flip-Joker_2022-05
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20 KULTUR JOKER KUNST
Im Gespinst der Narrative
Im Archäologischen Museum ist die Kultur der Habalukke zu entdecken
Die Bewohner der Mittelmeerinsel
Sehnah müssen
dem Schweizer Archäologen
Walter Affolter wirklich sehr
dankbar gewesen sein. Denn
ihre Flagge weist nicht nur
blaue und weiße Streifen auf,
sondern auch zwanzig Schweizerkreuze.
Die Fahne hängt
derzeit im Freiburger Archäologischen
Museum. Dieser
erste Raum der Sonderausstellung
„Habalukke“ zeigt noch
weitere Erinnerungsstücke der
Familie. Ein Aquarellkasten,
eine Brille, aber auch sehr viel
Kunst ist hier zu sehen. Porträts,
für die Affolter wichtigen
Künstler seiner Zeit Modell
saß, aber auch Aquarelle seiner
Schwester. Und ein Katalog
liegt aus über das Leben dieser
Hedwig Bernadette Affolter,
kurz HBA, die ihm später
seinen Haushalt organisieren
wird. Wirft man einen Blick
in die Publikation mit dem
schönen Titel „Malweib, mal
Weib“ scheint es als ob für die
Familie Affolter zwischen Hodler,
Giacometti, den Moilliets
und den anderen Prominenten
der Schweizer Kunstgeschichte
ein Plätzchen frei war. Auch
in Kandern war die kunstaffine
Schwester und traf dort
auch August Macke an, der sie
in ihren künstlerischen Ambitionen
stärkt. Oder als hätte
ihnen jemand ein Plätzchen
freigeräumt.
Man kann es sich in diesen
Narrativen so behaglich
einrichten wie auf dem Sessel,
der im Colombischlössle
steht. Zu gut kennt man diese
Familien, die mit Sattlereien
für Luxusdroschken und der
Kammschneiderei ihr Geld
gemacht haben und ihren Liebhabereien
nachgingen. Insbesondere
in der Schweiz geben
sich Industrialisierung und die
aufkommende Moderne die
Hand. Das eine ermöglicht
das andere, das wiederum das
eine adelt. Und nicht wenige
Ausstellungen schaffen durch
derartige Ausstellungsstücke
einen Kontext, der uns eine
Einordnung ermöglicht und
unsere Erwartungen erfüllt.
Doch wann hat man schon mal
eine Skulptur Giacomettis mit
einem annähernd realistischen
Kopf gesehen? Und warum ist
das Blau der Lapislazuli-Kette
von HBA so intensiv wie die
Habalukke: „Der singende König“
© Haus Schwab, NMB - Neues Museum Biel, Foto: Patrick Weyeneth
Bemalung der Idole der frühen
Kultur der Habalukke, die Affolter
auf Sehnah Anfang des
20. Jahrhunderts entdeckt haben
soll?
Weil diese Ausstellung, die
bereits im Neuen Museum Biel
gezeigt wurde, ein Witz ist,
ein geistreicher und gelehrter
zudem. Natürlich haben die
spillerigen Figuren oder die
Flügelwesen, die der Schweizer
Künstler Hans-Ulrich Siegenthaler
geschaffen hat, reale
Vorbilder. Doch was heißt
schon real, wenn wir über
Kulturen sprechen, die keine
Schriftzeugnisse hinterlassen
haben und die wir nach dem
zufälligen Stand der Funde
interpretieren. Ohne Hypothesen
keine Wissenschaft,
aber auch keine Wissenschaft
ohne Falsifikationen und neue
Thesen. So geht er nun mal der
wissenschaftliche Fortschritt.
Man muss dies nicht mit falschen
Tatsachen oder einem
Mainstream verwechseln, der
immer nur das zulässt, was
gerade opportun ist.
Aber vielleicht braucht es
wirklich einen derartigen Faktencheck,
wie ihn das Museum
im letzten Raum der Ausstellung
vornimmt, seitdem Verschwörungstheoretiker
die
Redlichkeit der Wissenschaft
diskreditieren. Und so kann
man auf einem Bildschirm
einer Online-Recherche zuschauen,
die bemerkenswert
wenige Treffer zur Insel, zu
den Akteuren, aber auch zur
Hochschule, an der die Kultur
der Habalukke erforscht
werden soll, hervorbringt.
