277.TIROL - April 2022
Ausgabe 6, April 2022
Ausgabe 6, April 2022
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1<br />
S'GEMEINDEBLATTL,<br />
DIE AMTSTAFEL,<br />
DER BÜRGERMEISTER UND<br />
DER GEMEINDESEKRETÄR<br />
Wie sich Kommunikation, Information und Bürger*innenservice<br />
in den Gemeinden verändert haben<br />
GEMEINDESTRATEGIE<br />
MITEINANDER ENTWICKELN<br />
AUSGABE 6 | APRIL <strong>2022</strong><br />
VIA LIVESTREAM IN DER<br />
ERSTEN REIHE SITZEN
Verlässlicher<br />
2<br />
Partner<br />
3<br />
für Tiroler Gemeinden<br />
bezahlte Anzeige<br />
Tratzbergsiedlung, Jenbach<br />
Multifunktionsgebäude mit 10 Mietwohnungen, 8 Kindergartengruppen,<br />
2 Kinderkrippengruppen, 2 Gewerbeeinheiten<br />
Wohn und Pflegeheim Haus Maria, Natters<br />
40 Pflegebetten, 8 Tagesbetreuungsplätze, 14 Einheiten<br />
für betreubares Wohnen, 1 Arztpraxis<br />
Haus der Generationen, Volders<br />
Multifunktionsgebäude mit 13 betreubaren Mietwohnungen,<br />
8 Kindergartengruppen, 4 Kinderkrippengruppen,<br />
Vereinsräumlichkeiten<br />
Kindergarten Elisabethinum, Axams<br />
6 Kindergartengruppen, 2 Kinderkrippengruppen<br />
Sozialzentrum „Gepflegtes Wohnen“, Mayrhofen<br />
80 Pflegebetten, Räumlichkeiten für Sozialsprengel<br />
und Tagespflege, Zentralgarage für Gemeinde<br />
Kindergarten St. Paulus, Innsbruck<br />
3 Kindergartengruppen, 2 Kinderkrippengruppen<br />
Fotos: NHT/2quadr.at, Oss, Pauli, Vandory, Renderwerk<br />
Die GemNova bemüht sich um eine<br />
gendersensible Sprache in all ihren<br />
Texten. Dies umfasst die Ansprache<br />
nicht nur des männlichen und weiblichen<br />
Geschlechts, sondern auch<br />
des dritten Geschlechts. Dies sind<br />
Personen, die sich nicht in das binäre<br />
Geschlechtssystem „männlich“ und<br />
„weiblich“ einordnen lassen (wollen).<br />
Betreubares Wohnen, Haiming<br />
18 betreubare Mietwohnungen<br />
Einsatzzentrum, Schönwies<br />
Einsatzzentrum für die Feuerwehr und Bergrettung<br />
Sozialzentrum „Ankematen“, Kematen<br />
21 betreubare Mietwohnungen, Räumlichkeiten für Lebenshilfe,<br />
Sozialsprengel und Physiotherapie, 1 Arztpraxis<br />
NEUE HEIMAT TIROL: Erste Adresse für Tirols Gemeinden<br />
Nicht nur wenn es um leistbaren Wohnraum für die Tirolerinnen und Tiroler geht, ist die NEUE HEIMAT TIROL<br />
die erste Wahl für die Tiroler Gemeinden. Auch bei der Errichtung von kommunalen Einrichtungen ist sie ein<br />
gefragter und verlässlicher Partner.<br />
Regionalität und Umweltverträglichkeit<br />
sind uns ein Anliegen.<br />
NEUE HEIMAT TIROL Gemeinnützige WohnungsGmbH . Gumppstraße 47 . 6020 Innsbruck . neueheimat.tirol
INHALT<br />
16<br />
MODERNE<br />
BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
GEMEINDE-<br />
STRATEGIEN<br />
GEMEINSAM<br />
ENTWICKELN<br />
GemNova.inside<br />
06 Mann, war das heuer<br />
schon aufregend...<br />
MODERNE<br />
BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
tirol.hat Recht<br />
35 Unterstützung<br />
im Vergaberecht<br />
38 Whistleblower<br />
40 Videoüberwachung<br />
tirol.sucht Menschen<br />
74 Der ganz normale Alltag<br />
in der Gemeindeverwaltung<br />
tirol.sportlich und gesund<br />
Immer mehr Gemeinden setzen<br />
bei der Entwicklung von Strategien,<br />
aber auch bei Infrastrukturprojekten<br />
auf die Kraft der Vielen.<br />
08 S'Gemeindeblattl, die<br />
Amtstafel, der Bürgermeister*<br />
und der<br />
Gemeindesekretär*<br />
42 Was für ein Zustand!<br />
tirol.ist schön<br />
76 Die Projektpartner der<br />
„Gesunden Gemeinde<br />
Tirol“...<br />
78 Geh’ weiter, geh’ immer<br />
weiter<br />
28<br />
54<br />
44 Neues Kinderzentrum in<br />
St. Johann und die Drehscheibe<br />
Lans<br />
tirol.bunt und vielfältig<br />
84 Drei Monde in<br />
den Mokassins<br />
14 Via Livestream in der<br />
ersten Reihe sitzen<br />
16 Gemeindestrategie<br />
miteinander entwickeln<br />
tirol.modern und innovativ<br />
86 Atract fliegt jetzt<br />
tirol.denkt weiter<br />
18 Kommunale Aufgaben<br />
effizient und (rechts)sicher<br />
erledigen<br />
20 Qualität macht erfolgreich<br />
und zukunftsfit<br />
52 Matty? Matty was?<br />
54 Nachhaltiges Bauen<br />
tirol.investiert<br />
88 Back to<br />
the green roots<br />
tirol.modern und innovativ<br />
NACHHALTIGES<br />
BAUEN<br />
tirol.Politik<br />
22 Gemeindepolitik<br />
Die Herausforderungen<br />
sind breit gefächert<br />
26 Die Kraft des Neuen<br />
60 Blackout:<br />
Vorsorge-Vorbild Bad Häring<br />
62 Blackout: Trotz eigener<br />
Photovoltaik-Anlage<br />
ohne Strom?<br />
64 Fördermöglichkeiten<br />
richtig nutzen<br />
90 Vorreiter in Sachen<br />
Klimasschutz:<br />
Virgen/Osttirol<br />
tirol.bildet<br />
tirol.Wissen<br />
WIE DIE GEMEINDE<br />
ZU IHREM „KNÖDEL“<br />
KOMMT<br />
Zukunftsfähiges Bauen, „enkeltaugliches“<br />
Bauen, nachhaltiges Bauen – Begriffe, die sich<br />
gerade häufen, im Trend sind, ein Gebäude<br />
auf der Höhe der Zeit erscheinen lassen<br />
wollen. Doch was bedeuten diese Begriffe<br />
wirklich?<br />
tirol.Wissen<br />
tirol.kulturell<br />
92 Chancengerechtigkeit<br />
als Chance für Alle<br />
28 Wie die Gemeinde zu<br />
ihrem „Knödel“ kommt...<br />
tirol.kooperiert<br />
30 Frühjahrsputz in der Natur<br />
32 Gemeinsam für alle<br />
67 Zeit ist relativ<br />
68 Acht lesenswerte Bücher<br />
tirol.mobil<br />
72 Digitales Parken per App<br />
94 Kunterbunte Expertise<br />
GemNova.Menschen<br />
96 я зараз тут<br />
78<br />
tirol.sportlich und gesund<br />
GEH’ WEITER,<br />
GEH’ IMMER<br />
WEITER
6 GemNova.inside<br />
GemNova.inside 7<br />
Mann, war<br />
das heuer<br />
sch0n<br />
aufregend...<br />
Spätestens seit den Stichwahlen sind nun<br />
in allen Tiroler Gemeinden die Verhältnisse<br />
geklärt. Die Wählerin und der Wähler haben<br />
gesprochen. Selbst in Matrei am Brenner, der<br />
jüngsten Gemeinde Tirols, wurde gewählt und<br />
entschieden, wer die Gemeinde die nächsten<br />
sechs Jahre führen soll. Allen gewählten Mandatar*innen<br />
und Bürgermeister*innen wünschen<br />
wir alles Gute!<br />
Nun gut, die Sache mit Matrei am Brenner<br />
hat für uns ja dazu geführt, dass<br />
wir unser Magazin von 279.TIROL in<br />
<strong>277.TIROL</strong> umbenennen mussten. Wir<br />
hoffen, dass es in den nächsten Jahren<br />
ruhig bleibt, sonst müssen wir uns hier<br />
überhaupt was Neues überlegen.<br />
Nichts Neues aber trotzdem interessant:<br />
Abraham Lincoln, der 16. Präsident der Vereinigten<br />
Staaten, hat mal gesagt: „Der Stimmzettel<br />
ist stärker als die Kugel.“ Trotz teilweiser<br />
martialischer Rhetorik gilt es jetzt, die<br />
Waffen zu begraben und konstruktiv zusammenzuarbeiten.<br />
Zum Wohle der Bürger*innen<br />
der Gemeinde. Für das konstruktive Miteinander<br />
bieten wir übrigens Workshops in unterschiedlichen<br />
Formaten an.<br />
Was bei diesen Wahlen klar erkennbar war:<br />
Die Kommunikation hat sich seit den letzten<br />
Wahlen stark verändert und ist mit den<br />
Wahlen 2016 und 2010 überhaupt nicht mehr<br />
vergleichbar. Kommunikation ist heute vielfältiger,<br />
komplexer und damit wesentlich herausfordernder<br />
geworden. Von Videos, Hybridveranstaltungen,<br />
Social-Media-Beiträgen bis hin<br />
zum Podcast haben die Wahlkämpfer*innen<br />
in diesem Jahr kommunikativ alles gegeben.<br />
Diese Vielfalt an Kommunikation sollte aber<br />
nach den Wahlen nicht stoppen. Die Bürger*innen<br />
sind heute viel anspruchsvoller<br />
als früher, was Kommunikation, Information,<br />
Beteiligung anlangt. Somit wird sie für jede<br />
Gemeinde ein zentrales Thema bleiben, sollte<br />
nicht dem Zufall überlassen werden und<br />
muss daher strategisch geplant werden.<br />
„Moderne Bürger*innen-Kommunikation“<br />
heißt das bei GemNova. Und wir wissen aus<br />
Erfahrung, wie schwierig und aufwendig es<br />
ist, mit all den Kommunikationsmöglichkeiten<br />
erfolgreich am Zahn der Zeit zu bleiben.<br />
Darüber lesen Sie in diesem Magazin mehr.<br />
Das kann und wird auch den Unterschied<br />
in der Zukunft ausmachen. Den Unterschied<br />
zum Beispiel zwischen einem guten<br />
und einem schlechten Projekt. Den Unterschied,<br />
ob sich Bürger*innen wohlfühlen oder<br />
nicht. Den Unterschied, ob sich Bürger*innen<br />
beschweren oder nicht. Aber auch den<br />
Unterschied, wie viel Zeit die Verwaltung in<br />
Kommunikation investieren muss oder nicht.<br />
Ja, das hängt manchmal nur an der Art und<br />
Weise der Kommunikation!<br />
P.S.: Natürlich birgt das obige Zitat von Lincoln<br />
durchaus eine gewisse Ironie in sich: Er<br />
wurde nämlich am 15. <strong>April</strong> 1865 nicht durch<br />
den Stimmzettel abgewählt, sondern durch<br />
eine Kugel ermordet. Aber das gehört in<br />
unseren Gefilden wohl der Vergangenheit an.<br />
Alois Rathgeb<br />
Niki Kraak
8<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION 9<br />
s'Gemeindeblattl,<br />
die Amtstafel,<br />
der Bürgermeister * und<br />
der Gemeindesekretär *<br />
…oder wie sich Kommunikation,<br />
Information und Bürger*innenservice<br />
in den Gemeinden in<br />
den letzten 30 Jahren verändert<br />
haben.<br />
ZUM AUTOR<br />
ALOIS RATHGEB<br />
Alois Rathgeb ist Gründer und<br />
Geschäftsführer der GemNova.<br />
Im Titel habe ich bewusst geschrieben:<br />
der Bürgermeister*. Vor 30 Jahren hat<br />
es tatsächlich noch keine Bürgermeisterin<br />
in Tirol gegeben. Erst 1994 wurde in<br />
Lienz Helga Machne zur ersten Bürgermeisterin<br />
Tirols gewählt. Zu dieser Zeit<br />
sagte man zum Amtsleiter/zur Amtsleiterin<br />
noch Gemeindesekretär*. Damit<br />
wusste jeder, wer gemeint war. Sogar<br />
in Ranggen, wo die Lisi nachweislich<br />
kein Mann war, war sie doch die Mutter<br />
eines meiner besten Kollegen.<br />
S´Gemeindeblattl, die Amtstafel, der Bürgermeister<br />
und der Gemeindesekretär<br />
waren zu der Zeit wirklich DIE Informationsquellen<br />
der Gemeinde. Wann der Müll<br />
abgeholt wird, stand in der Gemeindezeitung<br />
(eigentlich wusste man das eh).<br />
Wann Sitzung war, erfuhr man offiziell von<br />
der Amtstafel (inoffiziell wusste man es<br />
ja schon aus dem Gasthaus). Wenn man<br />
einen Meldezettel benötigte, ging man<br />
zum Gemeindesekretär und wenn man<br />
ein Anliegen hatte zum Bürgermeister<br />
(oder ins Gasthaus). Alles Sonstige – wer<br />
mit wem im Gemeinderat grad streitet,<br />
wieso der Stall keine Baugenehmigung<br />
bekommen hat (manchmal hat einfach<br />
der Falsche angesucht) und vieles mehr<br />
– wusste man einfach.<br />
Kein E-Government, keine GemeindeApp,<br />
kein Facebook oder gar Video. Keine Servicekarte<br />
und kein offizielles Beschwerdemanagement.<br />
All das ist noch sehr jung und wird vom<br />
Bürger und der Bürgerin erwartet oder<br />
sogar gefordert. Und wie sieht die aktuelle<br />
Entwicklung aus? Eigene App für jedes<br />
und alles, Karte hier und dort, von der Saisonkarte<br />
fürs Schwimmbad bis zur Gutscheinkarte<br />
der regionalen Wirtschaft,<br />
Anwendung diese und jene, vom Bund,<br />
vom Land, von den Gemeinden. Infos über<br />
alle Social-Media-Kanäle, Gemeindezeitung,<br />
Newsletter und mehr. Die vielen<br />
Wünsche und die zahlreichen Möglichkeiten<br />
haben vielfach zu einem Wildwuchs<br />
geführt. Und selbstverständlich gibt und<br />
gab es viele Lieferant*innen von digitalen<br />
Services, die kurzfristig gute Geschäfte<br />
machen bzw. gemacht haben.<br />
Aus der Wirtschaftstheorie kennt man die<br />
Aussage „Angebot schafft Nachfrage“. Das<br />
mag vielfach stimmen, in dem Fall aber<br />
ganz und gar nicht. Vor allem, wenn das<br />
Angebot nicht strukturiert, nicht in sich<br />
greifend und unzusammenhängend ist.<br />
Aber wie schafft man es nun das Ganze<br />
zu entwirren und eine „Moderne Bürger*innen-Kommunikation“<br />
aufzubauen?<br />
Wir haben darüber bereits in anderen<br />
Ausgaben unseres Magazins geschrieben<br />
und verweisen möchten wir hier vor<br />
allem auch auf den „Masterplan Digitalisierung“,<br />
den wir im Auftrag des Landes<br />
Tirol und des Tiroler Gemeindeverbandes<br />
entwickeln durften und welcher in Kürze<br />
veröffentlicht wird.
