Der vierfache Freestyle- Weltmeister und seine ... - peter lintner
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<strong>Der</strong> <strong>vierfache</strong> <strong>Freestyle</strong>-<br />
<strong>Weltmeister</strong> <strong>und</strong> <strong>seine</strong><br />
Familienbande im Portrait.<br />
ackson<br />
uPErstar Foto:<br />
<strong>Der</strong> uS-Paddler Eric Jackson<br />
interessiert sich nur für drei Dinge:<br />
paddeln, paddeln <strong>und</strong> paddeln. Erst auf<br />
Platz vier kommt die Familie – deren<br />
Prioritäten aber ähnlich gelagert sind ;-)<br />
70 Kanu-magazin 2/2009 Kanu-magazin 2/2009 71<br />
Peter Lintner
Als Eric Jackson<br />
sechs Jahre alt war,<br />
hatte er fürchterliche<br />
Angst vor Achterbahnen.<br />
Wenn sein Vater ihn zu einer Fahrt überreden<br />
wollte, fing Eric – obwohl sonst eher unerschrocken<br />
– füchterlich an zu heulen. Eines Tages kam Erics<br />
Vater von der Arbeit zurück <strong>und</strong> schlug <strong>seine</strong>m<br />
Sohn eine gemeinsame Wildwasser-Kanutour vor.<br />
Erics kindliche Vorstellung von Wildwasser war<br />
»Achterbahn«. Ängstlich fragte Eric, wie schnell<br />
ein Kanu sei. »Ungefähr 15 St<strong>und</strong>enkilometer.«<br />
Achterbahnen sind 100 St<strong>und</strong>enkilometer schnell,<br />
reimte sich Eric zusammen, ergo ist Wildwasserpaddeln<br />
was für Schlappschwänze – <strong>und</strong> Eric<br />
willigte ein. Es war der Anfang einer beispiellosen<br />
Paddelkarriere, bei der sich Eric alles andere als<br />
»schlappschwänzig« anstellte.<br />
Selbstzweifel <strong>und</strong> Ängste plagen den heute<br />
45-Jährigen kaum noch. Warum auch? EJ ist <strong>vierfache</strong>r<br />
<strong>Freestyle</strong>-<strong>Weltmeister</strong>, war fast ein Jahrzehnt<br />
lang Mitglied des amerikanischen Slalom-<br />
Nationalteams, nahm 1992 an den Olympischen<br />
Spielen in Barcelona teil, entwarf für Wavesport<br />
Boote wie den »X« <strong>und</strong> gründete schließlich mit<br />
»Jackson Kayak« eine erfolgreiche Kajakfirma. Aus<br />
<strong>seine</strong>r Kindheit hat er statt Ängsten eine große<br />
Portion Unbekümmertheit in sein Leben als Erwachsener<br />
gerettet. Und sobald die Uhr beim<br />
Wettkampf tickt, ist EJ immer noch ein großes<br />
Kind, das nur schlecht verlieren kann. Manche<br />
empfinden <strong>seine</strong> großspurige Art als übertrieben.<br />
Stets sucht er das Rampenlicht, ständig gibt er den<br />
Showman. Aber da ist wohl auch viel Neid auf<br />
<strong>seine</strong> sportlichen Erfolge <strong>und</strong> sein glamouröses<br />
Leben dabei. Dabei ist er ein herzlicher, offener<br />
Mensch, der sich selbst nicht zu schade ist, auch<br />
vor großen Wettkämpfen anderen Paddlern mit<br />
Tipps zu helfen. Und es gibt wenige Menschen,<br />
die ihren Sport so lieben <strong>und</strong> sich so vehement für<br />
ihn einsetzen.<br />
Zurück in die Jugend. Eric verdiente sich <strong>seine</strong><br />
ersten Sporen im Wildwasser zusammen mit<br />
<strong>seine</strong>m Vater als eingespieltes Kanadierteam. Erst<br />
mit 15, der Vater hatte gerade den Kanadier ge-<br />
»ich will jeden tag<br />
