier hat einen hohen Stellenwert, und wann<br />
immer es möglich ist, fließt der Aspekt in unsere Artikel ein, indem wir über Initiativen berichten,<br />
die auf den deutsch-französischen Beziehungen basieren – egal ob individuelle oder kollektive,<br />
ob touristische oder kulturelle Initiativen. Ihnen ist vielleicht aufgefallen, dass in der letzten<br />
Ausgabe die Rubrik « Kulturschock » wieder aufgetaucht ist. Genauso wie die von Ihnen erwähnte,<br />
ausgezeichnete Sendung KARAMBOLAGE unseres langjährigen Partners ARTE will auch diese<br />
Rubrik auf eine etwas « andere » Art über lustige oder ungewöhnliche Aspekte beziehungsweise<br />
Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen berichten.<br />
Leider findet sich im französischen Zeitschriftenhandel kein Pendant zu Frankreich erleben,<br />
das die Neugier der Franzosen auf ihr Nachbarland zum Ausdruck bringt. Dabei wäre ein<br />
« Deutschland erleben » mit Sicherheit ebenfalls interessant! Zugegeben: Franzosen scheinen<br />
generell weniger neugierig in Bezug auf das Ausland zu sein als Deutsche. Während die Regale<br />
im Zeitschriftenhandel von Magazinen über französische Regionen nur so überquellen (Bretagne<br />
Magazine, Corse Magazine, Détours en France, Pyrénées Magazine, Alpes Magazine …) gibt<br />
es nur wenige Zeitschriften über andere Länder. Dies erklärt wohl, warum kein « Deutschland<br />
erleben » in Frankreich zu finden ist …<br />
Liebe Redaktion,<br />
erst vor Kurzem habe ich die Zeitschrift entdeckt, mir gleich ein paar ältere Exemplare<br />
bestellt und die Zeitschrift abonniert. Als Französin, die seit einem halben Jahrhundert<br />
« in der Fremde » lebt, interessiere ich mich für mein Ursprungsland, und zwar in einem<br />
Medium, wo die Sprache nicht voller Fehler ist, wie es leider so oft in den deutschen Medien<br />
vorkommt. Ich hätte etwas zur Reihe « Produkte » vorzuschlagen: la Terre de Sommières, die<br />
ich zwar kenne und auch benutzt habe, aber worüber ich nicht viel weiß. Ich werde jede<br />
neue Nummer langsam und genüsslich lesen, das verspreche ich Ihnen!<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Anne-Marie Gehres<br />
Redaktion:<br />
Liebe Frau Gehres,<br />
vielen Dank für die Komplimente! Alle Mitglieder unseres Teams legen in der Tat großen<br />
Wert auf die Sprache, sei es Deutsch oder Französisch. Vor allem zwei Personen, Ina und<br />
Sabine, kümmern sich darum, die Artikel vor dem Druck zu lesen und zu korrigieren. Dieses<br />
aufmerksame Korrekturlesen ist in unseren Augen sehr wichtig. Wir nutzen Ihre Nachricht, um<br />
den beiden für ihre Arbeit zu danken. Was die Terre de Sommières angeht, so haben Sie in der<br />
Tat recht: Das ist ein wirksames und vor allem natürliches Produkt, das man in Frankreich oft<br />
verwendet. Wir notieren Ihre Anregung und werden in der nächsten Ausgabe von Frankreich<br />
erleben darüber berichten! Vielen Dank!<br />
Hat Ihnen unser Magazin gefallen? Haben Sie Verbesserungsvorschläge oder Anregungen?<br />
Schreiben Sie uns. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung!<br />
Per E-Mail: leserbriefe@frankreicherleben.de ·<br />
Per Brief: Frankreich erleben – Leserbriefe · Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux · Frankreich<br />
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Fassung zu veröffentlichen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 77
FRANKREICH HEUTE Städteplanung<br />
Ist Paris die « schönste Stadt der Welt » oder ist<br />
Paris « verwüstet »? Die Frage mag provozierend<br />
erscheinen. Und doch wird in der Hauptstadt<br />
darüber diskutiert, zuweilen sogar sehr heftig.<br />
Einwohner und Politiker werfen der amtierenden<br />
Bürgermeisterin, Anne Hidalgo, teilweise vor, die<br />
« Verwüstung » der Stadt auf dem Gewissen zu<br />
haben, während die Betroffene selbst der Meinung<br />
ist, alles daranzusetzen, um sie schöner zu<br />
machen. Worum geht es dabei? Wir haben versucht,<br />
vor Ort etwas Klarheit in das Thema zu<br />
bringen …<br />
Achtung, es ist ein heikles Thema! Sogar sehr heikel!<br />
Wenn Sie mit Parisern zusammen sind und eine<br />
heftige Debatte lostreten möchten, in deren Verlauf<br />
ihre Gesprächspartner sprichwörtlich explodieren,<br />
dann gibt es ein besseres Thema als die jüngsten Präsidentschaftswahlen:<br />
Bringen Sie die Arbeit der seit 2014 eingesetzten<br />
Stadtverwaltung und die mutmaßlichen – oder tatsächlichen<br />
– Folgen für das Aussehen der Hauptstadt zur<br />
Sprache. Dann können Sie sicher sein, eine erbitterte Diskussion<br />
zu erleben. Eine Diskussion, wie Franzosen sie<br />
gerne führen. Innerhalb nur weniger Minuten werden Sie<br />
feststellen, dass von beiden Seiten die Argumente nur so<br />
hageln: Für die einen – diejenigen, welche die sogenannte<br />
« Verwüstung » der Hauptstadt anprangern – geht es sehr<br />
wahrscheinlich um die « ausgesprochene Hässlichkeit », das<br />
« Königreich der Nachlässigkeit », den « in der Politik vorherrschenden<br />
schlechten Geschmack », um « Absurdität »<br />
und « Inkompetenz ». Für die anderen – diejenigen, die diesen<br />
Aussagen widersprechen – geht es dagegen um ein<br />
« Experimentieren », eine « notwendige Entwicklung », die<br />
« Anpassung an eine neue Welt », um « Modernisierung »,<br />
« Wagemut » und « die Antwort auf die klimatischen Herausforderungen<br />
». Der Dialog droht kompliziert zu werden!<br />
Wappnen Sie sich vor allem mit Geduld, mit viel Geduld,<br />
wenn Sie es darauf abgesehen haben, dass Ihre Gesprächspartner<br />
am Ende zu einem Konsens kommen.<br />
Denn wenn es um die Schönheit von Paris geht, sind die<br />
78 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Debatten hitzig und die Meinungen festgefahren … Wie<br />
konnte es überhaupt so weit kommen? Bevor wir dieser<br />
Frage nachgehen, ist es vielleicht sinnvoll, durch die Straßen<br />
der Hauptstadt zu streifen, um sich eine eigene Meinung<br />
zu bilden. Diejenigen, die Anne Hidalgo und ihre<br />
Politik anprangern, verbreiten seit etwas mehr als einem<br />
Jahr via Twitter unter dem Hashtag #SaccageParis Fotos,<br />
welche die Verunstaltung der Stadt dokumentieren sollen.<br />
Denn sie sind der Ansicht, dass die Straßen heute besonders<br />
« schmutzig », wenn nicht gar « eine Gefahr für die<br />
Gesundheit » seien, « übersät mit Müll, der niemals eingesammelt<br />
wird » und « bedeckt mit Hundekot ». Vor allem<br />
aber – und das mache den Zustand nicht besser – würden<br />
sie « durch neue Stadtmöbel entstellt » und seien « eine einzige<br />
Baustelle ». Muss man sich vor diesem Hintergrund<br />
für eine Ortsbegehung womöglich mit Stiefeln, Handschuhen<br />
und einer Maske ausrüsten?<br />
Sauber oder schmutzig?<br />
Man kommt um die Feststellung nicht umhin, dass<br />
der Zustand der Straßen zwar weit vom Idealzustand<br />
entfernt ist, aber lange nicht so beklagenswert und katastrophal<br />
ist, wie manche behaupten. Auf unserem immerhin<br />
17 Kilometer langen Tagesmarsch durch Paris – von<br />
Norden nach Süden und von Westen nach Osten – sehen<br />
wir tatsächlich Papier auf der Erde liegen, nicht geleerte<br />
und manchmal aufgeschlitzte Mülleimer, Zigarettenkippen<br />
wohin das Auge reicht und in der Tat auch die wenig<br />
appetitlichen « Hinterlassenschaften » von Hunden. Objektiv<br />
gesehen ist dies jedoch nicht « schockierender » als<br />
das, was wir von Paris oder von vielen anderen Städten<br />
in Frankreich und auf der ganzen Welt leider seit vielen<br />
Jahren gewöhnt sind. Es stimmt, dass sich die Stadt nicht<br />
gerade als « tadellos sauber » rühmen kann, doch sie deswegen<br />
gleich generell als « schmutzig » zu verunglimpfen,<br />
scheint uns nicht richtig. Jeder Tourist, der bereits über<br />
den Globus gereist ist, wird das bestätigen. Denn wo auf<br />
der Welt findet man in dieser Hinsicht schon den Idealzustand?<br />
Abgesehen vielleicht von Tokio, wo es den<br />
Menschen nicht im Traum einfallen würde, ein Stück<br />
Papier auf den Boden fallen zu lassen. Öffentliche Abfalleimer<br />
sind dort sogar so gut wie verschwunden, da<br />
man sie schlichtweg nicht mehr benötigt! Es ist jedoch<br />
kein Geheimnis, dass der Bürgersinn der Pariser in Bezug<br />
auf Sauberkeit von dem der Tokioter weit entfernt<br />
ist.<br />
Gewiss, dieses oder jenes Foto, das solche Missstände<br />
in Großaufnahme zeigt und sofort auf Twitter oder Facebook<br />
veröffentlicht wird, kann zu Recht beunruhigen.<br />
Solche Bilder legen den Finger in die Wunde, indem sie<br />
auf ein Problem, auf das nicht funktionierende Reinigungssystem<br />
hinweisen. Sollen solche Fotos aber deswegen<br />
mithilfe der sozialen Netzwerke als politische Waffe<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 79
FRANKREICH HEUTE Städteplanung<br />
genutzt werden? In Städten wie Bordeaux gibt es im Übrigen<br />
für solche Fälle eine Applikation, über die man der<br />
Stadtverwaltung ein Foto übermitteln kann, wenn man<br />
auf ein Problem gestoßen ist, das eine Intervention erfordert.<br />
Die Praxis zeigt, dass es effizienter ist, derartige Informationen<br />
über eine solche App direkt an die richtige<br />
Stelle zu leiten – anstatt sie über die sozialen Netzwerke<br />
zu verbreiten –, und das System<br />
scheint die Menschen zufriedenzustellen.<br />
Man sagt sich, dass so<br />
etwas in Paris ebenfalls sinnvoll<br />
wäre, zumal es bei vielen der<br />
über Twitter und Co. verbreiteten<br />
Bilder besser wäre, sie in ihrem<br />
Kontext zu sehen. Bei einem<br />
Rundgang durch die Straßen der<br />
Hauptstadt wird zudem klar, dass<br />
es weniger um Veränderungen im<br />
Bereich der Sauberkeit – die Gegner<br />
von Anne Hidalgo würden<br />
selbstverständlich von Unsauberkeit<br />
sprechen – geht, als um eine<br />
ganz andere Entwicklung. Es<br />
geht nämlich eher um « die generelle<br />
Ästhetik der Stadt », die in<br />
der Tat teilweise Fragen aufwirft<br />
und die von den Initiatoren von<br />
#SaccageParis im Übrigen ebenfalls<br />
angeprangert wird.<br />
Kontroverse um Gestaltung<br />
und Stadtmobiliar<br />
Spaziert man heute – vielleicht<br />
sogar nach mehrjähriger<br />
Abwesenheit – durch Paris, so<br />
wird man zweifellos einige Überraschungen<br />
erleben. Denn über<br />
einige Gestaltungselemente und<br />
manche Stadtmöbel, die hier und<br />
da in den Straßen stehen, kann<br />
man nur staunen: zum Beispiel<br />
über die einfachen Betonklötze,<br />
die – wie man sich mit einiger<br />