10 TIROL.DIGITALISIERT MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
TIROL.DIGITALISIERT 11<br />
Bürger*innen müssen<br />
d0rt erreicht werden,<br />
w0 sie sich am liebsten<br />
(0nline) bewegen.<br />
Beginnen möchte ich mit Grundlagen<br />
einer "Modernen Bürger*innen-Kommunikation“.<br />
Moderne Bürger*innen-Kommunikation<br />
muss immer bidirektional<br />
möglich sein. Der/die Bürger*in muss die<br />
Möglichkeit haben, mit der Gemeinde zu<br />
interagieren. Sei es durch einfache Likes<br />
oder über innovative Chat Bots.<br />
Bürger*innen müssen dort erreicht werden,<br />
wo sie sich am liebsten (online) bewegen.<br />
Gerade das ist heute sehr herausfordernd,<br />
weil es so viele Möglichkeiten gibt.<br />
Der eine nutzt Social Media, die andere<br />
Mail und die Dritte diverse Videokanäle.<br />
Wenige wollen sich aktiv irgendwo Infos<br />
holen. Sie wollen sie dort bekommen, wo<br />
sie sich bewegen. „Headless CMS“ ist<br />
hierbei ein Schlagwort, von dem wir noch<br />
viel hören werden.<br />
Ein wesentlicher Baustein moderner Bürger*innen-Kommunikation<br />
sind saubere<br />
Daten in der Gemeinde. E-Government<br />
oder auch sonstige Serviceleistungen der<br />
Gemeinde funktionieren nur, wenn das<br />
Gegenüber klar identifizierbar ist.<br />
Die Begrifflichkeit des One-Stop-Shop<br />
spielt in dem Zusammenhang eine<br />
wesentliche Rolle. Eine Plattform, eine<br />
Identifikation, alle Leistungen. Das heißt,<br />
man muss Systeme entwickeln, die alle<br />
E-Government-Leistungen, alle sonstigen<br />
Serviceleistungen einer Gemeinde und<br />
alle kommunikativen Leistungen bündeln<br />
und der Bürgerin und dem Bürger zur fügung<br />
Verstellen.<br />
Informationen zu den Bürger*innen werden<br />
dabei nur einmal erfasst und über<br />
verschiedene Kanäle ausgespielt. Sei es<br />
die Gemeinde-Service-Plattform, Social-<br />
Media-Kanäle, die Website, der Newsletter,<br />
die Gemeindezeitung oder das GemeindeTV.<br />
Das heißt, keine mehrfache Datenpflege,<br />
sondern einmal erfassen und multimedial<br />
ausspielen.<br />
Ein physisches Medium – die Bürger*innen-Servicekarte<br />
oder künftig auch<br />
Uhr oder Handy – setzt Leistungen der<br />
Gemeinde reell um. Dieses öffnet den<br />
Schranken beim Müll genauso wie das<br />
Drehkreuz im Schwimmbad oder den<br />
Zugang zum Vereinslokal. Zudem soll<br />
dieses Medium auch mit einer integrierten<br />
Bezahlmöglichkeit ausgestattet sein,<br />
wodurch es zugleich zum Zahlungsmittel<br />
wird. Damit können dem Bürger und der<br />
Bürgerin Guthaben bzw. Gutscheine auf die<br />
jeweiligen Bürger*innenkonten gutgebucht<br />
werden, welche in den Akzeptanzstellen<br />
in der Gemeinde einlösbar sind. Die Bürger*innen<br />
können damit im Ort einkaufen<br />
oder essen gehen, wodurch die regionale<br />
inf0b0x<br />
Grundlagen moderner<br />
Bürger * innen-Kommunikation:<br />
Bidirektional<br />
Zielgenau und individuell<br />
Eindeutig<br />
Daten einmalig erfassen<br />
multimedial ausspielen<br />
One-stop-Shop<br />
Multifunktionsmedium<br />
Bezahlmöglichkeit<br />
Überregional anwendbar<br />
Wertschöpfung gestärkt wird. Last but not<br />
least sollte es ein System sein, welches<br />
überregional anwendbar ist und damit<br />
Kooperationen ermöglicht. Der Bürger und<br />
die Bürgerin sollten, egal wo sie und er<br />
wohnen, die gleiche Plattform nutzen und<br />
das gleiche Medium nutzen können.<br />
Daraus lässt sich eine Vision formulieren,<br />
die in etwa so lauten könnte:<br />
Die Gemeinde erreicht die Bürger*innen<br />
dort, wo sie sich jeweils am wohlsten<br />
fühlen. Sie bietet alle Services und Informationen<br />
gebündelt über eine Gemeinde-Service-Plattform<br />
an und tritt mit der<br />
Bürgerin und dem Bürger in einen Austausch.<br />
Er/sie kann nach dem One-Stop-<br />
Shop-Prinzip mit einer einmaligen Identifikation<br />
diese Leistungen finden und<br />
abrufen. Ein Medium mit Bezahlfunktion<br />
öffnet die physische Welt aller Gemeindeservices.<br />
Alle Services sind überregional<br />
vernetzbar und schaffen so für die Bürgerin<br />
und den Bürger eine Welt, welche<br />
ortsunabhängig erlebbar wird.<br />
Diese Vision stellt für die Gemeinde aber<br />
auch die Bürger*innen eine riesige Winwin-Situation<br />
dar. Die Gemeindeverwaltung<br />
wird stark entlastet, weil zum Beispiel<br />
über die Bürger*innen-Servicekarte<br />
Müllsäcke beim Automaten 24/7 ausgegeben<br />
werden, und die Bürger*innen finden<br />
sich in der Vielfalt der kommunalen<br />
Dienstleistungen zurecht.<br />
Sämtliche Gemeindeservices können<br />
wie in einem Baukastensystem Schritt<br />
für Schritt digital zur Verfügung gestellt<br />
und zugänglich gemacht werden. Dabei<br />
wäre natürlich ein tirolweiter, gemeinsamer<br />
Auf- und Ausbau wesentlich günstiger<br />
als kommunale Einzellösungen. Viele Dinge<br />
sind skalierbar und man muss sie nur<br />
einmal entwickeln. Gemeinden können an<br />
dieses System andocken und modulartig<br />
ihre Serviceleistungen einbinden.<br />
Klingt gut,<br />
ist gut! Aber wie<br />
kÖnnte das in der<br />
Praxis aussehen?
12<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
13<br />
aus sicht<br />
der gemeinde<br />
Die Gemeinde Immergut i.T. bietet jetzt<br />
schon viele Services für die Bürger*innen<br />
an. Neben einer Müllkarte gibt es die Saisonkarte<br />
für das Schwimmbad und Bürger*innen<br />
erhalten bei Kauf eines Öffi-<br />
Jahrestickets einen 70 Euro Gutschein.<br />
Kommuniziert wird über eine App, die<br />
Website und das Immergut-Blattl. Natürlich<br />
postet die moderne Gemeinde auch<br />
immer wieder was auf Facebook. Nun<br />
möchte die Gemeinde künftig noch einen<br />
Müllsackautomaten aufstellen, älteren<br />
Menschen einen vergünstigten Taxitarif<br />
zur Verfügung stellen, den Besuch im<br />
örtlichen Museum ermöglichen und ein<br />
Buchungssystem inkl. digitalem Schließsystem<br />
für Co-Working-Spaces anbieten.<br />
Auch eine E-Bike-Sharing-Station aufzubauen<br />
wäre cool und diese mit dem Carsharing<br />
zu verbinden. Gemeinsam mit der<br />
heimischen Wirtschaft sollte zudem ein<br />
Gutscheinsystem installiert werden.<br />
Im schlimmsten Fall hätte die Gemeinde<br />
mehr als 10 Apps und eine große<br />
Anzahl an unterschiedlichen Karten,<br />
wenn sie das alles machen würde.<br />
Hier kommt die oben beschriebene Vision<br />
der Gemeinde-Service-Plattform ins<br />
Spiel. Dort kann die Gemeinde andocken.<br />
Der sichere Login ist integriert und die<br />
Gemeinde Immergut kann modulartig ihre<br />
Serviceleistungen digital zur Verfügung<br />
stellen, vom digitalen Gutscheinsystem<br />
über den Zutritt zum Recyclinghof inkl.<br />
automatisierter Verrechnung bis hin zur<br />
Buchungsplattform. In einer modernen<br />
Kommunalsoftware laufen viele dieser<br />
Prozesse vollautomatisch durch, d.h. die<br />
Gemeinde hat nach einmaliger Einrichtung<br />
damit sehr wenig Arbeit. Die wichtigsten<br />
Fragen und Antworten werden über Chat<br />
Bots abgewickelt und den Bürger*innen<br />
werden über ihren Lieblingskanal die neuesten<br />
Infos der Gemeinde zugestellt.<br />
Aus Sicht der Bürgerin und des Bürgers<br />
Georg und Lisi mit ihren drei Kindern, bisher<br />
wohnhaft in einem Nachbarbundesland,<br />
ziehen nach Immergut i. T. Sie melden<br />
sich in der Gemeinde an – vermutlich<br />
schon online – und erhalten wenige Tage<br />
später ihr Willkommens-Paket mit einer<br />
persönlichen Grußkarte der Bürgermeisterin.<br />
Dort finden sie ihre Bürger*innen-Karten.<br />
Alles natürlich datenschutzrechtlich<br />
vollkommen konform. Eh klar.<br />
Sie gehen auf die Gemeinde-Service-<br />
Plattform und suchen ihre neue Gemeinde<br />
Immergut i.T. Dort sehen sie dann alle<br />
Leistungen, welche die Gemeinde anbietet,<br />
also all jene, die wir oben beschrieben<br />
haben. Dort finden sie aber auch das<br />
GemeindeTV und alle sonstigen Medien<br />
einer Gemeinde. So könnte die Welt der<br />
„Modernen Bürger*innen-Kommunikation“<br />
aussehen. Und so weit sind wir davon<br />
nicht entfernt. Was wir dazu benötigen?<br />
Einen Schulterschluss der Tiroler den und ein Bekenntnis zu Bürgernähe,<br />
Gemein-<br />
überregionaler Herangehensweise und<br />
damit niedrigeren Kosten. Das Gute daran?<br />
Wir als GemNova bauen bereits mit<br />
einigen Gemeinden an dieser Welt und<br />
haben einige Module bereits fertiggestellt<br />
und für andere nutzbar gemacht.<br />
LEITARTIKEL<br />
gemeinde<br />
immergut<br />
ZUTRITT RECYCLINGHOF<br />
E-CAR-SHARING<br />
GEMEINDE TV<br />
E-GOVERNMENT<br />
glauben<br />
sie, das<br />
gelingt?<br />
gemeinde<br />
bergluft<br />
Haben Sie noch Bedenken oder Fragen?<br />
Wir kommen gerne in Ihre Gemeinde<br />
oder Ihren Gemeinderat. Dort stellen<br />
wir Ihnen den „Masterplan Digitalisierung“<br />
vor und erarbeiten mit Ihnen<br />
gemeinsam Umsetzungswege für Ihre<br />
Gemeinde. Wenden Sie sich an Ihre<br />
Gemeindebetreuerin / Ihren Gemeindebetreuer<br />
oder auch direkt an mich:<br />
Alois Rathgeb, Geschäftsführer<br />
a.rathgeb@gemnova.at<br />
Tel. 0699 15 74 29 00<br />
gemeinde-service-plattf0rm<br />
MÜLLAUTOMAT<br />
GUTSCHEINSYSTEM<br />
E-GOVERNMENT<br />
BUCHUNG CO-WORKING SPACE<br />
bund<br />
land<br />
BÜRGER*INNEN GREIFEN MIT<br />
SMARTPHONE/LAPTOP/KARTE<br />
AUF DIE PLATTFORM ZU UND<br />
WÄHLEN IHRE LEISTUNGEN<br />
gemeinde<br />
weitblick<br />
VERWIEGUNG RECYCLINGHOF<br />
E-GOVERNMENT<br />
MOBILITÄTSBONUS<br />
MÜLLAUTOMAT<br />
deine<br />
gemeinde?<br />
deine<br />
individuellen<br />
m0dule
14 MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
15<br />
VIA LIVESTREAM IN<br />
DER ERSTEN REIHE SITZEN<br />
Die erlebnis.film, ein Tochterunternehmen der GemNova, hat mit seinen Videoproduktionen<br />
einen speziellen Fokus auf die kommunalen Bedürfnisse gelegt. Die Tiroler<br />
Gemeinden werden seit einigen Monaten erfolgreich bei vielen Aufgaben in den Bereichen<br />
Kommunikation und Außendarstellung unterstützt. Ein Flaggschiff-Produkt ist<br />
dabei die Durchführung von komplexen Streaming-Lösungen.<br />
Gemeint sind damit Live-Übertragungen<br />
von Events via Internet. Das heißt,<br />
die gesamte Bevölkerung kann eingebunden<br />
werden, nicht nur das anwesende<br />
Publikum. Um bei Sitzungen<br />
oder Gemeindeversammlungen weder<br />
auf räumlich abwesende Gemeinderät*innen<br />
noch auf die interessierte<br />
Öffentlichkeit verzichten zu müssen,<br />
bietet erlebnis.film rasch umsetzbare,<br />
günstige und unkomplizierte Streaming-Lösungen<br />
in höchster Qualität.<br />
Auch Wahldiskussionen, Diskussionen<br />
im Rahmen von Bürgerbeteiligungsverfahren<br />
und ähnliche Veranstaltungen<br />
lassen sich problemlos mit dieser<br />
umfangreichen Technik durchführen.<br />
Boom bei Hybridveranstaltungen<br />
Hybridveranstaltungen sind derzeit in<br />
aller Munde. Das ist natürlich auch der<br />
Covid19-Situation geschuldet, die sich<br />
als Treiber für derartige moderne Lösungen<br />
erweist. Diesen gehört zweifellos die<br />
Zukunft. „Hochqualitative Livestreams, die<br />
allen rechtlichen Voraussetzungen entsprechen,<br />
sind ein sehr wichtiger Beitrag<br />
