Orte der Magie Pirmina Caminada hat ihre Erfahrungen mit der Natur, mit Menschen und Kraftorten im Buch «Orte der Magie» festgehalten. Es ist im Werd & Weber Verlag erschienen. Ausserdem gibt sie Räucherseminare und bietet Führungen zu Orten der Magie in der Val Lumnezia an. → www.pirmina.ch In der Natur daheim: «Ich bin in diese Liebe zur Schöpfung hineingewachsen.» 44 www.rhb.ch/contura
Konfliktpotenzial zur Genüge Nun ist es ja nicht so, dass Sitzungen mit Pirmina Caminada in Wortschlachten ausarten oder gar in verbales Gemetzel. Aber der Beruf als Wildhüterin birgt natürlich Konfliktpotenzial: «Wenn ich ahne, dass eine Sitzung schwierig werden könnte, räuchere ich schon mal ein Sitzungszimmer präventiv aus.» Nicht immer nimmt sie Kräuter. Manchmal tun es auch gesunder Menschenverstand und Überzeugungskraft. Dann etwa, wenn Regeln oder Vorschriften durchgesetzt werden müssen. «Es sind oft kleine, aber essenzielle Dinge», sagt die Wildhüterin: «Bauern müssen zum Beispiel ihre Siloballen so schützen, dass das Wild nicht an das Haustierfutter herankommt. Sonst können sich Krankheiten – etwa die Tuberkulose – auf das Vieh übertragen.» Mit den Jägern, die sie überwachen muss, kommt die Wildhüterin gut zurecht. Konflikte ergeben sich eher, wenn sie auf die immer häufiger werdende Spezies Mensch trifft, die dem coronabedingten Dichtestress der Städte entkommen will. Diese Menschen tauchen dann auf Tourenskis und Schneeschuhen in den Bergtälern auf und verlaufen sich bewusst oder unbewusst in Wildschutzgebiete. «Um zu flüchten, verbraucht das aufgeschreckte Wild dann oft die letzten Kraftreserven. Energien, die über Leben und Tod entscheiden können.» Aber die Wildhüterin ist nicht einfach die böse Frau, die in solchen Fällen eine Verzeigung macht. «Es geht auch darum, die Menschen aufzuklären. Etwa darüber, dass wir im Tal ab und zu blinde Gämsen haben und dass diese grossräumig umgangen werden müssen, um sie nicht unnötig zu stressen.» Der Wolf ist da Die Wildhüterin ist auch gefragt, wenn der Wolf Rehe reisst und die Überreste seiner Mahlzeit mitten im Skigebiet liegen lässt. «Dann werde ich gerufen und bevor die ersten Skifahrerinnen und Skifahrer kommen, räume ich alles weg und reinige den Schnee vom Blut so gut es eben geht.» Das Thema Wolf ist in Graubünden ein heikles. Aber Caminada hat ein pragmatisches Verhältnis zu Meister Isegrim: «Ich bin nicht für oder gegen den Wolf», sagt sie. Das Tier, das langsam, aber sicher seine alte Heimat zurückerobert, sei einfach Teil ihrer Arbeit. Etwas vom Wichtigsten sei, dem Wolf beizubringen, dass Schafe, Kälber oder Geissen nicht nur nicht in sein Beuteschema passen. Er solle auch realisieren, dass von diesen Haustieren eine Gefahr für ihn ausgehe. «Wenn ich mit Gummischrot und allenfalls mit scharfer Munition einen sich auffällig verhaltenden Wolf vergräme, darf er nicht merken, dass ich es war. Er muss das mit dem Tier in Verbindung bringen, das er gerissen hat oder eben reissen wollte.» Sobald ein Rudel, das ungefähr 250 Quadratkilometer beansprucht und verteidigt, diese Erkenntnis internalisiert hat, ist es viel weniger übergriffig als ein einsamer durchziehender Wolf. Das Herz lügt nicht Während die Wildhüterin von ihrem Tal redet, von Kraftorten, von Wolf und Hirsch, Hase und Fuchs erzählt, wird klar, wie sehr sie in der Natur daheim ist. «In diese Liebe zur Schöpfung bin ich hineingewachsen», sagt sie. «Schon als Kind war klar, dass wir beim Heuen auf Bodenbrüter, neugeborene Hasen oder Kitze aufpassen und sie in Sicherheit bringen. Dieser sorgsame Umgang mit der Natur, aber auch mit Menschen ist mir unglaublich wichtig.» Noch ist nicht alles gesagt, gefühlt, gespürt. Noch lange nicht. Aber der Tag macht sich unwiederbringlich davon. Erste Schatten schleichen sich ins Tal des Lichts und Leyla, Caminadas Labradorhündin, wird unruhig. Es wird Zeit. Zeit zu gehen. Beim Abschied sagt die Hüterin des Wildes dann noch einen Satz, der wie ein Schlüssel zum Verständnis ihres Wesens ist: «Ich höre bei wichtigen Entscheidungen immer auf mein Herz. Das hat mich noch nie betrogen.» (ba) Ich höre bei wichtigen Entscheidungen immer auf mein Herz. Das hat mich noch nie betrogen. Natur 45