Fantasie ausmalen kann – wohl die<br />
liebenswerten « Davioud-Bänke »,<br />
die historischen grünen Bänke,<br />
die seit Jahrhunderten eines der<br />
Markenzeichen von Paris sind,<br />
ersetzen sollen, oder auch über die<br />
seltsamen Naturinoirs, die sogenannten « Solar-Pissoirs »,<br />
in denen der Urin gesammelt und als Dünger verwendet<br />
werden sollte. Letztere erschienen zwar auf dem Papier<br />
als gute Idee, in der Praxis erwiesen sie sich jedoch als<br />
untauglich. Sobald nämlich im Frühjahr die Blätter der<br />
Bäume austrieben, wurden die Solarzellen nicht mehr<br />
Bilder wie diese wurden von Parisern unter dem<br />
Hashtag #SaccageParis auf Twitter veröffentlicht.<br />
mit ausreichend Sonnenlicht versorgt, um die Pumpen<br />
zu betreiben, was die Naturinoirs großräumig in äußerst<br />
« unappetitliche » Orte verwandelt. Auch die Tatsache,<br />
dass die klassischen geschlossenen Abfalleimer durch ein<br />
System bestehend aus einem Metallring mit einem transparenten<br />
Plastiksack ersetzt wurden, erweckt einen unschönen<br />
Eindruck. Ausgelöst wurde dies durch die Pariser<br />
Attentate, insofern ist es nachvollziehbar.<br />
Und offensichtlich hat<br />
man nicht die Absicht, die neuen<br />
Abfallbehälter, die nun im ganzen<br />
Stadtgebiet « herumbaumeln »,<br />
wieder durch die ursprüngliche<br />
Ausführung zu ersetzen. So wird<br />
sich das Auge nach und nach an<br />
dieses objektiv gesehen hässliche<br />
und störende Element gewöhnen<br />
müssen …<br />
Eine alte Diskussion:<br />
zwischen Tradition<br />
und Wagemut<br />
Es ist gut bekannt, dass Ästhetik<br />
in Paris ein äußerst sensibles<br />
Thema ist und dass bei den<br />
geringsten Veränderungen im<br />
öffentlichen Raum, sei es, was das<br />
Stadtmobiliar oder die Gepflogenheiten<br />
der Müllbeseitigung<br />
angeht, umgehend kritische Stimmen<br />
laut werden. Das weiß das<br />
Team um Anne Hidalgo nur zu<br />
gut, und es muss heute deswegen<br />
einiges ausbaden. Um den guten<br />
Willen für eine « Verschönerung<br />
von Paris » unter Beweis zu stellen,<br />
beschäftigte sich auf Initiative von<br />
Emmanuel Grégoire, seines Zeichens<br />
erster stellvertretender Bürgermeister<br />
von Paris und unter anderem<br />
für die Städteplanung verantwortlich,<br />
das Pariser Zentrum<br />
für Architektur und Städtebau<br />
Pavillon de l’Arsenal mit der Frage,<br />
was genau zur Verschönerung der<br />
Stadt beiträgt. Vor Kurzem fand<br />
dazu eine Ausstellung mit dem<br />
Titel La Beauté d’une Ville statt.<br />
Der Zustrom von knapp 150 000<br />
Besuchern zeigt, wie groß das Interesse der Pariser an der<br />
Thematik ist. Bei dieser Gelegenheit wurde gleichzeitig<br />
ein mit 580 Seiten sehr umfangreicher und zudem ungewöhnlicher<br />
Ausstellungskatalog publiziert: Darin sind<br />
rund 50 Texte von Historikern, Architekten, Städteplanern,<br />
Landschaftsarchitekten, Soziologen und Philoso-<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
phen zusammengefasst, die sich alle mit der Frage befassen,<br />
was der Begriff « Schönheit » im Zusammenhang mit<br />
einer Stadt bedeutet. Diese Publikation ist geradezu eine<br />
Aufforderung zum Ideenaustausch. Es ist jedoch nicht<br />
sicher, dass es damit gelingt, eine Einigung zwischen Anhängern<br />
und Gegnern von Anne Hidalgo herbeizuführen.<br />
Leider ist es eine Tatsache, dass nur wenige Pariser letzten<br />
Endes das ausgesprochen interessante Werk gelesen haben.<br />
Das ist schade. Würde es doch dazu beitragen, die<br />
derzeitige polemische Debatte in einen weiter gefassten<br />
historischen Kontext zu stellen. Die Geschichte von Paris<br />
war schon immer von einem Balanceakt zwischen dem<br />
Erhalt von Kulturerbe auf der einen und dem Trend zu<br />
mehr Modernität auf der anderen Seite geprägt. Genauer<br />
gesagt, zwischen « Tradition und Wagemut », wie die Pariser<br />
Bürgermeisterin zu Recht in der Einführung des genannten<br />
Werkes schreibt. Niemand kann heute abstreiten,<br />
dass es bereits in der Vergangenheit in Paris zahlreiche<br />
Auseinandersetzungen um Ästhetik gab. Ob Eiffelturm,<br />
Centre Pompidou, Strawinsky-Brunnen, Buren-Säulen,<br />
Louvre-Pyramide oder Cité des Sciences et de l’Industrie:<br />
Alle herausragenden städtebaulichen Veränderungen wurden<br />
zu ihrer Zeit zunächst verunglimpft. Die « feindliche<br />
Einstellung » Veränderungen gegenüber ist also nichts<br />
Neues. So empörte sich bereits Victor Hugo (1802-1885)<br />
im Jahr 1882 in seiner sehr politischen Schmähschrift<br />
Guerre aux démolisseurs über das neue Stadtbild, welches<br />
der Präfekt Haussmann (1809-1891) entwickelte: « In<br />
Paris ist Vandalismus der Architekt. Von dem Wenigen,<br />
das uns noch vom herrlichen alten Paris geblieben ist, zerstört<br />
man jeden Tag ein bisschen mehr. » Wie viele andere<br />
prangerte Hugo vor allem eine zu nüchterne Vorstellung<br />
von Urbanismus an, die darauf abziele, « breite, geradlinige<br />
und monotone Straßen » zu kreieren. Es ging also<br />
um den berühmten Haussmann‘schen Stil, für den Paris<br />
seitdem in der ganzen Welt bekannt ist und der den Stolz<br />
der Stadt ausmacht.<br />
Eine rein politische Wende<br />
Die Schwierigkeit der Politiker, « Paris zu verwandeln<br />
», ist folglich nicht neu. Die Tatsache, dass sich die<br />
französische Hauptstadt im Laufe der Jahrhunderte zur<br />
meistbesuchten Stadt der Welt entwickelte (29 Millionen<br />
Touristen im Jahr 2019, also vor der Coronaviruspandemie)<br />
macht die Dinge nicht einfacher, das ist sicher.<br />
Viele betrachten Paris inzwischen als ein urbanistisches<br />
« Werk », das man auf keinen Fall verändern darf, selbst<br />
wenn dahinter der Wille zur Verbesserung steht. Dabei<br />
riskiert man, dass sich Paris im Laufe der Zeit in eine<br />
Museumsstadt verwandelt. Genau das wollen Anne Hidalgo<br />
und ihr Team vermeiden. Ihrer Ansicht nach muss<br />
sich die Stadt zwangsläufig anpassen, sei es an äußere<br />
Zwänge oder auch an den Klimawandel. Und dafür muss<br />
sie sich weiterentwickeln: Die Reduzierung des Autoverkehrs,<br />
die Bevorzugung einer umweltverträglichen<br />
Mobilität (zu Fuß, mit dem Fahrrad), die Schaffung<br />
eines Radwegenetzes nach dem Vorbild der nordeuropäischen<br />
Länder sind nur einige Punkte, in denen man<br />
Handlungsbedarf sieht. Solche politischen Entscheidungen<br />
sind mit Veränderungen verbunden, welche die Gewohnheiten<br />
der Pariser und die Ästhetik der Stadt « stören<br />
». Dass dies politisch riskant ist, weiß Anne Hidalgo<br />
nur zu gut. Die 2014 erstmals und 2020 wiedergewählte<br />
Bürgermeisterin weicht jedoch von dieser Richtschnur<br />
nicht ab und hat vor, den Wandel weiter voranzutreiben.<br />
Mit diesem Führungsstil eckt sie bei einem Teil der Pariser<br />
an, die sich dann der sozialen Netzwerke bedienen,<br />
um Missstände anzuprangern. Das Ergebnis: Es sieht<br />
alles danach aus, als ob es in den derzeitigen Diskussionen<br />
nicht mehr darum geht, ob Paris eine « schöne » oder<br />
eine « verwüstete » Stadt ist, sondern um pro oder contra<br />
Anne Hidalgo. Wie so oft in Frankreich, hat die Debatte<br />
eine rein politische Wende genommen. Und das ist sehr<br />
bedauerlich …<br />
Französisch lernen am Puls der Zeit<br />
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B1–C2<br />
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P RAC É ST IUA DELN IT IÉ<br />
E L E 202 ACTUALITÉ<br />
• Belgique-France, • Nouvelle-Calédonie je t’aime, :<br />
moi courte non • Nouvelle-Calédonie plus victoire du non à :<br />
Page l’indépendance<br />
courte 2 victoire du non à<br />
Page<br />
l’indépendance<br />
3<br />
Page 3<br />
AC T UA L I T É<br />
• Cette jeunesse corse<br />
entre • Protection angoisse des identitaire oiseaux et : en<br />
tentations France, • Protection la radicales chasse des à oiseaux la glu a du : en<br />
age plomb France, 3 dans la l’aile chasse à la glu a du<br />
ENVIRONNEMENT<br />
ENVIRONNEMENT<br />
| Photo : Getty Images<br />
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Artikel aus führenden französischsprachigen Zeitungen und unserer Redaktion<br />
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VU DE MONTRÉAL<br />
En Tunisie, la pénurie<br />
La Citroën Ami est<br />
La Citroën Ami est<br />
• N o 5 | 6 9 º A n n é e •<br />
• N o 1 1 | 6 7 º A n n é e •<br />
• N o 1 1 | 6 7 º A n n é e •<br />
L’obélisque de la Concorde<br />
Juliette Gréco, icône de<br />
Juliette Gréco, icône de<br />
de blé causée par la guerre en Ukraine s’offre une nouvelle jeunesse. Pour la<br />
risque une d’entraîner mini-urbaine une flambée électrique des à deux première la chanson fois depuis française, 60 ans, nous le plus a quittés<br />
prix et places. fait une craindre mini-urbaine Pratique de et nouvelles moderne, électrique elle à deux peut ancien à 93 la monument ans. chanson Muse française, de Paris la rive fait nous gauche, l’objet a quittés elle<br />
« émeutes être places. conduite pain Pratique ». sans permis et moderne, et se loue elle peut à d’un fut, grand à 93 dans ans. chantier le Paris Muse de d’après-guerre, de rénovation.<br />
la rive gauche, la elle<br />
moins être de conduite 20 € par sans mois. permis et se loue à reine fut, de dans Saint-Germain-des-Prés.<br />
le Paris d’après-guerre, la<br />
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20<br />
page<br />
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mois.<br />
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reine de Saint-Germain-des-Prés.<br />
en page 8<br />
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Lire l’article en pages 10 et 11<br />
Lire l’article en page 5<br />
Lire l’article en pages 10 et 11<br />
Une élection européenne<br />
les thèmes les plus importants<br />
d’un les écrivain thèmes les capital plus ». importants Michel<br />
Houellebecq d’un écrivain assure capital que ». ce Michel sera<br />
le Houellebecq dernier « Interventions assure que » : ce « Je sera<br />
ne le promets dernier pas « Interventions absolument » : de « Je<br />
péens cesser ne envers promets de penser, les Ukrainiens, pas mais absolument au aide moins de<br />
matérielle de cesser et de de militaire, penser, communiquer mais sanctions au mes moins<br />
économiques.<br />
pensées de cesser et mes de communiquer opinions au public,<br />
Mais pensées hors au-delà, cas et mes d’urgence à moyen opinions morale et au à<br />
mes<br />
3 pu-<br />
| Photo : Picture Alliance<br />
| Photo : Getty Images<br />