für die Zukunft der kommunalen Kommunikation“,<br />
schildert Bernhard Garber. Der<br />
Produktionsverantwortliche bei erlebnis.<br />
film war lange Jahre in gleicher Funktion<br />
beim ORF für Westösterreich und Italien<br />
VON MANFRED SCHIECHTL<br />
zuständig. Nun stellt er seine umfangreiche<br />
Expertise den Tiroler Gemeinden<br />
zur Verfügung:<br />
„Ein wichtiger Punkt<br />
in Sachen Kommunikation auf<br />
Gemeindeebene<br />
wird sein, mit den neuen<br />
technischen Möglichkeiten die<br />
Bürgerinnen und Bürger immer<br />
stärker in das Gemeindegeschehen<br />
einzubinden.“<br />
DEM<br />
EINSATZ<br />
DER AUS-<br />
G EFEILTEN<br />
STREAMING-<br />
LÖSUNG<br />
SETZT<br />
NUR DIE<br />
FANTASIE<br />
GRENZEN.<br />
Datenschutzkonforme<br />
und rechtssichere Übertragungen<br />
Die Streaming-Lösung von erlebnis.<br />
film war zuletzt bei zwei kommunalen<br />
Großereignissen erfolgreich im Einsatz.<br />
Dabei kamen unterschiedliche Module<br />
des umfangreichen Produkts zum Einsatz,<br />
das auf einem modularen Baukastenprinzip<br />
aufgebaut ist. Die Lösung wird<br />
nämlich individuell auf die Bedürfnisse<br />
eines Events zugeschnitten. In Hall in Tirol<br />
begleitete die Mannschaft von erlebnis.<br />
film die Gründungssitzung des Leader-<br />
Vereins Innsbruck-Land. Dabei erfolgte<br />
eine bidirektionale Einbindung für Stimmberechtigte<br />
mit Zutrittscode für Abstimmungen.<br />
Insgesamt 90 Stimmberechtigte,<br />
darunter 56 Bürgermeister*innen, die<br />
zum Großteil wegen der Covid19-Situation<br />
nicht physisch zum Event im Veranstaltungssaal<br />
des Kurhauses Hall in<br />
Tirol anreisten konnten, nutzten diese<br />
Möglichkeit. „Selbstverständlich datenschutzkonform,<br />
um eine rechtlich haltbare<br />
Abstimmung zu garantieren“, so<br />
Garber. Anwesende Bürgermeister*innen<br />
stimmten indes vor Ort ab. Parallel<br />
dazu wurde in einem weiteren Stream die<br />
gesamte Veranstaltung via Internet live<br />
übertragen. Der Bezirkshauptmann von<br />
Innsbruck-Land, Michael Kirchmair, war<br />
mit der Durchführung dieser Hybridveranstaltung<br />
(also vor Ort und via Internet)<br />
sehr zufrieden: „Trotz großer Komplexität<br />
hat technisch alles einwandfrei funktioniert.<br />
Auch die Abstimmung hat perfekt<br />
geklappt.“ Der Event wurde als Mehrkamera-Livestream<br />
(vier Kameras) umgesetzt,<br />
um auch für abwechslungsreiche<br />
Bilder bei der Liveübertragung zu sorgen.<br />
In der Marktgemeinde Zirl wurde für eine<br />
von Denise Neher moderierte Diskussion<br />
aller Listen-Spitzenkandidat*innen für die<br />
Gemeinderatswahlen sogar ein Mehrkamera-Livestream<br />
im Veranstaltungszentrum<br />
B4 durchgeführt. Wesentliche<br />
Punkte bei dieser Umsetzung waren eine<br />
gewünschte umfangreiche grafische Aufbereitung<br />
des Events.<br />
Auch eine eingeblendete<br />
Redezeitbegrenzung<br />
von drei Minuten für die<br />
Diskutant*innen wurde<br />
umgesetzt. Ebenfalls<br />
übernommen hat erlebnis.film<br />
die planerische<br />
Vorbereitung aufgrund<br />
der aktuellen Pandemiesituation.<br />
Inkludiert<br />
war etwa die Erstellung<br />
des Covid19-Präventionskonzepts,<br />
die<br />
Stellung des Covid19-<br />
Beauftragten sowie die<br />
Durchführung der Eingangskontrollen.<br />
Spektakulär<br />
war die Einbindung des amtierenden<br />
Bürgermeisters Thomas Öfner via<br />
Internet in einem „Stream im Stream“,<br />
da dieser zu diesem Zeitpunkt unter Quarantäne<br />
stand:<br />
„Trotz der besonderen<br />
Situation fühlte ich mich aus<br />
dem Homeoffice bestens in<br />
die Live-Diskussion im<br />
Veranstaltungszentrum<br />
B4 eingebunden.“<br />
„Trotz meiner Nicht-Präsenz ist aus meiner<br />
Sicht alles gut abgelaufen.“ Dem<br />
schlossen sich auch alle anderen Protagonist*innen<br />
an. Sie bedankten sich<br />
nach dem Event für die ausgezeichnete<br />
Umsetzung. Auch von Zuseher*innen der<br />
Liveübertragung kam ein gutes Feedback.<br />
Livestreams mit dem gewissen „Extra“<br />
Dem Einsatz der ausgefeilten Streaming-<br />
Lösung setzt nur die Fantasie Grenzen.<br />
Aktuell eingesetzt wird das Produkt von<br />
erlebnis.film beispielsweise auch bei<br />
vielen Sport-Liveübertragungen in Tirol.<br />
Die Vielseitigkeit hat ihren Grund in der<br />
umfangreichen Funktionalität. Möglich<br />
sind beispielsweise auch die Einbindung<br />
einer Chatfunktion, sämtliche Zuschaltungen<br />
wie Grafiken, Abstimmungsergebnisse,<br />
Redezeitanzeigen, Einspieler, Zeitlupe,<br />
Live-Chats und Videokonferenzen, beispielsweise<br />
über Microsoft Teams. Auch<br />
Barrierefreiheit ist ein großes Thema. Ein<br />
Gebärdendolmetscher kann im Bild mitverarbeitet<br />
werden. Eine zusätzliche Visualisierung<br />
zum Livestream auf Großbildleinwänden,<br />
sogar auf unterschiedlichen<br />
Monitoren in einem ganzen Haus, sind<br />
umsetzbar. Außerdem können Livestreams<br />
auf Wunsch mit der Live-U-Technologie<br />
auch Medienanstalten zugänglich<br />
gemacht werden. Und alle, die weder vor<br />
Ort noch via Livestream bei einem Event<br />
dabei sein konnten, haben die Möglichkeit,<br />
dies später über eine Mediathek nachzuholen.
16<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
17<br />
Gemeindestrategie<br />
miteinander<br />
entwickeln<br />
Immer mehr Gemeinden setzen bei der Entwicklung von Strategien, aber<br />
auch bei Infrastrukturprojekten auf die Kraft der Vielen. Dabei geht es<br />
nicht darum jeden Wunsch zu erfüllen, sondern im strukturierten Rahmen<br />
Ideen, Lösungen und langfristige Ziele zu erarbeiten, die eine kleinere Gruppe<br />
von Menschen vielleicht in dieser Vielfalt nicht hervorgebracht hätte.<br />
Warum soll beispielsweise die Gemeindestrategie<br />
nicht auch unter Beteiligung<br />
der Bürger*innen erarbeitet werden?<br />
Oftmals werden die vielen Expert*innen<br />
(von Web, über Handwerk, bis hin zu Fachleuten<br />
in exotischen Aufgabengebieten…)<br />
vergessen, die im eigenen Ort wohnen<br />
oder arbeiten und mit ihrem Fachwissen<br />
maßgeblich für das Gelingen einer Strategiefindung<br />
und der daraus resultierenden<br />
Maßnahmen beitragen könnten. Die<br />
immer höheren Anforderungen an die<br />
Gemeinden können durch eine bessere<br />
Zusammenarbeit mit den Gemeindebürger*innen<br />
effizienter gelöst werden.<br />
Je größer der Konsens unter den relevanten<br />
Dialoggruppen, desto besser werden<br />
strategische Ziele, Zukunftsvisionen, Neubauprojekte,<br />
Umgestaltungen usw. von<br />
der Gemeinschaft mitgetragen. Denn<br />
Gemeinde sind alle, die in der Gemeinde<br />
wohnen, arbeiten oder einen Großteil<br />
ihrer Zeit dort verbringen. „Das Vertrauen<br />
in die Politik, die Nachvollziehbarkeit von<br />
Entscheidungen auf Gemeindeebene, das<br />
Mitwirken im Heimatort und somit der<br />
Zusammenhalt werden auf wohl eine der<br />
schönsten Arten gestärkt – im Miteinander“,<br />
erklärt Klaus Kandler, Bereichsverantwortlicher<br />
der GemNova Gemeindeund<br />
Verwaltungsentwicklung.<br />
Voraussetzungen für einen erfolgreichen<br />
Prozess sind ein sehr gut strukturierter<br />
Prozessablauf und der individuelle<br />
Zuschnitt auf die jeweilige Gemeinde,<br />
ihre Stärken, Herausforderungen und ihr<br />
Umfeld. Neben einem maßgeschneiderten<br />
Konzept kann die Bevölkerung durch eine<br />
zielgerichtete Kommunikationsstrategie<br />
mobilisiert werden. Der Prozess muss<br />
ZUR AUTORIN<br />
MAG. (FH)<br />
MARTINA RIZZO<br />
Martina Rizzo hat bereits etliche Tiroler<br />
Gemeinden als Prozessbegleiterin in<br />
unterschiedlichsten Prozessen begleitet.<br />
Ihr Expertinnenwissen auch in den Bereichen<br />
Öffentlichkeitsarbeit und Kinderbildung/<br />
-betreuung machen sie zu einer<br />
Hauptansprechpartnerin in Fragen der<br />
Beteiligung.<br />
Kontakt: m.rizzo@gemnova.at<br />
Viele Gemeindeverantwortliche<br />
sind<br />
überrascht, welch<br />
effiziente und wohlüberlegte<br />
Ideen<br />
bereits Kinder im<br />
Volksschulalter hervorbringen.<br />
in der Folge professionell begleitet und<br />
die Ergebnisse umfänglich dokumentiert<br />
werden. Auch externe Expert*innen können<br />
bei Bedarf hinzugezogen werden,<br />
um einen neutralen Blick auf fachlich<br />
anspruchsvolle Themen zu werfen.<br />
„Äußerst spannend und gewinnbringend<br />
ist auch die Beteiligung von Kindern und<br />
Jugendlichen. Viele Gemeindeverantwortliche<br />
sind überrascht, welch effiziente und<br />
wohlüberlegte Ideen bereits Kinder im<br />
Volksschulalter hervorbringen“, berichtet<br />
Martina Rizzo aus dem Team der GemNova<br />
Gemeinde- und Verwaltungsentwicklung<br />
von ihren Erfahrungen. So sollte es bereits<br />
Usus sein, Schüler*innen beim Umbau/<br />
Neubau einer Schule zu befragen, genauso<br />
wie auch Kindergartenkinder dazu befragt<br />
werden können, was sie möchten und was<br />
nicht. Aber erst das Zusammenspiel von<br />
allen Menschen, die sich in den Gebäuden<br />
aufhalten, darin arbeiten oder dieses in<br />
Stand halten, schafft ein rundes Bild. Diese<br />
umfassende Sichtweise bietet Möglichkeiten<br />
der Optimierung und lässt im Endergebnis<br />
einen Ort entstehen, in dem sich<br />
alle wohlfühlen.<br />
Mit einer gemeinsamen Strategie entwickelt<br />
sich die gesamte Gemeinde zu<br />
einem Ort des Miteinanders, der vom<br />
gegenseitigen Respekt, dem gegenseitigen<br />
Verständnis und einer erhöhten<br />
Akzeptanz geprägt ist. Dabei sind Konflikte<br />
ganz normal. Sie können durch gutes<br />
Hinhören, Annehmen sowie eine respektvolle<br />
Moderation aufgenommen und in<br />
eine befruchtende Diskussion aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln geleitet werden.<br />
Es lohnt sich, sich neben den klassischen<br />
Prozessen wie Strategieentwicklung,<br />
Gemeindeklausuren und Infrastrukturprojekten<br />
auch bei ungewöhnlicheren<br />
Themen oder Projekten begleiten zu lassen<br />
und sich den extra Mehrwert über die<br />
Beteiligung von Bürger*innen und anderen<br />
Stakeholdern zu holen.<br />
Infobox<br />
Das bringt eine professionelle<br />
Prozessbegleitung einer<br />
Gemeinde kurz zusammengefasst:<br />
• Verbesserung der Zusammenarbeit<br />
durch Einbeziehung aller<br />
relevanten Dialogpartner*innen<br />
und damit breiter Konsens<br />
• Verbesserung der Kommunikation<br />
durch zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit<br />
• Sicherstellung der Erreichung<br />
der gesteckten Ziele<br />
• Entlastung der Gemeindebediensteten<br />
Und das bekommen Sie von uns:<br />
• Auf die Gemeinde maßgeschneidertes<br />
Gesamtkonzept<br />
• Prozess- und Ergebnisdokumentation<br />
• Zielgerichtete Kommunikationsstrategie<br />
• Professionelle Begleitung und<br />
Erarbeitung der Ergebnisse<br />
• Externer Expert*innenblick auf<br />
das Projekt und dessen Ziele<br />
Und das Beste kommt zum<br />
Schluss. Sofern der Prozess gewisse<br />
Voraussetzungen erfüllt (Förderrichtlinien<br />
zur Lokalen Agenda 21),<br />
werden bis zu 75 % der anrechenbaren<br />
Kosten gefördert und auch<br />
Umsetzungsmaßnahmen können<br />
mit bis zu 50 % gefördert werden.<br />
Auch hier unterstützen wir gerne.
