Contura DE Frühling/Sommer 2022
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Eine Sache<br />
des Herzens<br />
Natur<br />
Eine Begegnung mit Pirmina Caminada ist auch ein<br />
Rendezvous mit ihrem Tal, ihrer Herkunft und der<br />
Natur. Die Frau, die in der Val Lumnezia unter anderem<br />
das Wild hütet, ist kaum je laut. Sie beeindruckt<br />
durch ihre Präsenz und ihr Wissen um die Kräfte der<br />
Natur.<br />
Einer wie Pirmina Caminada wäre früher der Scheiterhaufen<br />
sicher gewesen: Wildhüterin, Kräuterfachfrau,<br />
Buchautorin, Jägerin, Kennerin von Kraftorten, Räucherfrau<br />
und eine Ausstrahlung, die Steine erweichen<br />
kann. Herzen wohl auch. Dazu lange, zu einem Zopf<br />
geflochtene dunkle Haare, zwischen denen die Lebensjahre<br />
bereits etwas Schnee hinterlassen haben.<br />
In ihren Augen liegt oft etwas Fragendes. Aber es ist<br />
nicht mehr früher. Gott sei Dank. Wobei: Die Mutter<br />
von zwei Töchtern knüpft mit vielem, was sie tut, an<br />
überlieferte Erfahrungen an.<br />
Pirmina Caminada<br />
Wildhüterin, Kräuterfachfrau,<br />
Buchautorin, Jägerin,<br />
Kennerin von Kraftorten und<br />
Räucherfrau<br />
Überliefertes Kräuterwissen<br />
Bei einem Streifzug durch den Wald bei Cumbel erzählt<br />
die Frau, die zuhinterst in der Val Lumnezia geboren<br />
wurde: «Wer früher in einem abgelegenen Tal<br />
lebte, musste sich selbst helfen. Meine Vorfahren<br />
wussten genau, welche Kräuter, Früchte, Harze oder<br />
Beeren frisch, getrocknet, als Aufguss oder mazeriert<br />
gegen welche Krankheit nützten», schaut die Wildhüterin<br />
zurück auf ihre Kindheit. Bevor jeweils ein neues<br />
Jahr gegen das alte eingetauscht wurde, räucherten<br />
ihre Eltern die Zimmer auf dem Hof aus. Und so macht<br />
sie es heute auch selbst. «Es geht darum, die Räume<br />
zu harmonisieren, von Bakterien oder Viren zu befreien.<br />
Je nach Kräutern wende ich das Räuchern aber<br />
auch für seelisches Wohlbefinden, für glückliche Momente<br />
und Genuss an.»<br />
Pirmina Caminada aber wurde in eine Zeit hineingeboren,<br />
in der die Wohlgerüche zunehmend aus der<br />
Spraydose und die Gesundheit aus der Chemiefabrik<br />
kamen. Doch bevor das Wissen um die traditionellen<br />
Heilmethoden verloren ging; bevor synthetische Billigdüfte<br />
aus dem Warenhaus das Räuchern mit Salbei,<br />
Wacholder oder Meisterwurz ablösten, ging sie<br />
der Sache auf den Grund. In der zweijährigen Kräuterakademie<br />
vertiefte sie ihr Kenntnisse und eigene<br />
Nachforschungen brachten Erstaunliches zutage. Zum<br />
Beispiel das: «Lange wurden nicht nur Räumlichkeiten<br />
geräuchert. Nach dem Schlachtgemetzel etwa hat<br />
man in früheren Zeiten mit dem Duft von Kräutern die<br />
negativen Energien neutralisiert.»<br />
42 www.rhb.ch/contura