spielen. tagsüber,<br />
abends, die ganze<br />
Woche lang – <strong>und</strong><br />
Paddeln ist mein<br />
Lieblingsspiel.«<br />
schrottet, gab es die erste Kajakausrüstung: einen<br />
laminierten Lettmann Mark IV, dazu den ersten<br />
Neoprenanzug, Helm, Paddeljacke <strong>und</strong> Schuhe.<br />
Davor trug er bei kalten Temperaturen Skihose,<br />
Daunenjacke <strong>und</strong> Skimütze – sicher ist sicher. EJs<br />
Bewegungstalent ist universell, aber fürs Kajakfahren<br />
schien er eine besondere Begabung zu besitzen.<br />
Die Eskimorolle beispielsweise lernte er im<br />
Verein der »Merrimack Valley Paddlers« innerhalb<br />
von nur zehn Minuten. Bis EJ kam, konnte nur ein<br />
einziger Paddler des Vereins die Rolle. Jetzt waren<br />
es schon zwei! Und EJ bewies, dass er nicht nur<br />
sportliches Geschick besaß, sondern auch <strong>seine</strong><br />
Mitmenschen mit <strong>seine</strong>r offenen Art mitreißen<br />
konnte. Erst brachte er <strong>seine</strong>m Vater die Rolle bei,<br />
danach innerhalb weniger Monate allen anderen<br />
Vereinsmitgliedern.<br />
Kampf dem Mittelmaß<br />
Ein Großteil der kognitiven <strong>und</strong> motorischen Entwicklung<br />
findet bei Kindern durch Spielen statt.<br />
Und noch heute ist »Spielen« der Motor für EJs persönliche<br />
Entfaltung. »Meine Frau findet mich<br />
manchmal etwas zu kindisch«, gesteht EJ. »Ich bin<br />
wie mein 15-jähriger Sohn Dane, während meine<br />
Tochter Emily schon mit zwölf Jahren reifer war,<br />
als ich es wohl jemals werde.« Obwohl er freiwillig<br />
viel Anstrengung in <strong>seine</strong> Arbeit steckt, muss er<br />
von Mutter <strong>und</strong> Tochter immer wieder daran<br />
erinnert werden, wann er essen soll, wann er zur<br />
Arbeit muss <strong>und</strong> wann es an der Zeit ist, saubere<br />
Klamotten anzuziehen. »Ich will jeden Tag spielen.<br />
Tagsüber, abends, die ganze Woche lang – <strong>und</strong><br />
Paddeln ist mein Lieblingsspiel.«<br />
Daher entschied sich EJ schon früh gegen den<br />
üblichen beruflichen Werdegang einer Ingenieurskarriere<br />
(wie sein Vater) <strong>und</strong> setzte voll auf das<br />
Konzept »Ewige Kindheit«. Er schraubte <strong>seine</strong><br />
materiellen Bedürfnisse herunter <strong>und</strong> beschloss,<br />
Paddler auf Lebenszeit zu werden. Das Konzept<br />
scheint aufgegangen zu sein. »Je mehr Spaß ich<br />
habe«, sagt EJ, »desto besser bin ich.«<br />
In Kürze wurde EJ der beste Paddler der Merrimack<br />
Valley Paddlers <strong>und</strong> verdiente sich in den<br />
folgenden zwei Sommern <strong>seine</strong> ersten Paddel-<br />
Dollars als Rapid-Shooter am Kennebec River. EJ<br />
musste an fotogenen Stromschnellen Bilder von<br />
Raft-Touristen schießen. Eines Tages kam ihm ein<br />
durchgestylter Paddler in blau-weiß-rotem Outfit<br />
vor die Linse. EJ war tief beeindruckt von dessen<br />
perfektem Paddelstil. Wenig später traf er den<br />
Paddler am Ausstieg. Dieser stellte sich als Hank<br />
Thorburn vor, Mitglied des US-Slalom-Nationalteams.<br />
EJ, ganz unbescheiden, fragte, wie er auch<br />
in dieses Team käme. Thoburn schenkte ihm einen<br />