18 MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
19<br />
KOMMUNALE AUFGABEN<br />
EFFIZIENT UND<br />
(RECHTS)SICHER ERLEDIGEN<br />
ZUM AUTOR<br />
MANFRED SCHIECHTL<br />
25 Jahre Medienerfahrung in verschiedensten<br />
Bereichen bei der<br />
Tiroler Tageszeitung und dem<br />
Kurier sind die Basis für seine<br />
umfangreiche Expertise in allen<br />
Kommunikationsbelangen.<br />
Kontakt: m.schiechtl@gemnova.at<br />
Tirols Gemeindeverwaltungen müssen Tag für Tag immer umfangreichere<br />
Aufgaben stemmen. Die heimischen Amtsleiter*innen stehen bei<br />
diesen täglichen Herausforderungen an vorderster Front. Bernhard<br />
Scharmer, Amtsleiter von Tirols drittgrößter Gemeinde Telfs, hat sich<br />
für einen Vortrag beim Kommunalwirtschaftsforum vor einigen Jahren<br />
die Mühe gemacht, all diese Aufgaben zusammenzufassen: „Herausgekommen<br />
ist ein Excel-Blatt mit rund drei Metern Höhe und rund eineinhalb<br />
Metern Breite.“<br />
Der Landesobmann des FLGT, des Fachverbandes<br />
der leitenden Gemeindebediensteten<br />
Tirols, erklärt weiter: „Das<br />
Datenblatt enthält zwischen 1.200 und<br />
1.500 Aufgaben und Produkte, die jede<br />
Gemeinde ständig auf Trab halten.“<br />
Sehr intensiv haben sich auch zwei<br />
ehemalige langjährige Amtsleiter mit<br />
der Thematik beschäftigt. Sie haben<br />
sich die Frage gestellt, wie all diese<br />
Aufgaben kostensparend, effizient und<br />
trotz geringer Personalressourcen in<br />
hoher Qualität erledigt werden können.<br />
Die Rede ist vom Juristen und Verwaltungsexperten<br />
Christian Lechner, 18 Jahre lang<br />
Amtsleiter, Bauamtsleiter und Finanzverwalter<br />
in der Gemeinde Kolsass, und Klaus<br />
Kandler, zuletzt 16 Jahre Amtsleiter bei der<br />
Marktgemeinde Rum und dort in den letzten<br />
fünf Jahren auch Geschäftsführer der<br />
Immobiliengesellschaft sowie Geschäftsführer<br />
des Wohn- und Pflegeheims.<br />
Beide wirken mittlerweile mit ihrem<br />
Wissen weit über ihre ursprünglichen<br />
Gemeinden hinaus. Über die GemNova,<br />
dem Unternehmen der Tiroler Gemeinden,<br />
unterstützen sie all ihre Kolleginnen<br />
und Kollegen in ganz Tirol, wenn es gilt,<br />
mit Lösungen und Methoden zur Effizienzsteigerung<br />
den stetig wachsenden<br />
Herausforderungen Rechnung zu tragen.<br />
Vor allem drei Bereiche haben großes<br />
Entwicklungspotenzial: die Optimierung<br />
von Prozessen als Teil einer Verwaltungsentwicklung,<br />
gepaart mit professionellem<br />
Qualitätsmanagement sowie dem Einsatz<br />
von sinnvoller und echter Digitalisierung.<br />
CHRISTIAN LECHNER: „Ich bin in der<br />
GemNova mittlerweile seit vier Jahren in<br />
verschiedensten Bereichen tätig. Als Jurist<br />
bin ich zuständig für die Datenschutzgrundverordnung<br />
in den Gemeinden und<br />
betreue diese als externer Datenschutzbeauftragter.<br />
Als Verantwortlicher im Bereich<br />
Digitalisierung und Personaldienstleistung<br />
koordiniere ich Gemeindeprojekte.“<br />
KLAUS KANDLER: „ Ich bin ganz frisch<br />
in der GemNova und leite den Bereich<br />
Gemeinde- und Verwaltungsentwicklung.<br />
Mein bisheriger Arbeitgeber, die Marktgemeinde<br />
Rum, ist mit knapp 9.500 Einwohnerinnen<br />
und Einwohnern eine der großen<br />
Gemeinden in Tirol. Ich habe dort sehr<br />
viel mit Organisation und Verwaltung zu<br />
tun gehabt und meinen Fokus entwickelt.<br />
In meinem zukünftigen Berufsweg bei<br />
der GemNova kommt daher das Thema<br />
Verwaltungsentwicklung besonders zum<br />
Tragen.“<br />
LECHNER: „Das Thema Digitalisierung<br />
liegt der GemNova sehr am Herzen. Wieso?<br />
Wir haben gesehen, dass in der Digitalisierung<br />
sehr viel Potenzial liegt, besonders<br />
was die Effizienz der Gemeindearbeit<br />
betrifft. Die Verwendung von Standardregistern<br />
bietet einen Mehrwert sowie<br />
Erleichterungen für die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter und auch die Bürgerinnen<br />
und Bürger. Zu den Standardregistern<br />
zählen vor allem das Zentrale Melderegister<br />
(ZMR), das Unternehmensregister (UR),<br />
das Adress-Gebäude-Wohnungsregister<br />
(AGWR) und die medienbruchfreie Verwendung<br />
von Daten aus den Bundesplattformen<br />
(z.B. FinanzOnline). Was die daraus<br />
abzuleitende Rechtssicherheit anbelangt,<br />
sind die registerbasierende Eindeutigkeit<br />
der Datensätze und die Umsetzung der<br />
einschlägigen Verfahrensbestimmungen<br />
wie der Bundesabgabenordnung (BAO)<br />
oder des Verwaltungsverfahrensgesetzes<br />
(AVG) beispielhaft zu nennen. Neben der<br />
Digitalisierung eröffnet aber auch eine<br />
schlagkräftige Verwaltungsentwicklung<br />
viele Möglichkeiten. Dabei sind Themen<br />
wie Prozessabläufe, Daten, eine Kostenund<br />
Leistungsrechnung sowie ein durchdachter<br />
Personaleinsatz sehr wesentlich.“<br />
KANDLER: „Das wichtigste Werkzeug<br />
für die Optimierung von Prozessen ist<br />
das Qualitätsmanagement. Dies ist eine<br />
unserer Kernleistungen im Zuge der Verwaltungsentwicklung.<br />
Wie gehen wir dabei<br />
vor? Ausgehend von der Strategie bzw.<br />
den Visionen und Zielen brechen wir alle<br />
Vorgänge herunter auf die Prozesse. Die<br />
RECHTS: Durch ihre<br />
langjährige Tätigkeit in der<br />
Amtsleitung kennen Christian<br />
Lechner und Klaus Kandler<br />
die vielfältigen Aufgaben der<br />
Gemeindeverwaltung ausgesprochen<br />
gut und beraten<br />
nun Gemeinden im Bereich<br />
Verwaltungsentwicklung und<br />
Digitalisierung. (© GemNova)<br />
Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter muss<br />
den Prozess, die Logik dahinter, verstehen.<br />
Man muss wissen, wer verantwortlich ist.<br />
Nur so kann dann die Schnittstelle digital/<br />
analog aus meiner Sicht gut funktionieren.<br />
Ein nächstes wichtiges Produkt, das<br />
wir anbieten, ist die Kosten- und Leistungsrechnung.<br />
Was ist der Hintergrund?<br />
Der kommt oft schon vom Rechnungshof.<br />
Ich habe unlängst einen Bericht des<br />
Landesrechnungshofs zu einer Gemeinde<br />
gelesen, in dem empfohlen wurde, eine<br />
kostenrechnerische Kalkulation durchzuführen<br />
und anhand dieser Berechnungen<br />
festzusetzen. Aus der eigenen Arbeit weiß<br />
ich, dass kostenrechnerische Kalkulationen<br />
in den wenigsten Gemeinden zur<br />
Anwendung gelangen. Es gibt das externe<br />
Rechnungswesen unter Zugrundelegung<br />
der Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung<br />
2015 (VRV 2015), aber<br />
das interne Rechnungswesen ist bei den<br />
meisten Gemeinden noch nicht angekommen.<br />
Dabei wollen wir unterstützen und<br />
den Gemeinden weiterhelfen. Wir wollen<br />
das wirklich klein und fein machen,<br />
deshalb vorerst auch nur die Betriebe<br />
gewerblicher Art wie Wasser, Kanal, Abfall,<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen sowie<br />
Wohn- und Pflegeheime. Mit einer Kosten-<br />
und Leistungsrechnung können wir<br />
viel mehr Informationen für die Führung<br />
zur Verfügung stellen.“<br />
„WIR HABEN<br />
GESEHEN, DASS IN<br />
DER DIGITALISIERUNG<br />
SEHR VIEL POTENZIAL<br />
LIEGT, BESONDERS<br />
WAS DIE EFFIZIENZ<br />
DER GEMEINDEARBEIT<br />
BETRIFFT.“<br />
CHRISTIAN LECHNER<br />
Doch dies ist noch lange nicht alles,<br />
worin Lechner und Kandler ihre Kolleginnen<br />
und Kollegen unterstützen. Der<br />
dritte wichtige Bereich ist die Prozessbegleitung.<br />
Da geht es viel um Moderation<br />
und die Zukunft. Beispielsweise<br />
um die Frage, wo die Gemeinde hin will.<br />
Lechner und Kandler helfen dabei mit<br />
Visions- und Strategieprozessen. Der<br />
vierte Bereich ist das Thema Personal<br />
und Dienstleistung. Wenn es einmal<br />
brennt, werden den Gemeinden Mitarbeiter*innen<br />
zur Verfügung gestellt,<br />
die kurzzeitig oder mittelfristig aushelfen.<br />
Der fünfte Bereich ist die Lohnverrechnung.<br />
Das ist eine jener Agenden,<br />
die relativ leicht auslagerbar ist,<br />
und die Gemeindeverwaltung dadurch<br />
ungemein entlastet.
