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277.TIROL - April 2022

Ausgabe 6, April 2022

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216<br />

Sarah Biasini:<br />

Seiten<br />

Vorab: Annemarie Schwar-<br />

Die Schönheit<br />

zenbach war gerade mal<br />

des Himmels<br />

€ 20,46<br />

21 Jahre jung, als sie dieses<br />

Buch mit großer Lei-<br />

Haymon Verlag<br />

Manfred Krug:<br />

November 2021<br />

Abgehauen<br />

denschaft schrieb. Noch<br />

Hans Haid:<br />

bemerkenswerter: Sie tat<br />

es kann sein,<br />

dies vor knapp hundert<br />

dass dann die<br />

272<br />

Das<br />

gro-<br />

Jahren, im Jahr 1929, in<br />

schatten kommen<br />

Seiten<br />

ße Unglück<br />

einer Zeit also, die, zumal<br />

von<br />

Kin-<br />

in der Schweiz, nicht als<br />

Ist es tatsächlich ein Roman, den<br />

dern berühmter Eltern ist es, immer<br />

besonders liberal galt.<br />

Hans Haid (1938-2019) hier bruch-<br />

wieder an diesen gemessen, auf diese<br />

Doch Annemarie Schwar-<br />

stückhaft verfasst hat? Ist es nicht<br />

angesprochen zu werden. Andererseits:<br />

zenbach konnte, wollte<br />

vielmehr Ausdruck seines labyrinthhaften<br />

Denkens, seines intensiven<br />

Was für ein bemerkenswertes, faszinierendes,<br />

dieser Kinder öffentlich überhaupt nicht<br />

sie auch bis zu ihrem frü-<br />

Ohne deren Berühmtheit würden einige<br />

nicht aus ihrer Haut – wie<br />

Gefühlslebens? Sind es nicht seine<br />

ja, herausragendes Buch. Über eine Zeit, als es<br />

wahrgenommen werden. Was freilich<br />

hen Tod immer wieder<br />

zuweilen wirren, uns verwirrenden<br />

die DDR noch gab. Über den Riss zwischen der<br />

kein Nachteil sein muss. Sarah Biasini<br />

eindrucksvoll bewiesen<br />

Gedanken, die er hier laut ausgesprochen<br />

und immer wieder aufs Neue<br />

der anderen Seite. Über eine geheim aufgenom-<br />

Buch eindrucksvoll gelungen, aus dem<br />

Nomenklatura auf der einen, den Intellektuellen auf<br />

ist es auf alle Fälle mit vorliegendem<br />

hat.<br />

niedergeschrieben, zusammengesetzt,<br />

also komponiert hat? Ist es<br />

vier nervenaufreibenden Wochen zwischen dem<br />

Warum? Na ja, für die Antwort auf diese<br />

Schwarzenbach:<br />

besonders auffällt: die mitmene,<br />

streng vertrauliche Sitzung. Über die rund<br />

großen Schatten ihrer Mutter zu treten.<br />

Annemarie<br />

Was bei diesem Buch<br />

überhaupt wichtig, ob es ein Roman<br />

19. <strong>April</strong> und dem 20. Mai 1977. Über das detaillierte<br />

Protokoll eines informellen Stasi-Mitarbeiters,<br />

zu sehen<br />

ne, rationale Sprache, die<br />

Frage empfiehlt es sich, das Buch lesen.<br />

Eine Frau<br />

unter sachliche, nüchter-<br />

oder eine sehr persönliche Erregung,<br />

ein lauter, permanenter Aufschrei<br />

Manfred Krug betreffend. Es ist, als würde man<br />

Eigentlich, so sagt es die Autorin, sind<br />

zuweilen langen Sätze, die<br />

ist? Hans Haid, so viel steht auf alle<br />

den schweren, dicken Vorhang zur Seite schieben<br />

diese knapp 200 Seiten vor allem an ihre<br />

doch im großen Gegensatz<br />

112<br />

Fälle fest, hat mit diesem Buch post<br />

und ins nackte Herz des Systems blicken. Der eine<br />

kleine Tochter gerichtet. Als Erklärung<br />

zum emotionalen Inhalt<br />

mortem ein starkes Ausrufezeichen<br />

oder die andere vielleicht auch in einen Spiegel.<br />

für ihr Leben, ihre Ängste, Verletzlichkeiten,<br />

wohl auch für ihre Suche nach<br />

war dies auch ihre Art, die<br />

Seiten<br />

stehen. Aber gut, vielleicht<br />

gesetzt.<br />

Was dieses Buch ebenfalls auszeichnet, ist die<br />

längst Vergangenem, unwiederbringlich<br />

Verlorenem. Sarah Biasini taucht<br />

Kein & Aber Verlag Ausdrucksweise, um laut<br />

€ 10,29<br />

ihr richtig erscheinende<br />

Romane haben üblicherweise eine<br />

direkte, schnörkellose, ungewohnt offene Sprache.<br />

Handlung, eine solche fehlt hier völlig.<br />

Stattdessen zornige, verzweifelkehrt.<br />

Bemerkenswert auch, wie schonungslos<br />

mit ganz feiner Feder, ungewohnt offen<br />

beziehen, sich Gehör zu<br />

Manfred Krug schreibt, wie er denkt. Und umge-<br />

in ihre Geschichte ein und beschreibt<br />

Mai 2020<br />

und deutlich Stellung zu<br />

te, depressive, kritische, polemische,<br />

offen er den Charakter von Weggefährten und<br />

und selbstkritisch, ihre Beziehungen, ihre<br />

verschaffen. Und ja, sie<br />

nüchterne, zugespitzte, sich wieder-<br />

Begleiterinnen beschreibt. Auch da spricht er<br />

Konflikte, ihr Erwachsenwerden. Natürlich<br />

überhöht sie ihre Eltern, gleichzei-<br />

der, in faszinierender Wei-<br />

hat dies in beeindruckenholende,<br />

heftig herausgeschriebene<br />

Klartext, zuweilen durchaus verbittert und ent-<br />

Eruptionen. Erinnerungen an das alte<br />

täuscht. Wer liest,<br />

tig widersteht sie der Versuchung, den<br />

se gemacht. Chapeau!<br />

Ötztal, an den Dialekt, die Sagen, die<br />

so heißt es, ist für<br />

Voyeurismus wohl vieler zu bedienen.<br />

Bräuche und Sitten. Dann wieder die<br />

die Dummheit verlo-<br />

Ein schönes Buch, auch wenn sie auf den<br />

Nazi-Zeit, das Hermann Göring Haus<br />

ren. Auch deswegen<br />

letzten Seiten doch wieder zu sehr auf<br />

vulgo Martin Busch Hütte, das juden-<br />

sei dieses Buch aus-<br />

ihre berühmte Mutter zurückfällt.<br />

freie Ötztal, das Geheimprojekt Zitter-<br />

drücklich empfohlen.<br />

aal-Stollen. Natürlich die Saligen Fräulein<br />

und die Wally, die harte Arbeit am<br />

192<br />

Hof, die Mutter, Freunde, die tausenden<br />

Schafe. Die letzten beiden Sätze<br />

Seiten<br />

des Buches: „Blase das Himmelslicht<br />

€ 22,62<br />

aus und gehe enk.“ipps<br />

schlafen. Pfiet<br />

€ 12,33<br />

Zsolnay Verlag<br />

Ullstein Verlag<br />

Oktober 2021<br />

EMPFOHLEN VON<br />

September 2003<br />

REINHOLD OBLAK<br />

ipps<br />

70<br />

tirol.kulturell tirol.kulturell 71

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