Tatsächlich ist diese Konzept-Ausstellung
im Colombischlössle
am richtigen Ort.
War hier doch vor acht Jahren
die Schau „Ich Mann. Du Frau.
Feste Rollen seit Urzeiten?“ zu
sehen, die zeigte, wie unsere
Vorurteile Wissen schaffen
und wie man diese reflektieren
muss, um neue Sichtweisen
zu entdecken. Die Archäologie
jedenfalls konnte durch
Knochenfunde mit großer
Wahrscheinlichkeit nachweisen,
dass beim steinzeitlichen
Salzabbau in Hallstein Frauen
und auch Kinder gearbeitet
haben. Hätte man davor auch
nicht gedacht.
Habalukke. Schätze einer
vergessenen Zivilisation. Archäologisches
Museum Colombischlössle,
Rotteckring 5,
Freiburg. Di, Do bis So 10-17
Uhr, Mi 10-19 Uhr. Bis 31. Juli
2022.
Annette Hoffmann
MUSEEN & AUSSTELLUNGEN
REGIONAL, NATIONAL, INTERNATIONAL
FREIBURG
Archäologisches Museum Colombischlössle
- „Habalukke - Schätze einer vergessenen
Zivilisation“ -31.07.
Archäologische Sammlung der
Universität Freiburg
- „Der Ton macht die Figur“ -17.07.
ArTik
- „Joey Hansen: Derealisation“ -14.05.
Augustinermuseum
Haus der Graphischen Sammlung
- „Christoph Meckel: Mensch-Sein,
Kind-Sein, Ich-Sein“ -19.06.
Carl-Schurz-Haus
- „Tina Modotti: Fotografin und Revolutionärin“
-14.05.
Centre Culturel Francais
- „Justine Siret: Check it out / Fotoausstellung
im Rahmen der Deutsch-
Französischen Kulturgespräche“
06.05.-03.06.
depot.K
- „Christine Gruhler & Antje Gärtner“
-29.05.
E & K Stiftung
- „Indes ich nach dem Namen jenes
Sees suchte“ -27.07.
E-Werk
Galerie für Gegenwartskunst
- „Radical Encounters | Perspektiven
des Afropäischen“ 06.05.-03.07.
Faulerbad
- „Kunst auf der Liegewiese“ -21.05.
Galerie Albert Baumgarten
- „Arnold Holzknecht: Gratwanderungen
II“ -31.05.
Herder-Bau
- „70 Jahre Kunst am Bau“
20.05.-21.06.
Katholische Hochschule Freiburg
- „Gabriele Karaman: Striche des
Lebens“ 30.05.-31.07.
Kunsthaus L6
- „Architektur der Unbeständigkeit“
-29.05.
Kunstverein Freiburg
- „Und dann waberte uns der Boden
entgegen“ -22.05.
Morat Institut
- „Herbert X. Maier: Complementary“
-25.10.
Museum für Neue Kunst
- „Someone else - Die Fremdheit der
Kinder“ -09.10.
Museum für Stadtgeschichte
- „Eine Reise in die Vergangenheit“
-Dauer
PEAC Museum
- „Peter Tollens“ -26.06.
Stiftung für Konkrete Kunst Roland
Phleps
- „Andreu Alfaro“ 05.05.-26.06.
Uniseum
- „Margrit Lisner: Zwischen Florenz
und Freiburg“ -31.07.
Universitätsklinikum
- „Patient*innen im Klinikpark“ b.a.w.
BASEL
Antikenmuseum
- „tierisch! Tiere und Mischwesen in
der Antike“ -19.06.
Fondation Beyeler
- „Georgia O‘Keeffe“ -22.05.
- „Passagen - Landschaft, Figur und
Abstraktion“ -14.08.
Haus der Elektronischen Künste
- „Emmanuel Van der Auwera: Seeing
is Revealing“ 14.05.-07.08.
Kunsthalle Basel
- „Yoan Mudry: The Future Doesn‘t
Need Us“ -07.08.
- „Pedro Wirz: Environmental Hangover“
-01.05.
- „Alia Farid: In Lieu of What Is“-22.05.