20<br />
MODERNE BÜRGER*INNENKOMMUNIKATION<br />
TIROL.DIGITALISIERT 21<br />
QUALITÄT MACHT ERFOLG-<br />
REICH UND ZUKUNFTSFIT<br />
Status Quo: Gemeinden werden mit immer mehr Aufgaben und Herausforderungen im kommunalen<br />
Umfeld konfrontiert, die es zu bewältigen gilt. Das Leistungsspektrum wird aufgrund der zunehmenden<br />
Komplexität der Rahmenbedingungen (Anzahl der Gesetze, EU-Verordnungen, etc.) umfangreicher<br />
und der Anspruch der Bürger*innen an eine moderne Kommunalverwaltung immer höher. Dabei<br />
kann ein Qualitätsmanagementsystem die Gemeinde unterstützen.<br />
Was ist Qualitätsmanagement<br />
Qualitätsmanagement (QM) umfasst alle<br />
Maßnahmen zur Planung, Steuerung und<br />
Optimierung von Prozessen anhand vorgegebener<br />
Anforderungen. Dabei werden<br />
unterschiedliche Aspekte wie Wirtschaftlichkeit,<br />
Gesetzgebung, Umwelt, Sicherheit<br />
und die Anforderungen der Bürger*innen<br />
berücksichtigt. Das Ziel ist es, die Dienstleistungsqualität<br />
und damit die Zufriedenheit<br />
der Bürger*innen zu verbessern und<br />
gleichzeitig die Effizienz zu steigern. Die<br />
zentrale Funktion übernimmt das Qualitäts-Management-Handbuch<br />
(QMH), in<br />
dem neben der normkonformen Darstellung<br />
der Gemeinde das Organigramm,<br />
die Prozesse samt Prozesslandkarte, Verfahrensanweisungen<br />
sowie die Zuständigkeiten<br />
und weitere Regeln abgebildet sind.<br />
Was bringt die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems<br />
den Gemeinden:<br />
WIE SCHAUT DAS MODELL DER<br />
QUALITÄTSVERBESSERUNG AUS?<br />
PLANEN (PLAN)<br />
IST-ANALYSE MIT<br />
DER FÜHRUNGSEBENE<br />
UMFASSENDE<br />
BESTANDSAUFNAHME<br />
QM-HANDBUCH<br />
Organigramm, Prozesslandkarte,<br />
Checklisten, Verfahrensanweisungen,<br />
Funktionsbeschreibungen<br />
Die Einführung von QM hat den Status<br />
eines Projekts. Für dieses Projekt wird ein<br />
QM-Team gebildet, in dem alle relevanten<br />
Bereiche der Verwaltung vertreten sein<br />
sollten. In der Planungsphase erarbeitet<br />
das QM-Team gemeinsam die Ausgangssituation,<br />
Rahmenbedingungen und Ziele.<br />
Es wird eine Selbstbewertung durchgeführt,<br />
um die Verbesserungspotentiale herauszufiltern.<br />
Die Selbstbewertung macht<br />
die Mitarbeiter*innen mit der Struktur des<br />
QM-Systems vertraut. Sie hinterfragt, wie<br />
die Verantwortlichkeiten geregelt sind und<br />
ob die Prozesse reibungslos laufen.<br />
In der Phase der Durchführung werden<br />
Workshops zu allen zentralen Inhalten<br />
des Qualitätsmanagements durchgeführt,<br />
parallel dazu werden die Prozesse<br />
erfasst. In der Prozesslandkarte werden<br />
die Bezüge der Prozesse untereinander<br />
festgehalten. Die meiste Zeit nimmt die<br />
Dokumentation der Prozesse in Anspruch.<br />
In der Abschlussphase geht das QM in den<br />
Betrieb. Damit startet der kontinuierliche<br />
Verbesserungsprozess, der die Gemeinde<br />
nachhaltig begleiten soll.<br />
Zertifizierung<br />
Der Abschluss des Einführungsprozesses<br />
kann in einer Zertifizierung münden. Eine<br />
akkreditierte Zertifizierungsorganisation<br />
bestätigt die normkonforme Anwendung<br />
des Qualitätsmanagements (ÖNORM EN<br />
ISO 9001). Ein QM-Zertifikat verbessert<br />
die Außendarstellung der Gemeinde und<br />
führt sehr oft auch zu einem zusätzlichen<br />
Motivationsschub für die Mitarbeiter*innen.<br />
Die Zusammengehörigkeit wächst,<br />
da eine externe Organisation bestätigt,<br />
dass die Verwaltung alle Anforderungen<br />
eines anerkannten Qualitätsmanagementsystems<br />
erfüllt. Das tut auch dem<br />
Image gut.<br />
DURCHFÜHREN (DO)<br />
SCHULUNG DER<br />
MITARBEITER*INNEN<br />
DURCHFÜHRUNG DER PROZESSE<br />
ARBEITSHANDELN UND<br />
DOKUMENTATION<br />
ERFASSUNG VON INDIKATOREN<br />
UNSER ANGEBOT<br />
Je nachdem wie intensiv die<br />
Gemeindeführung den Prozess<br />
vorantreibt, ist ein Jahr<br />
ein realistischer Zeitrahmen<br />
für die Einführung eines QM-<br />
Systems, kleinere Gemeinden<br />
benötigen weniger Zeit. Nachdem<br />
die Kommunen meist aufgrund<br />
fehlender Kapazitäten<br />
ein QM-System nicht selbst<br />
einführen können, hat die<br />
GemNova ein spezielles Kommunalpaket<br />
entwickelt, das<br />
sich zur Schaffung von schlanken<br />
und unbürokratischen Systemen<br />
auf das Wesentliche<br />
konzentriert. Sämtliche für den<br />
Aufbau eines QM-Systems<br />
erforderlichen Tätigkeiten<br />
werden von uns durchgeführt,<br />
der zusätzliche Aufwand für<br />
die Mitarbeiter*innen wird auf<br />
ein Minimum reduziert. Unser<br />
Angebot beinhaltet die Erstellung<br />
einer kompletten, normkonformen<br />
Dokumentation,<br />
internes Audit und alle sonst<br />
erforderlichen Maßnahmen bis<br />
zur Zertifizierung.<br />
• Erhöhung der Dienstleistungsqualität<br />
• Erhöhung der Bürger*innenzufriedenheit<br />
• Verbesserung der Außendarstellung<br />
• Entlastung der Mitarbeiter*innen<br />
durch die Verbesserung interner Abläufe<br />
• (Rechts)sicherheit (Risikosenkung)<br />
• Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter*innen<br />
wird geschärft<br />
UMSETZEN (ACT)<br />
UMSETZUNG VON<br />
VERÄNDERUNGEN<br />
TEAMSITZUNGEN<br />
VERÄNDERUNGSPROJEKTE<br />
PRÜFEN (CHECK)<br />
DATENANALYSE UND<br />
ERGEBNISPRÜFUNG<br />
INTERNES AUDIT<br />
MANAGEMENTBEWERTUNG<br />
ZUM AUTOR<br />
DR. KLAUS KANDLER<br />
MBA (MCI)<br />
Klaus Kandler war 16 Jahre lang Amtsleiter<br />
in der Marktgemeinde Rum und<br />
ist Experte in der Gemeinde- und Verwaltungsentwicklung.<br />
Seit Jänner <strong>2022</strong><br />
ist er in der GemNova verantwortlich<br />
für diesen Bereich.<br />
Kontakt: k.kandler@gemnova.at
22 tirol.Politik tirol.Politik<br />
23<br />
GEMEINDEPOLITIK<br />
DIE HERAUSFORDERUNGEN<br />
SIND BREIT GEFÄCHERT<br />
DIE VERWALTUNGS-<br />
KUNST HAT UNGEAHNTE<br />
HÖHEN ERREICHT.<br />
© Land Tirol/Cammerlander<br />
Gemeinderat – das<br />
Parlament der Gemeinde.<br />
Fließendes Wasser, gut ausgebaute<br />
Straßen, Kinderbetreuung, Pflegeheime<br />
– all das und vieles mehr fällt in<br />
den vielseitigen Aufgabenbereich der<br />
Gemeinden. Sie sind außerdem für<br />
öffentliche Sport- und Freizeitanlagen,<br />
eine funktionierende Müllabfuhr<br />
und Kanalisation sowie kulturelle Einrichtungen<br />
zuständig und schaffen<br />
Wohnraum. Darüber hinaus ist im Sinne<br />
der Sicherheit auch die Feuerwehr<br />
eine kommunale Kernaufgabe.<br />
Die eigene Gemeinde ist der unmittelbare<br />
Lebensraum, der Zusammengehörigkeit<br />
und Verbundenheit bedeutet.<br />
Die Politik regelt das Zusammenleben.<br />
Jedoch hat die Bevölkerung im Rahmen<br />
der Bürgermeister*innen- und Gemeinderatswahl<br />
entschieden, wer die Politik<br />
macht. Die enge Partnerschaft von<br />
Land und Gemeinden ist jedenfalls der<br />
Grundstein für eine hohe Lebensqualität<br />
in unserem Land. Das wissen sowohl<br />
die Gemeinden als auch das Land Tirol<br />
– dementsprechend ist auch mir als<br />
Gemeindereferent der persönliche und<br />
laufende Austausch mit den Gemeinden<br />
enorm wichtig.<br />
Die Herausforderungen in der Gemeindepolitik<br />
und für die Bürgermeisterinnen<br />
und Bürgermeister sind breit gefächert.<br />
Eine wesentliche Aufgabe ist es, stets<br />
den aktiven Austausch mit den Bürger*innen<br />
zu suchen und darauf aufbauend<br />
Projekte umzusetzen, die im Sinne<br />
der Bevölkerung sind.<br />
Der Gemeinderat wird in Tirol alle sechs<br />
Jahre direkt gewählt und wirkt wie ein<br />
Parlament in der Gemeinde. Ob langgedient<br />
oder frisch gewählt: Gemeinderät*innen<br />
bringen sich in ihre Gemeinde<br />
ein, sind stark vernetzt und übernehmen<br />
Verantwortung. Sie sind Ansprechpartner*innen<br />
für die Bevölkerung und<br />
haben für deren Anliegen ein offenes<br />
Ohr. Schließlich berichten die Gemeinderätinnen<br />
und -räte gegenüber dem<br />
Gemeinderat und geben Empfehlungen<br />
für Maßnahmen ab, die mit Mehrheitsbeschluss<br />
beschlossen werden. Wer<br />
sich davon ein Bild machen will, darf<br />
als Bürgerin und Bürger bei den meisten<br />
Gemeinderatssitzungen zuhören.<br />
Um die für die Bevölkerung besten Projekte<br />
umzusetzen, arbeiten Gemeinderät*innen<br />
und Bürgermeister*innen eng<br />
zusammen.<br />
Ihr LR Mag. Johannes Tratter<br />
© Julia Moll<br />
Es gilt, schnell<br />
schwimmen zu lernen.<br />
Eine Vielzahl an neuen Bürgermeister*innen<br />
und Gemeinderät*innen<br />
haben nach den Gemeinderatswahlen<br />
<strong>2022</strong> ihr Amt angetreten. Sie<br />
haben sich in den kommenden Monaten<br />
und Jahren als gewählte Volksvertretung<br />
den umfangreichen Herausforderungen<br />
zu stellen, die die<br />
Regulierungs- und Ordnungsmanie<br />
des Gesetzgebers für sie bereithält.<br />
Funktionär*innen, die bereits länger<br />
im Amt stehen und wieder gewählt<br />
wurden, können ein Lied davon singen.<br />
Der Respekt der Bevölkerung<br />
gegenüber all jenen Mitbürger*innen,<br />
die sich für politische Ämter<br />
auf Gemeindeebene zur Verfügung<br />
stellen, ist also redlich verdient.<br />
Denn die Verwaltungskunst hat ungeahnte<br />
Höhen erreicht. Und Jahr für Jahr<br />
scheint es weiter nach oben zu gehen.<br />
Das damit einhergehende gesetzliche<br />
Regelwerk ist extrem umfangreich und<br />
mittlerweile äußerst engmaschig. Die<br />
Chance, sich in diesem komplexen Netz<br />
zu verfangen, steigt laufend. Unliebsame<br />
Begegnungen mit den Aufsichtsbehörden<br />
sind leider keine Seltenheit. Um<br />
zu bestehen und nicht unterzugehen –<br />
das betrifft vor allem die Neulinge – gilt<br />
es, schnell schwimmen zu lernen. Wir<br />
sollten daher diesen mutigen Menschen<br />
für ihr unbezahltes, oft auch unbedanktes<br />
Einbringen ihres Engagements in<br />
das Gemeindeleben dankbar sein. Denn<br />
nur so kann dieses in der Art funktionieren,<br />
wie wir alle uns dies wünschen.<br />
Es ist ein steigendes Interesse insbesondere<br />
von jungen Menschen zu spüren,<br />
die sich aktiv in die Gemeindepolitik<br />
einbringen möchten. Das haben auch<br />
die Gemeinderatswahlen <strong>2022</strong> gezeigt.<br />
Ab sofort gilt es – für altgediente wie<br />
auch frischgebackene Gemeindefunktionär*innen<br />
– mit Vollgas ihre Talente<br />
auszuspielen. Wie bereits erwähnt, sind<br />
die anstehenden Aufgaben gewaltig. Ob<br />
Budget, Finanzen, Pflege, Raumordnung,<br />
Kinderbetreuung, auch Sport und Kultur<br />
– das politische Geschehen in jedem<br />
Dorf, in jeder Marktgemeinde oder<br />
Stadt wird in den Gemeinderatssitzungen<br />
bestimmt. Die Arbeit der Gemeinderät*innen<br />
betrifft daher das tägliche<br />
Leben der Bürger*innen in wesentlicher<br />
Form.<br />
Ihr Bgm. Mag. Ernst Schöpf
24<br />
tirol.Wissen<br />
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG<br />
tirol.Wissen 25<br />
Leistbaren<br />
Wohnraum schaffen<br />
EINE HERKULESAUFGABE FÜR GEMEINNÜTZIGE<br />
© GHS / Berger<br />
Wir gratulieren<br />
zum Wahlerfolg!<br />
Wir gratulieren allen Bürgermeister*innen und<br />
Gemeinderät*innen ganz herzlich zur Wahl!<br />
Für die Umsetzung Ihrer Vorhaben in der Gemeinde<br />
wünschen wir Ihnen Weisheit, Ausdauer und breite<br />
Unterstützung von allen Fraktionen!<br />
Gemeinnützige Hauptgenossenschaft<br />
des Siedlerbundes regGenmbH<br />
www.ghs-wohnbau.com<br />
Die GHS ist ein gemeinnütziger Wohnbauträger, der in der vergangenen<br />
70 Jahren über 300 Projekte in mehr als 80 Tiroler Gemeinden erfolgreich<br />
verwirklicht hat. Die Herausforderung leistbaren Wohnraum für Gemeindebürger*innen<br />
im ländlichen und städtischen Raum zu schaffen wird zusehend<br />
schwerer, der Vorstand des Siedlerbundes DI (FH) Mag. (FH) Martin Mimm<br />
und Dr. Peter Heiss hat aber Ansätze dafür parat.<br />
Was sind aus ihrer Sicht die größten<br />
Aufgaben/Herausforderungen für die<br />
GHS in den nächsten Jahren?<br />
HEISS: Das ist mit Sicherheit leistbare<br />
Grundstücke für den geförderten Wohnbau<br />
zu akquirieren. Dazu kommen dann noch<br />
die derzeit hohen Preise für den Bau der<br />
Anlagen selbst, da die Auftragslage für Professionisten<br />
gut ist und dadurch wenig Verhandlungsspielraum<br />
bleibt.<br />
MIMM: Leistbarer und qualitätsvoller<br />
Wohnraum für die Bewohnerinnen und<br />
Bewohner unserer Anlagen ist das Markenzeichen<br />
der GHS. Sowohl der Preis pro m²<br />
Grundfläche als auch die Baukosten pro m²<br />
Wohnnutzfläche sind durch die Vorgaben<br />
der Tiroler Wohnbauförderung "gedeckelt".<br />
Diese Bestimmungen der Wohnbauförderung<br />
garantieren einerseits, dass unsere<br />
Wohnungen günstig bleiben, machen es<br />
aber schwierig, zu förderungswürdigen<br />
Grundstücken zu kommen und/oder nicht<br />
möglich, das Bauvorhaben infolge zu hoher<br />
Baukosten zu starten.<br />
Wie kann diesen Entwicklungen begegnet<br />
werden? Und von wem?<br />
HEISS: Das Land und die Gemeinden müssen<br />
– auch bei schon vorhandenen Bauland<br />
– die bestehenden Instrumente anwenden,<br />
wie z.B. die Vertragsraumordnung, Abgaben<br />
für brach liegende Baugrundstücke<br />
einfordern, Rückwidmung von nicht bebauten<br />
Baugrundstücken sanktionieren, um<br />
die Spekulation von Grund und Boden in<br />
Tirol einzubremsen. Wenn das Zinsniveau in<br />
Europa allenfalls wieder steigt, könnte das<br />
den Trend "statt Sparbuch ins Grundbuch"<br />
zumindest bremsen.<br />
Was kann sich eine Gemeinde bei der<br />
Zusammenarbeit mit der GHS erwarten?<br />
HEISS: Wir haben immer schon versucht<br />
die Gemeinden weitestgehend in die Entwicklung<br />
unserer Projekte einzubeziehen.<br />
Dazu sind Besprechungen auf Augenhöhe<br />
und ein wertschätzendes Miteinander<br />
die grundlegenden Voraussetzungen. Dann<br />
sind beiderseitige Vorstellungen auch in<br />
der Umsetzung möglich. Wir haben noch<br />
kein Projekt gebaut, bei dem wir uns<br />
nicht bereits im Vorfeld mit der jeweiligen<br />
Gemeinde nach deren Bedarf und Vorstellungen<br />
erkundigt haben. Darum passen<br />
auch die Ergebnisse unserer Arbeit. Unsere<br />
Handschlagqualität und die Einhaltung von<br />
Absprachen sind auch die Basis für Folgeprojekt<br />
in den zufriedenen Kommunen.<br />
Klimaverbesserung ist in aller Munde.<br />
Welche baulichen Maßnahmen setzt man<br />
bei der GHS, um dazu beizutragen?<br />
MIMM: Natürlich halten auch wir uns an<br />
den Grundsatz "Raus aus Öl und Gas" und<br />
die Umstellung von fossilen Heizungssystemen<br />
auf klimafreundliche Wärmeversorgung.<br />
Dies wird bei allen Neubauten<br />
durch Einbau von Pelletsheizungen, Hackschnitzelheizungen,<br />
Wärmepumpen, Photovoltaik<br />
und andere moderne Heizsysteme<br />
verwirklicht. Bei unseren Sanierungen<br />
achten wir ebenso auf die Verbessrung<br />
der thermischen und energetischen Eigenschaften<br />
des Gebäudes. Auch hier realisieren<br />
wir Umstellungen auf klimafreundliche<br />
Wärmeversorgung. Wir legen großen Wert<br />
darauf, bei Sanierungen in Abstimmung<br />
und Einklang der Bewohner/Eigentümer<br />
einer Anlage die geplanten Vorhaben<br />
umzusetzen.<br />
Der Bau von Wohnprojekte ist die Kernaufgabe<br />
der GHS, welche baulichen Maßnahmen<br />
gibt es darüber hinaus?<br />
HEISS: Der Bedarf der Gemeinden ist<br />
vielfältig. In der Altersversorgung sind<br />
Projekte für betreubares oder betreutes<br />
Wohnen, die wir kürzlich in Wenns und<br />
Scheffau verwirklicht haben, aktuelle<br />
Themen. Aber auch Alters- und Studentenheime<br />
oder Wohnbauten für Mitarbeiter<br />
von Krankenhäusern – aktuell für das<br />
Schwesternheim in Lienz – entwickeln wir<br />
gemeinsam mit den Gemeinden. Dabei<br />
kombinieren wir Wohnanlagen sinnvoller<br />
Weise auch mit Geschäftsräumlichkeiten<br />
für den Nahversorgungsbereich.<br />
Die Verwaltung der Objekte – wird die<br />
durch die GHS selber vorgenommen?<br />
MIMM: Die Verwaltung unserer Objekte<br />
zählt zu den Kernaufgaben der GHS. Wir<br />
sind sehr stolz drauf, unsere Wohnanlagen<br />
über Jahrzehnte betreuen zu dürfen. Natürlich<br />
wollen wir nicht nur verwalten, sondern<br />
wir kümmern uns intensiv um die Werterhaltung<br />
der Objekte über Jahrzehnte. Dies<br />
gilt sowohl für die Mietobjekte als auch<br />
für Eigentumsobjekte. Unser Know-How<br />
ermöglicht uns die Kunden bzw. Bewohner<br />
in allen Belangen rund ums Wohnen zu<br />
unterstützen. Uns ist auch wichtig, unsere<br />
Qualität weiterzuentwickeln und den<br />
Service für unsere Bewohner zu steigern.<br />
Unser Online-Kundenportal hat uns hier<br />
einen großen Schritt nach vorne gebracht.
