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277.TIROL - April 2022

Ausgabe 6, April 2022

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88 tirol.denkt weiter tirol.denkt weiter 89<br />

back t0<br />

the green<br />

r00ts<br />

Wer durch die Innsbrucker Museumstraße<br />

spaziert, kommt in einem Abstand von 150<br />

Metern an vier Filialen gängiger Supermarktketten<br />

vorbei. In jeder einzelnen erstreckt<br />

sich das Angebot von frisch aufgebackenem<br />

Brot, Obst und Gemüse aus aller Welt bis zu<br />

verschiedenen Non-Food-Artikeln. Ein ganzer<br />

Einkauf in einem Laden. Der Gang zum Bäcker<br />

oder Gemüsehändler nebenan wird überflüssig.<br />

In den Regalen reihen sich Plastik an Karton<br />

an Dose – Verpackungen, die oftmals<br />

vermeidbar wären und in Österreich einen<br />

wesentlichen Anteil des Haushaltsmülls<br />

ausmachen. Die Zero Waste Bewegung<br />

sagt diesem Zustand den Kampf an. Sie<br />

sucht alternative Lösungen und zeigt Möglichkeiten<br />

für ein ressourcenschonendes<br />

Konsumverhalten. Der 2018 gegründete<br />

verpackungsfreie Laden „greenroot“ (ebenfalls<br />

in der Museumstraße) bietet ebendies.<br />

Die grüne Wurzel<br />

Der Wunsch, Lebensmittel „so wie früher“<br />

anzubieten, ließ den greenroot-Gründer<br />

und Geschäftsführer Engin Dogan die<br />

Zero Waste Bewegung entdecken. Die<br />

Produkte offen und ohne Verpackung<br />

anzubieten, vermeidet nicht nur Müll,<br />

sondern ermöglicht den Kund*innen auch<br />

die genau benötigte Menge zu erwerben<br />

und beugt so Lebensmittelverschwendung<br />

vor. Eben zurück zu den grünen Wurzeln<br />

(engl. roots) – wie früher im Tante-Emma-<br />

Laden, als unsere Eltern und Großeltern<br />

ihre Lebensmittel in Säcke und Behälter<br />

abfüllten. Ganz ohne Verpackungsmüll.<br />

Gerade Obst und Gemüse bringen<br />

doch ihre eigene Verpackung von Natur<br />

aus mit. Da verwundert es, dass der<br />

BILD: Wie von<br />

Natur erschaffen –<br />

verpackungsfreies<br />

Gemüse aus der Region<br />

(© greenroot )<br />

Mensch dem Apfel oder der Zucchini<br />

eine „zweite“ Verpackung verabreicht,<br />

damit sie im Supermarkt schneller ins<br />

Auge stechen. Eine Verpackung, die es<br />

eigentlich nicht braucht und die unter<br />

Ressourcenaufwand hergestellt und<br />

entsorgt wird. Kritisch betrachtet ist das<br />

reine Ressourcenverschwendung. Die<br />

Verpackungen unterschiedlicher Produkte<br />

summieren sich österreichweit zu jährlich<br />

über 1,4 Millionen Tonnen Verpackungsmüll.<br />

Im Jahr 2018 das altbewährte Tante-<br />

Emma-Konzept in Innsbruck neu umzusetzen,<br />

brachte einige Herausforderungen mit<br />

RECHTS: Engin<br />

Dogan bei der Abfüllung<br />

von Nüssen – natürlich<br />

in Bio- und Fairtrade-<br />

Qualität (© greenroot )<br />

sich. Über manch eine Wurzel wäre man<br />

fast gestolpert, denn es gab keine Anknüpfungspunkte<br />

oder Interessensverbände, die<br />

einem den Weg weisen konnten. Der Zero<br />

Waste Gedanke war im Lebensmittelhandel<br />

noch nicht wieder angekommen. So<br />

steckte Engin Dogan viel Zeit und Energie<br />

in Recherchen und suchte den Dialog mit<br />

Lieferant*innen. Dabei verlor er nie seinen<br />

ganzheitlichen Blick: „Wir lehnen uns nicht<br />

zurück und sagen Zero Waste reicht. Wir<br />

wollen so nachhaltig wie möglich agieren;<br />

Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven<br />

sehen und durchleuchten.“ So sind biologische<br />

Landwirtschaft, Regionalität, faire<br />

Arbeitsbedingungen entlang der gesamten<br />

Lieferkette und ressourcenschonender<br />

Transport nur ein Auszug der Themen,<br />

für die sich der Unternehmer mit seinem<br />