mitleidigen »Bist-du-bescheuert-Blick?« <strong>und</strong> verschwand<br />
wortlos. Thorburn hatte keine Ahnung vom<br />
unbändigen Ehrgeiz des jungen Paddlers. Für EJ war<br />
ab sofort klar: ich werde Slalompaddler. Und nicht<br />
einer unter vielen, sondern die Nummer eins.<br />
Mittelmaß ist für EJ ein Unwort. Als Ehemann,<br />
Vater, Paddler <strong>und</strong> Geschäftsmann ist Mittelmaß<br />
unakzeptabel. <strong>Der</strong> Beste zu sein ist für ihn Indikator<br />
der eigenen Tüchtigkeit. <strong>Der</strong> Zweite ist bereits<br />
der erste Verlierer. »Ich liebe Wettkämpfe«, bekennt<br />
EJ, »sie sind meine Lieblingsbeschäftigung.<br />
Sie sorgen dafür, dass ich in guter körperlicher <strong>und</strong><br />
geistiger Verfassung bin, dass ich jeden Tag paddle,<br />
egal wie das Wetter ist. Es ist belebend, wenn dein<br />
Name vor einem Lauf aufgerufen wird <strong>und</strong> du genau<br />
in dem Moment dein Bestes geben musst. Es<br />
ist ein unwahrscheinlich intensives Gefühl.«<br />
Sein erstes Slalomrennen war ein Paukenschlag.<br />
EJ, inzwischen 19 Jahre alt, schaffte es direkt auf<br />
den zweiten Platz. Keine drei Sek<strong>und</strong>en hinter WM-<br />
Teilnehmer Chris McCormick. Die weiteren<br />
Nationalpaddler verwies er auf die Plätze. In Folge<br />
trainierte er fünf Jahre lang Vollzeit, schmiss sein<br />
Studium <strong>und</strong> setzte alles auf die Karte Paddeln.<br />
Seine Trümpfe waren Wille, Talent <strong>und</strong> der feste<br />
Glaube, der Beste werden zu können. 1987 lernte<br />
er die 18-jährige Kristine kennen, die er ein Jahr<br />
später heiratete. 1989 wurde er fürs US-Nationalteam<br />
nominiert. 1990 kam Tochter Emily zur Welt.<br />
Immer noch trainierte EJ r<strong>und</strong> um die Uhr, war total<br />
abgebrannt <strong>und</strong> verdiente sich ein paar Dollar bei<br />
einem Pizzadienst in Washington DC. Um das<br />
nötige Kleingeld für Windeln <strong>und</strong> Babynahrung<br />
aufzutreiben, verpfändete er <strong>seine</strong> Campingaus-<br />
rüstung. 1992 qualifizierte er sich für die Olympischen<br />
Spiele in Barcelona. Für EJ gab es kein geringeres<br />
Ziel als die Goldmedaille, aber beim gedankenverlorenen<br />
Aufwärmen entfernte er sich<br />
zu weit vom Starthaus <strong>und</strong> musste dann, als sein<br />
Name aufgerufen wurde, 500 Meter im Kajak zurücksprinten.<br />
So verlor er das Rennen <strong>seine</strong>s<br />
Lebens, noch bevor es begonnen hatte. EJ wurde<br />
13ter <strong>und</strong> bester US-Amerikaner. Ein schwacher<br />
Trost für sein angezähltes Ego.<br />
Endlich <strong>Weltmeister</strong><br />
Mehr als 300 Tage paddelt EJ pro Jahr. Bei <strong>Freestyle</strong>-Wettkämpfen<br />
muss der 167 cm große <strong>und</strong><br />
70 kg schwere Athlet oft gegen 25 Jahre jüngere<br />
Konkurrenten <strong>seine</strong>n Mann stehen. In Sachen Fitness<br />
schlägt er viele Konkurrenten jedoch bereits<br />
vor dem Start. »Dein Gehirn mag der Steuermann<br />
sein, aber dein Körper ist das Auto. Möchtest du<br />
ein Mini Cooper sein, oder eine alte Karre, von der<br />
man nicht weiß, ob sie morgens anspringt oder<br />