26<br />
tirol.Politik tirol.Politik 27<br />
„Ich bin ja ein gebürtiger Thierseer,<br />
hab eigentlich mein ganzes bisheriges<br />
Leben hier verbracht. Und ich möchte<br />
auch nirgendwo anders leben.“ Wenn der<br />
45-jährige Rainer Fankhauser über seine<br />
Gemeinde spricht, kommt er fast ins<br />
Schwärmen. Von 2004 bis 2016 war er<br />
bereits als Gemeinderat politisch aktiv,<br />
bevor er sich dann die vergangenen sechs<br />
Jahre ganz bewusst eine politische Auszeit<br />
genehmigte. „Ich wollte einfach mehr<br />
Zeit für meine Familie, für meine beiden<br />
Kinder haben. Außerdem war ich in dieser<br />
Zeit Fußballtrainer bei den Kindern, auch<br />
Obmann des Fußballvereins.“<br />
© Privat<br />
Rainer<br />
Fankhauser<br />
die kraft<br />
des neuen<br />
In einigen Orten Tirols blieb nach den Gemeinderatswahlen kein<br />
Stein auf dem anderen. In Hall, Schwaz, Völs, Wattens, Wörgl oder<br />
Zams etwa. Wir haben uns weiter umgesehen und stellen eine<br />
Bürgermeisterin und zwei Bürgermeister vor, die neu im Amt sind.<br />
Melanie Zerlauth in Pfunds, Thomas Gschösser in Reith im Alpbachtal,<br />
Rainer Fankhauser in Thiersee.<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
Im Herbst des vergangenen Jahres wurde<br />
Fankhauser dann immer wieder auf<br />
die bevorstehenden Gemeinderatswahlen<br />
angesprochen. Und mitunter recht direkt<br />
gefragt, ob er nicht auch als Bürgermeister<br />
zur Verfügung stehen würde. „Ich habe<br />
mir die Entscheidung wirklich nicht leicht<br />
gemacht, Vor- und Nachteile abgewogen<br />
und mich erst spät, Ende November,<br />
zur Kandidatur entschlossen.“ Mangels<br />
Gegenkandidaten war seine Wahl freilich<br />
zu 100 Prozent sicher.<br />
Dass in Thiersee so viele unterschiedliche<br />
Listen kandidieren, hat auch historische<br />
Gründe, wie der Neo-Bürgermeister<br />
erklärt. „Wir haben hier vier Ortsteile,<br />
jeder Ortsteil tritt mit einer eigenen Liste<br />
an. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun,<br />
sondern mit den ganz speziellen Interessen<br />
des jeweiligen Ortsteiles. Ich selbst<br />
bin mit einer überparteilichen Bürgermeisterliste<br />
angetreten, die bewusst<br />
das Ganze, das Gemeinsame in den Vordergrund<br />
gestellt hat.“ Als größtes, als<br />
wichtigstes Projekt für die nächsten sechs<br />
Jahre nennt Fankhauser die Energiewende.<br />
„Wir haben in der Bevölkerung eine<br />
Umfrage gemacht, da war das Energiethema<br />
on top. Auch mir persönlich ist das<br />
außerordentlich wichtig, jeder Einzelne<br />
muss seinen Beitrag dazu leisten. Hier in<br />
Thiersee denken wir an den Ausbau der<br />
Photovoltaik, an E-Car-Sharing, auch an<br />
den Einsatz von Biomasse.“<br />
Abseits der Politik tritt der neue Bürgermeister<br />
nach wie vor gerne die runde<br />
Kugel. Noch im letzten Jahr kickte der<br />
damals 44-Jährige aushilfsweise in der<br />
Kampfmannschaft des SV Thiersee. Mit<br />
großem Engagement und einigen blauen<br />
Flecken, wie es heißt. Aber gut, auch in<br />
der Politik soll es zuweilen das eine oder<br />
andere Foul geben.<br />
Melanie Zerlauth in Pfunds<br />
„Ja, ich war überrascht. Weil eigentlich<br />
habe ich gedacht, ich werde nach der<br />
Wahl meinen Mitbewerber zum Bürgermeisteramt<br />
gratulieren. Dass ich nun<br />
selbst die neue Bürgermeisterin von<br />
Pfunds bin, freut mich natürlich umso<br />
mehr.“ Was Melanie Zerlauth nicht dazu<br />
sagt: Die Pfundser Bevölkerung hat sie<br />
mit riesengroßem Abstand in ihre neue<br />
Funktion gewählt, außerdem ist sie damit<br />
die erste Bürgermeisterin im ganzen<br />
Bezirk Landeck. Hat ohnehin viel zu lange<br />
gedauert.<br />
© Marin Gspan<br />
Melanie<br />
Zerlauth<br />
Dass Zerlauth nicht nur den eigenen<br />
Kirchturm im Blickwinkel hat, zeigt auch<br />
ihr bisheriges Leben. Nach der Handelsschule<br />
in Landeck zog sie aus privaten<br />
Gründen für zwei Jahre nach Wiener<br />
Neustadt, später arbeitete sie in Scuol<br />
im schweizerischen Engadin. Mittlerweile<br />
ist die 43-Jährige in Pfunds verheiratet,<br />
hat zwei Töchter und ist seit neun Jahren<br />
als Assistentin im örtlichen Kindergarten<br />
beschäftigt. Von 2010 bis 2017<br />
war sie außerdem bereits im Gemeinderat<br />
tätig, zog sich dann allerdings nach<br />
einem schweren Bandscheibenvorfall aus<br />
der Politik zurück.<br />
„Vergangenen Winter haben die Gespräche<br />
begonnen. In unserer Liste wurde hin<br />
und her überlegt, wer als Bürgermeisterkandidat<br />
antreten soll. Immer mehr haben<br />
dann zu mir gesagt: mach´s, mach´s,<br />
mach´s. Meine Antwort: Nein, die wollen<br />
keine Frau. Irgendwann hab ich dann<br />
gesagt, gut, ich mach´s, ihr findet eh niemand<br />
anderen.“ Dass es von der zweiten<br />
Liste in Pfunds noch einen anderen Bürgermeisterkandidaten<br />
gegeben hat, störte<br />
Zerlauth überhaupt nicht.<br />
In den kommenden sechs Jahren will<br />
die neue Bürgermeisterin vor allem im<br />
Sozialbereich ihre Spuren hinterlassen.<br />
Ihre Vision, ihr großes Ziel: ein eigenes<br />
Altersheim in Pfunds. Die Pflege<br />
der Angehörigen, das betreute Wohnen –<br />
alles Themen, die sie sehr stark bewegen.<br />
Vor der Wahl hat sich Zerlauth naturgemäß<br />
genau im Ort umgehört, auch eine<br />
eigene Umfrage „Melanie will´s wissen“<br />
durchgeführt. „Da bin ich der Bevölkerung<br />
natürlich im Wort, deren Anliegen gehören<br />
umgesetzt.“<br />
Und wie verbringt Melanie Zerlauth<br />
eigentlich ihre Freizeit? Natürlich beim<br />
Wandern, beim Skifahren, eh klar. Andererseits:<br />
„Ich hab ein großes Haus, einen<br />
Garten, zwei Kinder. Ich arbeite im Kindergarten,<br />
engagiere mich ehrenamtlich<br />
in verschiedenen Initiativen, jetzt bin ich<br />
auch noch Bürgermeisterin. Viel Freizeit<br />
wird mir da wohl nicht bleiben.“ Ob es bei<br />
ihren männlichen Bürgermeisterkollegen<br />
auch so zugeht?<br />
Thomas Gschösser, Reith im Alpbachtal<br />
Mit Politik ist Thomas Gschösser so<br />
irgendwie ganz selbstverständlich aufgewachsen.<br />
„Mein Opa war schon im<br />
Gemeinderat, aber das ist schon recht<br />
lange her, und mein Papa war Obmann<br />
im Tourismusverband. Da hab ich dann<br />
natürlich schon mitbekommen, worum es<br />
bei uns in Reith so geht. Im Positiven wie<br />
im Negativen.“<br />
2010 – Gschösser ist damals gerade mal<br />
23 Jahre jung – schafft er auf der Bürgermeisterliste<br />
den Einzug in den Gemeinderat.<br />
Zwölf Jahre lang bestimmt er so die<br />
Politik in Reith mit, zuerst als Gemeindevorstand,<br />
dann als Gemeinderat. So<br />
wirklich viel bewegen konnte er als einfacher<br />
Mandatar zwar nicht, sagt er heute,<br />
gleichzeitig habe er aber viel gelernt.<br />
Bei der Listensitzung im November des<br />
Vorjahres dann die politische Gretchenfrage:<br />
Wer soll dem Langzeitbürgermeister<br />
Johann Thaler nachfolgen? „Eigentlich<br />
wollte niemand, doch dann haben immer<br />
mehr in meine Richtung geschaut. Gleichzeitig<br />
hat die andere Liste einen Bürgermeisterkandidaten<br />
aufgestellt. Ich hab<br />
dann einige Nächte drüber geschlafen.<br />
Zum Schluss gab es für mich nur zwei<br />
Optionen: Entweder ich kandidiere als<br />
Bürgermeister oder ich scheide komplett<br />
aus dem Gemeinderat aus.“<br />
Das Ergebnis ist mittlerweile bekannt:<br />
Zwar verlor seine Liste insgesamt zwei<br />
Mandate, gleichzeitig wurde Thomas<br />
Gschösser von der Reither Bevölkerung<br />
recht eindrucksvoll zum Bürgermeister<br />
gewählt. Mit doch recht großem Abstand<br />
zu seinem Mitbewerber. Erklärtes Ziel<br />
des Neo-Bürgermeisters für die nächsten<br />
sechs Jahre: vorhandene Unstimmigkeiten<br />
im Gemeinderat auszuräumen,<br />
das Gemeinsame zu betonen, die vielen<br />
Projekte zügig umzusetzen.<br />
In seiner Freizeit, die nun freilich etwas<br />
schmäler ausfallen wird, ist Gschösser<br />
vor allem sportlich sehr aktiv. Im Sommer<br />
sitzt er abwechselnd am Rennrad oder<br />
am Mountainbike, im Winter ist er viel auf<br />
Skitouren unterwegs. Als staatlich geprüfter<br />
Skilehrer – seinem Vater gehört die<br />
örtliche Skischule - kommt er nur mehr<br />
aushilfsweise zum Einsatz, seine ehrenamtliche<br />
Tätigkeit bei der Feuerwehr will<br />
er indes keinesfalls aufgeben.<br />
Ach ja, Geselligkeit ist dem neuen Reither<br />
Bürgermeister ebenfalls sehr wichtig. „Ich<br />
hab auch in den schwierigen Corona-Zeiten<br />
unsere Gastronomie im Ort immer<br />
wieder besucht und somit auch privat<br />
unterstützt“, erklärt er lächelnd.<br />
© Simon Fischler<br />
Th0mas ..<br />
Gsch0sser
28<br />
tirol.Wissen tirol.Wissen 29<br />
WIE DIE GEMEINDE<br />
ZU IHREM „KNÖDEL“ KOMMT …<br />
Die Arbeit in den Gemeinden ist in den vergangenen Jahrzehnten immer komplexer geworden. Einerseits ist es<br />
die Verrechtlichung unserer Gesellschaft, die viel Spezialwissen erfordert. Andererseits bringt es die Vernetzung<br />
mit Bundes- und Landesregelungen und -finanzierungen mit sich, dass man sich oft erst mühsam ein Bild<br />
davon machen muss, was man als Gemeinde selbst umsetzen kann und wofür es Partner*innen braucht.<br />
Mit dem Nachschlagewerk<br />
„Gemeinde ABC“ haben wir 99<br />
Begriffe definiert, die in der<br />
Gemeindearbeit eine Rolle spielen,<br />
und mit Hintergrundwissen<br />
„aufgeladen“. Der Projektkoordinator<br />
und Mitautor Georg<br />
Keuschnigg erzählt etwas über<br />
die Entstehung des ABC’s und<br />
als kleinen Vorgeschmack gibt es<br />
auch einen Auszug aus dem Buch.<br />
GemNova: Lieber Georg, du bist<br />
Mitautor des Gemeinde ABC‘s<br />
und hast maßgeblich zur Entstehung<br />
dieses Werkes beigetragen.<br />
Wie wurde denn die Idee dazu<br />
geboren?<br />
Die Idee wurde im Rahmen des<br />
Strategieprozesses „ZUKUNFT<br />
GEMEINDE – Agenda 2030“ geboren,<br />
weil die Arbeit in den Gemeinden<br />
extrem vielschichtig ist und<br />
vielfach Bundes- und Landesrecht<br />
zur Anwendung kommen. Das ist<br />
selbst für Profis oft schwierig zu<br />
überblicken. Die Idee ist, den Praktiker*innen<br />
in den Gemeinden eine<br />
leicht verdauliche Erstinformation<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
Inwiefern können diese 99 ausgewählten<br />
Begriffe die Tätigkeit<br />
als Gemeinderätin oder Gemeinderat<br />
erleichtern?<br />
Gemeinderät*innen müssen über<br />
eine Vielzahl von Materien entscheiden,<br />
und es ist einfach ein<br />
Vorteil, wenn man eigenes Wissen<br />
hat. Niemand kann sich überall<br />
auskennen, aber einen groben<br />
Überblick kann man sich erarbeiten.<br />
Und auch das Wissen, wo die<br />
Informationen zu finden sind.<br />
Von A wie AGWR bis Z wie Zersiedelung<br />
wird in diesem Buch<br />
vieles erklärt. Was sind aus<br />
deiner Sicht Begriffe, die alle<br />
Gemeinderät*innen kennen sollten?<br />
Das hängt von den Vorlieben der<br />
Gemeinderät*innen ab. Da es in<br />
den Gemeinden immer auch um<br />
das liebe Geld geht, sollte man<br />
