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Italien KULTUR JOKER 47

Pier Paolo Pasolini, die inständige Nahe zur Realität

Zum 100. Geburtstag wird der italienische Schriftsteller und Filmmacher vom Verein Vivace in Freiburg zelebriert

Am 5. März dieses Jahres

wäre Pier Paolo Pasolini 100

Jahre geworden. Das Jubiläum

wird in Italien groß gefeiert und

auch Neuveröffentlichungen in

deutscher Sprache widmen sich

der Figur dieses eklektischen

und zum Teil widersprüchlichen

Intellektuellen. Für Letzteres

steht plakativ sein Anspruch,

zugleich Kommunist, Katholik

und Homosexueller sein zu

können in einer Zeit, wo diese

Definitionen miteinander vollkommen

unverträglich waren.

Für seine Vielseitigkeit spricht,

dass er Schriftsteller, Lyriker,

Dramatiker, Regisseur, Journalist

und Maler gewesen ist, und

immer auf höchstem Niveau.

Beim Experimentieren mit den

verschiedensten Kommunikationsmitteln

ging es Pasolini vor

allem darum, die sich in Italien

der Nachkriegszeit rasant entwickelnde

Konsumgesellschaft

kritisch zu analysieren und jenen

Lebensformen eine Stimme zu

geben, die durch diese Entwicklung

– die für ihn nicht mit dem

Fortschritt gleichzusetzen war

– zum Verschwinden verdammt

waren. Das war zum einen das

Landleben, mit dem er in seiner

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Für Infos und erforderliche

Reservierung:

info@vivace-freiburg.de

Tel: 0761 28525280

Pier Paolo Pasolini © Kulturinstitut Stuttgart

Kindheit und Jugend während

der familiären Aufenthalte im

Friaul in Berührung gekommen

war. Insbesondere die friaulische

Sprache schien ihm im Vergleich

zum Italienischen eine größere

Nähe zur Welt zu haben, eine

reinere und unendlich frühere

Sprache zu sein. Zum anderen

wurde Pasolini nach seinem

Wechsel nach Rom von der Vitalität

der Vorstädte fasziniert,

und er machte nie einen Hehl

daraus, die jungen Männern des

Subproletariats den den figli di

papà (Müttersöhnchen) der italienischen

Bourgeoisie vorzuziehen.

Und dies trotz der Gewalt

und der Verzweiflung, die ihr

Leben charakterisierte. Mit seinen

Romanen „Ragazzi di vita“

und „Una vita violenta“ wollte

Paolini dieser Jugend gleichsam

ein Denkmal setzten, denn

ihm war bewusst, dass mit der

zunehmenden Modernisierung

Italiens die Lebenswelt der borgate

mit ihrer brutalen Unschuld

unwiederbringlich verschwinden

würde. Für ihn brachte der Übergang

von einer ländlichen zu einer

industrialisierten und neokapitalistischen

Gesellschaft eine

regelrechte „anthropologische

Mutation“ der Italiener hin zu

Konsumenten mit sich, die eine

Verengung des menschlichen

Wirklichkeitsbezugs bedeuten

sollte. Aus dem Milieu der römischen

Elendsviertel stammten

dann auch die Laienschauspieler

seiner ersten Filme, die wie

in „Accattone“ und „Mamma

Roma“ quasi sich selbst in Szene

setzen. Vor der Kamera gewinnen

diese sozial ausgegrenzten

Charaktere eine sakrale Qualität,

eine religiöse Dimension, die Pasolini

durchaus nicht fremd war.

Er suchte sie nämlich auch in seiner

Auseinandersetzung mit der

Figur Christi, von der er jedoch

umgekehrt die menschlichen

und profanen Seiten betonte: In

dem Film „Das 1. Evangelium –

Matthäus“ aus dem Jahr 1964,

ebenfalls mit Laiendarstellern

gedreht, erscheint Jesu als subproletarischer

Rebell, was Pasolini

viel Kritik und sogar Strafanzeigen

von katholischer Seite

einbrachte. Auf der Suche nach

einer ursprünglicheren Ebene der

menschlichen Erfahrung, die der

modernen Konsumgesellschaft

als Alternative entgegenzustellen

galt, interessierte sich Pasolini

auch für die antiken Mythen.

Er realisierte Filme über Ödipus

und Medea (mit Maria Callas)

und verfasste selbst zahlreiche

Tragödien. Dabei richtete er sein

Interesse nicht auf das Griechenland

als Wiege der westlichen

Rationalität, sondern auf die

dunkelsten, archaischen Seiten

der antiken Kultur.

Auch das Netz der diplomatischen

Vertretungen und der Italienischen

Kulturinstitute weltweit

widmet Pasolini eine Reihe

von Veranstaltungen. In Freiburg

wird der Kulturverein Vivace in

Zusammenarbeit mit dem Italienischen

Kulturinstitut Stuttgart

dem großen Autor an zwei

Abenden gedenken: am 21 Mai

um 20 Uhr wird der Film „Accattone“

zu sehen sein, der einer der

beliebtesten und bekanntesten

Filme Pasolinis bleibt. Am 29.

Mai um 19 Uhr wird die Theaterpädagogin

und Schauspielerin

Ingeborg Waldherr ein Künstlerporträt

vortragen und einen

Streifzug durch das provokative

und facettenreiche Werk dieses

Dichters bieten.

Weitere Infos: vivace-freiburg.

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