nicht?« Für EJ ist die Antwort klar. »Ich bin der Mini<br />
Cooper S unter den Paddlern. Schnell, leicht,<br />
behände, verlässlich – <strong>und</strong> wenn ich ein paar Kratzer<br />
abbekomme, ist es auch nicht schlimm.« Ein<br />
paar Kratzer gab es dieses Frühjahr. Eine Armverletzung,<br />
seit langer Zeit die erste, der Mini muss<br />
in die Werkstatt. Zum Glück hat die Menschheit<br />
Ibuprofen erf<strong>und</strong>en. »Ich habe keinen Tag mit Paddeln<br />
aussetzen müssen, weil ich etwa 6400 mg<br />
Ibuprofen pro Tag schlucke <strong>und</strong> mein Körper wird<br />
heilen, wenn ich vorsichtig paddle.«<br />
1993, ein Jahr nach den Olympischen Spielen,<br />
setzte er sich ein gewagtes Ziel <strong>und</strong> versuchte sich<br />
für das Slalom-, Wildwasser-, Flachwasser- <strong>und</strong><br />
<strong>Freestyle</strong>-Nationalteam zu qualifizieren. Lange<br />
Rede, kurzer Sinn: EJ schaffte es nur im <strong>Freestyle</strong>,<br />
das aber brachte ihm einen Startplatz bei der im<br />
gleichen Jahr stattfindenden Rodeo-WM – wie<br />
<strong>Freestyle</strong> <strong>seine</strong>rzeit noch hieß – auf dem Ocoee in<br />
Tennessee. Ein junger südafrikanischer Paddler<br />
namens Corran Addison zählte sich dort zu den<br />
Favoriten <strong>und</strong> hätte nicht einen Cent auf den hochmotivierten<br />
Slalomfahrer Jackson gewettet. EJ<br />
gewann. Nach neun Jahren war sein Plan, der<br />
Beste zu sein, aufgegangen.<br />
Kurz vor der WM wurde Sohn Dane geboren,<br />
drei Monate zu früh, nur 750 Gramm leicht <strong>und</strong><br />
schwerhörig. Die Ärzte gaben Dane wenig<br />
Chancen auf ein normales Leben. Aber der kleine<br />
Knirps entpuppte sich als Kämpfer. Während EJ<br />
Gold am Ocoee erkämpfte, saß Dane im Auto auf<br />
dem Kindersitz, angeschlossen an einen Herz- <strong>und</strong><br />
Atemmonitor <strong>und</strong> lernte die ersten Paddler in<br />
<strong>seine</strong>m Leben kennen.<br />
Die folgenden Jahre tanzte EJ auf zwei Hochzeiten.<br />
Im <strong>Freestyle</strong>-Team konnte er <strong>seine</strong>n kindlichen<br />
Spieltrieb abreagieren, im Slalomteam<br />
kämpfte er um Ruhm <strong>und</strong> sportliche Anerkennung.<br />
Die Ergebnisse waren gut, aber nicht gut genug –<br />
jedenfalls für EJ. Er duldete keinen Stärkeren neben,<br />
geschweige denn vor sich. Er ist, zumindest wenn<br />
es um Sport geht, ein Alphatier. 1996 trainierte er<br />
ausschließlich Slalom für die Quali zu den Olym-<br />
300 Tage im Jahr Paddeln? Kein<br />
Problem, denn EJs Haus in Rock<br />
island hat »Walzenanschluss«.<br />
Et voilà, die Jackson-Factory: zwei<br />
Rotier öfen, sechs fleißige arbeiter <strong>und</strong><br />
jede menge Lagerfläche auf 8500 qm.<br />
1992 startete<br />
Eric Jackson für<br />
das us-slalomteam<br />
bei olympia.<br />
Doch das rennen<br />
<strong>seine</strong>s Lebens<br />
verlor er schon<br />
vor dem start.<br />
Jacksons neuester<br />
Streich: ein WW-zweier<br />
für Passagierfahrten.<br />
72 Kanu-magazin 2/2009 Kanu-magazin 2/2009 73<br />
Fotos: Corey Rich
Fotos: Michael Neumann<br />
Eric Jackson dreht<br />
beim Weltcup 2008<br />