ungefähr wissen, wie die Gemeinde<br />
zu ihrem „Knödel“ kommt. Das wird<br />
in den Begriffen „Finanzausgleich“<br />
und „abgestufter Bevölkerungsschlüssel“<br />
erklärt. Lebensnäher<br />
sind vielleicht die Begriffe, die sich<br />
mit der Daseinsvorsorge befassen,<br />
von der Kinderbildung und -betreuung,<br />
über den öffentlichen Verkehr<br />
bis zur Wasserversorgung.<br />
Interesse?<br />
Sie haben Interesse am<br />
Gemeinde ABC? Schreiben Sie uns eine<br />
Nachricht an office@gemnova.at<br />
VON ANGELIKA RAFETZEDER<br />
?<br />
Bei der Finanzierung meiner<br />
Gemeinde spielt der<br />
abgestufte Bevölkerungsschlüssel<br />
eine große Rolle.<br />
Was bedeutet dieser<br />
Begriff?<br />
Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel<br />
kommt bei<br />
der Verteilung der Erträge<br />
der vom Bund eingehobenen<br />
gemeinschaftlichen Bundesabgaben<br />
auf die einzelnen<br />
Gemeinden (Gemeindeertragsanteile)<br />
zur Anwendung.<br />
Dabei werden die Gemeinden<br />
bevölkerungsmäßig in<br />
vier Größenklassen unterteilt.<br />
Diese Unterteilung<br />
erfolgt auf Basis der Einwohner*innenzahl<br />
einer Gemeinde,<br />
die mit einem gesetzlich<br />
festgelegten Wert multipliziert<br />
wird. Somit bekommen<br />
Gemeinden mit einer größeren<br />
Einwohner*innenzahl<br />
auch mehr Geld pro Einwohner*innen.<br />
?<br />
Wie finanziert sich meine<br />
Gemeinde? Die Finanzkraft<br />
spielt dabei eine große Rolle.<br />
Was bedeutet sie?<br />
Die Finanzkraft einer Gemeinde<br />
wird im Wesentlichen aus der<br />
Summe der eigenen Steuereinnahmen<br />
und der den Gemeinden<br />
zugekommenen Ertragsanteile an<br />
den gemeinschaftlichen Bundesabgaben<br />
ermittelt. Es werden zwei<br />
Varianten unterschieden:<br />
Die Finanzkraft nach § 25 Abs<br />
2 Finanzausgleichsgesetz (FAG)<br />
2017 wird aus dem Aufkommen<br />
an der Grund- und Kommunalsteuer<br />
des zweitvorangegangenen<br />
Jahres ermittelt. Sie wird u.a. der<br />
Aufteilung der Finanzzuweisungen<br />
nach dem Finanzausgleichsgesetz<br />
zugrunde gelegt. Die Finanzkraft<br />
nach § 25 Abs 3 FAG 2017 wird<br />
aus dem Aufkommen an Grundsteuern,<br />
Kommunalsteuer und den<br />
Ertragsanteilen für das zweitvorangegangene<br />
Jahr ermittelt.<br />
Die als Finanzkraft II bezeichnete<br />
Finanzkraft nach § 21 Abs 5 des<br />
Tiroler Mindestsicherungsgesetzes<br />
wird aus der Grundsteuer<br />
auf land- und forstwirtschaftliche<br />
Betriebe, der Grundsteuer auf allgemeine<br />
Grundstücke, einem Teil<br />
der Erträge der Kommunalsteuer<br />
sowie aus Teilen der Abgabenertragsanteile,<br />
jeweils des zweitvorangegangenen<br />
Jahres, ermittelt.<br />
Sie wird u.a. der Ermittlung und<br />
Aufteilung des Kostenbeitrages<br />
der einzelnen Gemeinden an das<br />
Land für die Mindestsicherung,<br />
Grundversorgung, stationäre und<br />
mobile Pflege, Behinderten-, Kinder-<br />
und Jugendhilfe zugrunde<br />
gelegt.<br />
„Bürger*innenbeteiligung“ –<br />
Was ist konkret damit gemeint?<br />
Unter dem Begriff der Bürger*innenbeteiligung bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
versteht man die Möglichkeiten für Bürger*innen,<br />
sich an öffentlichen Planungsprozessen oder an<br />
Verwaltungsverfahren zu beteiligen, aber auch, sich mit ihren<br />
Anliegen direkt an die gewählten Organe (Parlament, Landtag,<br />
Gemeinderat) zu wenden. Bei großen Planungsprozessen,<br />
vor allem im Bereich der überörtlichen Raumordnung und bei<br />
großen Infrastrukturprojekten, welche einer Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
unterliegen, ist eine Bürger*innenbeteiligung<br />
zum Teil bereits gesetzlich vorgeschrieben. So sieht z.B. das<br />
Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz die Beteiligung der<br />
Öffentlichkeit an solchen Verfahren ausdrücklich vor. Innerhalb<br />
der Auflagefrist kann jede*r zum Vorhaben und zur<br />
Umweltverträglichkeitserklärung eine schriftliche Stellungnahme<br />
an die Behörde abgeben. Auch das Tiroler Umweltprüfungsgesetz<br />
und das Tiroler Raumordnungsgesetz sehen für<br />
die Ausarbeitung von bestimmten Plänen und Programmen<br />
zwingend eine Beteiligung der Öffentlichkeit vor.<br />
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?
30 tirol.kooperiert tirol.kooperiert 31<br />
Früh-<br />
jahrsputz in<br />
der Natur<br />
Hier eine Plastikflasche, dort eine Aludose: Achtlos<br />
weggeworfene Abfälle stören das Landschaftsbild<br />
und schaden der Umwelt. In vielen Tiroler Gemeinden<br />
befreien heuer wieder unzählige Freiwillige die Natur<br />
von Müllsünden – eine Aktion, bei der es nur<br />
Gewinner*innen gibt.<br />
Es ist ein sonniger Frühlingstag, der letzte Schnee ist<br />
geschmolzen, die Natur erwacht aus dem Winterschlaf.<br />
Viele Menschen verbringen den Tag im Freien. Grüppchenweise<br />
gehen sie einem beliebten Spazierweg entlang.<br />
Statt den Blick in die Ferne schweifen zu lassen<br />
und die Landschaft zu genießen, haben sie die Augen<br />
jedoch fest auf den Boden vor ihnen gerichtet. Ausgestattet<br />
mit Müllsäcken, Handschuhen und Greifzangen<br />
sind sie auf der Suche nach achtlos weggeworfenen<br />
Abfällen, die sie im Rahmen der Flurreinigungsaktion<br />
einsammeln und entsorgen. Der Frühjahrsputz in der<br />
Natur ist in vielen Tiroler Gemeinden ein Fixpunkt im<br />
Veranstaltungskalender. Die Umwelt und das Gemeinschaftsgefühl<br />
sind die großen Gewinner – und alle<br />
Freiwilligen, die nach so einem Tag mit einem positiven<br />
Gefühl nach Hause gehen.<br />
Littering richtet Schaden an<br />
Littering, also das achtlose Wegwerfen von Abfällen<br />
in der Natur, schadet der Umwelt, beeinträchtigt das<br />
Ortsbild und verursacht hohe Kosten für die Allgemeinheit.<br />
Das Land Tirol spricht von rund 1.000 Tonnen an<br />
Abfällen, die allein entlang des Landesstraßennetzes<br />
BILD:<br />
Die Kampagne „Tirol<br />
klaubt auf!“ der ATM lädt<br />
mit Motiven wie diesem<br />
augenzwinkernd zum<br />
Mitmachen bei der Flurreinigung<br />
ein. (© ATM/<br />
Matthias Betz)<br />
ZUM AUTOR<br />
ABFALLWIRTSCHAFT TIROL MITTE GMBH<br />
Die ATM koordiniert und unterstützt als Umweltserviceorganisation<br />
für die 102 Gemeinden der Bezirke Innsbruck-Land und<br />
Schwaz seit über 20 Jahren Flurreinigungsaktionen in der Region.<br />
Die Kampagne „Tirol klaubt auf!“ schafft Bewusstsein für die<br />
negativen Umweltauswirkungen von Littering.<br />
www.atm-online.at<br />
OBEN:<br />
Die Natur von achtlos weggeworfenen<br />
Abfällen befreien:<br />
Das ist das Ziel einer Flurreinigungsaktion.<br />
(© ATM/Berger)<br />
jedes Jahr beseitigt werden müssen. Im Auftrag der<br />
Abfallwirtschaft Tirol Mitte (ATM) führte die Universität<br />
Innsbruck 2018 eine Analyse des eingesammelten<br />
Abfalls durch: Rund die Hälfte davon sind Wertstoffe,<br />
die bei richtiger Entsorgung umwelt- und kostenschonend<br />
verwertet werden könnten. Stattdessen landen<br />
Plastik- und Glasflaschen oder Getränkedosen häufig<br />
in der Natur. Sie sind eine Gefahr für Wildtiere, können<br />
mit dem Futter aber auch vom Feld in den Stall<br />
gelangen und dort Schaden anrichten. Wind und Wetter<br />
setzen den Abfällen zu, Partikel lösen sich und verunreinigen<br />
die Böden.<br />
Erfolgreiche Freiwilligenaktion<br />
„Man braucht nicht darauf zu warten, dass sich der<br />
Müll und somit das Problem von selbst in Luft auflöst:<br />
Studien zeigen, dass sich eine PET-Flasche je<br />
nach Witterung rund 300 Jahre in der Natur hält. Die<br />
errechnete Verrottungsdauer einer Getränkedose liegt<br />
sogar bei 500 Jahren“, erklärt Alexander Würtenberger,<br />
Leiter der Umwelt- und Abfallberatung bei der ATM.<br />
Seit mehr als zwanzig Jahren unterstützt die ATM<br />
die Gemeinden in den Bezirken Innsbruck-Land und<br />
Schwaz bei der Durchführung von Flurreinigungen.<br />
Der Frühjahrsputz in der Natur ist zu einer riesigen<br />
Freiwilligenaktion geworden, schildert Alexander Würtenberger:<br />
„Teilweise haben wir bis zu 8.000 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer in unseren zwei Bezirken<br />
verzeichnet. In den allermeisten der 102 Gemeinden<br />
gehört die Flurreinigung einfach jedes Jahr dazu. Dieses<br />
große Engagement freut uns sehr.“<br />
Das Bewusstsein wächst<br />
Bei den groß angelegten Aktionstagen hilft vielerorts<br />
die ganze Dorfgemeinschaft zusammen: Schulklassen<br />
und Vereine sind genauso dabei wie Vertreter*innen<br />
der Gemeindepolitik und Einzelpersonen, denen die<br />
Umwelt am Herzen liegt. Interessierte Bürger*innen<br />
können sich an die jeweilige Gemeinde wenden – sie<br />
UNTEN:<br />
Gut für die Umwelt, das<br />
Ortsbild und die Gemeinschaft:<br />
In vielen Tiroler<br />
Gemeinden packen alle<br />
mit an, um in der Natur aufzuräumen.<br />
(© ATM/Berger)<br />
kümmert sich meist um die Organisation vor Ort. Für<br />
die ATM ist neben dem Einsammeln der gelitterten<br />
Abfälle vor allem Bewusstseinsbildung ein zentraler<br />
Aspekt der Flurreinigung, erklärt Alexander Würtenberger:<br />
„Wenn man sieht, was alles in der Natur landet,<br />
wird man automatisch sensibler für das Thema. Viele<br />
Freiwillige erzählen ihrem Umfeld davon und nehmen<br />
damit eine wichtige Rolle als Botschafter*innen ein.“<br />
Für Schulen bietet die ATM eigene Workshops an, in<br />
denen die Folgen von Littering kindgerecht vermittelt<br />
werden. Das Angebot wird sehr gerne angenommen<br />
und die Aufklärungsarbeit der letzten Jahrzehnte<br />
zeigt ihre Wirkung. „Das Bewusstsein für die negativen<br />
Auswirkungen von achtlos weggeworfenen Abfällen<br />
wächst. Irgendwann – in einer perfekten Welt – liegt<br />
vielleicht gar kein Müll mehr in der Landschaft. So<br />
weit sind wir aber leider noch nicht“, sagt Alexander<br />
Würtenberger. Auf einen Rückgang der gelitterten<br />
Abfallmenge lässt das angekündigte Pfand auf Einweg-<br />
Getränkeverpackungen hoffen. Das neue Abfallwirtschaftsgesetz<br />
sieht vor, dass in Österreich ab 2025<br />
ein Pfand auf Plastikflaschen und Aludosen eingehoben<br />
wird. Mit der leeren Flasche würde künftig auch der<br />
dafür bezahlte Einsatz im Gras landen – daraus ergibt<br />
sich ein monetärer Anreiz, Getränkeverpackungen ordnungsgemäß<br />
zu entsorgen.<br />
Motivation zum Umweltschutz<br />
Die gemeinschaftliche Flurreinigung in der Gemeinde<br />
ist auch ein unmittelbarer Beitrag zum Umweltschutz<br />
und somit zu einem Thema, das oft als abstrakt gilt.<br />
Mit dem Frühjahrsputz in der Gemeinde wird es auf<br />
eine lokale und greifbare Ebene geholt. Man hat sofort<br />
ein Erfolgserlebnis. Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
sehen, dass sich ihr Engagement gelohnt hat – die<br />
vollen Müllsäcke und die saubere Landschaft sprechen<br />
für sich. Diese Motivation und das positive Gefühl übertragen<br />
sich bestenfalls auf andere Lebensbereiche und<br />
sorgen für noch mehr Umweltbewusstsein im Alltag.
