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12 Ernährung und orale Gesundheit Hauptsächlich werden die ätherischen Ölverbindungen über Niere und Lunge ausgeschieden. Außer der Zielwirkung auf ein bestimmtes Organ oder Areal beeinflussen die Substanzen auch Hirnareale und können das vegetative Nervensystem sowie die Stimmungslage beeinflussen. Dadurch können verschiedene Neurotransmitter ausgeschüttet werden, die eine schmerzstillende, euphorisierende, sedierende, aphrodisierende oder anregende Wirkung haben. Ätherische Öle sollten sparsam verwendet werden, denn in großen Mengen wirken sie toxisch und zwar besonders auf Nieren, Lungen und Zentralnervensystem. Es kann auch zu allergischen Reaktionen führen. Außerdem sollte man vorsichtig während einer Schwangerschaft, Stillzeit oder bei Kleinkindern damit umgehen beziehungsweise ärztlichen Rat einholen. Lakhdar et al. beschrieben hierzu 2012 in Form eines Reviews die antibakterielle Aktivität essentieller Öle gegen parodontale Pathogene. Die folgenden ätherischen Öle lagen dabei im Fokus: Bohnenkraut, griechischer Salbei, Lavendel, Myrte, Wacholder, Menthol, Thymol, Eukalyptus, Zitrusöl, Sicheltanne, Beifuß, Wunderstrauch, Manuka Honig, Teebaum, Eukalyptus, Rosmarin und Eugenol (Lakhdar et al., 2012). Beispiele für die Mundhöhle: Salbei, Thymian, Kamille, Melisse. Widerstandsfähigkeit der Schleimhäute durch Gerbstoffe erhöhen Gerbstoffe bestehen aus Verbindungen, die einen zusammenziehenden Geschmack haben. Sie wurden früher zum Gerben von Leder verwendet, wodurch die Tierhäute haltbar gemacht wurden. Gerbstoffe sind in heißem Wasser gut löslich und in Ethanol. Die zusammenziehende, also adstringierende Wirkung entsteht durch die Vernetzung von Eiweißbausteinen in der Oberflächenschicht von Haut und Schleimhäuten. Dadurch entwickelt sich eine schwer lösliche, abdichtende Membran und es wird die Durchlässigkeit und Anhaftung für Pathogene erschwert. In größerem Stil macht man sich diese Wirkung bei der Ausscheidung von Giften zunutze. Die Gerbstoffe bilden mit Schwermetallen und anderen Toxinen schwer lösliche Verbindungen, welche dann ausgeschieden werden können, somit werden sie als Antidot bei Vergiftungen eingesetzt. Außerdem können sie auch auf diesem Wege die Resorption von Arzneistoffen verzögern. Für die Mundhöhle ausschlaggebend ist der schleimhautprotektive Vorteil der Gerbstoffe, wie die antibakterielle und pilz- sowie virushemmende Wirkung. Beispiele für die Mundhöhle: Salbei, Brombeere, Odermennig. Abschließend kann man sagen, dass die Grenzen zwischen Prävention, Therapie, Ernährung, Lebensstil und Heilpflanzenkunde durch die zuvor erläuterten Sachverhalte deutlich verschwimmen. Ich würde sogar sagen, es gibt kaum merkliche Grenzen zwischen den Themen. Genau deswegen sollten therapeutische Strategien immer ganzheitlich erfolgen. Es gibt keine Gesundheit nur für ein spezifisches Organ des Körpers. Entweder ist der gesamte Organismus gesund oder nicht. Denn alles ist ein Ganzes. Jede Aktion beeinflusst alle anderen, sei es als Reaktion oder weitere Aktion. Es gibt keine getrennten oder lokalisierten Aspekte im Leben. Alles beeinflusst alles. Weil alles eins ist − ein ewiger Kreislauf. Praktischer Tipp: Begleitend könnt ihr innerhalb der Praxis mit den Patienten eine Art Wechselkur machen. Diese ist so simpel wie brillant. Ablauf: schützen, heilen, gerben – jeweils eine Woche. 1. Schützen: Sucht euch zu jedem Teil eine Pflanze für euren Patienten aus der Liste aus. 2. Heilen: Der Patient kauft sich die Pflanzen als Tee in der Drogerie/ Apotheke. 