am Eiskanal durch.<br />
pischen Spielen in Atlanta. Er versagt sich sämtliches<br />
Playboaten – <strong>und</strong> verpasst die Quali um einen<br />
Platz. Zu jener Zeit verdiente EJ sein Geld mit<br />
einer Kletter- <strong>und</strong> Kajakschule. Bei der <strong>Freestyle</strong>-<br />
WM 1997 am Ottawa-River in Kanada gewinnt EJ<br />
Silber. Und doch ist es ein Tiefpunkt <strong>seine</strong>r Karriere.<br />
Wieder gab es einen Besseren. <strong>Der</strong> grenzenlose<br />
Optimist verfällt in eine Depression. Seine Frau Kristine<br />
erinnert sich noch genau an die Zeit nach der<br />
WM im September 1997: »EJ beklagte sich darüber,<br />
dass sein Fre<strong>und</strong> Dan Gavere das Leben<br />
führte, das er sich erträumt hatte. Dan musste niemals<br />
nach Hause kommen. Dan konnte reisen, wohin<br />
er wollte, ohne Verpflichtungen. Ich sagte, wir<br />
können das auch.« Kristine <strong>und</strong> EJ verkauften umgehend<br />
ihr Hab <strong>und</strong> Gut. Nicht nur ihr Haus in<br />
Washington, sondern auch alle Möbel, Kinderspielsachen,<br />
Bücher, Kleider. Alles, bis auf ein paar Kisten<br />
mit Habseligkeiten, die sie in ihrem neuen<br />
Zuhause, ein 97er Coachmen Mirada, verstauten.<br />
Mit diesem zehn Meter langen Reisemobil, ihren<br />
zwei Kindern Dane <strong>und</strong> Emily, zwei Dalmatinern<br />
<strong>und</strong> einem Schwung Kajaks auf dem Dach zogen<br />
die Jacksons in ihr neues Leben. Zuerst nach Rock<br />
Island, um dort sechs Wochen lang Spielboot zu<br />
fahren, dann nach Kalifornien. EJ war glücklich.<br />
Endlich war er wieder Paddler, nichts anderes. 1998<br />
wurde ein gutes Jahr für EJ. Er dominierte die <strong>Freestyle</strong>-Szene<br />
<strong>und</strong> gewann 27 Wettkämpfe in Folge:<br />
<strong>Freestyle</strong>-Events, Slalom- <strong>und</strong> Extremrennen.<br />
Rodeo-Nomaden im Reisemobil<br />
Das Leben der Jacksons glich einem Traum. Jeden<br />
Tag paddeln auf den schönsten Flüssen der<br />
Staaten. Ein Sieg nach dem anderen. Immer der<br />
Sonne nach. Das Leben ist schön als Paddel-Profi,<br />
nicht wahr? Aber es gab auch die andere Seite.<br />
Beengte Wohnverhältnisse, der Druck, Preisgelder<br />
kassieren zu müssen, um Rechnungen <strong>und</strong> den<br />
Dane Jackson fliegt<br />
auf Thun bei der Wm-<br />
generalprobe 2008.<br />
Lebensunterhalt bezahlen zu können, Paddelkurse<br />
geben, Tausende von Kilometern auf Achse.<br />
»Jemand verglich mich einmal mit einer Ente, die<br />
scheinbar ohne Anstrengung übers Wasser gleitet,<br />
aber unter der Wasseroberfläche wie verrückt<br />
mit den Füßen strampeln muss.«<br />
Emily <strong>und</strong> Dane<br />
haben ohne Frage<br />
das talent des Papas<br />
geerbt. Emily ist<br />
<strong>Weltmeister</strong>in, Dane<br />
Vize-<strong>Weltmeister</strong> bei<br />
den Junioren.<br />
Emily Jackson<br />
nimmt maß auf die<br />
Waschmaschine.<br />
Die folgenden sechs Jahre verbrachten die Jacksons<br />
als nomadisierende Kleinfamilie in ihrem<br />
Wohnmobil. 50000 Kilometer jährlich, die Spritkosten<br />
summierten sich am Ende jedes Jahres auf<br />
über 12000 Euro. »Die Entscheidung, meine ganze<br />