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| Photo : Picture Alliance
ART DE VIVRE Weintourismus / Centre-Val de Loire / Loir-et-Cher<br />
Monmousseau<br />
Wenn Loire-Schlösser<br />
Weinkeller illuminieren<br />
Im Herzen des Loire-Tals, nur wenige Minuten von Schloss Chenonceau<br />
entfernt, liegt eine regelrechte lokale Institution: die Keller von Maison<br />
Monmousseau in Montrichard (Loir-et-Cher). Seit 1886 werden dort stille<br />
Weine, vor allem aber die Spezialität des Hauses, Schaumweine nach der<br />
Méthode traditionnelle, hergestellt. Die Weinkeller befinden sich in beeindruckenden<br />
Stollen, die in den für die Gegend typischen Kalkstein – den sogenannten<br />
Tuffstein – gehauen sind. Seit einigen Jahren ist dies für Besucher<br />
die Kulisse für ein ganz unerwartetes Erlebnis: Die langen Gänge werden<br />
durch eine einfache, aber wirkungsvolle Technik illuminiert, und die gelungene<br />
Inszenierung ist gleichzeitig eine Hommage an die Schlösser der<br />
Loire, die zum Teil mit dem an diesem Ort abgebauten Stein errichtet wurden.<br />
Eine schöne Art, die Region und ihre Weine zu entdecken!<br />
82 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · <strong>83</strong>
ART DE VIVRE Weintourismus / Centre-Val de Loire / Loir-et-Cher<br />
Die einfachsten Ideen sind manchmal die besten.<br />
Dieser Gedanke schießt dem Besucher im Weinkeller<br />
von Monmousseau unweigerlich durch den<br />
Kopf. Das vor allem für seine Schaumweine bekannte Maison<br />
de vins ist eines der ältesten und renommiertesten der<br />
Gegend, daher könnte man annehmen, dass es für die Animation<br />
der Kellerbesichtigung in raffinierte technische Installation<br />
investiert, in hochtechnologische Projektoren, in<br />
Licht- und Laseranlagen, wie sie heute immer wieder für<br />
diverse Spektakel genutzt werden. Ganz nach dem Vorbild<br />
anderer bedeutender Weinerzeuger, die im Weintourismus<br />
eine Möglichkeit sehen, neue Einkommensquellen zu generieren<br />
und daher Besichtigungsangebote organisieren, in<br />
deren Rahmen ultramoderne Technologien zum Einsatz<br />
kommen.<br />
In den Kellern von Monmousseau ist von solchen<br />
« Hightech-Spielereien » jedoch nichts zu sehen. Ganz<br />
im Gegenteil. Wenn die 750 Meter der unterirdischen<br />
Stollen, welche für die Besucher zugänglich sind (von<br />
insgesamt 15 Kilometern!), mit ihrer Lichtanimation verzaubern,<br />
dann liegt das an einer Technik, die so simpel<br />
ist, dass man kaum darauf kommt: Das Spektakel wird<br />
nämlich mit dem guten alten Tageslichtprojektor erzeugt!<br />
Ein Gerät, bei dem viele von uns sofort an die Schule denken,<br />
an die Zeit, als die Lehrer mit einem Filzstift etwas<br />
auf eine transparente Folie schrieben, das zeitgleich auf<br />
eine weiße Leinwand projiziert wurde. Ein Gerät, das wir<br />
in einer Zeit, in der digitale Geräte in den unterschiedlichsten<br />
Ausführungen präsent sind und der Begriff « virtuelle<br />
Realität » in aller Munde ist, schlicht und einfach<br />
vergessen haben. Nicht so jedoch in Montrichard. Denn<br />
die Verantwortlichen von Monmousseau beschlossen vor<br />
einigen Jahren, den Tageslichtprojektor wieder aus der<br />
Versenkung zu holen und als zentrales – und günstiges! –<br />
Element für eine ganz besondere Inszenierung zu nutzen.<br />
Nachdem das technische Mittel für die Projektionen<br />
gefunden war, hatten sie einen weiteren genialen Einfall:<br />
Anstatt nämlich an den Mauern weiße Leinwände zu<br />
84 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Beim Besuch kann man sich nicht nur von den Illuminationen<br />
in Bann ziehen lassen, sondern man erfährt auch einiges<br />
über das Verfahren zur Herstellung von Schaumwein. Am<br />
Ende gibt es die Möglichkeit, die Weine zu verkosten.<br />
installieren, wird das Licht direkt auf den unebenen Stein<br />
projiziert, der dadurch « ins beste Licht gerückt wird ».<br />
So erkennt der Besucher beispielsweise, dass es in dem<br />
Sedimentgestein zahlreiche Einschlüsse von Muscheln<br />
gibt. Sie zeugen von der langen Vergangenheit dieses in<br />
der Region so berühmten Materials, von einer Zeit, in<br />
der die Gegend noch zum großen Teil von Meerwasser<br />
bedeckt war. Das aufmerksame Auge erfasst während des<br />
Rundgangs an den Wänden hier und da aber noch andere<br />
berührende Zeugnisse der Vergangenheit: Spuren, welche<br />
die Werkzeuge hinterlassen haben, mit denen der für den<br />
86 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Bau von Schlössern und Häusern in der Umgebung so<br />
wertvolle Stein herausgehauen wurde. Tiefe und weniger<br />
tiefe, regelmäßige und unregelmäßige Spuren erinnern an<br />
die harten Arbeitsbedingungen in diesem riesigen unterirdischen<br />
Steinbruch, wo man Pferde nutzte, um die schweren<br />
Brocken bis zu Flachbodenkähnen zu transportieren,<br />
die am nahe gelegenen Zufluss der Loire, am Fluss Cher,<br />
lagen.<br />
Dass die Besichtigung der Weinkeller von Monmousseau<br />
ein sehr ergreifendes Ereignis ist, liegt aber nicht nur<br />
daran, dass für die Projektionen eine so eigenständige und<br />
einfache Technik eingesetzt wird. Den Verantwortlichen<br />
für diese Inszenierung war klar, dass die projizierten Bilder<br />
ebenfalls eine große Bedeutung haben. Sie wandten<br />
sich für die Realisierung der « transparenten Folien », die<br />
via Overheadprojektor an die Wände geworfen werden, an<br />
zwei Künstler aus Toulouse: Nathalie Dahon und Reno<br />
Menat. Diese nutzten eine Maltechnik, die aus der Glasmalerei<br />
stammt. Jedes der acht projizierten Werke würdigt<br />
eines der Loire-Schlösser. Alle Kunstwerke wurden vor<br />
Ort gestaltet, um die Merkmale und Unregelmäßigkeiten<br />
des Untergrunds, auf dem sie abgebildet werden, optimal<br />
einzubeziehen. Die auf die Folie gemalten « klassischen »<br />
Bilder, nehmen durch die Projektion auf den Tuffstein Dimensionen<br />
von mehreren Metern ein. Das Ergebnis, das<br />
durch eine ebenfalls eigens für diesen Zweck komponierte<br />
Musik auf subtile Art ergänzt wird, ist nicht nur verblüffend,<br />
sondern vor allem wunderschön und berührend.<br />
Auf diese Weise gelang es dem Maison Monmousseau,<br />
mit geringem Aufwand einen Teil der Stollen nicht nur in<br />
eine schöne Kunstgalerie zu verwandeln, sondern in einen<br />
intelligent gestalteten Ort, der auf besondere Art Wissen<br />
über das regionale Kulturerbe, seine Geschichte und die<br />
Weine der Loire vermittelt. Obwohl hier 2,5 bis 3 Millionen<br />
Flaschen mit wertvollem Inhalt lagern, sind nicht sie<br />
es, die bei der Besichtigung des Weinkellers im Vordergrund<br />
stehen, denn die Projektionen würdigen ein ganzes<br />
Themenspektrum. Ein komplexes Universum, in dem sich<br />
Geschichte, Geologie, Terroir, Rebsorten, Frauen und<br />
Männer mischen … Kurz: Alles, was für die Erzeugung<br />
eines guten Weins notwendig ist. Und es ist schön zu sehen,<br />
wie man mit einfachen und bescheidenen Mitteln so<br />
vielschichtige Zusammenhänge vermitteln kann.<br />
Les Caves Monmousseau<br />
71, rue de Vierzon<br />
41400 Montrichard<br />
Telefon: +33 (0)2 54 32 35 15<br />
www.monmousseau.com<br />
Geöffnet täglich von 10.00 bis 12.30 Uhr und von 14.00 bis<br />
18.30 Uhr.<br />
Besichtigung 5 €, Kinder unter 14 Jahren haben freien<br />
Eintritt.<br />
Führungen ab zwei Personen auf Reservierung<br />
www.laroutedesvinsdeloire.fr<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 87
Haben Sie eine Ausgabe verpasst?<br />
Stöbern Sie in den Themen der noch erhältlichen Ausgaben!<br />
8<br />
9<br />
7<br />
12<br />
Reisethemen,<br />
nach Regionen<br />
geordnet:<br />
Landesweite Themen<br />
6<br />
11<br />
1 2<br />
3<br />
10<br />
13<br />
5<br />
14<br />
16<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Natur – Die schönsten Bäume 82<br />
Frankreichs<br />
Winterliche Illuminationen – 81<br />
Der Faszinierende Zauber der<br />
Lichterstädte<br />
Freizeitparks: Familienerlebnisse 79<br />
in Frankreich<br />
Radtourismus – von der Bretagne 77<br />
bis an die belgische Grenze<br />
Die schönsten Küstenwege 67<br />
Fahrradrouten – Die schönsten 59<br />
Strecken entlang der Küsten<br />
Weihnachtsmärkte – Wo geht es 57<br />
noch authentisch zu?<br />
Winterurlaub – Romantische<br />
Skistationen anstatt Bettenburgen 57<br />
Wellness in den Bergen – Nach 43<br />
dem Sport die Erholung<br />
10 Ideen… – …für Ferien am Meer 40<br />
1 Paris <strong>Nr</strong>.<br />
Delacroix in Saint-Sulpice – Das 76<br />
Werk eines ganzen Lebens<br />
Städteplanung – Champs-<br />
75<br />
Élysées: eine Aufforderung zum<br />
Träumen?<br />
Coup de cœur – Die<br />
65<br />
Straßenbuchhändler an den<br />
Seine-Quais in Paris<br />
Saint-Germain-des-Prés: Mehr 60<br />
als ein Viertel, die Seele von Paris?<br />
Le Train Bleu – Ist das legendäre 58<br />
Restaurant noch immer einen<br />
Besuch wert ?<br />
Musée d‘Histoire de la Médecine 57<br />
– ein ungewöhnliches Museum im<br />
Herzen der Hauptstadt<br />
Le Bon Marché – Eine Pariser 41<br />
Institution feiert ihren 160.<br />
Geburtstag<br />
Hôtel des Invalides – Ein kleines 38<br />
Militär-Versailles mitten in Paris<br />
Avenue des Champs-Elysées 36<br />
– Wie steht es um den Glanz des<br />
Prachtboulevards?<br />
HOTELS<br />
La Lanterne – Paris 76<br />
Le Narcisse Blanc – Paris 62<br />
4<br />
15<br />
17<br />
18<br />
2 Pariser Umland <strong>Nr</strong>.<br />
Ecouen – Ein Museum für die 50<br />
Renaissance<br />
HOTELS<br />
Hôtel Paradiso – Paris 79<br />
3 Norden & Champagne <strong>Nr</strong>.<br />
Hauts-de-France / Grand-Est 81<br />
/ Belgien – Gärten des Friedens,<br />
zwischen Erinnerung und Blick in<br />
die Zukunft<br />
Hauts-de-France / Pas-de-Calais 80<br />
– Boulogne-sur-Mer: Jeder hat das<br />
Recht auf etwas schönes !<br />
Hauts-de-France –<br />
79<br />
Hortillonnages von Amiens:<br />
von einer Verrückten Idee zum<br />
jährlichen Ereignis<br />
Hauts-de-France – Compiègne: 78<br />
musikalische Waldbäder und ein<br />
Einhorn<br />
Hauts-de-France – La Coupole: 77<br />
von der Vergangenheit in die<br />
Zukunft<br />
Hauts-de-France – Familistère de 64<br />
Guise,von «Versailles für Arbeiter»<br />
zum bewohnten Museum<br />
Baie de Somme – Eine<br />
63<br />
beeindruckende Reise (Teil 2):<br />
Le parc du Marquenterre<br />
Baie de Somme – Eine<br />
62<br />
beeindruckende Reise (Teil 1): die<br />
Abbaye de Saint-Riquier<br />
Nordfrankreich – Auf den Spuren 59<br />
