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277.TIROL - April 2022

Ausgabe 6, April 2022

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tirol.Politik tirol.Politik 27<br />

„Ich bin ja ein gebürtiger Thierseer,<br />

hab eigentlich mein ganzes bisheriges<br />

Leben hier verbracht. Und ich möchte<br />

auch nirgendwo anders leben.“ Wenn der<br />

45-jährige Rainer Fankhauser über seine<br />

Gemeinde spricht, kommt er fast ins<br />

Schwärmen. Von 2004 bis 2016 war er<br />

bereits als Gemeinderat politisch aktiv,<br />

bevor er sich dann die vergangenen sechs<br />

Jahre ganz bewusst eine politische Auszeit<br />

genehmigte. „Ich wollte einfach mehr<br />

Zeit für meine Familie, für meine beiden<br />

Kinder haben. Außerdem war ich in dieser<br />

Zeit Fußballtrainer bei den Kindern, auch<br />

Obmann des Fußballvereins.“<br />

© Privat<br />

Rainer<br />

Fankhauser<br />

die kraft<br />

des neuen<br />

In einigen Orten Tirols blieb nach den Gemeinderatswahlen kein<br />

Stein auf dem anderen. In Hall, Schwaz, Völs, Wattens, Wörgl oder<br />

Zams etwa. Wir haben uns weiter umgesehen und stellen eine<br />

Bürgermeisterin und zwei Bürgermeister vor, die neu im Amt sind.<br />

Melanie Zerlauth in Pfunds, Thomas Gschösser in Reith im Alpbachtal,<br />

Rainer Fankhauser in Thiersee.<br />

VON REINHOLD OBLAK<br />

Im Herbst des vergangenen Jahres wurde<br />

Fankhauser dann immer wieder auf<br />

die bevorstehenden Gemeinderatswahlen<br />

angesprochen. Und mitunter recht direkt<br />

gefragt, ob er nicht auch als Bürgermeister<br />

zur Verfügung stehen würde. „Ich habe<br />

mir die Entscheidung wirklich nicht leicht<br />

gemacht, Vor- und Nachteile abgewogen<br />

und mich erst spät, Ende November,<br />

zur Kandidatur entschlossen.“ Mangels<br />

Gegenkandidaten war seine Wahl freilich<br />

zu 100 Prozent sicher.<br />

Dass in Thiersee so viele unterschiedliche<br />

Listen kandidieren, hat auch historische<br />

Gründe, wie der Neo-Bürgermeister<br />

erklärt. „Wir haben hier vier Ortsteile,<br />

jeder Ortsteil tritt mit einer eigenen Liste<br />

an. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun,<br />

sondern mit den ganz speziellen Interessen<br />

des jeweiligen Ortsteiles. Ich selbst<br />

bin mit einer überparteilichen Bürgermeisterliste<br />

angetreten, die bewusst<br />

das Ganze, das Gemeinsame in den Vordergrund<br />

gestellt hat.“ Als größtes, als<br />

wichtigstes Projekt für die nächsten sechs<br />

Jahre nennt Fankhauser die Energiewende.<br />

„Wir haben in der Bevölkerung eine<br />

Umfrage gemacht, da war das Energiethema<br />

on top. Auch mir persönlich ist das<br />

außerordentlich wichtig, jeder Einzelne<br />

muss seinen Beitrag dazu leisten. Hier in<br />

Thiersee denken wir an den Ausbau der<br />

Photovoltaik, an E-Car-Sharing, auch an<br />

den Einsatz von Biomasse.“<br />

Abseits der Politik tritt der neue Bürgermeister<br />

nach wie vor gerne die runde<br />

Kugel. Noch im letzten Jahr kickte der<br />

damals 44-Jährige aushilfsweise in der<br />

Kampfmannschaft des SV Thiersee. Mit<br />

großem Engagement und einigen blauen<br />

Flecken, wie es heißt. Aber gut, auch in<br />

der Politik soll es zuweilen das eine oder<br />

andere Foul geben.<br />

Melanie Zerlauth in Pfunds<br />

„Ja, ich war überrascht. Weil eigentlich<br />

habe ich gedacht, ich werde nach der<br />

Wahl meinen Mitbewerber zum Bürgermeisteramt<br />

gratulieren. Dass ich nun<br />

selbst die neue Bürgermeisterin von<br />

Pfunds bin, freut mich natürlich umso<br />

mehr.“ Was Melanie Zerlauth nicht dazu<br />

sagt: Die Pfundser Bevölkerung hat sie<br />

mit riesengroßem Abstand in ihre neue<br />

Funktion gewählt, außerdem ist sie damit<br />

die erste Bürgermeisterin im ganzen<br />

Bezirk Landeck. Hat ohnehin viel zu lange<br />

gedauert.<br />

© Marin Gspan<br />

Melanie<br />

Zerlauth<br />

Dass Zerlauth nicht nur den eigenen<br />

Kirchturm im Blickwinkel hat, zeigt auch<br />

ihr bisheriges Leben. Nach der Handelsschule<br />

in Landeck zog sie aus privaten<br />

Gründen für zwei Jahre nach Wiener<br />

Neustadt, später arbeitete sie in Scuol<br />

im schweizerischen Engadin. Mittlerweile<br />

ist die 43-Jährige in Pfunds verheiratet,<br />

hat zwei Töchter und ist seit neun Jahren<br />

als Assistentin im örtlichen Kindergarten<br />

beschäftigt. Von 2010 bis 2017<br />

war sie außerdem bereits im Gemeinderat<br />

