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THEATER KULTUR JOKER 7

Anna Kempin und

Kirill Berezovski

© Marc Doradzillo

Auf Empfang

Mit „Skin“ schließt Emi Miyoshi ihre Trlogie über Nähe ab

Aus einem solchen Stoff hätte

man früher Tütüs genäht.

Doch jetzt schwebt eine Wolke

aus Tüll über der Bühne des

Freiburger E-Werks. Je nach

Licht sieht sie pink aus, dann

ziemlich kühl. Weiße und neonfarbene

Fäden strecken sich

wie Fühler zu den beiden Tanzenden

am Boden aus. Es wirkt

wie ein hypersensibles Sender-

Empfänger-Modell oder es

könnte die Vervielfältigung des

größten menschlichen Organs,

der Haut sein (Bühnenbild:

Paula Mierzowsky). Um diese,

um „Skin“, so der Titel des

abschließenden Teils von Emi

Miyoshis Trilogie zum Thema

Nähe und deren Verlust, soll es

ja auch gehen.

Es wummert, während Anna

Kempin und Kirill Berezovski

am Boden liegen. Ephraim

Dance Dates

I-Fen Lin (CH/Luzern) und Katja Gluding (D/Freiburg) im E-Werk

Als „Dating-Plattform“ für

zeitgenössische Tanzstücke

wurde Dance Dates im November

2020 ins Leben gerufen. So

treffen an einem Doppel-Abend

zwei Choreograf*innen mit

ihren jeweiligen Stücken aufeinander

– dabei entsteht eine

sorgfältig ausgewählte Begegnung

zwischen Freiburger und

überregionaler Produktionen,

die in einem anschließenden

Künstler*innengespräch endet.

Auf diesem Weg wird ein Austausch

zwischen den Kunstschaffenden

ermöglicht, an dem ein

interessiertes Publikum, aber

auch Veranstalter*innen teilhaben

können.

Am 20. Mai treffen bei einer

neuen Runde der Dance Dates die

Choreografinnen I-Fen Lin (CH/

Luzern) und Katja Gluding (D/

Freiburg) im E-Werk Freiburg

aufeinander. Der Abend beginnt

um 18.30 Uhr mit der Tanzperformance

„Eden“ (Katja Gluding),

bei der sechs Tänzer*innen und

zwei Musiker*innen der Frage

nach dem Glück in einer Gesellschaft,

in der uns dem Anschein

nach an nichts fehlt, auf den Grund

gehen. Um 20 Uhr geht’s weiter

mit der Südpol Produktion „findet

Jetzt statt“ (I_Fen Lin), in der vier

Darsteller*innen nach kurzen, zufälligen

Glücksmomenten suchen.

Diese Inszenierung provoziert

bewusst unvorhersehbare Situationen,

in welchen der Ursprung

jener Glücksmomente zu liegen

scheint. Im Anschluss findet um

21.20 Uhr der abschließende Artist

Talk, unter der Moderation

von Tobias Steiner (Tanznetz Freiburg),

statt. Weitere Infos: www.

tanznetz-freiburg.de

„findet Jetzt statt“ der Choreografin I-Fen Lin Foto: Roberto Conciatori

Wegner hat mit den Klängen

und Geräuschen ihrer Körper

wie dem Herzschlag gearbeitet

und daraus eine Soundcollage

entwickelt, die aus Kempin

und Berezovski ein miteinander

verbundenes System macht. Ihr

Bewegungsradius wird während

der gut 70-minütigen Vorstellung

überschaubar bleiben.

„Skin“ ist kein raumgreifendes

Stück, Emi Miyoshis Choreografie

zielt auf minimale, aber

genaue Veränderungen der

Körper ab. Die Körperspannung,

die es dafür braucht,

kann man sich wohl nicht groß

genug vorstellen. Anna Kempin

und Kirill Berezovski sind aufeinander

bezogen, mal indem

sie sich simultan bewegen, mal

indem sie sich voneinander absetzen.

Einerseits lenkt nichts

von der Silhouette ab, Kempins

Haare liegen in Flechten

eng am Kopf, andererseits vervielfältigen

die hautfarbenen

Trikots durch Raffungen die

Oberfläche. Das sieht mitunter

so aus als hätten sie sich eine

fremde Haut übergeworfen, die

an manchen Stellen zu groß ist.

Gut möglich, dass die ursprünglich

vorgesehenen Kostüme aus

Folie mit aufgemalten Blumen

dem Stück eine lichtere Note

verliehen hätten.

Bis die beiden auf den Füßen

stehen, braucht es eine gute

halbe Stunde. Bis dahin werden

am Boden minimal Gesten

ausgeführt. Der Kopf wird aufgestellt,

dann abgelegt, Beine

gestreckt. Es sind Bewegungen,

die um ein Unmerkliches verschoben

werden und so immer

wieder verlangen, die Balance

neu herzustellen. Einmal scheinen

die beiden parallel zusammenzubrechen,

ihre Körper

zucken, während das Licht sich

dabei verändert und heller wird.

Die Tüllinstallation wirft dadurch

Muster auf den Bühnenboden

und sieht plötzlich wie

eine Vergrößerung von etwas

aus, das unbekannt bleibt. Die

Haut ist die Grenze zwischen

uns, den anderen und der Welt.

Sie ist ein Organ, mit dem wir

mit dem Außen kommunizieren.

Frieren wir, lässt es sich an

der Haut ablesen, sind wir unsicher

auch. Es braucht keinen

sichtbaren Anlass, dass Anna

Kempin und Kirill Berezovski

aufeinander reagieren, die beiden

sind auf beeindruckende

Weise aufeinander eingespielt.

Oft sind es groteske Körperbilder,

die sie kreieren, wenn

sie etwa auf den Zehen stehen,

die Arme nach hinten nehmen

und den Kopf nach hinten strecken.

Später hört man ein unregelmäßiges

Pochen, durch das

noch der Herzschlag auszumachen

ist. Dann erneut ein Kollaps,

die beiden beginnen sich

zu drehen, seltsam unrund, sie

stützen sich ab, um am Ende

wieder am Boden zu sein. Ein

Aufbäumen im Dunkeln und

dann ein Absinken. Ein beeindruckend

präziser Abend.

Annette Hoffmann

Deutsche Erstaufführung

Sa, 07.05.2022 // 19.30 Uhr & So, 08.05.2022 // 18.00 Uhr

Großes Haus // Mit deutschen Übertiteln

REVISOR

Kidd Pivot / Crystal Pite (Kanada/Vancouver)

Die weltweit gefeierte Choreografin Crystal Pite präsentiert im Mai

2022 ihr fulminantes Werk REVISOR am Theater Freiburg. Tanz und

Theater verschmelzen zu einem großen Ganzen und bringen die

scharfsinnige Gesellschaftskritik der kanadischen Tanzikone auf

humorvolle und höchst sarkastische Weise zum Ausdruck.

© Michael Slobodian

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