eines großen französischen<br />
Architekten<br />
Marais Audomarois – Ein<br />
58<br />
Sumpfgebiet für Kenner<br />
Pays de Condé – Eine<br />
43<br />
Bergbaugegend erfindet sich neu<br />
Marne – In der Heimat des<br />
40<br />
Champagners<br />
10 Ideen… für Nord-Pas-de-Calais 38<br />
Arras & Douai – Riesen für den 36<br />
Kleinen<br />
HOTELS<br />
Le Domaine de la Chartreuse – 57<br />
Gosnay<br />
Pasino – Saint-Amand-les-Eaux 43<br />
4 Elsass & Lothringen <strong>Nr</strong>.<br />
Elsass / Bas-Rhin – Baumwipfelpfad:<br />
ein ganz neue Art, das<br />
Elsass zu entdecken<br />
Elsass / Grand Est – Das<br />
Geheimnis des fehlenden Turms<br />
der Kathedrale von Straßburg<br />
Elsass / Grand Est – Mit dem<br />
Hausboot 100% elektrisch durchs<br />
Elsass<br />
Meuse – Wandern mal anders – Die<br />
Begegnung von zeitgenössischer<br />
Kunst und ländlichem Raum<br />
Elsass – Kaysersberg,eines der<br />
Lieblingsdörfer der Franzosen<br />
Vogesen – Eine Fotoausstellung<br />
unter freiem Himmel im Herzen<br />
der Vogesen<br />
Grand-Est – Mondial Air Ballons,<br />
der poetische Aufstieg von 456<br />
Heißluftballons<br />
Grand-Est – Graufthal,das Elsass<br />
zur Zeit der Streichhölzer<br />
Kirrwiller – 520 Einwohner<br />
und die drittgrößte Music Hall<br />
Frankreichs<br />
80<br />
76<br />
74<br />
70<br />
69<br />
68<br />
65<br />
64<br />
62<br />
Weihnachtskugeln aus<br />
61<br />
Meisenthal – nicht nur Kugeln,<br />
sondern Objekte voller Sinn<br />
Château de Lunéville – Wie 52<br />
Phoenix aus der Asche<br />
Musée Lalique – Eine Hommage 43<br />
an die Glasmacherkunst<br />
10 Ideen… für ein Wochenende 41<br />
im Elsass<br />
Haut-Koenigsbourg – Ein<br />
40<br />
wahrhaft deutsch-französisches<br />
Kulturerbe<br />
Bitche – Das zweite Leben einer 38<br />
Zitadelle<br />
Neufchef & Aumetz – Das stolze 36<br />
Erbe der lothringischen Kumpel<br />
HOTELS<br />
Le Chambard – Kaysersberg 69<br />
Grand Hôtel & Spa Gérardmer – 68<br />
Gérardmer<br />
La Cheneaudière – Colroy-la- 61<br />
Roche<br />
La Clairière Bio- & Spa-Hotel – 38<br />
La Petite-Pierre<br />
5 Burgund & Jura <strong>Nr</strong>.<br />
Territoire de Belfort – Land-Art:<br />
Saype, von Belfort in die weite<br />
Welt<br />
Saône-et-Loire – Ein "essbarer"<br />
Wald<br />
Aufbruchstimmung in den<br />
französischen Thermalbädern<br />
Kirschen – das rote Gold einer<br />
Region<br />
Burgund – Eine Rundfahrt zum<br />
Auftanken!<br />
Châteauneuf-en-Auxois: Die<br />
Verbindung von Kulturerbe,<br />
Modernität und Lebendigkeit<br />
«Unsere Vorfahren, die Gallier»:<br />
Eine Reise ins Land von Asterix<br />
Morvan – Eine Geschichte von<br />
Ammen und Pflegekindern<br />
Jura – Weihnachten im Jura: vom<br />
Rosenkranz zum Spielzeugland<br />
Haute-Saône – Notre-Damedu-Haut<br />
in Ronchamp: eine<br />
Rechenaufgabe für Le Corbusier<br />
Ostfrankreich – Vorreiter bei der<br />
Abschaffung der Sklaverei<br />
Jura – Salins-les-Bains: Salz,<br />
das weiße Gold prägt eine ganze<br />
Region<br />
Saône-et-Loire – Tournus, ein<br />
Zwischenstopp für Neugierige auf<br />
dem Weg in den Süden<br />
Côte d’Or – Vill’Art, das zweite<br />
Leben eines Steinbruchs<br />
Belfort – Die wiederentdeckte<br />
Genialität eines Künstlers<br />
Bourgogne-Franche-Comté –<br />
Alésia, Auf den Spuren der Gallier<br />
Route des Grands Crus – Die<br />
Champs-Elysées von Burgund<br />
Montbéliard – 30 Jahre<br />
Lumières de Noël<br />
Maison de Louis Pasteur – Ein<br />
Dorf im Fokus der Wissenschaft<br />
Peugeot-Museum – Mehr als ein<br />
Automobilmuseum<br />
HOTELS<br />
Château Sainte-Sabine – Sainte-<br />
Sabine<br />
Relais Bernard Loiseau –<br />
Seaulieu<br />
82<br />
78<br />
77<br />
76<br />
75<br />
74<br />
73<br />
71<br />
69<br />
69<br />
68<br />
67<br />
66<br />
66<br />
64<br />
63<br />
61<br />
61<br />
43<br />
39<br />
74<br />
71<br />
6 Loire-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Centre - Val de Loire – Die<br />
82<br />
Route de la Rose im Loiret: eine<br />
faszinierende Rundreise durch die<br />
duftende Welt der Rosen<br />
Pays de la Loire / Maine et Loire 81<br />
– Fontevraud, eine Abtei, die ihrer<br />
Zeit schon immer voraus war<br />
Pays de la Loire / Mayenne – 80<br />
Musée Robert Tatin: verwirrende<br />
Riesen und Wunderwerke<br />
Centre-Val-de Loire / Indre-et- 80<br />
Loir – Château de Chenonceau:<br />
florale Kunst im Schloss<br />
Pays de la Loire – Doué-en-Anjou: 78<br />
im Reich der Blumenkönigin<br />
Pays de la Loire – La Chartresur-le-Loir:<br />
das Dorf der<br />
77<br />
Antiquitätenhändler<br />
Centre - Val de Loire – Chaumontsur-Loire:<br />
die positive Dynamik<br />
76<br />
der Gärten<br />
Pays de la Loire – Saint-Florentle-Vieil:<br />
Die kulturelle Revanche<br />
74<br />
eines kleinen Dorfes an der Loire<br />
Centre - Val de Loire – Richelieu: 73<br />
«das schönste Dorf des<br />
Universums!»<br />
Pays de la Loire – Die schöne 70<br />
Geschichte des größten<br />
japanischen Gartens Europas<br />
Loire-Tal – Eine faszinierende 68<br />
Reise ins Land der Troglodyten<br />
Mayenne – Mit dem Hausboot auf 66<br />
der Mayenne<br />
Chédigny – ein Dorf wird zum 65<br />
Garten<br />
La grange de Meslay: Von der 60<br />
Holzkathedrale zum Musiktempel<br />
Tours – Frischer Wind im Loiretal 59<br />
Chambord – Mehr als nur ein 58<br />
beeindruckendes Schloss<br />
Cheverny – Das Schloss von Tim 43<br />
und Struppi<br />
Ballonfahrt übers Loire-Tal – 38<br />
Bitte zeichne mir ein Schloss<br />
Blois – Ein Schloss der<br />
36<br />
Geheimnisse und Intrigen<br />
HOTELS<br />
7 Normandie <strong>Nr</strong>.<br />
Normandie – Biennale La Forêt 74<br />
Monumentale: Wenn Kunst den<br />
Wald verschönert<br />
Normandie – Villa «Les Rhumbs» 73<br />
in Granville: Wo für Christian Dior<br />
alles gegann<br />
Normandie – An Bord der Marité 71<br />
von Granville zu den Chausey-<br />
Inseln<br />
Le Havre – 500 Jahre, das will 62<br />
gefeiert werden !<br />
Genuss – Die AOC der Normandie 39<br />
HOTELS<br />
Domaine de la Corniche –<br />
36<br />
Rolleboise<br />
8 Bretagne <strong>Nr</strong>.<br />
Leuchtürme und Leuchtfeuer –<br />
im Westen etwas neues!<br />
Finistère – Eine Reise zu Pflanzen<br />
aus aller Welt<br />
Morbihan – Am Tag als… 26 August<br />
1934… die Kinder aus dem Bagno<br />
auf Belle-Île-en-Mer Flüchten<br />
77<br />
76<br />
76
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☐ Ausgabe <strong>Nr</strong>. 57<br />
☐ Ausgabe <strong>Nr</strong>. 58<br />
☐ Ausgabe <strong>Nr</strong>. 59<br />
☐ Ausgabe <strong>Nr</strong>. 60<br />
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☐ Ausgabe <strong>Nr</strong>. 82
Finistère – Pont-Aven:<br />
75<br />
inspirierende Bretagne!<br />
Pays bigouden: die Bretagne in 73<br />
konzentrierter Form<br />
Belle-île-en-Mer – Unsere Coups 70<br />
de cœur für die größte bretonische<br />
Insel<br />
Finistère – Locronan, die<br />
66<br />
bretonische Seele par excellence<br />
Côtes d’Armor – La Vallée des 63<br />
Saints, die bretonische Osterinsel<br />
Brest und Roscoff – Mehr als nur 62<br />
zwei Gärten<br />
Bretagne – Umfriedete<br />
61<br />
Pfarrbezirke<br />
Ile d’Ouessant – Eine Insel voller 58<br />
Leben<br />
Genuss – Die AOC der Bretagne 40<br />
Abbaye de Daoulas – Kloster der 39<br />
Kultur und der Heilpflanzen<br />
HOTELS<br />
Castel Clara – Port Goulphar, 70<br />
Belle-Île-en-Mer<br />
Château de Sable – Porspoder 58<br />
9 Atlantikküste <strong>Nr</strong>.<br />
Nouvelle-Aquitaine / Charente- 82<br />
Maritime – Pays de Maynac-près-<br />
Bordeaux: der erfinderische Bluff<br />
der Weinhändler<br />
Nouvelle-Aquitaine / Charente- 82<br />
Maritime – Brouage, die Zitadelle<br />
der geplatzten Träume<br />
Nouvelle-Aquitaine / Deux- 79<br />
Sèvres – Pougne-Hérisson: der<br />
Nabel der Welt<br />
Nouvelle-Aquitaine – Talmontsur-Gironde:<br />
zwischen Himmel<br />
75<br />
und Fluss am Ende der Welt<br />
Coup de cœur – Carrelets:<br />
74<br />
poetische Fischerhütten aus einer<br />
anderen Zeit<br />
Baskenland – Château d’Abbadia, 71<br />
eine Inspiration für den<br />
Wiederaufbau von Notre-Dame ?<br />
Atlantiküste – Ein Paradies für 67<br />
Naturismus<br />
Nouvelle-Aquitaine – Coup de 66<br />
cœur: Parc de Majolan<br />
Nouvelle-Aquitaine – Die<br />
64<br />
Metamorphose von Bordeaux,<br />
Eine Zwischenbilanz<br />
Coup de cœur – Die Eiche im 63<br />
Taubenschlag von Pouzay<br />
Bordeaux 60<br />
Bordeaux – Bordeaux 2.0 46<br />
Ile d’Oléron, Ile de Ré, Ile<br />
46<br />
Madame, Ile d’Aix, Fort Boyard –<br />
Reif für die Insel(n)<br />
Wein – Ein asiatischer Winzer im 46<br />
Bordelais<br />
Klöster – Abteien, die sogar 40<br />
Kinder begeistern<br />
Marais Poitevin – Die grünen 38<br />
Kanäle des Marais Poitevin<br />
Likör – Angélique de Niort, Likor 38<br />
aus einer Heilpflanze<br />
Gironde – Wie Vauban eine<br />
36<br />
Flussmündung abriegelte<br />
HOTELS<br />
Hôtel de Sèze – Bordeaux 64<br />
Hôtel Napoléon – Ile d’Aix 46<br />
10 Auvergne & Limousin <strong>Nr</strong>.<br />
Auvergne / Haute-Loire – Le 81<br />
Chambon-sur-Lignon, ein<br />
beispielhaftes Stück Frankreich<br />
Corrèze – Das Gefühl, in der 68<br />
Inkastadt Machu Micchu zu sein<br />
Nouvelle-Aquitaine – Les Pans 63<br />
de Travassac, eine Spektakuläre<br />
Reise in das Land des Schiefers<br />
Genuss – Die AOC der Auvergne 38<br />
HOTELS<br />
Domaine Saint Estève – Millau 53<br />
11 Périgord & Midi-<br />
Pyrénées<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Périgord – Château des Milandes 82<br />
"Mein Leben, das ist Joséphine!"<br />
Vallée de la Dordogne: Wo man 60<br />
« wie Gott in Frankreich lebt »<br />
Airbus-Fabrik – Zu Besuch bei 46<br />
Airbus in Toulouse<br />
Gouffre de Padirac – Der<br />
44<br />
Erdmitte ein Stückchen<br />
näherkommen<br />
Pastell – Das blaue Gold 43<br />
HOTELS<br />
Chateau de la Treyne – Lacave, 60<br />
Vallée de la Dordogne<br />
Grand Hôtel Le Turenne –<br />
47<br />
Beaulieu-sur-Dordogne<br />
12 Pyrenäen <strong>Nr</strong>.<br />
Le Train Jaune – Ein Zug als<br />
Wahrzeichen<br />
13 Languedoc-<br />
Roussillon<br />
45<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Weintourismus – Domaine<br />
81<br />
Riberach, es lebe die<br />
Entschleunigung!<br />
Hérault – Brassens & Sète, les 80<br />
Copains d'abord<br />
Aude – Die große Höhle von 65<br />
Cabrespine, ein unterirdisches<br />
Abenteuer<br />
Occitanie – Assignan,Das<br />
64<br />
unglaubliche Schicksal eines<br />
