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Implantologie<br />
19<br />
gilt als Risikofaktor für Implantatempfänger, da die orale Durchblutung<br />
sowie die Immun<strong>re</strong>aktion insgesamt <strong>re</strong>duziert und die Wundheilungs<strong>re</strong>aktion<br />
gestört wird. Implantologen erteilen ih<strong>re</strong>n Patienten entsp<strong>re</strong>chend<br />
Rauchverbote – zumindest vorübergehend wäh<strong>re</strong>nd der Einheilungsphase.<br />
Nach einer Cochrane-Analyse von 2015 erleiden Raucher jedoch auch<br />
langfristig öfter Implantatverluste als Nichtraucher durch einen höhe<strong>re</strong>n<br />
marginalen Attachmentverlust (Chrcanovic et al. Smoking and dental implants:<br />
A systematic <strong>re</strong>view and meta-analysis. J Dent 2015; 43(5):487-<br />
98). Eine weite<strong>re</strong> Untersuchung aus dem Jahr 2020 wies eine Kor<strong>re</strong>lation<br />
zwischen der Häufigkeit eines Implantatversagens mit der Anzahl der<br />
täglich gerauchten Ziga<strong>re</strong>tten nach (Naseri et al. Levels of smoking and<br />
dental implants failu<strong>re</strong>: A systematic <strong>re</strong>view and meta-analysis. J Clin Periodontol<br />
2020;47(4):518-528).<br />
Wie lassen sich die Risiken für einen Impantatverlust<br />
verringern?<br />
In einer frühe<strong>re</strong>n Ausgabe des <strong>re</strong>call Magazins wurde be<strong>re</strong>its auf den<br />
Einfluss der sogenannten BoP (Biomarkers of Exposu<strong>re</strong>) des Tabakrauchs<br />
und die BoPH (Biomarkers of potential harm) eingegangen. Insbesonde<strong>re</strong><br />
die unvollständigen Verb<strong>re</strong>nnungsprodukte, die zur Parodontitis und dem<br />
Risiko eines Zahnverlusts füh<strong>re</strong>n, schaden sowohl beim Einheilen des Implantats<br />
als auch später der Stabilität.<br />
Wie bei der Parodontitis bestimmen auch genetische Fakto<strong>re</strong>n das Risiko<br />
einer Periimplantitis. So wurde bei Rauchern mit einem positiven<br />
IL-1-Genotyp ein stark gesteigertes Risiko für Implantatkomplikationen<br />
entdeckt. So dürfte es für jeden Raucher einen eigenen Schwellenwert<br />
geben, ab wann die Gesundheit kippt (Gruica et al. Impact of IL-1 genotype<br />
and smoking status on the prognosis of osseointegrated implants.<br />
Clin Oral Implants Res. 2004; 15(4):393-400). In dieser Studie mit 180<br />
Patienten wa<strong>re</strong>n 53 Raucher, die je nach Intensität des Rauchens in eine<br />
Reihe von Klassen eingeteilt wurden und 127 wa<strong>re</strong>n Nie-Raucher. 64<br />
von 180 (36 Prozent) Patienten wurden positiv auf den IL-1-Genotyp-<br />
Polymorphismus getestet. Dieser Wert entspricht der Prävalenz in Bevölkerungsgruppen<br />
europäischer Abstammung. Die Ergebnisse für die<br />
Gruppe der Nichtraucher zeigten keine signifikante Kor<strong>re</strong>lation zwischen<br />
Implantatkomplikationen und einem positiven IL-1-Genotyp. Bei<br />
den starken Rauchern gab es jedoch einen eindeutigen Zusammenhang<br />
zwischen einem positiven IL-1-Genotyp und Implantatkomplikationen.<br />
Bei 6 von 12 beziehungsweise der Hälfte der starken Raucher und IL-<br />
1-Genotyp-positiven Patienten kam es wäh<strong>re</strong>nd des Nachbeobachtungszeitraums<br />
