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277.TIROL - April 2022

Ausgabe 6, April 2022

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tirol.bildet tirol.bildet 93<br />

ZUR AUTORIN<br />

MAG. NINA<br />

REDLICH-ZIMMER-<br />

MANN, MA ECED<br />

Nina Redlich-Zimmermann<br />

koordiniert den Fachbereich<br />

Elementarbildung im Gem-<br />

Nova Bildungspool und steht<br />

insbesondere für Fragen rund<br />

um das Thema Kinder- und<br />

Sprachenrechte zur Verfügung.<br />

Kontakt:<br />

n.redlich@gemnova.at<br />

Chancengerechtigkeit<br />

als<br />

Chance für ALLe<br />

Der Weg hin zu Bildungschancen führt über die SPRACHE –<br />

was Kinder und Familien brauchen und wie wir sie als Gemeinde<br />

in ihrem Lebensumfeld begleiten können.<br />

Es ist beachtlich zu lesen, dass in den<br />

Wahlprogrammen zu den Gemeinderatsund<br />

Bürgermeister*innenwahlen <strong>2022</strong> in<br />

Tirol vielerorts im Sinne der Chancengerechtigkeit<br />

der Fokus auf die Teilhabe,<br />

das heißt auf die Mitbestimmung und<br />

Mitgestaltung, von Kindern und Jugendlichen<br />

gelegt wurde. Darüber hinaus findet<br />

sich häufig als Zielformulierung für<br />

ein gelingendes Zusammenleben in der<br />

Gemeinde der differenzierte Blick auf die<br />

Vielfalt an Familien und deren Lebenssituationen<br />

sowie individuellen Bedürfnisse.<br />

Gemeinden beweisen damit, dass<br />

sie nicht nur als Träger von Kinderbildungs-<br />

und Betreuungseinrichtungen eine<br />

Schlüsselfunktion beim Schaffen idealer<br />

Rahmenbedingungen für das Gelingen institutioneller<br />

Bildung übernehmen, sondern<br />

als Drehscheibe auch im unmittelbaren<br />

Familien- und Lebensumfeld von<br />

Kindern und Jugendlichen bedürfnisorientierte<br />

Angebote setzen möchten, um so<br />

Bildungschancen für alle zu ermöglichen.<br />

In diesem ersten Beitrag zur dreiteiligen<br />

Reihe zum Thema Chancengerechtigkeit<br />

in der Kinderbildung und -betreuung widmen<br />

wir uns dem ersten Vielfaltsmerkmal,<br />

welches die Heterogenität in unserer heutigen<br />

Gesellschaft als Normalität kennzeichnet:<br />

Mehrsprachigkeit und kulturelle<br />

Vielfalt. Darauf basierend hat jede<br />

Gemeinde, als Lebensmittelpunkt von<br />

Familien, Kindern und Jugendlichen, bzw.<br />

jeder Gemeindeverband die Möglichkeit<br />

zu erheben und einzuschätzen, welchen<br />

Bedürfnissen und Bedarfen das Gemeindenetzwerk,<br />

bestehend aus Vereinen, Bildungsträgern<br />

sowie Sozial- und Gesundheitseinrichtungen,<br />

gerecht werden muss.<br />

Die Vielschichtigkeit an Herausforderungen<br />

im Kontext der Diversität erkennen.<br />

Eine Bürger*innenbefragung, die seitens der<br />

GemNova 2020 tirolweit durchgeführt wurde,<br />

lieferte für den umfassenden Bereich<br />

„Bildung und Betreuung“ für die Zielgruppe<br />

0-18 Jahre qualitative Daten darüber,<br />

welchen Bedarf Familien und Kinder bzw.<br />

Jugendliche aufgrund der Herausforderungen,<br />

die sich für sie im Zusammenhang mit<br />

ihrer mehrsprachigen bzw. interkulturellen<br />

Lebenssituation ergeben, haben. Außerdem<br />

konnten auf Basis einer Inhaltsanalyse<br />

damit zusammenhängende Risiken in<br />

Bezug auf Chancengerechtigkeit sichtbar<br />

gemacht werden.<br />

Was fehlt aus Sicht von Bürger*innen<br />

bzw. Familien aktuell (noch) im Bereich<br />

Bildung und Betreuung von Kindern und<br />

Jugendlichen?<br />

bewusstseinsbildung<br />

Sprachliche Teilhabe für alle<br />

Kinder und Jugendlichen<br />

Bildungsangeb0te<br />

Schnuppertage in Berufen,<br />

internat. Filmabende<br />

Sprachliche<br />

Unterstützung<br />

im Alltag<br />

Sprachbuddys,<br />

Hausübungsbetreuung<br />

F0rderung v0n<br />

Mehrsprachigkeit<br />

..<br />

Alle Erstsprachen einbinden<br />

(Bibliothek, Jugendtreff)<br />

Vorhandenes Praxiswissen aus den<br />

Gemeinden und fachliche Expertise nutzen<br />

und vernetzen. Eine regelmäßige Vernetzungsarbeit<br />

mit und unter Gemeinden<br />

bzw. Planungsverbänden schafft die Möglichkeit,<br />

unterschiedliche wirksame Praxiskonzepte<br />

im Sinne eines Wissensmarktplatzes<br />

miteinander zu teilen. Auf diese Weise<br />

kann von bereits erprobtem Erfahrungswissen<br />

profitiert und das eigene Verantwortungsbewusstsein<br />

