Contura DE Frühling/Sommer 2022
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Rettung für die Gletscher?<br />
Felix Keller hat sein ganzes Leben lang den Gletschern<br />
beim Sterben zusehen müssen und hat es irgendwann<br />
nicht mehr ausgehalten. Jetzt ist er dabei,<br />
gegen alle Widerstände ein Rettungsprojekt<br />
unter dem Namen «MortAlive» umzusetzen. Eigentlich<br />
ist es ganz einfach: «Eine Schneedecke ist der<br />
beste Schutz des Gletschers. Also muss man nur den<br />
Gletscher beschneien. Dann kann das Eis darunter<br />
nicht schmelzen.» Aber einen Gletscher beschneien?<br />
Wie soll das gehen? Indem man Verbündete sucht.<br />
Etwa den Holländer Johannes Oerlemans von der Universität<br />
Utrecht, der die weltweit längsten Messreihen<br />
zur Energiebilanz der Gletscher erarbeitet hat.<br />
Die beiden Glaziologen können aufzeigen, dass eine<br />
sommerliche Schneedecke in 2300 bis 2500 Metern<br />
Höhe die Abschmelzung bremst. Allenfalls gar stoppt.<br />
Doch was einfach tönt, ist komplex. «Ich war manchmal<br />
kurz davor, aufzugeben», sagt Keller, als wir auf<br />
2400 Metern angekommen sind. «Je intensiver ich<br />
mich mit dem Problem befasste, desto unüberwindlicher<br />
schienen die Schwierigkeiten zu werden.» Sisyphos<br />
grinst aus einem Gletscherspalt.<br />
ratsch. «Wir hier in der Schweiz könnten schon ohne<br />
Gletscher überleben. Aber 220 Millionen Menschen<br />
am Himalaja, die ihre Felder direkt mit Gletscherwasser<br />
versorgen, die haben keine Chance; sie würden<br />
verhungern.» Eine nächste Völkerwanderung zeichne<br />
sich schon ab. «Es wäre grossartig, wenn die Schweiz<br />
ein Verfahren entwickeln könnte, um Gletscher als<br />
Süsswasserspeicher für kommende Generationen zu<br />
erhalten», meint Keller. Sagt’s und geht voran. (ba)<br />
Gletscherpflege für Menschen in Not<br />
Insbesondere in Zentralasien (Himalaja) und Südamerika<br />
(Anden) sorgen schwindende Gletschermassen<br />
für bedrohliche Zustände bei der Wasserversorgung.<br />
Bereits in wenigen Jahrzehnten sind bis zu 221<br />
Millionen Menschen im Himalajagebiet von einer Verknappung<br />
der Trinkwasserversorgung direkt betroffen.<br />
Durch das Abdecken der dortigen Gletscher mit<br />
Schnee könnte das Schmelzen stark – um bis zu 50<br />
Jahre – verzögert werden.<br />
→ www.mortalive.ch<br />
So könnte es gehen<br />
Doch um eine lange Geschichte von Fort- und Rückschritten<br />
kurz zu machen: An beiden Seiten des Gletschers<br />
werden auf der Höhe von 2400 Metern Seile<br />
aufgehängt. An diesen sind Schneidüsen befestigt,<br />
die mithilfe von genügend Wasserdruck Schnee produzieren.<br />
Das nötige Wasser liefert der schmelzende<br />
Persgletscher. Der so mit einer meterhohen Schneedecke<br />
geschützte Gletscher hat eine Fliessgeschwindigkeit<br />
von 70 Metern pro Jahr. Er schmilzt nicht mehr<br />
ab und seine Zunge wächst wieder talwärts. Noch ist<br />
es nicht so weit, noch müssen unzählige technische<br />
Probleme gelöst werden. Aber Keller lässt sich nicht<br />
entmutigen, bringt Politiker, Fachleute, Behörden<br />
und Geldgeber zusammen. «Das elektrische Licht,<br />
der Eisenbahntunnel durch den Gotthard, das Handy<br />
in unseren Taschen – all das würde es nicht geben,<br />
wenn nicht eine Handvoll Menschen unerschütterlich<br />
daran geglaubt hätten», sagt Keller. Ihm geht es<br />
aber nicht nur um seinen Heim-Gletscher, den Morte-<br />
Prossima fermata –<br />
Bernina Glaciers<br />
Ein ganzer Erlebnisraum rund<br />
um die Faszination Gletscher<br />
→ www.bernina-glaciers.ch<br />
Bernina 21