Familie in ein Wohnmobil zu stopfen, nur damit<br />
ich genug paddeln kann, erscheint egoistisch, aber<br />
sie brachte mich auch näher an meine Familie«,<br />
verteidigt EJ diesen Schritt. »Ich hatte massenhaft<br />
Zeit für meine Familie <strong>und</strong> meine Kinder hatten<br />
Möglichkeiten, von denen andere nur träumen.«<br />
Und obwohl Kristine <strong>und</strong> EJ niemals ihre Kinder<br />
zum Kajaksport drängten, war es eine logische<br />
Folge, dass sowohl Emily als auch Dane dem Kajakvirus<br />
zum Opfer fielen. Dane paddelte <strong>seine</strong>n ersten<br />
Vierer kurz vor <strong>seine</strong>m dritten Geburtstag. Trotz<br />
der Zurufe von Daddy EJ misslang Dane eine gute<br />
Linie <strong>und</strong> er kenterte am Ende der Stromschnelle.<br />
EJ verstand die Welt nicht mehr. Hatte sein Sohn<br />
kein Talent? Konnte er die Ratschläge wegen <strong>seine</strong>r<br />
Schwerhörigkeit nicht verstehen? Kristine klärte<br />
den ratlosen Vater auf. <strong>Der</strong> kleine Dane wusste einfach<br />
noch nicht, wo links <strong>und</strong> rechts ist.<br />
Emily hingegen paddelte immer gern leichte<br />
Flüsse, brachte aber nicht den Willen <strong>und</strong> den Ehrgeiz<br />
auf, wie es ihr Vater sich gewünscht hätte. Sie<br />
nahm an keinen Wettkämpfen teil <strong>und</strong> traute sich<br />
nicht aufs Wildwasser. Als sie jedoch im Teenager-<br />
Alter ein molliges Mädchen im Spiegel sah, stürzte<br />
sich Emily in den Sport. In wenigen Jahren katapultierte<br />
sie sich an die Spitze der weiblichen <strong>Freestyle</strong>-Szene.<br />
Heute zählen die beiden zu den talentiertesten<br />
amerikanischen Nachwuchspaddlern.<br />
Emily ist Juniorenweltmeisterin <strong>und</strong> Dane gewann<br />
im Alter von nur 15 Jahren bei den letzten Titelkämpfen<br />
die Silbermedaille. Ob bei der anstehenden<br />
WM in Thun das Märchen vom dreifachen<br />
Gold für die Jackson-Family wahr wird?<br />
2003 ließen sich die Jacksons in Rock Island,<br />
Tennessee, nieder <strong>und</strong> EJ gründete<br />
Jackson Kayak, <strong>seine</strong> eigene Kajakfirma.<br />
Er reagierte damit auf das<br />
Drängen <strong>seine</strong>r Frau, die etwas Nachhaltigeres<br />
für die Zukunft der Kinder<br />
aufbauen <strong>und</strong> nicht allein vom sportlichen<br />
Ruhm des Vaters leben wollte.<br />
Zuvor hatte EJ schon als Brand Manager<br />
<strong>und</strong> Designer bei Wave Sport<br />
bewiesen, dass er konkurrenzfähige<br />
Boote für den Kajakmarkt entwerfen<br />
konnte. Doch mit der eigenen Marke<br />
musste er keinerlei Kompromisse<br />
mehr machen. Mit die ersten Kajaks<br />
aus <strong>seine</strong>r Schmiede waren Spielboote<br />
für Kinder, ganz auf die Bedürfnisse<br />
<strong>seine</strong>r beiden Kinder zugeschnitten.<br />
In den USA ist Jackson Kayak<br />
derzeit die Kajakfirma mit den<br />
höchsten Zuwachsraten. Die Company<br />
startete in einem ehemaligen<br />
Waschsalon mit 80 Quadratmetern<br />
<strong>und</strong> ist heute, fünf Jahre später, in einer<br />
8000 Quadratmeter großen Halle<br />
untergebracht.<br />
Ansichten online<br />
