iMAG 2011/01

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36 Goldenes Gässchen Dem, der zwischendurch eine Pause von so viel Geschichtsträchtigkeit braucht, sei eine Fahrt mit der Prager Metro empfohlen. Ein äußerst erfrischendes Erlebnis! Auf gefährlich schnellen Rolltreppen rast man tief hinunter in ein Röhrensystem, durch das bei der Ankunft einer Bahn ein kalter Wind pfeift. Vor der Abfahrt ertönt jedes Mal ein Satz aus dem Lautsprecher, der für viele ausländische Pragbesucher der Einstieg in die tschechische Sprache ist: Ukončete výstup a nástup, dveře se zavírají! („Beenden Sie den Ein- und Ausstieg, die Türen schließen sich!“). Das krasse Design der Prager Metrostationen mutet auf altmodische Weise futuristisch an - so hat man sich 1966, bei Baubeginn, die Zukunft vorgestellt. Was jedoch besonders auffällt, ist das, was die Einheimischen während der Fahrt tun: Sie lesen Bücher. Prag ist eben auch eine Stadt der Literatur. In den Buchhandlungen herrscht ständig Hochbetrieb, und es gibt dort sehr viele Antiquariate, die wunderschöne Bücher aus vergangenen Zeiten verkaufen, Literatur wie Wissenschaftliches, herrliche Bildbände, kostbare Grafiken. Und schon ist man wieder mittendrin im „Alten“. Prager Brücken Blick auf die St. Nikolaus-Kirche Wahrscheinlich trifft man beim Stöbern auch auf Geschichten von Bohumil Hrabal (1914-1997), der mit dem „Bafeln“ seinen eigenen literarischen Stil erfand. Seine Bücher sind dem Volk vom Maul abgeschrieben; sie sind, so Christoph Bartmann, „aus dem Sprachgrundwasser der Großstadt geschöpft“. Selbst mit seinem Tod, der oft als der vierte Prager Fenstersturz bezeichnet wird, hat Hrabal noch für Erzählstoff gesorgt. Er fütterte am Fenster seines Krankenhauszimmers im fünften Stock Tauben, und ob er dabei versehentlich in die Tiefe stürzte oder den Freitod wählte, wird wohl nie geklärt werden. Man nannte ihn auch den Stammtischfürsten vom Goldenen Tiger, wo man ihn noch Anfang der Neunziger im Kreis seiner Freunde sitzen sehen konnte. Was die legendäre Kneipe U zlatého tygra noch auszeichnet, ist ihr hervorragendes Schnitzel im Kartoffelpuffer. Doch eine tschechische Kneipe ist nicht wegen ihres Essens gut angesehen, sondern wegen ihres unvergleichlich gut gezapften Bieres. In Prag trinkt man nicht zum Essen. Man isst zum Trinken. Deshalb sei an dieser Stelle die rustikale Schänke U černého vola („Zum schwarzen Ochsen“) auf dem Loretánské Námesti erwähnt. Auch hier kehren zwar Touristen ein, doch haben die Einheimischen an den blank gescheuerten Holztischen die Oberhand. Der Wirt gibt sich zunächst brummig, aber ab der dritten Runde Velkopopovicky Kozel wird er – wie viele seiner Berufskollegen – immer freundlicher.
35 Königliche Gärten unter dem Hradschin
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