13.04.2022 Aufrufe

277.TIROL - April 2022

Ausgabe 6, April 2022

Ausgabe 6, April 2022

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

62<br />

tirol.investiert tirol.investiert 63<br />

BLACKOUT: TROTZ<br />

EIGENER PHOTOVOLTAIK-<br />

ANLAGE OHNE STROM?<br />

Viele Besitzer*innen von Photovoltaik-Anlagen – auch Gemeinden – wähnen sich im Falle eines Blackouts<br />

auf der sicheren Seite. Doch das kann ein Trugschluss sein. Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist<br />

ein Blackout mit eigenem durch Sonne erzeugten Strom „überbrückbar“. Ist eine Photovoltaik-Anlage nicht<br />

entsprechend ausgerüstet, so trifft auch die Besitzer*innen einer solchen ein allgemeiner Stromausfall.<br />

OBEN:<br />

Bürgermeister<br />

Martin Mayerl bei der<br />

Arbeit in seinem Mutterkuh-<br />

und Rindermastbetrieb.<br />

(© Tanja Cammmerlander/Martin<br />

Mayerl)<br />

Zur Senkung der Stromkosten und um<br />

etwas unabhängiger vom Stromnetz zu<br />

sein, lassen sich immer mehr Gemeinden,<br />

Eigenheimbesitzer*innen und Gewerbebetriebe<br />

eine Photovoltaik-Anlage montieren.<br />

Solange die Sonne scheint, wird eigener<br />

Strom produziert. Das schont nicht<br />

nur das Geldbörsl, sondern ebenso die<br />

Umwelt. Was viele nicht wissen: Bei einem<br />

Stromausfall im großen Stil stehen selbst<br />

sie im Dunkeln. Denn bei einem Blackout<br />

trennt sich eine Solaranlage unverzüglich<br />

vom Netz, weil sich der in der Regel darin<br />

installierte sogenannte Wechselrichter<br />

abschaltet. Jede Solaranlage ist mit dem<br />

örtlichen Stromnetz verbunden, und so<br />

dient diese automatische Trennung bei<br />

einem Blackout vor allem dem Schutz derjenigen,<br />

die zum Zeitpunkt des Ausfalls an<br />

der Wiederherstellung des Stromnetzes<br />

arbeiten. Erst wenn das Netz wieder einsatzfähig<br />

ist, fängt auch die Solaranlage<br />

wieder an Strom zu produzieren.<br />

LINKS:<br />

Am Wirtschaftsgebäude<br />

wurde eine moderne,<br />

dach-integrierte Photovoltaik-Anlage<br />

installiert,<br />

die Hof und Speicher mit<br />

Energie versorgt.<br />

(© sun.e-solution,<br />

Dölsach)<br />

Mit einem Speicher lässt sich eine<br />

gewisse Zeit überbrücken.<br />

Wurde eine Photovoltaik-Anlage aber schon<br />

im Hinblick auf einen gewissen Grad Autarkie,<br />

also Stromunabhängigkeit, ausgelegt,<br />

kann ein Stromausfall durchaus überbrückt<br />

werden. Voraussetzung dafür ist ein ins<br />

System integrierter Speicher und ein dafür<br />

ausgelegtes Energiemanagement, das sich<br />

bei einem Stromausfall nicht automatisch<br />

abschaltet. Allerdings kann nur der Strom<br />

verwendet werden, der von der Anlage auch<br />

gespeichert wurde. Wie lang die gespeicherte<br />

Energie ausreicht, ist von mehreren<br />

Faktoren abhängig. Entscheidend ist<br />

auf jeden Fall die Kapazität des Speichers.<br />

Dann kommt es darauf an, wie viele und<br />

welche Stromverbraucher mit Energie versorgt<br />

werden müssen. Das kann über ein<br />

intelligentes Energie-Managementsystem<br />

gesteuert werden. Schließlich spielt der<br />

Faktor Zeit eine Rolle: Für wie lange soll<br />

ein Stromausfall überbrückt werden?<br />

Dazu ein Fallbeispiel aus Dölsach / Osttirol:<br />

Bürgermeister Martin Mayerl hat neben<br />

seinem Amt einen Mutterkuh- und Rindermastbetrieb.<br />

Er interessierte sich früh für<br />

Photovoltaik – auch weil sein Hof für diese<br />

Technologie günstig gelegen ist. Bereits<br />

2010 installierte er mit Hilfe von Förderungen<br />

eine 6 KW-Photovoltaik-Anlage am<br />

Wohnhaus seines Hofs. Mittlerweile hat<br />

sich die Investition amortisiert und die<br />

Anlage erzielt nach wie vor optimale Stromerträge.<br />

„Allerdings war ein weiterer Ausbau<br />

der Photovoltaik besonders im Hinblick<br />

auf Speichertechnologie bislang in puncto<br />

Wirtschaftlichkeit und Förderungen relativ<br />

uninteressant. Eine Erweiterung in dieser<br />

Hinsicht hatte ich aber immer im Hinterkopf“,<br />

erzählt der Dölsacher Bürgermeister.<br />

Wie viel Komfort darf es sein?<br />

Vor zwei Jahren ergab sich die Chance,<br />

dieses Vorhaben anzugehen, weil dafür<br />

ein Förderpaket speziell für die Landwirtschaft<br />

aufgelegt wurde. Auch die Möglichkeit,<br />

eine AWS-Prämie zu nutzen, führte<br />

zu dem Entschluss, eine ergänzende<br />

Photovoltaik-Anlage inklusive Speicher<br />

am Wirtschaftsgebäude zu installieren.<br />