französischen Dorfes<br />
Sigean: das Reservat der<br />
60<br />
glücklichen Tiere<br />
Languedoc-Roussillon –<br />
59<br />
Überraschende Mittelmeerregion<br />
Carcassonne – Imponierende 57<br />
Festungsstadt des Mittelalters<br />
Côte Vermeille – Paulilles, wenn 57<br />
die Hölle zum Paradies wird<br />
Saint-Guilhem-le-Désert – Wenn 47<br />
ein Krieger zum Klosterbruder<br />
wird<br />
Stadtentwicklung – Montpellier, 47<br />
ein Synonym für Dynamik<br />
HOTELS<br />
Domaine Riberach - Bélesta 81<br />
14 Rhône-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Lyon – Rendezvous in der Rue du 64<br />
Premier-Film<br />
Drôme – Wandern auf den Spuren 62<br />
der Hugenotten<br />
Lyon – Die Metamorphose<br />
61<br />
eines Arbeiterviertels in ein<br />
Freilichtmuseum<br />
Lyon – Eine Stadt gewinnt ihre 59<br />
Flussufer zurück<br />
Montélimar & Umgebung – Eine 46<br />
Reise zwischen gestern und<br />
morgen<br />
Tradition – Guignol, kleine Helden 43<br />
aus Lyon<br />
Wein – Clairette de Die 42<br />
Grignan – Im Land der schönen 40<br />
Briefe: eine Reise nach Grignan<br />
Wein – Lirac, das « mediterranste » 40<br />
Weinanbaugebiet im Rhône-Tal<br />
Jardin Zen d’Erik Borja – Auf 39<br />
der Suche nach dem verlorenen<br />
Garten<br />
Gastronomie – Michel Chabran, 39<br />
der Luxus der Simplizität<br />
Genuss – L’O Provençale: Olivenöl 36<br />
aus Nyons<br />
HOTELS<br />
Manoir de la Roseraie – Grignan 40<br />
15 Alpen <strong>Nr</strong>.<br />
Alpen – La Grande Odyssée<br />
Savoie-Mont-Blanc – Blaue Augen,<br />
weißes Fell und Hundegebell<br />
Auvergne-Rhône-Alpes – La<br />
Grange au Lac: wie im inneren<br />
eines Cellos<br />
Auvergne-Rhône-Alpes: Evian:<br />
das Gedächtnis des Wassers<br />
81<br />
77<br />
71<br />
16 Provence <strong>Nr</strong>.<br />
Provence-Alpes-Côte d'Azur 79<br />
– Abbaye de Montmajour: eine<br />
Reise durch die Vergangenheit der<br />
Provence<br />
Provence-Alpes-Côte d'Azur 78<br />
– Crotte Cosquer: unglaublische<br />
Höhlenmalereien in den<br />
Calanques von Marseille<br />
Provence-Alpes-Côte d’Azur – 75<br />
Château La Coste: ein Hauch<br />
von Verrücktheit zwischen<br />
provenzalischen Reben<br />
Porquerolles – Villa Carmignac: 73<br />
Große Kunst auf einer kleinen Insel<br />
Provence – Coup de cœur: le 71<br />
Moulin de Daudet, Fontvieille<br />
Marseille – Eine fast<br />
70<br />
hundertjährige Liebeserklärung ist<br />
noch immer atuell<br />
Camargue – Tanzende Flamingos 69<br />
in der Camargue<br />
Provence – Lavendel: eine<br />
67<br />
überraschende deutschfranzösische<br />
Geschichte.<br />
Provence – Mit Giono auf dem 67<br />
Berg der Schäfer<br />
Alpes-de-Haute-Provence – 66<br />
Salagon, ein einzigartiger Ort, um<br />
die Hochprovence zu verstehen<br />
Fontaine-de-Vaucluse – Die 58<br />
berühmteste Quelle Frankreichs<br />
Umwelt – Lavendel der Provence 46<br />
in Gefahr<br />
10 Ideen… für die Provence 39<br />
HOTELS<br />
B Design & Spa – Le Paradou 39<br />
Attrap’Rêves – Allauch 33<br />
17 Côte d’Azur <strong>Nr</strong>.<br />
Côte d'Azur – Die Magie eines<br />
mimosengelben und azurblauen<br />
Winters<br />
Saint-Tropez – Gemälde versus<br />
Realität<br />
Île de Port-Cros: von<br />
Schriftstellern, Naturschutz und<br />
einer zerrissenen Hose<br />
Paul Ricard – zwei Inseln, ein<br />
Schicksal<br />
Iles de Lérins, jenseits des «roten<br />
Teppichs» von Cannes<br />
Provence-Alpes-Côte-d’Azur<br />
– Géoparc de Haute-Provence,<br />
eine erstaunliche Reise in die<br />
Vergangenheit der Erde<br />
Hyères – eine authentische Ecke<br />
am Mittelmeer<br />
Bormes-les-Mimosas – Wo<br />
Blumen wie Königinnen verehrt<br />
werden<br />
Ile de Port-Cros – Kleine<br />
Trauminsel im Mittelmeer<br />
Domaine du Rayol – Die<br />
Geschichte eines ungewöhnlichen<br />
Parks<br />
Nizza – Frühlingsgefühle einer<br />
Diva<br />
HOTELS<br />
La Bonne Etape – Château-<br />
Arnoux-Saint-Auban<br />
81<br />
81<br />
79<br />
75<br />
74<br />
65<br />
63<br />
39<br />
38<br />
36<br />
32<br />
65<br />
18 Korsika <strong>Nr</strong>.<br />
Genuss – Die AOC Korsikas 43<br />
Überseegebiete<br />
(DOM/TOM)<br />
Französisch-Guayana – Natur,<br />
Geschichte, Raumfahrt<br />
Weitere Themen<br />
Chantals Rezepte<br />
APPETITANREGER<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
37<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
SUPPEN<br />
Potage d'hiver au chou-fleur et 81<br />
aux épices<br />
Gaspacho de tomates et fraises 46<br />
Gaspacho de tomate 40<br />
Velouté de laitue 38<br />
VORSPEISEN<br />
Soufflé d'été au basilic 79<br />
SALATE<br />
Spinatsalat mit harten Eiern und 66<br />
knusprigen Hähnchenflügeln<br />
QUICHES & TARTES<br />
Tarte Tatin aux endives 80<br />
Tarte Tatin aux pommes et au 74<br />
camembert<br />
Tourte Printanière aux<br />
70<br />
champignons de Paris<br />
Tarte d’automne aux champignons 60<br />
et à la farine de châtaignes<br />
Quiche Lorraine 33<br />
GRATINS, AUFLÄUFE & TOASTS<br />
Camembert rôti au four 57<br />
FLEISCHGERICHTE<br />
Poulet fermier basse température 62<br />
à l’ail<br />
Rôti de porc aux pruneaux 59<br />
Coq au vin 43<br />
FISCHGERICHTE<br />
Poêlée de Saint-Jacques au cidre 73<br />
Encornets à la Sétoise 69<br />
Blanquette de saumon 65<br />
Millefeuille de crabe au saumon 63<br />
fumé<br />
Sole meunière 61<br />
FONDUES UND SAUCEN<br />
Die echte hausgemachte<br />
68<br />
Mayonnaise<br />
DESSERTS<br />
La crème catalane 78<br />
La tarte au chocolat 77<br />
Le Mont-blanc 76<br />
Le Gâteau basque 71<br />
Le Far Breton 64<br />
Profiteroles au chocolat chaud 58<br />
Crème brûlée à la fleur d’oranger 39<br />
GEBÄCK<br />
La Madeleine de Proust 82<br />
La Tarte Bourdaloue 67<br />
GETRÄNKE<br />
Liqueur d’estragon 36<br />
Weine & Alkoholika<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Weintourismus – Domaine<br />
81<br />
Riberach, es lebe die<br />
Entschleunigung!<br />
Spirituosen – Der Cointreau 79<br />
Wein – Château La Coste: ein 76<br />
Versuchslabor für den Weinau von<br />
morgen ?<br />
Spirituosen – Sapinette: ein Likör 74<br />
aus Tannennadeln<br />
Wein – Das Weinbaugebiet Bandol 73
Spirituosen – Roderich Dühr, ein<br />
Deutscher, der Cognac im Blut hat<br />
Wein/Portrait – Glucklich wie<br />
Sabine und Jörg in Frankreich<br />
Wein – Crémant, ein kleiner<br />
Schaumwein mausert sich<br />
Wein – Der elsässische Winzer<br />
Jean-Paul Schmitt ist seinen<br />
Reben näher denn je<br />
Alkoholische Getränke –<br />
Frankreich, das neue Eldorado für<br />
Bierliebhaber<br />
Wein – Der neue Trend beim<br />
Aperitif à la française<br />
Wein – Warum wird Wein nicht<br />
grundsätzlich im Holzfass<br />
gelagert?<br />
Champagner – Was Sie schon<br />
immer über Champagner wissen<br />
wollten<br />
Peter Kwok – Ein asiatischer<br />
Winzer im Bordelais<br />
Picon – « Un Picon-Bière, s’il vous<br />
plaît »<br />
Bier – Schattendasein oder<br />
Geheimtipp?<br />
Lirac – Das « mediterranste »<br />
Weinanbaugebiet im Rhône-Tal<br />
Wein & Gesundheit – Vive le vin!<br />
Vive la santé!<br />
Angélique de Niort – Likor aus<br />
einer Heilpflanze<br />
Cognac – Eine ungewöhnliche<br />
Erfolgsgeschichte<br />
Genuss<br />
65<br />
64<br />
63<br />
61<br />
60<br />
59<br />
58<br />
57<br />
46<br />
43<br />
40<br />
40<br />
39<br />
38<br />
36<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Gastronomie – Jacques Bockel: 77<br />
ein Elsässer «provoziert» die Welt<br />
der Schokolade<br />
Gastronomie – Champignons: 70<br />
Jacky Roulleau, der Gärtner der<br />
Nacht<br />
Genuss – Bouchot-Muscheln: 69<br />
der Rolls-Royce unter den<br />
französischen Muscheln<br />
Gastronomie – Das beste aller 66<br />
Baguettes<br />
Gastronomie – Kaviar von der 65<br />
französischen Atlantikküste,<br />
der neue Star<br />
Gilles Choukroun – Ein<br />
62<br />
Sternekoch, der die Pariser an den<br />
Flughafen zieht<br />
Gastronomie – Wenn ein junger 61<br />
Koch einen Michelin-Stern erhält<br />
Spitzengastronomie – Fabian 53<br />
Feldmann, ein deutscher<br />
Sternekoch im Land der<br />
Feinschmecker<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 46<br />
Burgunds<br />
Trüffel – Schwarze Diamanten 44<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 43<br />
Korsikas<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 40<br />
der Bretagne<br />
Gastronomie – Michel Chabran, 39<br />
der Luxus der Simplizität<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 39<br />
der Normandie<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 38<br />
der Auvergne<br />
L’O Provençale – Olivenöl aus 36<br />
Nyons<br />
Politik & Wirtschaft<br />
Landwirtschaft – Hurra, in<br />
Frankreich ist es gelungen, die<br />
begehrten weißen Trüffel zu<br />
züchten!<br />
Wirtschaft – Discounter: Wenn<br />
Deutschland Frankreich erobert<br />
Wirtschaft – Die Revision<br />
der Gebietsgrenzen der<br />
AOC Champagne: ein neuer<br />
Goldrausch?<br />
Politik – Sind die Regionen das<br />
Erfolgsrezept für den Tourismus ?<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
79<br />
78<br />
73<br />
70<br />
Wirtschaft – Frankreich-<br />
Deutschland: der Krieg der<br />
Gummibärchen ist erklärt!<br />
Initiative – Die deutschfranzösische<br />
Freundschaft: welch<br />
eine Energie!<br />
Politik – Präsidentschaftswahlen<br />
2017, Präsidiale Orte<br />
Wirtschaft – Atomkraft in<br />
Frankreich: der Niedergang eines<br />
Systems, das sich zu sicher fühlte<br />
Hochschulpolitik – Teaching in<br />
English? Oh mon Dieu!<br />
Umwelt – Lavendel der Provence<br />
in Gefahr<br />
Gregor Gysi – Der Linken-Politiker<br />
und Frankreich<br />
Medien – Die politische<br />
Ausrichtung französischer Medien<br />
Tourismus – Hauptsache<br />
außergewöhnlich<br />
Volksabstimmungen –<br />
Modethema im Wahlkampf<br />
Fünf Jahre Sarkozy – Zeit für eine<br />
Bilanz<br />
Umweltschutz –<br />
Kettensägenmassaker am<br />
Welterbe Canal du Midi<br />
Gesellschaft & Alltag<br />
Kulturerbe – Fotografieren im<br />
Auftrag des Staates: die Mission<br />
photographique hat nichts von<br />
ihrer Aktualität verloren<br />
Restaurierung – Notre-Dame de<br />
Paris: umstrittene Neugestaltung<br />
des Innenraums<br />
Am Tag als… 3 Juni 1895… "Die<br />
Bürger von Calais" eingeweiht<br />
wurden<br />
Geschichte – Auvergne / Haute-<br />
Loire Le Chambon-sur-Lignon, ein<br />
beispielhaftes Stück Frankreich<br />
Ce qui fait débat – Bordeaux:<br />
das Erwachen einer gar nicht so<br />
schlummernden Vergangenheit<br />