- „Michael Armitage: You, Who Are till
Alive“ 20.05.-04.09.
Kunsthaus Baselland
- „Claudia & Julia Müller“ -31.12.
- „Anne-Lise Coste“ -17.07.
- „Eine kurze Geschichte schmutziger
Turnschuhe“ -22.05.
Kunstmuseum Basel
- „Louise Bourgeois x Jenny Holzer“
-15.05.
- „Picasso - El Greco“ 11.06.-25.09.
Museum Tinguely
- „Party For Öyvind. Öyvind Fahlström
& Friends“ -01.05.
- „Jean-Jacques Lebel“ -18.09.
S AM
- „Napoli Super Modern“12.05.-21.08.
ANDERE ORTE
ALBSTADT
Kunstmuseum Ablstadt
- „Hip to Square. Figur und Abstraktion
im 20. Jahrhundert“ -05.06.
- „Big Bang - Neue Welten im experimentellen
Druck“ -26.06.
ALKERSUM/FÖHR
Museum Kunst der Westküste
- „Andreas Jorns: Inseljugend“ -27.11.
- „Rune Guneriussen: Lights go out“
-12.06.
ALTKIRCH (F)
Le Crac
- „Love Song“ -15.05.
Amsterdam (NL)
Foam Fotografiemuseum
- „Jonathas de Andrade: Next Level“
-18.05.
AUGSBURG
Galerie Noah
- „SEO“ -15.05.
- „Marina Schulze & David Borgmann“
19.05.-10.07.
Baden-Baden
Kunstmuseum Gehrke Remund
- „Frida Kahlo: Leid und Leidenschaft“
-Dauer
Museum Frieder Burda
- „James Turrell: Accretion Disc“
(ständig)
- „Wert und Wandel der Korallen“-
Christine und Margaret Wertheim“
-26.06.
Staatliche Kunsthalle
- „Cosmos Ottinger: Hans-Thoma-
Preisträgerin Ulrike Ottinger“ -15.05.
BAD-REICHENHALL
Kunstakademie
- „Wolfgang Ellenrieder: Ephemere
Einbauten“ 01.05.-29.05.
BAD-URACH
Haus auf der Alb
- „´on democracy`“ -11.11.
BARCELONA (E)
Fundación Mapfre
- „Lee Friedlander“ -15.05.
- „Adolf Ma: The eyes of Barcelona“
-15.05.
Museu d‘Art Contemporani
- „In Real Time. Rafael Tous Collection
of Conceptual Art“ -06.06.
BERLIN
Galerie Brockstedt
- „Die Kunst des Vergessens - die
Kunst des Erinnerns“ -25.06.
Gallery Weekend
- „Hamlet Lavastida: Two Two Three
Nine“ -18.06.
Gropius Bau
- „Dayanita Singh: Dancing with my
Camera“ -07.08.
- „Beirut and the Golden Sixties: A
Manifesto of Fragility“ -12.06.
Schwules Museum
- „Encantadas - Transzendentale
Kunst aus Brasilien“ -18.07.
BERN (CH)
Alpines Museum der Schweiz
- „Let‘s Talk about Mountains: Eine
filmische Annäherung an Nordkorea“
-03.07.
- „Frauen am Berg“ -Okt. 2023
- „Das Skivirus. Eine Spurensicherung“
-01.05
Kunstmuseum Bern
- „Jean-Frédéric Schnyder“ -29.05.
- „Heidi Bucher: Metamorphosen I“
-07.08.
- „‚Vivre notre temps!‘ Bonnard, Vallotton
und die Nabis“ 13.05.-16.10.
Zentrum Paul Klee
- „Paul Klee. Menschen unter sich“
-22.05.
- „Gabriele Münter: Pionierin der
Moderne“ -08.05.
- „Kinder kuratieren Klee“
20.05.-04.09.
BIETIGHEIM-BISSINGEN
Städtische Galerie
- „Die Weissenhofer: Playback“
-19.06.
bilbao (e)
guggenheim Museum
- „Jean Dubuffet: Ardent Celebrations“
-21.08.
- „Monira Al Qadiri: Holy Quarter“
-12.06.
- „Motion. Autos, Art, Architecture“
-18.09.