atw - International Journal for Nuclear Power | 03.2022

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information.

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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 20 p In den USA und in Brasilien entspricht die inländische Erzeugung in Summe praktisch der Höhe des Verbrauchs. Seit 1953 waren die USA Netto-Importeur von Energie. Die Versorgung über die Weltmärkte, die mit Öl insbesondere aus dem Mittleren Osten gespeist wurde, spielte eine essentielle Rolle. Diese Abhängigkeit ist Vergangenheit. Im Zuge der stark gewachsenen und weiter steigenden Öl- und Gasförderung sind die USA seit 2020 zum Netto-Exporteur von Energie geworden. 5 p Nettoexporteure aus dem Kreis der G20 sind Kanada, Australien, Indonesien, Russland und Saudi-Arabien. Auch in Südafrika übersteigt die Förderung den Verbrauch des Landes. Eine Netto-Exportbilanz weist Australien insbesondere bei Steinkohle und daneben bei Erdgas auf. Bei Kanada sind es Erdöl und Erdgas sowie außerdem – wenn auch in deutlich geringerem Umfang – Steinkohle. Die USA sind bei Steinkohle und inzwischen zusätzlich bei Erdgas Netto-Exportland. Indonesien exportiert insbesondere Kohle und daneben auch Erdgas. Südafrika ist zwar stark von Öl- und Erdgasimporten abhängig; allerdings übersteigt die Gewinnung an Steinkohle die Nachfrage im eigenen Land deutlich. Per Saldo ist die heimische Energieproduktion in etwa so hoch wie der gesamte Energieverbrauch des Landes. Russland ist Nettoexporteur von Öl, Erdgas und Steinkohle. Saudi-Arabien exportiert drei Viertel der geförderten Erdölmengen. 6 Mit der Beendigung der Nutzung der Kernenergie Ende 2022 und dem schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens Ende 2038 wird sich die Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten künftig weiter vergrößern, zumal die inländische Ölund Erdgasförderung voraussichtlich noch weiter abnehmen. Zwar wird sich der Beitrag der erneuerbaren Energien, die 2021 mit 16 % an der Deckung des Primärenergieverbrauchs in Deutschland beteiligt waren, weiter erhöhen. Der Anstieg wird insbesondere durch den fortgesetzten Ausbau von Wind- und Solaranlagen bewirkt. Diese sich abzeichnende Entwicklung macht aufgrund der fluktuierenden Darbietung dieser erneuerbaren Energieformen die verstärkte Nutzung von Speichermöglichkeiten erforderlich. Unverzichtbarkeit von Erdgas als kurzund mittelfristige Brücke Die Bedeutung von Erdgas zur Energieversorgung in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich erhöht. War dessen Beitrag 1973 noch auf 8,7 % begrenzt, so kletterte der Anteil bis 1990 auf 15,4 %, lag im Jahr 2000 bei 20,7 % und im Jahr 2010 bei 22,3 % und erreichte 2021, gemessen am Primärenergieverbrauch, 26,8 %. Damit hat sich Erdgas zum zweitwichtigsten Energieträger in Deutschland entwickelt. Mineralöl steht trotz der verzeichneten Einbußen an erster Stelle. Die erneuerbaren Energien halten inzwischen den dritten Rang. 7 Erdgas wird in Deutschland vor allem energetisch genutzt (Abb. 11). Haupteinsatzbereich ist die Erzeugung von Wärme. Hierzu wird Erdgas in privaten Haushalten, im Sektor Gewerbe/Handel/ Dienstleistungen (GHD) sowie in der Industrie genutzt. Eine weitere energetische Nutzung von Erdgas stellt dessen Umwandlung in Strom und Fernwärme dar. Im Verkehrssektor kommt Erdgas lediglich eine Nischenfunktion zu. Die Industrie (Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe) ist in Deutschland der Sektor mit der stärksten Erdgas-Nachfrage. 2021 waren dies 372,5 TWh entsprechend einem Anteil von 37,2 % am gesamten Erdgasabsatz von 1.001,0 TWh. Mehr als ein Viertel der energetischen Nutzung von Erdgas in der Industrie entfällt auf die Chemie, vor allem auf die Grundstoffchemie. Gemessen an der Höhe des Verbrauchs folgen die Branchen Ernährung, Papier, Metallerzeugung, Glas und Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden, NE-Metalle/ Gießereien, Metallbearbeitung, Fahrzeugbau sowie Maschinenbau. In der Industrie dient die energetische Nutzung von Energie vor allem der Bereitstellung von Prozesswärme. Auf diesen Anwendungsbereich entfielen 2020 rund 86,5 % des gesamten Endenergieverbrauchs der Industrie. Raumwärme- und Warmwasserbereitung machten zusammen 10,8 % aus. Für mechanische Energie wurden 2,7 % benötigt. Vor allem in der Chemischen Industrie hat neben der energetischen auch die stoffliche Verwendung von Erdgas Relevanz. Etwa 30 % des von der Chemischen Industrie genutzten Erdgases dienen diesem Zweck. Beispiele sind die Gewinnung von 5 Energy Information Administration (2022): Annual Energy Outlook 2022. Washington DC, 2022 6 BP (2021): BP Statistical Review of World Energy. London, July 2021 7 Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen: Auswertungstabellen zur Energiebilanz Deutschland. Stand: September 2021 sowie Jahresbericht 2021, März 2022 Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich

Abb. 11: Energetische Nutzung von Erdgas in den atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai Kundengruppen. Die Anwendung in den Wärmebereichen dominiert. Mechanische Energie 3% Quelle: bdew und AG Energiebilanzen | Abb. 11 Energetische Nutzung von Erdgas in den Kundengruppen. Die Anwendung in den Wärmebereichen dominiert. (Quelle: bdew und AG Energiebilanzen) Ammoniak (zur weiteren Herstellung von Düngemitteln), von Methanol (als Grundstoff zur Essigsäureherstellung und Biodieselproduktion) oder zur Herstellung von Wasserstoff. Der Erdgasverbrauch der privaten Haushalte belief sich 2021 auf 312,1 TWh. In diesem Sektor dient Erdgas vornehmlich der Wohnungsbeheizung. Seit Anfang der 1990er Jahre hat Erdgas das Heizöl als wichtigste Energiequelle für die Wohnungsbeheizung abgelöst. 49,5 % des Wohnungsbestandes in Deutschland wurden 2021 mit Erdgas beheizt. Inzwischen ist Heizöl nur noch in 25 % des Wohnungsbestandes die primäre Heizenergie. Es folgen Fernwärme mit 14 %, Strom- und Elektro- Wärmepumpen mit jeweils knapp 3 % und sonstige Energien, wie Holz, Holzpellets, sonstige Biomasse, und Kohleprodukte, mit 6 %. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (2012 bis 2021) lag der Erdgas-Verbrauch der privaten Haushalte relativ stabil bei rund 300 TWh pro Jahr. Schwankungen um diesen Durchschnittswert erklären sich vor allem durch die jeweiligen Temperaturverhältnisse in den einzelnen Heizperioden. 2020 entfielen 83,8 % des Endenergieverbrauchs an Erdgas im privaten Haushaltssektor auf die Deckung der Raumwärme. 15,4 % dienten der Warmwasser-Bereitung und 0,9 % sind dem Anwendungsbereich Mechanische Energie zuzurechnen. Prozesswärme 1% Warmwasser 5% Prozesswärme 12% Klimatisierung 1% Bei Wohnungs-Neubauten ist der Anteil von Erdgas zugunsten von Strom (vornehmlich Elektro- Wärmepumpen) seit 2015 zurückgegangen. Er lag 2020 aber mit einem Anteil von einem Drittel immer noch fast gleichauf mit Elektro-Wärmepumpen. Im Jahr 2021 ist der Anteil der Elektro- Wärmepumpen bei den neu zum Bau genehmigten Wohnungen auf 43,6 % gestiegen 8 . Erdgas war mit 26,2 % gleichwohl noch die zweitwichtigste Energiequelle bei den neu zum Bau genehmigten Wohnungen. Das bedeutet, dass sich die absolute Zahl der primär mit Erdgas beheizten Wohnungen auch in den kommenden Jahren noch weiter erhöhen wird. Auch bei Fortsetzung der Verbesserung der Effizienz von Heizsystemen und der energetischen Sanierung von Gebäuden wird Erdgas somit in den bevorstehenden Jahren im Haushaltssektor noch in gegenwärtiger Größenordnung nachgefragt werden. Im GHD-Sektor wurden 2021 rund 127,3 TWh Erdgas verbraucht. Auch in diesem Sektor dient Erdgas vornehmlich der Deckung des Bedarfs an Raumwärme. 2020 9 macht der Anteil der Anwendung für die Raumwärme 81 % aus. Auf Warmwasserbereitung entfielen 6 %. Prozesswärme kam auf 12 %. Für Klimakälte und Prozesskälte wurde ein Anteil von 1 % ausgewiesen. Die Anwendung Mechanische Energie war mit lediglich 0,3 % am Erdgasverbrauch dieses Sektors beteiligt. Bild 2 SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 21 8 bdew, Entwicklung der Beheizungsstruktur im Wohnungsneubau: 10-Jahre-Rückblick bis heute, 17. März 2022 9 Die Zahlen für 2021 lagen noch nicht vor. Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich

Abb. 11: Energetische Nutzung von Erdgas in den<br />

<strong>atw</strong> Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai<br />

Kundengruppen. Die Anwendung in den Wärmebereichen<br />

dominiert.<br />

Mechanische<br />

Energie 3%<br />

Quelle: bdew und AG Energiebilanzen<br />

| Abb. 11<br />

Energetische Nutzung von Erdgas in den Kundengruppen. Die Anwendung in den Wärmebereichen dominiert.<br />

(Quelle: bdew und AG Energiebilanzen)<br />

Ammoniak (zur weiteren Herstellung von Düngemitteln),<br />

von Methanol (als Grundstoff zur Essigsäureherstellung<br />

und Biodieselproduktion) oder<br />

zur Herstellung von Wasserstoff.<br />

Der Erdgasverbrauch der privaten Haushalte belief<br />

sich 2021 auf 312,1 TWh. In diesem Sektor dient<br />

Erdgas vornehmlich der Wohnungsbeheizung. Seit<br />

Anfang der 1990er Jahre hat Erdgas das Heizöl als<br />

wichtigste Energiequelle für die Wohnungsbeheizung<br />

abgelöst. 49,5 % des Wohnungsbestandes in<br />

Deutschland wurden 2021 mit Erdgas beheizt.<br />

Inzwischen ist Heizöl nur noch in 25 % des<br />

Wohnungsbestandes die primäre Heizenergie. Es<br />

folgen Fernwärme mit 14 %, Strom- und Elektro-<br />

Wärmepumpen mit jeweils knapp 3 % und sonstige<br />

Energien, wie Holz, Holzpellets, sonstige Biomasse,<br />

und Kohleprodukte, mit 6 %.<br />

Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (2012 bis<br />

2021) lag der Erdgas-Verbrauch der privaten Haushalte<br />

relativ stabil bei rund 300 TWh pro Jahr.<br />

Schwankungen um diesen Durchschnittswert<br />

erklären sich vor allem durch die jeweiligen Temperaturverhältnisse<br />

in den einzelnen Heizperioden.<br />

2020 entfielen 83,8 % des Endenergieverbrauchs<br />

an Erdgas im privaten Haushaltssektor auf die<br />

Deckung der Raumwärme. 15,4 % dienten der<br />

Warmwasser-Bereitung und 0,9 % sind dem Anwendungsbereich<br />

Mechanische Energie zuzurechnen.<br />

Prozesswärme 1%<br />

Warmwasser 5%<br />

Prozesswärme 12%<br />

Klimatisierung 1%<br />

Bei Wohnungs-Neubauten ist der Anteil von Erdgas<br />

zugunsten von Strom (vornehmlich Elektro-<br />

Wärmepumpen) seit 2015 zurückgegangen. Er lag<br />

2020 aber mit einem Anteil von einem Drittel<br />

immer noch fast gleichauf mit Elektro-Wärmepumpen.<br />

Im Jahr 2021 ist der Anteil der Elektro-<br />

Wärmepumpen bei den neu zum Bau genehmigten<br />

Wohnungen auf 43,6 % gestiegen 8 . Erdgas war mit<br />

26,2 % gleichwohl noch die zweitwichtigste Energiequelle<br />

bei den neu zum Bau genehmigten<br />

Wohnungen. Das bedeutet, dass sich die absolute<br />

Zahl der primär mit Erdgas beheizten Wohnungen<br />

auch in den kommenden Jahren noch weiter<br />

erhöhen wird. Auch bei Fortsetzung der Verbesserung<br />

der Effizienz von Heizsystemen und der energetischen<br />

Sanierung von Gebäuden wird Erdgas<br />

somit in den bevorstehenden Jahren im Haushaltssektor<br />

noch in gegenwärtiger Größenordnung<br />

nachgefragt werden.<br />

Im GHD-Sektor wurden 2021 rund 127,3 TWh<br />

Erdgas verbraucht. Auch in diesem Sektor dient<br />

Erdgas vornehmlich der Deckung des Bedarfs an<br />

Raumwärme. 2020 9 macht der Anteil der Anwendung<br />

für die Raumwärme 81 % aus. Auf Warmwasserbereitung<br />

entfielen 6 %. Prozesswärme kam auf<br />

12 %. Für Klimakälte und Prozesskälte wurde ein<br />

Anteil von 1 % ausgewiesen. Die Anwendung<br />

Mechanische Energie war mit lediglich 0,3 % am<br />

Erdgasverbrauch dieses Sektors beteiligt.<br />

Bild 2<br />

SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 21<br />

8 bdew, Entwicklung der Beheizungsstruktur im Wohnungsneubau: 10-Jahre-Rückblick bis heute, 17. März 2022<br />

9 Die Zahlen für 2021 lagen noch nicht vor.<br />

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Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich

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