Geschichte – Sanary-sur-Mer:<br />
die "Hauptstadt der deutschen<br />
Literatur im Exil"<br />
Ce qui fait débat – Soll man<br />
die Basilika Sacré-cœur in Paris<br />
schützen oder abreißen ?<br />
Geschichte – 150 Jahre Pariser<br />
Kommune: ein zwiespältiger<br />
Geburtstag für die Franzosen<br />
Gesellschaft – "Wie ich als<br />
Buchhändlerin die aktuelle<br />
Gesundheitkrise in Frankreich<br />
erlebe"<br />
Am Tag als… der Leichnam des<br />
Unbekannten Soldaten am Arc de<br />
Triomphe bestattet wurde<br />
Gesellschaft – Wo ist eigentlich<br />
das gute französische Brot<br />
geblieben?<br />
Gesellschaft – Lotto: Glücksspiel<br />
in Frankreich zur Rettung des<br />
Kulturerbes<br />
Geschichte – Koch und Pasteur:<br />
eine konstruktive Rivalität als<br />
Hoffnungsträger<br />
Kulturschock – Die Königin von<br />
Arles<br />
Geschichte – Montaigne: Ist die<br />
«Grabgeschichte» bald gelöst?<br />
Gesellschaft – Literaturszene: das<br />
Ende eines zu langen Schweigens<br />
Geschichte – Heinz Stahlschmidt,<br />
der Deutsche, der den Hafen von<br />
Bordeaux rettete<br />
Gesellschaft – Demografie: mehr<br />
Franzosen, aber nicht überall …<br />
Gesellschaft – Der unglaubliche<br />
Streit im das Erbe von Saint-<br />
Exupéry<br />
Interview – Serie «Quand on aime<br />
la France» (2)<br />
René Martin, der französische<br />
Steve Jobs der Musik<br />
69<br />
65<br />
63<br />
59<br />
46<br />
46<br />
43<br />
40<br />
40<br />
39<br />
38<br />
36<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
82<br />
82<br />
81<br />
81<br />
80<br />
80<br />
79<br />
79<br />
79<br />
77<br />
76<br />
76<br />
75<br />
74<br />
74<br />
74<br />
71<br />
70<br />
69<br />
69<br />
Interview – Serie «Quand on aime<br />
la France»<br />
Roger Diederen, Direktor der<br />
Kunsthalle München<br />
Ernährung – Vorsicht vor<br />
triploiden Austern!<br />
Gesellschaft – Le Mondial la<br />
Marseillaise à pétanque, der<br />
größte Boule-Wettkampf der Welt<br />
Geschichte – Tromelin, Die Insel<br />
der vergessenen Sklaven<br />
Yacine Aït Kaci – Der Vater von<br />
Elyx, des Botschafters der guten<br />
Laune<br />
David Ken – Der Fotograf, der das<br />
Glück fotografiert<br />
Verkehr – Paris: das Tauziehen um<br />
die Umwandlung des Seine-Ufers<br />
in eine Fußgängerzone geht weiter<br />
Geschichte: Die Johnnies, die<br />
Lieblingsfranzosen der Engländer<br />
Frauen und Männer, die sich<br />
für die deutsch-französische<br />
Freundschaft einsetzen:<br />
Barbara Barberon-Zimmermann,<br />
Mitbegründerin des deutschfranzösischen<br />
Kulturfestivals<br />
arabesques<br />
Brexit: Wie denken Briten, die in<br />
Frankreich leben, darüber?<br />
Fußball – Euro 2016: 10 Stadien<br />
warten auf die Fussballfans<br />
Integration – die Schwächen des<br />
französischen Systems<br />
Erfolgsgeschichten aus<br />
Frankreich –<br />
Denis Mollat, der Buchhändler 2.0<br />
Geschichte – 300. Todestag<br />
von Ludwig XIV. in Versailles:<br />
Begräbnisrituale leben länger als<br />
Könige<br />
Gesellschaft – Hinter den<br />
Kulissen des CROSS Corsen.<br />
Erinnerungskultur – Passen<br />
Gedenken und Tourismus<br />
zusammen?<br />
EU-Hauptstadtjahre: 2013 –<br />
Nantes und Marseille werden<br />
europäische Hauptstädte<br />
Winterschlussverkauf – Der<br />
andere Wintersport<br />
Simone Hérault – Die Stimme<br />
Frankreichs<br />
Berühmtheiten – Die 100<br />
bekanntesten Franzosen<br />
Frankreichbild – Frankreichs<br />
Image in der Welt<br />
Académie Française – Die<br />
Unsterblichen, die 40 Wächter der<br />
französischen Sprache<br />
Der Präfekt – Lebendes Symbol<br />
des Zentralismus<br />
Tourismus – Trends für den<br />
Winterurlaub 2011/12<br />
Gardienne – Félisa, Gardienne<br />
in Paris<br />
Kunst & Kultur<br />
68<br />
67<br />
63<br />
63<br />
62<br />
62<br />
61<br />
60<br />
60<br />
60<br />
59<br />
58<br />
58<br />
57<br />
57<br />
52<br />
43<br />
43<br />
40<br />
39<br />
39<br />
39<br />
38<br />
36<br />
36<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Literatur – Michel Houellebecq: 82<br />
der Porträtist des Hexagons<br />
Kultur – Die andere Seite von 81<br />
Victor Hugo: der Zeichner<br />
Interview – "Der Doppelgänger": 81<br />
30 Jahre deutschsprachige<br />
Literatur in Frankreich<br />
Kultutrerbe – Der Wandteppich 80<br />
von Bayeux soll wieder in altem<br />
Glanz erstrahlen<br />
Kultur / Comic (5) – Interview: 79<br />
Richard Malka, Anwalt und<br />
Comicautor<br />
Ungewöhnliche Geschichten aus 78<br />
Frankreich –<br />
Alexandre Dumas: Wie der Vater,<br />
so der Sohn<br />
Kultur / Comic (4) – Cent mille 78<br />
ans: Bure ou le scandale enfoui des<br />
déchets nucléaires<br />
Portrait - Jean-Yves de Groote, 77<br />
Herausgeber von Ecoute<br />
Enthüllung –Das Geheimnis um<br />
Van Goghs letztes Bild gelüftet<br />
Preise – Tyll Peters: ein junger<br />
Deutscher erhält Preis von Charlie<br />
Hebdo<br />
Kultur / Comic (3/3) – Marco Rizzo<br />
und Lelio Bonaccorso – À bord de<br />
l’Aquarius<br />
Kultur / Comic (2/3) – Inès Léraud<br />
und Pierre Van Hove: Algues<br />
vertes, l’histoire interdite<br />
Kultur / Comic (1/3) – Nora<br />
Krug: Heimat, ein deutsches<br />
Familienalbum<br />
Kultur – Amüsante Geschichten<br />
rund um die französische<br />
Nationalhymne «La Marseillaise»<br />
Kultur – Festival de Piano de La<br />
Roque d’Anthéron<br />
Geschichte – Der Neandertaler:<br />
Unser Urahn erhält ein neues<br />
Image<br />
Portrait – Auf den Spuren von<br />
Jacques Prévert<br />
Sprache – Aussprache,<br />
Kartografie eines Systems à la<br />
française<br />
Kultur – 1977-2017: Centre<br />
Pompidou, 40 Jahre und immer<br />
noch überraschend<br />
Musik: Das unglaubliche<br />
Vermächtnis von Maurice Ravel<br />
Götz Alsmann – Götz Alsmann<br />
in Paris<br />
Museen – Frankreichs Museen auf<br />
der Überholspur<br />
ST-ART – Eine Kunstmesse<br />
zwischen den Welten<br />
Lebensart<br />
77<br />
76<br />
73<br />
72<br />
71<br />
68<br />
67<br />
67<br />
64<br />
64<br />
61<br />
60<br />
46<br />
45<br />
38<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Produkte – "Der<br />
82<br />
Geschichtenerzähler" Lunii<br />
Produkte – Chanel <strong>Nr</strong>.5: ein 81<br />
Mythos wird 100 Jahre alt<br />
Was ist aus Ihnen geworden ? 80<br />
Zurück an die Côte d'Or<br />
Produkte – Meteor: die größte der 80<br />
kleinen Brauereien Frankreichs<br />
Produkte – Briefkästen für<br />
79<br />
Frankreichliebhaber "Made in<br />
Alsace"<br />
Produkte – Parapluie de<br />
78<br />
Cherbourg<br />
Produkte – Die Künstlerfarben 77<br />
Lefranc Bourgeois<br />
Produkte – Das gelbe Oelzeug von 76<br />
Guy Cotten<br />
Produkte – La Hulotte, «das 74<br />
meistgelesene Magazin im<br />
Tierbau»<br />
Produkte – Les Herbes de<br />
71<br />
Provence<br />
Produkte – Das<br />
70<br />
Gemüsepassiergerät aus Edelstahl<br />
namens Moulinex<br />
Produkte – Le Livre de Poche: 69<br />
eine kulturelle Revolution<br />
Produkte – Châteldon:<br />
68<br />
der Champagner unter den<br />
französischen Mineralwässern<br />
Produkte – Revolution in Sachen 67<br />
Aperitif!<br />
Produkte – Les boules Quies 66<br />
Produkte – Die Zitronenpresse 65<br />
aus Glas von Luminarc<br />
Produkte – La Pléiade 64<br />
Produkte – Das Salz La Baleine 63<br />
Produkte – Das Papier d’Arménie 62<br />
Produkte – Der gelbe Briefkasten 61<br />
der Post<br />
Produkte – Der Bistrostuhl<br />
60<br />
« Drucker »: zeitlos und pariserisch<br />
Produkte – Bol à prénom 59<br />
Produkte – Eau de Javel 58<br />
Produkte – Sophie la girafe 57<br />
Guignol – Kleine Helden aus Lyon 43
ART DE VIVRE Rezept<br />
Wanderer wissen nur zu gut, dass die Heidelbeer-Tarte in einigen<br />
Bergregionen Frankreichs ein beliebtes Dessert ist. Ich persönlich<br />
mag die einfachste Version am liebsten, so, wie man sie normalerweise<br />
in den Vogesen bekommt. Dort wird sie auch Tarte aux<br />
brimbelles genannt, nach dem Namen, den man dem « schwarzen<br />
Gold » der Region, den wilden Heidelbeeren, gegeben hat. In<br />
den Vogesen werden Heidelbeeren in der Regel von Mitte Juni<br />
bis Mitte Juli geerntet, allerdings ist das Sammeln mittlerweile so<br />
beliebt, dass es inzwischen oftmals reglementiert ist. Doch das<br />
ist kein Problem, denn heutzutage erhält man im Handel frische<br />
Kulturheidelbeeren, mit denen man diese Tarte ebenso gut zubereiten<br />
kann. Ein Genuss für Groß und Klein! Bon appétit!<br />
Tarte aux<br />
myrtilles<br />
Für 6 Personen • Zubereitung: ca. 15 Minuten • Backzeit: ca. 45 Minuten<br />
92 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Zutaten:<br />
Mürbeteig:<br />
300 g Mehl<br />
150 g in Würfel geschnittene Butter<br />
½ TL Salz<br />
3-4 EL Zucker<br />
Etwas Wasser<br />
Belag:<br />
700 g frische Heidelbeeren<br />
150 g Löffelbiskuits<br />
120 g Zucker<br />
Zubereitung:<br />
• Für den Mürbeteig Mehl, Salz und<br />
Zucker in einer Schüssel mischen,<br />
Butter durch leichtes Kneten<br />
mit den Fingerspitzen schnell<br />
einarbeiten. Etwas Wasser (nicht<br />
zu viel!) zugeben und zu einem<br />
homogenen Teig verarbeiten.<br />
• Teig auswellen und eine gebutterte<br />
Tarteform damit auslegen. Teig<br />
mit einer Gabel einstechen und<br />
die Form für zehn Minuten in<br />
den Tiefkühlschrank stellen.<br />
• Währenddessen Löffelbiskuits<br />
grob zerbröseln. Sie nehmen den<br />
beim Backen entstehenden Saft<br />
der Heidelbeeren auf, sodass<br />
der Teig schön knusprig wird.<br />
Heidelbeeren mit dem Zucker in<br />
einer Schüssel mischen. Sobald<br />
der Teig aus dem Tiefkühlschrank<br />
kommt, zuerst die Brösel, dann die<br />
gezuckerten Beeren gleichmäßig<br />
auf dem Teigboden verteilen.<br />
• Im auf 180-200 Grad vorgeheizten<br />
Ofen 45 Minuten backen.<br />
• Auf einem Gitter auskühlen lassen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 93
ART DE VIVRE Produkt<br />
Serie: Typisch französische Produkte (33)<br />
Louit Frères<br />
Der besondere Senf im kleinen Fass<br />
Denkt man an Senf, fallen einem unweigerlich Burgund<br />
und die « Hauptstadt des Senfs » Dijon (Côte<br />
d‘Or) ein. Die Stadt kann sich zu Recht an die<br />
Fahnen heften, dieses Würzmittel in der ganzen Welt bekannt<br />
gemacht zu haben. Allerdings haben sich inzwischen<br />
internationale Konzerne der Rezeptur bemächtigt und<br />
produzieren und vermarkten skrupellos einen Senf, der –<br />
abgesehen vom Namen auf dem Etikett – nicht mehr viel<br />