Martin Mayerl ließ sich durch einen Photovoltaik-Fachbetrieb<br />

beraten. Da in Osttirol<br />

in den letzten drei Jahren Windbruch und<br />

Schneechaos immer wieder zu längeren<br />

Stromausfällen führten, hatte Mayerl den<br />

Wunsch, die Speicherkapazitäten für eine<br />

Überbrückung dahingehend auszulegen.<br />

Dieser Punkt muss bei der Planung einer<br />

Photovoltaik-Anlage unbedingt berücksichtigt<br />

werden, damit die benötigte Leistung<br />

und entsprechend das komplette System<br />

daraufhin ausgelegt werden kann. „Nicht<br />

nur Eigenheimbesitzerinnen und -besitzern<br />

oder Gewerbetreibenden ist das oft<br />

unbekannt, sondern auch Betreiberinnen<br />

und Betreibern von öffentlichen Anlagen,<br />

wie ich durch die Beratung erfahren habe“,<br />

sagt Bürgermeister Martin Mayerl.<br />

UNSER SYSTEM IST SO AUSGELEGT,<br />

DASS BEI EINEM STROMAUSFALL IN<br />

DER NACHT NOCH 20 % IM SPEICHER<br />

BLEIBEN, DIE FÜR DEN START IN DER<br />

FRÜH REICHEN. MIT ZUNEHMENDEM<br />

TAGESLICHT WIRD OHNEHIN WIEDER<br />

STROM PRODUZIERT.<br />

Dabei ist die Entscheidung zentral, was<br />

abgesichert sein muss und was Komfort<br />

ist. Entsprechend ergeben sich daraus die<br />

Investitionskosten und ihr Verhältnis zum<br />

tatsächlichen Nutzen – die Wirtschaftlichkeit<br />

also. „Für uns war wichtig, bei einem<br />

Stromausfall die Funktion der Heizungsanlage,<br />

der Kühl- und Gefriertruhen und des<br />

Lichts sicherzustellen. Die Absicherung für<br />

den Heukran hingegen haben wir hintenangestellt.<br />

Solche Dinge können wir konventionell<br />

überbrücken. Unser System ist so<br />

ausgelegt, dass bei einem Stromausfall in<br />

der Nacht noch 20 % im Speicher bleiben,<br />

die für den Start in der Früh reichen. Mit<br />

zunehmendem Tageslicht wird ohnehin<br />

wieder Strom produziert“, führt Bürgermeister<br />

Mayerl aus. Seit letztem Juli ist<br />

seine Zusatzanlage in Betrieb und rechnet<br />

sich bereits deutlich – begünstigt durch die<br />

gestiegenen Einspeisungstarife.<br />

Ein Totalausfall ist nur mit Notstromaggregat<br />

zu vermeiden.<br />

Ist jedoch die Energie im Speicher aufgebraucht,<br />

beginnt die Anlage erst zu arbeiten,<br />

wenn entweder Strom über das Netz<br />

wieder verfügbar ist oder die Photovoltaik-<br />

Anlage durch Sonnenenergie wieder Strom<br />

produziert und sich dadurch der Speicher<br />

nach und nach aufladen kann. Hierzu merkt<br />

der Photovoltaik-Fachmann Martin Kollnig<br />

der Dölsacher Firma „sun.e-solution“ an:<br />

„Wesentlich ist dabei die ‚Schwarzstartfähigkeit‘<br />

der Anlage. Darunter versteht man<br />

das Hochfahren eines stromproduzierenden<br />

Systems unabhängig vom Stromnetz.<br />

Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, startet<br />

die Anlage nur mit externem Strom<br />

erneut. Was vielen auch nicht bewusst ist:<br />

Photovoltaik-Anlagen in Verbindung mit<br />

einem Speicher sind keine Notstromlösungen<br />

im eigentlichen Sinne. Das wird nur in<br />

Kombination mit einem konventionellen<br />

Notstromaggregat möglich. Sinnvoll ist das<br />

für sensible Bereiche wie Krisenzentren,<br />

Spitäler oder Sicherheitsanlagen.“<br />

Zusammengefasst bedeutet das: Auch<br />

Betreiber*innen einer Photovoltaikanlage<br />

können von einem großflächigen Stromausfall<br />

betroffen sein. Mit genügender Speicherkapazität<br />

lässt sich aber eine gewisse<br />

Zeit überbrücken. Wer auf der sicheren<br />

Seite sein will – wenn es zum Beispiel um<br />

sensible Bereiche geht – sollte ein speicherunterstütztes<br />

Photovoltaiksystem<br />

um ein konventionelles Aggregat ergänzen.<br />

Der tatsächlich notwendige Bedarf<br />

– das Must-have – ist dabei grundsätzlich<br />

zu klären. Das hängt davon ab, ob man<br />

Eigenheimbesitzer*in, Gewerbetreibende*r<br />

oder öffentliche Institution wie eine<br />

Gemeinde ist. Aspekte des Nice-to-have<br />

kommen erst nach der notwendigen<br />

Grundversorgung. Wie viel einem ein solcher<br />

Komfort im Falle eines Blackouts wert<br />

ist, liegt im Auge des Betrachters.<br />

ZUM AUTOR<br />

JAN SCHÄFER<br />

Jan Schäfer ist Experte für Marketing<br />

und Kommunikation. Er unterstützt<br />

seit 2020 die GemNova als Gemeindebetreuer<br />

in Osttirol und war zuletzt<br />

maßgeblich bei der Entstehung des<br />

neuen “Gemeinde ABC‘s” beteiligt.<br />

Kontakt: j.schaefer@gemnova.at

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!