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Italien KULTUR JOKER 47
Pier Paolo Pasolini, die inständige Nahe zur Realität
Zum 100. Geburtstag wird der italienische Schriftsteller und Filmmacher vom Verein Vivace in Freiburg zelebriert
Am 5. März dieses Jahres
wäre Pier Paolo Pasolini 100
Jahre geworden. Das Jubiläum
wird in Italien groß gefeiert und
auch Neuveröffentlichungen in
deutscher Sprache widmen sich
der Figur dieses eklektischen
und zum Teil widersprüchlichen
Intellektuellen. Für Letzteres
steht plakativ sein Anspruch,
zugleich Kommunist, Katholik
und Homosexueller sein zu
können in einer Zeit, wo diese
Definitionen miteinander vollkommen
unverträglich waren.
Für seine Vielseitigkeit spricht,
dass er Schriftsteller, Lyriker,
Dramatiker, Regisseur, Journalist
und Maler gewesen ist, und
immer auf höchstem Niveau.
Beim Experimentieren mit den
verschiedensten Kommunikationsmitteln
ging es Pasolini vor
allem darum, die sich in Italien
der Nachkriegszeit rasant entwickelnde
Konsumgesellschaft
kritisch zu analysieren und jenen
Lebensformen eine Stimme zu
geben, die durch diese Entwicklung
– die für ihn nicht mit dem
Fortschritt gleichzusetzen war
– zum Verschwinden verdammt
waren. Das war zum einen das
Landleben, mit dem er in seiner
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2017-2022
Für Infos und erforderliche
Reservierung:
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Tel: 0761 28525280
Pier Paolo Pasolini © Kulturinstitut Stuttgart
Kindheit und Jugend während
der familiären Aufenthalte im
Friaul in Berührung gekommen
war. Insbesondere die friaulische
Sprache schien ihm im Vergleich
zum Italienischen eine größere
Nähe zur Welt zu haben, eine
reinere und unendlich frühere
Sprache zu sein. Zum anderen
wurde Pasolini nach seinem
Wechsel nach Rom von der Vitalität
der Vorstädte fasziniert,
und er machte nie einen Hehl
daraus, die jungen Männern des
Subproletariats den den figli di
papà (Müttersöhnchen) der italienischen
Bourgeoisie vorzuziehen.
Und dies trotz der Gewalt
und der Verzweiflung, die ihr
Leben charakterisierte. Mit seinen
Romanen „Ragazzi di vita“
und „Una vita violenta“ wollte
Paolini dieser Jugend gleichsam
ein Denkmal setzten, denn
ihm war bewusst, dass mit der
zunehmenden Modernisierung
Italiens die Lebenswelt der borgate
mit ihrer brutalen Unschuld
unwiederbringlich verschwinden
würde. Für ihn brachte der Übergang
von einer ländlichen zu einer
industrialisierten und neokapitalistischen
Gesellschaft eine
regelrechte „anthropologische
Mutation“ der Italiener hin zu
Konsumenten mit sich, die eine
Verengung des menschlichen
Wirklichkeitsbezugs bedeuten
sollte. Aus dem Milieu der römischen
Elendsviertel stammten
dann auch die Laienschauspieler
seiner ersten Filme, die wie
in „Accattone“ und „Mamma
Roma“ quasi sich selbst in Szene
setzen. Vor der Kamera gewinnen
diese sozial ausgegrenzten
Charaktere eine sakrale Qualität,
eine religiöse Dimension, die Pasolini
durchaus nicht fremd war.
Er suchte sie nämlich auch in seiner
Auseinandersetzung mit der
Figur Christi, von der er jedoch
umgekehrt die menschlichen
und profanen Seiten betonte: In
dem Film „Das 1. Evangelium –
Matthäus“ aus dem Jahr 1964,
ebenfalls mit Laiendarstellern
gedreht, erscheint Jesu als subproletarischer
Rebell, was Pasolini
viel Kritik und sogar Strafanzeigen
von katholischer Seite
einbrachte. Auf der Suche nach
einer ursprünglicheren Ebene der
menschlichen Erfahrung, die der
modernen Konsumgesellschaft
als Alternative entgegenzustellen
galt, interessierte sich Pasolini
auch für die antiken Mythen.
Er realisierte Filme über Ödipus
und Medea (mit Maria Callas)
und verfasste selbst zahlreiche
Tragödien. Dabei richtete er sein
Interesse nicht auf das Griechenland
als Wiege der westlichen
Rationalität, sondern auf die
dunkelsten, archaischen Seiten
der antiken Kultur.
Auch das Netz der diplomatischen
Vertretungen und der Italienischen
Kulturinstitute weltweit
widmet Pasolini eine Reihe
von Veranstaltungen. In Freiburg
wird der Kulturverein Vivace in
Zusammenarbeit mit dem Italienischen
Kulturinstitut Stuttgart
dem großen Autor an zwei
Abenden gedenken: am 21 Mai
um 20 Uhr wird der Film „Accattone“
zu sehen sein, der einer der
beliebtesten und bekanntesten
Filme Pasolinis bleibt. Am 29.
Mai um 19 Uhr wird die Theaterpädagogin
und Schauspielerin
Ingeborg Waldherr ein Künstlerporträt
vortragen und einen
Streifzug durch das provokative
und facettenreiche Werk dieses
Dichters bieten.
Weitere Infos: vivace-freiburg.
de
Luca Marras
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