mit dem Moutarde de Dijon zu tun hat. Das Versäumnis, die<br />
Herkunftsbezeichnung nicht rechtzeitig geschützt zu haben,<br />
rächt sich also, wie man in Dijon schmerzlich erfahren<br />
muss. Dennoch gibt es immer noch « echten Dijon-Senf »,<br />
denn einige Produzenten halten hartnäckig an der altüberlieferten<br />
Rezeptur fest. Vielleicht haben Sie unseren Artikel<br />
in der Ausgabe 72 von Frankreich erleben über das Familienunternehmen<br />
Fallot gelesen, das in der Nähe von<br />
Dijon seit 1840 einen außergewöhnlichen Senf produziert<br />
(Moutarde Fallot: ein Senf mit Tradition und einem einzigartigen<br />
Geschmack): mit lokalen Produkten und unter strikter<br />
Einhaltung des traditionellen Verfahrens. Und er verkauft<br />
sich gut, sogar sehr gut. Die Konsumenten schätzen den<br />
authentischen Senf, und das Unternehmen entwickelt sich<br />
nach wie vor sehr erfolgreich, wie wir seit unserem Besuch<br />
immer wieder feststellen konnten. Dank Herstellern wie<br />
Fallot kann sich der echte Senf aus Burgund also gegenüber<br />
industriell erzeugten Konkurrenzprodukten durchaus<br />
behaupten, daran wird sich wohl auch in der Zukunft nicht<br />
so schnell etwas ändern. Was französischen Senf angeht,<br />
gibt es allerdings noch ein anderes Produkt, das sie kennen<br />
sollten. Es handelt sich dabei um einen Senf, dessen Ursprung<br />
überraschenderweise nicht in Dijon, sondern in<br />
Bordeaux liegt. Auch wenn er heute von einem italienischen<br />
Unternehmen in Italien produziert wird, war er in<br />
Frankreich einst ausgesprochen geschätzt, bevor er allmählich<br />
aus den Regalen verschwand. Allerdings haben sich die<br />
Einstellungen und die kulinarischen Gewohnheiten im<br />
Hexagon in der letzten Zeit verändert, und das steigende<br />
Interesse für authentische Produkte lässt auch diesen « anderen<br />
französischen Senf » namens Louit Frères wieder « in<br />
Mode » kommen.<br />
Anhänger dieses rar gewordenen Produktes konnten<br />
sich diese Kehrtwendung gar nicht vorstellen, so kompliziert<br />
war es lange, Senf der Marke Louit Frères in Frankreich<br />
überhaupt zu bekommen. Dies gelang im Wesentlichen<br />
nur noch echten « Fans », die bereit waren, für das<br />
geliebte Würzmittel weite Strecken zu fahren. Der frische<br />
Wind, der dieser Marke jedoch seit einigen Monaten in<br />
Frankreich wieder Aufschwung verleiht, führt dazu,<br />
dass man die kleinen Gläser in der charakteristischen<br />
Form eines Holzfasses – das Markenzeichen von Louit<br />
Frères – erneut in immer mehr Lebensmittel- und Feinkostgeschäften<br />
erhält. Jedes dieser Gläser enthält exakt<br />
130 Gramm – auf keinen Fall mehr! – eines als hervorragend<br />
eingestuften Senfes, den es in sieben Sorten gibt<br />
(à l’ancienne Bio, Rôtisseur, Estragon, Diaphane, Dilora,<br />
Dijon und Poivre vert). Da man für das relativ kleine Glas<br />
immerhin den stolzen Preis von rund vier Euro bezahlt,<br />
handelt es sich dabei um ein « Premium-Produkt », eine<br />
Tatsache, zu der der Hersteller jedoch absolut steht. Das<br />
delikate Aroma des Senfes tendiert dazu, sich schnell zu<br />
verflüchtigen, sobald das Glas einmal geöffnet ist, sodass<br />
man sich bewusst auf die kleine Verpackungsgröße beschränkt.<br />
Doch nicht nur Verpackung, Geschmack und<br />
Preis machen die Originalität dieses Senfes aus, sondern<br />
vor allem sein Ursprung und seine Geschichte.<br />
Alles beginnt 1825 in Bordeaux. Die Entwicklung der<br />
Kolonien und vor allem der Sklavenhandel haben den Hafen<br />
der Stadt zu einem wichtigen Warenumschlagplatz für<br />
exotische Produkte gemacht. Dazu gehört auch Kakao,<br />
ein besonders beliebtes Produkt. Paul Louit, Händlersohn<br />
und ehemaliger Offizier der kaiserlichen Armee, erkennt<br />
schnell das wirtschaftliche Potenzial dieser neuen Ware.<br />
Er gründet eine Schokoladenfabrik, deren Erfolg es ihm<br />
ermöglicht, schrittweise auch andere Lebensmittel zu vermarkten.<br />
Nach Pauls Tod führen seine Witwe und seine<br />
beiden Söhne, Emile und Edouard, das Unternehmen<br />
weiter und diversifizieren erneut das Produktangebot.<br />
Inzwischen vertreiben sie auch Tee, Nudeln, Fisch- und<br />
Gemüsekonserven sowie Tapioka. Gleichzeitig bauen sie<br />
die bereits vielversprechend lancierte Produktion von Senf<br />
94 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
weiter aus. Die Entwicklung des Unternehmens ist rasant,<br />
und innerhalb weniger Jahre ist der Schokoladen- und<br />
Senfhersteller Louit Frères das bedeutendste Unternehmen<br />
im Südwesten Frankreichs. 1880 wird in Bordeaux<br />
eine riesige moderne Fabrik gebaut, 1895 eröffnet man im<br />
Großraum Paris ein großes Verkaufslager, um sich den<br />
Kunden aus der Hauptstadt anzunähern.<br />
Schnell reisst man sich in gehobenen Restaurants um<br />
den Senf von Louit Frères. Sogar an Bord der Titanic<br />
wird er verzehrt. Besonders beliebt sind die Sorten Dijon<br />
(scharf), Dilora (mild) und Diaphane (aromatisiert). Letztere<br />
ist von Anfang an die bekannteste. Neben Weinessig und<br />
Senfkörnern enthält dieser Senf auch Kapern, Karotten,<br />
Blumenkohl, Gurken, Zwiebeln, Oliven und Sardellen.<br />
Abgesehen vom kulinarischen Erfolg, zeigen sich die Brüder<br />
Louit jedoch auch sehr innovativ, was den Aufbau ihrer<br />
Marke angeht. Um die Bekanntheit der Produkte zu verbessern,<br />
kommen sie auf die Idee, ein Verkaufs- und Distributionsnetz<br />
aufzubauen und Vertreter auszubilden, die<br />
ganz Frankreich bereisen. In den 1920er-Jahren gehören sie<br />
zu den ersten, die sich für Werbung interessieren: Sie lassen<br />
Plakate und Postkarten drucken und schalten Anzeigen in<br />
Zeitungen, um die Marke bekannt zu machen.<br />
Angesichts der steigenden Bekanntheit werden einige<br />
Produkte bald exportiert. Vor allem der Senf stößt im<br />
Norden Italiens sehr schnell auf großen Zuspruch. Leider<br />
bereitet der Zweite Weltkrieg der rasanten Entwicklung<br />
des Unternehmens ein brutales Ende. Aufgrund mangelnder<br />
Rohstoffe wird die Schokoladenproduktion 1942<br />
eingestellt, während für die Herstellung des Senfs eine<br />
Lizenz an ein italienisches Unternehmen in der Nähe von<br />
Genua vergeben wird. Dieses bezieht jedoch seine Rohstoffe<br />
weiterhin aus Frankreich. 1957 lösen die Erben von<br />
Louit das Unternehmen offiziell auf. Die Senfmarke Louit<br />
Frères gehört nach mehreren Wechseln heute zu Pucci,<br />
einem bedeutenden italienischen Unternehmen, das seit<br />
mehr als 80 Jahren in der Lebensmittelindustrie tätig ist.<br />
Zur großen Freude vieler Franzosen, die mit dem Senf<br />
Erinnerungen an ihre Kindheit verbinden, produziert<br />
Pucci auch heute noch den Senf Louit Frères.<br />
In dieser Serie werden Produkte vorgestellt,<br />
die sich in fast jedem französischen Haushalt<br />
befinden oder die für viele Franzosen kleine<br />
Nationalheiligtümer sind. In den letzten<br />
Ausgaben sind erschienen: Hollywood- und<br />
Malabar-Kaugummis (<strong>Nr</strong>. 51), Petit Suisse<br />
(<strong>Nr</strong>. 52), Orangina (<strong>Nr</strong>. 53), Duralex-Gläser<br />
(<strong>Nr</strong>. 54), Messer (<strong>Nr</strong>. 55), L’école des loisirs<br />
(<strong>Nr</strong>. 56), Sophie la girafe (<strong>Nr</strong>. 57), Eau de Javel<br />
(<strong>Nr</strong>. 58), Bol à prénom (<strong>Nr</strong>. 59), Bistrostuhl<br />
« Drucker » (<strong>Nr</strong>. 60), der gelbe Briefkasten<br />
der Post (<strong>Nr</strong>. 61), Papier d’Arménie (<strong>Nr</strong>. 62),<br />
Salz La Baleine (<strong>Nr</strong>. 63), Literatursammlung<br />
La Pléiade (<strong>Nr</strong>. 64), Zitronenpresse aus Glas<br />
von Luminarc (<strong>Nr</strong>. 65), Boules Quies (<strong>Nr</strong>. 66),<br />
Ricard aux plantes fraîches (<strong>Nr</strong>. 67), Eau de<br />
Châteldon (<strong>Nr</strong>. 68), Le Livre de Poche (<strong>Nr</strong>.<br />
69), Gemüsepassiergerät Moulinex (<strong>Nr</strong>. 70),<br />
Herbes de Provence (<strong>Nr</strong>. 71), Cacolac (<strong>Nr</strong>. 72),<br />
L’Image d’Épinal (<strong>Nr</strong>. 73), La Hulotte, « das<br />
meistgelesene Magazin im Tierbau » (<strong>Nr</strong>. 74),<br />
Savon de Marseille (<strong>Nr</strong>. 75), das gelbe Ölzeug<br />
von Guy Cotten (<strong>Nr</strong>. 76), die Künstlerfarben<br />
Lefranc Bourgeois (<strong>Nr</strong>. 77), der Parapluie de<br />
Cherbourg (<strong>Nr</strong>. 78), der Briefkasten « Made in<br />
Alsace » für Frankreichfans (<strong>Nr</strong>. 79), Meteor,<br />
die größte der kleinen Brauereien Frankreichs<br />
(<strong>Nr</strong>. 80), Chanel N°5, die berühmteste<br />
Nummer in der Welt der Düfte (<strong>Nr</strong>. 81) und<br />
Lunii, « der Geschichtenerzähler » (<strong>Nr</strong>. 82).<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 95
GUÉWEN A TESTÉ<br />
… Was ist ein « Trou normand »?<br />
Das Trou normand, wörtlich übersetzt das « normannische<br />
Loch », ist eine Institution in Frankreich! Es handelt sich dabei<br />
um eine sehr alte kulinarische Praxis, die man vor allem im<br />
Rahmen eines festlichen – und umfangreichen – Mahls, zum<br />
Beispiel bei einer Hochzeit, findet. Während eines solchen<br />
mehrgängigen Essens trinkt man in diesem Fall zwischen zwei<br />
Gängen ein kleines Gläschen eines normannischen Obstbrandes:<br />
einen Calvados.<br />
Wozu dient das?<br />
Ich gestehe, dass ich mir diese Frage selbst gestellt habe, als man mir das erste Mal<br />
ein Trou normand anbot. Im Gegensatz zu mir schien die Sache für alle anderen<br />
Gäste am Tisch klar zu sein. Meine Tischnachbarn erklärten mir dann, dass es für<br />
die Verdauung nichts Besseres gäbe: Calvados ist immerhin eine Spirituose mit<br />
einem Alkoholgehalt von 40 bis 45 % vol. Ihrer Meinung nach würde der enthaltene<br />
Alkohol die Verdauung fördern. Ich gestehe, dass ich diese Erklärung<br />
im ersten Moment als Ausrede einstufte, um den zusätzlichen Alkoholgenuss<br />
zu rechtfertigen. Eine Vermutung, die sich bei Überprüfung im Übrigen<br />
bestätigte: Mediziner sind der einhelligen Meinung, dass die Annahme,<br />
Alkohol würde bei der Verdauung helfen, wahrlich eine Legende ist. Im<br />
Gegenteil: Alkohol stört die Verdauung<br />
sogar eher. Insofern hat das Trou normand<br />
im Grunde genommen lediglich « einen<br />
Nutzen » in Bezug auf die Geselligkeit …<br />
Woher kommt diese Tradition?<br />
Sie breitete sich im 17. und 18. Jahrhundert<br />
aus, in einer Zeit, in der man anlässlich großer<br />