tätig, zog sich dann allerdings nach<br />

einem schweren Bandscheibenvorfall aus<br />

der Politik zurück.<br />

„Vergangenen Winter haben die Gespräche<br />

begonnen. In unserer Liste wurde hin<br />

und her überlegt, wer als Bürgermeisterkandidat<br />

antreten soll. Immer mehr haben<br />

dann zu mir gesagt: mach´s, mach´s,<br />

mach´s. Meine Antwort: Nein, die wollen<br />

keine Frau. Irgendwann hab ich dann<br />

gesagt, gut, ich mach´s, ihr findet eh niemand<br />

anderen.“ Dass es von der zweiten<br />

Liste in Pfunds noch einen anderen Bürgermeisterkandidaten<br />

gegeben hat, störte<br />

Zerlauth überhaupt nicht.<br />

In den kommenden sechs Jahren will<br />

die neue Bürgermeisterin vor allem im<br />

Sozialbereich ihre Spuren hinterlassen.<br />

Ihre Vision, ihr großes Ziel: ein eigenes<br />

Altersheim in Pfunds. Die Pflege<br />

der Angehörigen, das betreute Wohnen –<br />

alles Themen, die sie sehr stark bewegen.<br />

Vor der Wahl hat sich Zerlauth naturgemäß<br />

genau im Ort umgehört, auch eine<br />

eigene Umfrage „Melanie will´s wissen“<br />

durchgeführt. „Da bin ich der Bevölkerung<br />

natürlich im Wort, deren Anliegen gehören<br />

umgesetzt.“<br />

Und wie verbringt Melanie Zerlauth<br />

eigentlich ihre Freizeit? Natürlich beim<br />

Wandern, beim Skifahren, eh klar. Andererseits:<br />

„Ich hab ein großes Haus, einen<br />

Garten, zwei Kinder. Ich arbeite im Kindergarten,<br />

engagiere mich ehrenamtlich<br />

in verschiedenen Initiativen, jetzt bin ich<br />

auch noch Bürgermeisterin. Viel Freizeit<br />

wird mir da wohl nicht bleiben.“ Ob es bei<br />

ihren männlichen Bürgermeisterkollegen<br />

auch so zugeht?<br />

Thomas Gschösser, Reith im Alpbachtal<br />

Mit Politik ist Thomas Gschösser so<br />

irgendwie ganz selbstverständlich aufgewachsen.<br />

„Mein Opa war schon im<br />

Gemeinderat, aber das ist schon recht<br />

lange her, und mein Papa war Obmann<br />

im Tourismusverband. Da hab ich dann<br />

natürlich schon mitbekommen, worum es<br />

bei uns in Reith so geht. Im Positiven wie<br />

im Negativen.“<br />

2010 – Gschösser ist damals gerade mal<br />

23 Jahre jung – schafft er auf der Bürgermeisterliste<br />

den Einzug in den Gemeinderat.<br />

Zwölf Jahre lang bestimmt er so die<br />

Politik in Reith mit, zuerst als Gemeindevorstand,<br />

dann als Gemeinderat. So<br />

wirklich viel bewegen konnte er als einfacher<br />

Mandatar zwar nicht, sagt er heute,<br />

gleichzeitig habe er aber viel gelernt.<br />

Bei der Listensitzung im November des<br />

Vorjahres dann die politische Gretchenfrage:<br />

Wer soll dem Langzeitbürgermeister<br />

Johann Thaler nachfolgen? „Eigentlich<br />

wollte niemand, doch dann haben immer<br />

mehr in meine Richtung geschaut. Gleichzeitig<br />

hat die andere Liste einen Bürgermeisterkandidaten<br />

aufgestellt. Ich hab<br />

dann einige Nächte drüber geschlafen.<br />

Zum Schluss gab es für mich nur zwei<br />

Optionen: Entweder ich kandidiere als<br />

Bürgermeister oder ich scheide komplett<br />

aus dem Gemeinderat aus.“<br />

Das Ergebnis ist mittlerweile bekannt:<br />

Zwar verlor seine Liste insgesamt zwei<br />

Mandate, gleichzeitig wurde Thomas<br />

Gschösser von der Reither Bevölkerung<br />

recht eindrucksvoll zum Bürgermeister<br />

gewählt. Mit doch recht großem Abstand<br />

zu seinem Mitbewerber. Erklärtes Ziel<br />

des Neo-Bürgermeisters für die nächsten<br />

sechs Jahre: vorhandene Unstimmigkeiten<br />

im Gemeinderat auszuräumen,<br />

das Gemeinsame zu betonen, die vielen<br />

Projekte zügig umzusetzen.<br />

In seiner Freizeit, die nun freilich etwas<br />

schmäler ausfallen wird, ist Gschösser<br />

vor allem sportlich sehr aktiv. Im Sommer<br />

sitzt er abwechselnd am Rennrad oder<br />

am Mountainbike, im Winter ist er viel auf<br />

Skitouren unterwegs. Als staatlich geprüfter<br />

Skilehrer – seinem Vater gehört die<br />

örtliche Skischule - kommt er nur mehr<br />

aushilfsweise zum Einsatz, seine ehrenamtliche<br />

Tätigkeit bei der Feuerwehr will<br />

er indes keinesfalls aufgeben.<br />

Ach ja, Geselligkeit ist dem neuen Reither<br />

Bürgermeister ebenfalls sehr wichtig. „Ich<br />

hab auch in den schwierigen Corona-Zeiten<br />

unsere Gastronomie im Ort immer<br />

wieder besucht und somit auch privat<br />

unterstützt“, erklärt er lächelnd.<br />

© Simon Fischler<br />

Th0mas ..<br />

Gsch0sser

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