hinsichtlich der Chancengerechtigkeit<br />

von Kindern und Jugendlichen<br />

immer wieder aufs Neue geschärft werden.<br />

Durch das Einrichten einer sozialpädagogischen<br />

Koordinationsstelle können<br />

neben dem Bündeln von vorhandener<br />

Fachexpertise und dem Durchführen<br />

von Bedarfserhebungen für den Sozialraum<br />

zielführende Handlungsstrategien<br />

zur Sicherstellung von Chancengerechtigkeit<br />

von Kindern und Jugendlichen<br />

laufend evaluiert und weiterentwickelt<br />

werden. Die folgenden Best-Practice-Ideen<br />

fokussieren die sprachliche und kulturelle<br />

Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in<br />

ihrem alltäglichen Lebensumfeld.<br />

Gelebte interkulturelle Kompetenz. Ehrenamtliche<br />

„Brückenbauer*innen“ sowie die<br />

mobile Jugendarbeit sind wertvolle Ressourcen<br />

für jede Gemeinde. Sie können niederschwellige<br />

Angebote setzen und damit<br />

Barrieren überwinden, z.B. im Aufsuchen<br />

von Familien bzw. Kindern und Jugendlichen<br />

an öffentlichen Plätzen (Spielplatz, Supermarkt,<br />

Arzt etc.) oder zuhause, wo das nötige<br />

Vertrauen, das Familien brauchen, um<br />

für Angebote in der Gemeinde zugänglich<br />

zu werden, hergestellt wird. Diese Form des<br />

Beziehungsaufbaus bildet die Grundlage<br />

einer „Willkommenskultur“.<br />

Vereinsleben als Bildungschance. Vereine<br />

sorgen mit ihren unterschiedlichen<br />

Schwerpunkten für ein aktives Miteinander<br />

und können mit einer Schwerpunktsetzung<br />

im Bereich Kinder- und Jugendarbeit einen<br />

wertvollen Beitrag als interkulturelle Brückenbauer*innen<br />

sowie Sprachbuddys leisten.<br />

Egal, ob bei der Feuerwehr, im Trachtenverein,<br />

Fußballclub oder im Kinder- und<br />

Jugendchor, das Setzen sprachlicher Anreize<br />

gelingt bei jedem gemeinsamen Tun und<br />

öffnet Türen für den interkulturellen Dialog.<br />

Binnendifferenzierung bei Sprachangeboten.<br />

Ein vielfältiges, niederschwelliges<br />

Informations-, Beratungs- und Vernetzungsangebot<br />

für Familien im Rahmen der<br />

Erziehung schafft Vertrauen im Sinne einer<br />

Bildungspartnerschaft auf Augenhöhe und<br />

gibt Sicherheit, dort, wo kulturell-sprachliche<br />

Unsicherheiten vorhanden sind. So können<br />

beispielsweise auf der Homepage Informationsvideos<br />

oder Aushänge in einfacher deutscher<br />

Sprache bzw. in den vorherrschenden<br />

Erstsprachen in der Gemeinde aufbereitet<br />

werden. Auch freiwillige Helfer*innen, die<br />

als Sprachbuddys zur Verfügung stehen,<br />

können die Integration von Menschen mit<br />

anderen Herkunftssprachen durch sprachliche<br />

Unterstützung im Alltag mitgestalten<br />

(z.B.: Begleitung von Erwachsenen bei Amtswegen,<br />

Wohnungssuche etc.).<br />

Bewusstseinsbildung im Sinne der<br />

Chancengerechtigkeit von Kindern und<br />

Jugendlichen. Die Gemeinde übernimmt<br />

als Schnittstelle aller Bildungs- und Kulturträger<br />

eine wichtige Vorbildfunktion, wenn<br />

sie kontinuierliche Sensibilisierungsarbeit<br />

leistet, mit dem Ziel, dass Bildung und<br />

Betreuung von Kindern und Jugendlichen<br />

von allen Mitgestalter*innen innerhalb<br />

einer Gemeinde als verbindlicher Auftrag<br />

wahrgenommen wird. Das Thema<br />

Sprachbildung und Mehrsprachigkeit ist<br />

nicht ausschließlich im Kindergarten bzw.<br />

in der Schule zu verorten, sondern wird<br />

von allen, die mit Kindern und Jugendlichen<br />

arbeiten, als Förderauftrag alltagsintegriert<br />

mitgedacht.<br />

Bildungsübergänge gemeinsam gestalten.<br />

Die bundesweit gesetzlichen sprachdiagnostischen<br />

Testungen am Übergang vom<br />

Kindergarten in die Volksschule schaffen<br />

bei Familien und Kindern mit anderen Erstsprachen<br />

häufig Verunsicherung oder verursachen<br />

sogar massive Ängste vor der<br />

Einschulung. Elementarpädagog*innen<br />

und Lehrpersonen haben die Möglichkeit,<br />

den Bildungsweg von Kindern abseits der<br />

Testverfahren mit pädagogischem Fingerspitzengefühl<br />

und im engen Austausch mit<br />

Familien so zu gestalten, dass der Fokus<br />

auf die sprachlichen Ressourcen und Entwicklungspotenziale<br />

von Kindern gewahrt<br />

bleibt bzw. diese maximal genutzt werden.

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