Laden unermüdlich einsetzt.<br />

Denkt an die Kleinen<br />

Doch oftmals werden genau diese Läden,<br />

die mit viel Mühe und Herz geführt werden,<br />

übersehen. Unser Landschaftsbild<br />

ist geprägt von Supermärkten. Das sogenannte<br />

„One-Stop-Shopping“, welches alle<br />

notwendigen Produkte in einem einzelnen<br />

BILD: Von A wie<br />

gedörrter Apfel bis Z<br />

wie Zimtstangen<br />

(© greenroot )<br />

Laden erwerben lassen, ist heutzutage die<br />

bevorzugte Wahl. In Zeiten der Pandemie<br />

und Kontaktbeschränkungen hat diese<br />

Form des Einkaufs einen zusätzlichen Aufschwung<br />

erlebt. Bäckereien, Metzgereien,<br />

Obst- und Gemüsehändler verschwinden<br />

unterdessen immer mehr von der Bildfläche.<br />

In der Stadt ist diese Entwicklung noch<br />

stärker als auf dem Land zu beobachten.<br />

„Ich glaube am Land herrscht noch die<br />

nötige Atmosphäre für kleinere Strukturen.<br />

Man kennt sich, man kann fragen, woher<br />

die Produkte kommen. Die Vertrauensebene<br />

ist größer als in der Stadt. Jede*r Einzelne<br />

kann mit dem eigenen Einkauf einen<br />

Beitrag leisten, lokale Anbieter aufrecht zu<br />

erhalten.“ Die Macht der Konsument*innen<br />

das Angebot zu steuern, dürfe nicht unterschätzt<br />

werden. Einen deutlichen Appell<br />

richtet Engin Dogan auch in Richtung Politik.<br />

Es benötige mehr Engagement für kleine<br />

Betriebe, sowohl in der Bewusstseinsbildung<br />

der Konsument*innen als auch in der<br />

Schaffung von Rahmenbedingungen, die ein<br />

gutes Arbeiten ermöglichen und nicht nur<br />

ein Überleben. Er wünscht sich einen Austausch<br />

auf Augenhöhe. Andernfalls stünden<br />

die Interessen der kleinen Geschäfte<br />

immer im Schatten großer Anbieter.<br />

Schritt für Schritt<br />

Jeder Schritt zählt. Das betont Engin Dogan<br />

immer wieder. So hat er das greenroot zu<br />

dem gemacht, was es heute ist: einem<br />

modernen Zero Waste Shop mit breiter<br />

Produktpalette und einem Zero Waste Café<br />

nebenan. Das Geheimnis dahinter? Sein<br />

Ehrgeiz und die kontinuierliche Weiterentwicklung<br />

ohne Kompromisse. So könne auch<br />

jeder Konsument und jede Konsumentin<br />

Schritt für Schritt das Leben nachhaltiger<br />

gestalten. Es beginne bei kleinen Alltagsentscheidungen:<br />

in der Eisdiele die Waffel statt<br />

green<br />

r00t<br />

... ist ein Zero Waste Shop<br />

im Herzen Innsbrucks.<br />

Kund*innen können die Produkte<br />

in der jeweils benötigten<br />

Menge in eigene Behältnisse<br />

abfüllen. Die Behälter<br />

werden davor gewogen und<br />

das Leergewicht berücksichtigt.<br />

Man bezahlt nur den<br />

Inhalt, keine Verpackung,<br />

keinen Müll. Das Geschäft<br />

steht für nachhaltigen<br />

Konsum und setzt ein Zeichen<br />

für den Klimaschutz.<br />

www.greenroot.at<br />

des Bechers wählen, den Kaffee in Ruhe aus<br />

der Tasse trinken statt im Einweg-To-Go-<br />

Becher und regional und saisonal einkaufen.<br />

So entwickele sich aus dem Kleinen<br />

etwas Großes. „Wenn jede*r ein bisschen<br />

darauf schaut, dann werden wir die Herausforderungen<br />

des Klimawandels gemeinsam<br />

bewältigen. Es hängt von uns Einzelnen ab.<br />

Jede*r trägt mit seinen/ihren Entscheidungen<br />

und Handeln dazu bei.“ So setzt Engin<br />

Dogan beständig seine Schritte und lädt<br />

alle ein mitzugehen.<br />

ZUR AUTORIN<br />

JULIA WOLF, MSC<br />

Julia Wolf ist seit 2019 als Koordinatorin<br />

im GemNova Bildungspool tätig. Ihr<br />

ist es ein Anliegen ihren Beitrag für<br />

den Klimaschutz zu leisten, denn jeder<br />

Schritt zählt.<br />

Kontakt: j.wolf@gemnova.at

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