3. Gerben: Je eine Woche spült euer Patient mit dem jeweiligen Teeauszug morgens und abends 1 Minute. Beispiel: Patient XY mit Gingivitis bekommt begleitend die Wechselkur empfohlen: • Isländisch Moos • Kamille • Brombeerblätter Zusätzlich erhält der Patient eure individuellen Mundgesundheits- und Ernährungstipps. Ihr könnt nach jeder Woche eine Kontrollsitzung vereinbaren, sodass der Patient gut betreut bleibt. Und zum Schluss Indices erheben, um ein Feedback geben zu können, ob sich etwas verändert hat und inwiefern. Das ist eine tolle Compliance-Übung, weil ihr den Patienten zur Eigenverantwortung aufruft und man das Gefühl hat, tatsächlich etwas zu seiner eigenen Gesundheit beitragen zu können! Substanz Vorkommen Wirkung Ätherische Öle Gerbstoffe Schleimstoffe Flavonoide Kamillenblüten, Salbeiblätter, Arnikablüten, Thymiankraut, Myrrhe Brombeerblätter, Heidelbeeren, Rhabarberwurzel, Rathaniawurzel, Tormentillwurzelstock Eibischwurzel, Malvenblüten- und Blätter, Isländisch Moos Grüntee, Arnika, Weißdorn, Kamille, Birkenblätter Polyphenole Heidelbeeren siehe Tabelle 1 entzündungshemmend, antibakteriell, antiviral adstringierend durch Vernetzung der Polypeptidketten von Haut und Schleimhaut, antiphlogistisch antibakteriell antiviral schleimhautprotektiv, reizmildernd siehe Tabelle 1 Roxane Pfeiffer holistic health coach & Akademisierte Dentalhygienikerin SALUTOGENESIS Tel.: +49 151 517 128 30 E-Mail: roxanepfeiffer@yahoo.com Instagram: saluto.genesis www.facebook.com/recallmagazin
Ernährung und orale Gesundheit 13 Die Zunge und das orale Mikrobiom Sie sind Dentalhygienikerin und kratzen täglich von den Zähnen ihrer Patienten harte und weiche Beläge ab und in ganz harten Fällen setzen sie gar Antibiotika ein? Dann ist es Zeit, sich intensiv Gedanken über ihr tägliches Wirken zu machen. Die kurz- und mittelfristige Wirkung von „Scaling und Root Planning“ ist allseits bekannt und gut wissenschaftlich dokumentiert. Sie ist die Basis dieses täglichen Tuns. Text Prof. Dr. Werner Birglechner Bilder Medical School 11 Seit einigen Jahren rückt aber ein neues Thema in den Blickpunkt der Forschung: das orale Mikrobiom. Die Erkenntnis, dass unsere Mundgesundheit eng mit dem oralen Mikrobiom verfl ochten ist, etabliert sich Zusehens. Die neuen Erkenntnisse führen auch dazu, bestimmte Therapieformen und Maßnahmen kritischer zu beurteilen oder aber neue zu empfehlen. Das Mikrobiom selbst ist ein äußerst komplexes und ebenso lebensnotwendiges Ökosystem und bezeichnet alle auf unseren Häuten und Schleimhäuten angesiedelten Mikroben. Also Bakterien, Pilze, Viren, Archaebakterien und Protozoen, samt Ausscheidungsprodukten. Der Darm als Schleimhaut zeigt dabei die größte Bakteriendichte auf, eng gefolgt vom Mikrobiom der Mundhöhle. In der Mundhöhle selbst überziehen die Mikroben die gesamte orale Mukosa und die Zahnoberfl ächen. Der Zunge kommt dabei auch aufgrund Ihrer besonderen Morphologie mit ihren tiefen Krypten eine ganz besondere Rolle als Rückzugsreservoir zu. Deshalb befi nden sich auf der Zunge auch circa 60 bis 70 Prozent des oralen Bakterienreservoirs. Aktuell betrachtet man lokale Erkrankungen wie Karies oder Parodontitis oft als „lokale Ereignisse am Symptomort“ und entsprechend leitet man auch örtlich fokussierte Maßnahmen ab. Die biologisch-physiologischen Zusammenhänge werden dabei nicht oder nicht immer einbezogen. Genau hier setzt aber die neue Denkweise an. Alle Häute und Schleimhäute sind eng miteinander verknüpft. Sie sind immunologisch miteinander vernetzt, kommunizieren und interagieren. Sie sind funktionell verbunden. Deshalb überrascht es wenig, dass Wechselbeziehungen zwischen Parodontitis und systemischen Erkrankungen wie zum Beispiel Adipositas, Typ-2-Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen nachgewiesen werden können. Orale Mikroben werden verschluckt und können somit das Intestinum kolonisieren, dort die Darmmikrobiota verändern und dadurch auch das Immunsystem beeinfl ussen und sogar Krankheiten initiieren oder deren Verlauf modellieren. Alte Traditionen und neue Methoden Zwar steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen, aber sie entwickelt sich dynamisch, auch weil neue Methoden zur Analyse und Beurteilung des Mikrobioms zur Verfügung stehen. So eröffnet zum Beispiel „Gene Sequencing“ neue Möglichkeiten. Es ist erst seit wenigen Jahren www.recall-magazin.de
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