Mahlzeiten gewöhnlich die Tradition der<br />
sogenannten trois coups respektierte. Damit<br />
sind drei Gläser gemeint, die man im Rahmen<br />
einer reichhaltigen Mahlzeit konsumierte:<br />
Das « Glas zuvor » (le coup d‘avant), das<br />
heute Aperitif genannt wird; das « Glas danach<br />
» (le coup après), heutzutage der Digestif;<br />
und das « Glas in der Mitte » (le coup du milieu),<br />
also dieses « normannische Loch », um<br />
das es hier geht. Da festliche Mahlzeiten in<br />
Frankreich aus vielen Gängen bestehen und<br />
meist sehr lange dauern (drei bis vier Stunden<br />
sind keine Seltenheit), sollten diese drei<br />
96 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
Lassen Sie sich von<br />
uns überraschen!<br />
Sparen Sie<br />
10 %!<br />
Gläser eines starken alkoholischen Getränks das Essen<br />
« verdaulicher » machen. Die Tradition gab es im Übrigen<br />
nicht nur in der Normandie, sondern in ganz Frankreich.<br />
Was trinkt man als « richtiges » Trou normand?<br />
Ich habe festgestellt, dass man in der Regel beim « Glas<br />
in der Mitte » eine regionaltypische Spirituose trinkt,<br />
das kann beispielsweise ein Cognac, ein Armagnac<br />
oder ein Obstbrand sein, je nachdem, wo man sich<br />
gerade befindet. Insofern ist es amüsant, wenn einem<br />
Hunderte Kilometer von der Normandie entfernt, ein<br />
Trou normand angeboten wird. Dennoch ist festzuhalten,<br />
dass das echte Trou normand, das man beispielsweise<br />
in einem Restaurant erhält, normalerweise aus einem<br />
alkoholischen Getränk aus der Normandie besteht.<br />
Gibt es diese Tradition nach wie vor?<br />
Während der Aperitif und – im geringeren Maße – der<br />
Digestif nach wie vor zu einem französischen Essen<br />
gehören, ist dies beim Coup du milieu immer weniger der<br />
Fall. Heute bietet man das Getränk noch in manchen<br />
Restaurants – vorwiegend in sternengekrönten – in einer<br />
etwas « leichteren » Ausführung an.<br />
Dieses Trou normand der « neuen<br />
Art » besteht oft aus einem Apfelsorbet,<br />
das mit Calvados begossen<br />
ist. Nach wie vor soll es die<br />
Verdauung erleichtern und<br />
den Appetit für die folgenden<br />
Gänge anregen. Die Ehre der<br />
Normandie ist somit gerettet!<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
in Situationen wie der jüngeren Vergangenheit<br />
tun Aktivitäten wie Lesen und eventuell sogar<br />
die Vorbereitung des nächsten Frankreichurlaubs<br />
mehr denn je gut.<br />
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www.frankreicherleben.de
IMPRESSUM/VORSCHAU<br />
Impressum<br />
Frankreich erleben ist das Ergebnis von Teamarbeit. Neben den Autoren und<br />
Fotografen tragen auch die Lektoren, Grafiker und alle anderen Mitarbeiter<br />
zur Qualität der einzelnen Artikel bei. Daher sind keine einzelnen Personen<br />
am Ende eines Artikels hervorgehoben, sondern findet die Nennung im<br />
Impressum statt.<br />
Frankreich erleben erscheint im Verlag<br />
Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux<br />
Telefon: +33 (0)1 75 439 440 · Fax: +33 (0)1 75 434 549<br />
info@frankreicherleben.de · www.frankreicherleben.de<br />
Abonnentenbetreuung & Heftbestellungen:<br />
AVZ GmbH<br />
Storkower Straße 127a · 10407 Berlin<br />
Telefon: +49 (0)30 / 42 80 40 40<br />
Fax: +49 (0)30 / 42 80 40 42<br />
abo@frankreicherleben.de<br />
ISSN: 1861-4256<br />
Gründer des Magazins: Jean-Charles Albert und Markus Harnau<br />
Herausgeber: Jean-Charles Albert<br />
Chefredakteur (V.i.S.d.P.): Jean-Charles Albert<br />
Redaktionsbüro:<br />
Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux<br />
Telefon: +33 (0)1 75 439 440 · Fax: +33 (0)1 75 434 549<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />
Jean-Julien Bault, Sabine Beck, Guéwen Brown, Chantal Cobac, Martine Doucet,<br />
Laurent Fournerie, Alain Lardière, Ina Muñoz, Annaïs Quetsub, Gérard Rival,<br />
Serge Robin, Sabine Schmitt<br />
Layout: Ajc Presse<br />
Anzeigen:<br />
Isabelle Schmidt<br />
Telefon Frankreich: +33 (0)1 75 439 441<br />
Telefon Deutschland: +49 (0)921 44710<br />
ischmidt@frankreicherleben.com<br />
Gültige Anzeigenpreisliste: 19/2021<br />
Druck: westermann DRUCK | pva,<br />
Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig<br />
Auf dieser Seite ist es bereits wieder Zeit, sich zu verabschieden.<br />
Das ist jedoch kein Grund, traurig zu sein, denn wir sehen uns<br />
bald wieder, genauer gesagt am 16. August <strong>2022</strong>, ab diesem Tag<br />
ist nämlich die nächste Ausgabe von Frankreich erleben im Handel<br />
erhältlich. Es sei denn, Sie hatten die (sehr gute) Idee, das Magazin<br />
zu abonnieren, dann steckt es bereits etwa eine Woche früher bei<br />
Ihnen im Briefkasten.<br />
Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, erhalten Sie im Rahmen<br />
unseres kleinen Spiels einige Hinweise auf zwei Themen der<br />
Herbstausgabe.<br />
Zunächst zwei Fotos:<br />
Vetrieb:<br />
DMV DER MEDIENVERTIEB GmbH & Co. KG. · Meßberg 1 · 20086 Hamburg<br />
Tel: +49 (0)40 3019 1800<br />
Sämtliche Informationen sind nach bestem Wissen und mit Sorgfalt zusammengestellt.<br />
Eine Gewährleistung für die Rich tig keit und Vollständigkeit kann jedoch<br />
nicht über nom men wer den. Der Verlag übernimmt keine Haftung für un ver langte<br />
Ein sen dun gen. Die Redaktion behält sich die Kür zung und Bearbeitung von<br />
Leserbriefen vor. Es gelten die Geschäfts bedingungen des Verlags. Beiträge,<br />
Fotos und gra fische Dar stel lungen sind ur he ber rechtlich geschützt. Nach druck,<br />
auch aus zugs weise, Ver viel fäl ti gung auf foto mecha nischen und anderen Wegen<br />
sowie Nutz ung auf Da ten trägern bedürfen der schrift lichen Zustimmung des<br />
Verlags.<br />
Frankreich erleben erscheint alle drei Monate und ist im gut sortierten<br />
Zeitschriftenhandel in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und<br />
Südtirol sowie per Abonnement erhältlich.<br />
Einzelpreise im Handel: 6,90 E (D), 7,60 E (A),<br />
11,90 CHF (CH), 8,10 E (F/L/B/NL), 8,10 E (I)<br />
Abonnement (Preise pro Jahr): 24,90 E (D), 26,90 E (A),<br />
39,90 CHF (CH), alle anderen Länder: 32,90 E<br />
Bezugspreise beinhalten, wo erforderlich,<br />
die gesetzliche Mehrwertsteuer.<br />
© <strong>2022</strong> Ajc Presse, Bordeaux<br />
Bildnachweise (nach Seiten, Anordnung von links nach rechts, oben nach unten): Titel:<br />
Titel: Serge Robin, Ajc Presse • S.3: Serge Robin, Ajc Presse • S.4: Elodie Cayot, Belfort<br />
Tourisme; Serge Robin, Ajc Presse; Cédric Brown, Ajc Presse, Bergerie Nationale de<br />
Rambouillet, DR; Office de Tourisme et des Congrès de Paris; L. Pascale, Drôme Tourisme;<br />
Nicole Cobac, Ajc Presse; Manolo Mylonas, Musée d’art moderne de Céret • S.6-7: Cédric<br />
Brown, Ajc Presse; Pixabay • S.8-9: Pixabay, Maison Gainsbourg Paris, DR; Pixabay; Serge<br />
Robin, Ajc Presse; S.10-11: Pixabay, Fred Durantet, Ephemera Restaurant • S. 12-13: DR<br />
• S.14-15: Philippe Matsas, Editions Arléa; Jean-Luc Bertini, Actes Sud; Albin Michel, DR;<br />
Francesca Mantovani, Editions Gallimard; Hélène Bamberger, Editions de minuit; Verdier,<br />
DR • S.16: DR • S.17: ARTE, DR • S.18: DR • S.19-20: François Jay, Musée des Beaux-<br />
Arts de Dijon; Serge Robin, Ajc Presse • S.32: DR • S.24-27: Serge Robin, Ajc Presse •<br />
S.28: Cédric Brown, Ajc Presse, DR • S.29: Serge Robin, Ajc Presse, DR • S. 30-34: Cédric<br />
Brown, Ajc Presse; DR, Serge Robin, Ajc Presse • S.36-38: L. Pascale, Drôme Tourisme<br />
• S.39: L. Pascale, Drôme Tourisme; Jb. Fabry, Drôme Tourisme • S.40-44: L. Pascale,<br />
Drôme Tourisme • S.46-49: Bergerie Nationale de Rambouillet, DR • S.50-53: Archives<br />
Nationales, DR • S.54: Bergerie Nationale de Rambouillet, DR • S.56-57: Manolo Mylonas,<br />
Musée d’art moderne de Céret • S.58: Jaume Plensa, Roberto Ruiz, Musée d’art moderne<br />
de Céret • S.60: Adagp, Paris <strong>2022</strong>; Joseph Gibernau / Studio Pyrénées, Succesion<br />
Picasso <strong>2022</strong>; Manolo Mylonas, musée d’art moderne de Céret, Succesion Picasso <strong>2022</strong>;<br />
Service Communication - Mairie de Céret • S.61: Jaume Plensa, Roberto Ruiz, Musée d’art<br />
moderne de Céret; Service Communication - Mairie de Céret • S.62: Pixabay; Joseph<br />
Gibernau / Studio Pyrénées, Succession Miro / Adagp Paris <strong>2022</strong> • S.63: Manolo Mylonas,<br />
musée d’art moderne de Céret • S.64: Service Communication - Mairie de Céret • S. 65:<br />
Manolo Mylonas, musée d’art moderne de Céret • S.66-67: Pixabay • S. 68-69: Elodie<br />
Cayot, Belfort Tourisme • S.70-71: JFL, FGV, Régis Ravegnani, Conseil Départemental du<br />
Territoire de Belfort • S.72-73: JFL, Conseil Départemental du Territoire de Belfort • S.74-75:<br />
Audrey Delattre et Elodie Cayot, Belfort Tourisme; Coucoo Grands Reflets, DR • S. 76: Saype,<br />
Valentin Flauraud, DR • JFL, Conseil Départemental du Territoire de Belfort; Steve Eggleton<br />
- Eventdigital • S.78: Office de Tourisme et des Congrès de Paris • S.79-80: #saccageParis,<br />
DR • S.82-87: Serge Robin et Cédric Brown, Ajc Presse • S.92-93: Nicole Cobac, Ajc Presse<br />
• S.95: Alain Lardière, Ajc Presse • S.96: Serge Robin, Ajc Presse • S.98: Alain Lardière, Ajc<br />
Presse; Cécile Triballier, Charentes Tourisme.<br />
Und dann zwei Hinweise, von denen jeder eine Verbindung zu einem<br />
der Fotos hat.<br />
• Ich bin ein symbolträchtiges Monument in Bordeaux, wurde im<br />
Auftrag von Napoleon I. gebaut und trage dazu bei, die Menschen<br />
zu verbinden. Meine Erbauung war ein wahres Epos, und in diesem<br />
Jahr feiere ich meinen 200. Geburtstag.<br />
• Ich bin ein französischer Fluss mit einer Länge von gut 380 km<br />
und münde in den Atlantik. Nach mir ist auch ein Departement<br />
benannt, und Anhänger des Flusstourismus freuen sich ganz<br />
besonders über meine 21 Schleusen.<br />
Haben Sie alles erraten? Dann können Sie die Antworten überprüfen,<br />
indem Sie die folgenden Begriffe vervollständigen:<br />
_ E P_ _ _ _ E _ I _ _ R _<br />
L _ _ _ A _ E _ T _<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 84 - Herbst <strong>2022</strong><br />
Erscheint am 16. August <strong>2022</strong><br />
98 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong>
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erholsamen Urlaub. Die Villa verfügt über Platz für bis zu zehn Personen, doch durch<br />
den modularen Grundriss fühlt man sich aber auch zu zweit oder viert nicht zu einsam.<br />
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