EJ ist Präsident, Geschäftsführer,<br />
Außendienstler, Entwicklungschef,<br />
Marketingdirektor, Hausmeister <strong>und</strong><br />
Teampaddler in Personalunion. Seine<br />
Frau Kristine arbeitet im Management,<br />
die Schwiegermutter ist Chefsekretärin.<br />
Die Jacksons sind das Herz<br />
der Firma <strong>und</strong> sie machen keinen<br />
Hehl daraus. Wer auf der Webseite<br />
von Jackson Kayak surft, versinkt<br />
schnell in den Untiefen eines unbändigen<br />
Mitteilungsbedürfnisses. Die<br />
Grenzen von Privatem <strong>und</strong> Geschäftlichem<br />
sind kaum zu unterscheiden.<br />
Manchen stößt dieser Hype um <strong>seine</strong><br />
Familie auf, andere finden es sympathisch<br />
<strong>und</strong> offen. EJ ist einer der<br />
bekanntesten Wildwasser-Paddler<br />
der Welt <strong>und</strong> ist sich dieser Rolle<br />
durchaus bewusst. Er lebt das Leben<br />
eines Paddel-Promis <strong>und</strong> bedient<br />
<strong>seine</strong> Fans mit vielen noch so kleinen<br />
74 Kanu-magazin 2/2009 Kanu-magazin 2/2009<br />
Details aus <strong>seine</strong>m Privatleben. Seine<br />
beiden Kinder Emily <strong>und</strong> Dane<br />
sind Teampaddler <strong>und</strong> Juniorpartner<br />
in einem. »Wenn ich morgen sterben<br />
würde, könnten meine Kinder die<br />
Firma weiterführen«, sagt EJ ohne<br />
einen Anflug von Ironie. »Sie könnten<br />
zusammen mit meinem Designpartner<br />
Kajaks entwickeln, sich um das<br />
Marketing kümmern, das Team führen.<br />
Es müsste keiner von außerhalb<br />
in die Firma kommen.«<br />
Diesen Sommer findet im schweizerischen<br />
Thun im Berner Oberland<br />
die <strong>Freestyle</strong>-WM statt. EJ ist inzwischen<br />
<strong>vierfache</strong>r <strong>Weltmeister</strong> <strong>und</strong> der<br />
aktuelle Titelverteidiger. Für den erfolgreichsten<br />
<strong>Freestyle</strong>r aller Zeiten<br />
gibt es erklärtermaßen nur ein Ziel:<br />
die Goldmedaille. Selbstverständlich<br />
ist EJ in einer blendenden körperlichen<br />
Verfassung, er hat den ganzen<br />
Winter in <strong>seine</strong>r Heimat Rock Island<br />
trainiert, auf der besten Welle im gesamten<br />
Südosten der USA, keine<br />
zwei Kilometer von <strong>seine</strong>m Haus entfernt.<br />
Aber EJ ist inzwischen schon<br />
45 Jahre alt <strong>und</strong> es gibt jüngere <strong>und</strong><br />
schnellere Paddler. Sein Schwiegersohn<br />
in spe etwa, Nick Troutman.<br />
Oder der Slowake Peter Csonka, der<br />
2008 den Weltcup gewann. EJ wurde<br />
nur Fünfter, eine deftige Niederlage<br />
für ihn. Zeit für eine Verschiebung<br />
der Prioritäten? Am 25. August<br />
erblickte KC Jackson in Nashville,<br />
Tennessee, das Licht der Welt, EJs<br />
zweiter Sohn. Ihm wird zuteil, was<br />
Emily <strong>und</strong> Dane in harten wirtschaftlichen<br />
Zeiten teilweise versagt blieb:<br />
h<strong>und</strong>ertprozentige Zuwendung.<br />
Doch wer EJ deshalb in Thun nicht zu<br />
den Favoriten zählt, hat bereits verloren.<br />
»Die Chance, der Beste zu werden,<br />
der Beste zu bleiben <strong>und</strong> das<br />
immer wieder aufs Neue zu beweisen<br />
– dafür lebe ich!«<br />
Manuel Arnu