entweder zu einem Implantatversagen oder zu einer<br />
biologischen Komplikation. Dies legt den Schluss nahe, dass es einen<br />
synergistischen Effekt zwischen einem positiven IL-1-Genotyp und<br />
Rauchen gibt, wodurch Zahnimplantate einem höhe<strong>re</strong>n Risiko für biologische<br />
Komplikationen ausgesetzt sind. Zwar kann man genetische<br />
Risiken nur schwer vermeiden, bemerkenswert und für die Praxis ist<br />
entscheidend jedoch, dass durch die Rauchabstinenz die genetischen<br />
Risiken weniger zum Risiko beitragen.<br />
Aus der be<strong>re</strong>its zuvor zitierten Untersuchung von Simensen et al. von<br />
2015 geht auch hervor, dass Fakto<strong>re</strong>n wie besse<strong>re</strong>s Beißen können und<br />
das ästhetische Erscheinungsbild die Entscheidung zum Implantat motivie<strong>re</strong>n.<br />
Eine vorübergehende Rauchabstinenz aufgrund eines „Rauchverbots“<br />
des Behandelnden wird dabei in Kauf genommen. Die Suchbegriff<br />
„Analyse” legt jedoch nahe, dass zumindest langfristig seitens der Patienten<br />
ungern auf das Rauchen verzichtet wird.<br />
Soll man also Rauchern eine implantologische Behandlung vo<strong>re</strong>nthalten,<br />
wenn eine gute Compliance (Rauchverzicht) unwahrscheinlich ist? In einigen<br />
Fällen mag diese Frage bejaht werden. Ande<strong>re</strong>rseits kann das neue<br />
Gebiss mit Implantaten ein guter Wendepunkt im Leben sein, mit den<br />
schönen neuen Zähnen einen neuen gesundheitsbewusste<strong>re</strong>n Lebensabschnitt<br />
zu beginnen und mit dem Rauchen aufzuhö<strong>re</strong>n. Jeder kleine<br />
Schritt, der zur Reduzierung des Rauchens führt, kann dabei hilf<strong>re</strong>ich sein.<br />
Das belegen Studien zum Parodontalstatus von Rauchern, Nichtrauchern<br />
und Verwendern von THR-Produkten (BinShabib et al. Clinical periodontal<br />
status and gingival c<strong>re</strong>vicular fluid cytokine profile among ciga<strong>re</strong>tte-smokers,<br />
electronic-ciga<strong>re</strong>tte users and never-smokers. Arch Oral Biol 2019;<br />
102:212-217).<br />
Fazit<br />
Das Rauchen von Tabak ist nicht nur ein Risikofaktor für Parodontitis,<br />
sondern gefährdet gleichermaßen Zahnimplantate. Tabakabstinenz ist<br />
klar indiziert. Doch auch wenn der vollständige Verzicht auf das Rauchen<br />
die meisten Vorteile bietet, ist das Konzept der Tobacco Harm Reduction<br />
mit potenziell risikogeminderten, rauchf<strong>re</strong>ien Nikotinprodukten (zum Beispiel<br />
Tabakerhitzer oder E-Ziga<strong>re</strong>tten) als Übergangslösung sinnvoll. Denn<br />
aufgrund ih<strong>re</strong>r geringe<strong>re</strong>n Emissionen und weniger schädlichen Auswirkungen<br />
auf den Körper sind sie akzeptabel, wenn sie einen Rückfall zum<br />
Rauchen verhindern oder um überhaupt diejenigen Raucher zu er<strong>re</strong>ichen,<br />
die keinerlei Inte<strong>re</strong>sse an einem vollständigen Rauchstopp haben.<br />
Dr. <strong>re</strong>r. nat. Dinah Murad<br />
Chemikerin & Mikrobiologin<br />
med2market scientific marketing consulting,<br />
Milanweg 1· 72076 Tübingen<br />
E-Mail: murad@med2market.de<br />
www.med2market.de<br />
E-Mail: lisakinom@gmail.com<br />
Dr. med. dent. Elisabeth Winter<br />
Zahnärztin<br />
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