32<br />
tirol.kooperiert tirol.kooperiert 33<br />
Gemeinsam<br />
Ein Gespräch<br />
mit Mag.a<br />
Christine Salcher,<br />
der Leiterin der<br />
Abteilung Gemeinden<br />
beim Land Tirol.<br />
für alle<br />
Das Land Tirol und die Gemeinden<br />
GemNova: Die Gemeinderats- und Bürgermeister*innenwahlen<br />
<strong>2022</strong> haben<br />
eine Reihe neuer Bürgermeister*innen<br />
und Gemeinderät*innen hervorgebracht.<br />
Welche Berührungspunkte haben<br />
die Neugewählten mit der Abteilung<br />
Gemeinden?<br />
Unabhängig davon, ob die Kandidat*innen<br />
schon vor der Wahl im Gemeinderat<br />
vertreten waren oder nicht, bot die<br />
Abteilung Gemeinden Beratung und<br />
Information für Bürger*innen, Kandidat*innen<br />
sowie Mitarbeiter*innen in<br />
Bezug auf die Wahlen an. Bei der Angelobung<br />
der Bürgermeister*innen fand<br />
eine weitere Kontaktaufnahme statt,<br />
da dieser Festakt von unserer Abteilung<br />
mitorganisiert wird. Der Abteilung<br />
Gemeinden ist es ein Anliegen, im persönlichen<br />
Austausch mit den Bürgermeister*innen<br />
zu stehen.<br />
In welcher Form kann die Abteilung<br />
Gemeinden bei der Amtsübernahme<br />
sowie Einarbeitung unterstützen?<br />
Unsere Abteilung steht mit Rat zur Seite,<br />
wenn am Anfang der kommunalen Tätigkeit<br />
Fragen oder Probleme auftauchen. Wir<br />
informieren über rechtliche Grundlagen<br />
ebenso wie über haushaltswirtschaftliche<br />
Fragestellungen. Das Merkblatt für die<br />
Gemeinden Tirols, das monatlich erscheint<br />
und auch auf der Website des Landes Tirol<br />
veröffentlicht wird, bietet eine wichtige<br />
Informationsquelle. Im März erscheint in<br />
Zusammenarbeit mit dem Tiroler Gemeindeverband<br />
und dem Föderalismusinstitut<br />
die neue Ausgabe des Kommentars zur<br />
Tiroler Gemeindeordnung. Darin werden<br />
die gesetzlichen Bestimmungen praxisorientiert<br />
beschrieben.<br />
Für welche Aufgaben ist die Abteilung<br />
Gemeinden zuständig? Welche Leistungen<br />
werden für die Tiroler Gemeinden<br />
erbracht?<br />
Zu den Aufgaben zählen u.a. organisatorische<br />
und finanzielle Angelegenheiten, das<br />
Dienst- und Personalvertretungsrecht, die<br />
Wirtschaftsaufsicht sowie das Reklamationsverfahren<br />
nach dem Meldegesetz.<br />
Das Land Tirol übt gegenüber den Gemeinden<br />
ein Aufsichtsrecht aus, das in der Verfassung<br />
verankert ist. Inhaltlich gilt es darauf<br />
zu achten, dass die Gemeinden die<br />
Gesetze und Verordnungen des Bundes<br />
und des Landes nicht verletzen und ihren<br />
Wirkungsbereich nicht überschreiten. Um<br />
diese Aufgabe erfüllen zu können, sind die<br />
Aufsichtsbehörden berechtigt, sich über die<br />
Gemeinden zu informieren und in Unterlagen<br />
Einsicht zu nehmen. Ein weiterer<br />
Bereich ist die Gebarungsprüfung. Die Aufsichtsbehörden<br />
sind berechtigt, die Gebarung<br />
der Gemeinden auf Sparsamkeit,<br />
Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu<br />
Unsere Aufgaben sind ähnlich<br />
umfangreich wie die der Gemeinden<br />
und haben denselben Fokus: Serviceorientierung<br />
und Bürgernähe.<br />
prüfen sowie die Übereinstimmung mit<br />
den geltenden Vorschriften zu überwachen.<br />
Einen anderen wesentlichen Bereich stellt<br />
die Verordnungsprüfung dar. Verordnungen,<br />
die eine Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich<br />
aus dem Bereich der Landesverwaltung<br />
erlässt, müssen der Landesregierung<br />
bekanntgegeben werden.<br />
Welche Herausforderungen gilt es in der<br />
Arbeit mit den Tiroler Gemeinden zu<br />
meistern?<br />
Unsere Aufgaben sind ähnlich umfangreich<br />
wie die der Gemeinden und haben denselben<br />
Fokus: Serviceorientierung und Bürgernähe.<br />
Es ergeben sich z.B. immer wieder<br />
Fragen zu rechtlichen Bestimmungen oder<br />
der richtigen Berechnung von Gebühren<br />
und Abgaben. In all diesen Fragen können<br />
sich die Gemeinden an uns wenden.<br />
Wie hat sich das komplexe Themenfeld<br />
rund um die Gemeinden aus Ihrer Sicht<br />
über die Jahre verändert?<br />
Die Aufgaben sind vielfältiger geworden.<br />
Fragen zur Raum- bzw. Bauordnung, die<br />
gesamte Infrastruktur für die Bevölkerung<br />
oder die Krisenbewältigung stellen die<br />
Gemeinden vor große Herausforderungen.<br />
Dabei ist immer die Finanzierung der Aufgabenerfüllung<br />
ein zentraler Punkt. Damit<br />
die Lebensqualität und die Chancen für<br />
die Bürger*innen ausgebaut und gesichert<br />
werden können, bedarf es großer Anstrengungen<br />
aller handelnden Akteure, immer<br />
auch unter dem Gesichtspunkt, den sozialen<br />
Zusammenhalt in der Gemeinde zu<br />
stärken und einer Abwanderung gerade<br />
der jungen Menschen entgegenzuwirken.<br />
In 273 Tiroler Gemeinden wurde am<br />
27.02.<strong>2022</strong> ein neuer Gemeinderat<br />
gewählt. Die drei Gemeinden Matrei a.<br />
B., Mühlbachl und Pfons haben fusioniert,<br />
wodurch die Wahlen erst am<br />
20.03.<strong>2022</strong> stattgefunden haben. In<br />
der Zwischenzeit hat ein Amtsverwalter<br />
die Geschäfte der Gemeinde geführt.<br />
Wann kommt ein Amtsverwalter zum<br />
Einsatz und wie sehen seine Tätigkeiten<br />
aus?<br />
Im konkreten Fall ist der Einsatz eines<br />
Amtsverwalters durch die Vereinigung<br />
der betreffenden Gemeinden zu einer<br />
neuen begründet. Für den Zeitraum zwischen<br />
Wirksamwerden der Vereinigung<br />
bis zur Konstituierung des neu gewählten<br />
Gemeinderates ist ein Amtsverwalter zu<br />
bestellen, der im Namen der Gemeinde<br />
die täglichen Geschäfte führt. Ebenso ist<br />
ein Amtsverwalter einzusetzen, wenn sich<br />
der Gemeinderat vor Ablauf der Funktionsperiode<br />
durch einen Beschluss selbst<br />
aufgelöst hat. Ein weiterer Fall ist die<br />
Auflösung des Gemeinderates durch die<br />
Landesregierung, wenn der Gemeinderat<br />
dauernd beschlussunfähig ist oder eine<br />
ordnungsgemäße Führung der Geschäfte<br />
bzw. die Erfüllung der Aufgaben nicht<br />
mehr gewährleistet ist. Die Tätigkeit des<br />
Amtsverwalters hat sich auf die laufenden<br />
und die unaufschiebbaren Angelegenheiten<br />
zu beschränken.
34 tirol.hat Recht ENTGELTLICHE tirol.kooperiert EINSCHALTUNG 34<br />
tirol.hat Recht 35<br />
VERLÄSSLICHER PARTNER<br />
DER TIROLER GEMEINDEN:<br />
DER MASCHINENRING<br />
Unterstützung<br />
im Vergaberecht<br />
Für die Schneeräumung im Winter genauso wie<br />
für Baumpflege und Grünraumdienstleistungen im<br />
Sommer oder Naturraum-Services das ganze Jahr<br />
über: Der Maschinenring arbeitet seit mehr<br />
als 20 Jahren als verlässlicher Partner für<br />
viele Tiroler Gemeinden.<br />
Die Aufgaben, die Gemeinden erfüllen<br />
müssen, sind mannigfach – Tendenz steigend.<br />
Der Maschinenring kennt die spezifischen<br />
Bedürfnisse der Tiroler Kommunen und steht<br />
mit einem breiten Dienstleistungsangebot<br />
bereit: Ob es darum geht, Straßen und<br />
Wege zur rechten Zeit von Schnee und Eis<br />
zu befreien, Bäume professionell auf Herz<br />
und Nieren zu prüfen, einen Baumkataster<br />
anzulegen, Problembäume zu entnehmen<br />
oder Grünanlagen zu pflegen – bestens<br />
ausgebildete Spezialisten übernehmen die<br />
Aufgaben.<br />
Aber auch im Forstbereich ist der Maschinenring<br />
mit dem Forstservice Tirol geschätzter Dienstleister<br />
und bringt auch Geld in die Gemeindekasse:<br />
Von der Aufforstung über die Pflege bis hin zur<br />
Vor- und Endnutzung bzw. Vermarktung reicht<br />
das landesweite Komplettangebot.<br />
Mit der klimafitten Aufforstung, der<br />
Unkrautbekämpfung mittels Heißschaum oder<br />
den bienenfreundlichen Tiroler Blumenwiesen<br />
setzt der Maschinenring einen Schwerpunkt im<br />
Bereich der Nachhaltigkeit. Dank der Erfahrung<br />
und mit qualifizierten Mitarbeitern aus der<br />
Region bieten die Profis vom Land für Gemeinden<br />
Naturraum-Services und sind da, wenn es darum<br />
geht, Naturgefahren zu begegnen – proaktiv<br />
genauso wie im Schadensfall.<br />
Regionale Wertschöpfung sichern<br />
Aber auch wenn das eigene Personal nicht ausreicht,<br />
ist der Maschinenring als Marktführer<br />
im Bereich Personalleasing die erste Adresse<br />
für Gemeinden: Flexibel einsetzbare Landwirte<br />
oder Fachkräfte, die aus der Region stammen,<br />
werden schnell vermittelt, um die Gemeinde-<br />
Mannschaft zu verstärken.<br />
Mit seinen sechs Geschäftsstellen im ganzen<br />
Land steht das Unternehmen der Tiroler Bauern<br />
in jeder Hinsicht für gelebte Regionalität: Wenn<br />
man auf den Maschinenring setzt, wird Wertschöpfung<br />
in der Region, im Ort geschaffen. Egal<br />
ob es der Landwirt ist, der sich ein Zusatzeinkommen<br />
erwirtschaftet oder der Arbeitnehmer,<br />
der einen sicheren Job findet – sie alle investieren<br />
wiederum in und für ihre lebenswerte<br />
Heimatgemeide.<br />
Infos zu allen<br />
Dienstleistungen & Kontakt zu den<br />
regionalen Maschinenringen:<br />
www.maschinenring.tirol<br />
Wusstest<br />
du, dass der<br />
Maschinenring<br />
über...<br />
7.100<br />
Mitglieder in<br />
Tirol hat?<br />
200<br />
Gemeinden im Jahr<br />
2021 zu seinen<br />
Kunden zählte?<br />
7.000<br />
Bäume im Rahmen<br />
der Baumkontrolle<br />
im Vorjahr<br />
betreut hat?<br />
Die GemNova durfte auch letztes Jahr<br />
zahlreiche öffentliche Auftraggeber,<br />
insbesondere Gemeinden, bei den verschiedensten<br />
Vergabeverfahren begleiten<br />
und dabei ihre Expertise einbringen.<br />
Ziel ist neben der Einhaltung der<br />
rechtlichen Vorgaben auch die Stärkung<br />
des Wettbewerbs.<br />
Die Vielfalt der Beschaffungsvorhaben<br />
und Verfahrensarten zeigt sich anhand<br />
einiger exemplarischer Beispiele von<br />
Ausschreibungen. Diese umfassen insbesondere<br />
diverse Bauausschreibungen<br />
wie gewerksweise Vergaben unter<br />
Berücksichtigung der Los-Regel (Direktvergabe<br />
mit vorheriger Bekanntmachung,<br />
Verhandlungsverfahren, offene Verfahren<br />
etc.) und darüber hinaus Generalplanerleistungen,<br />
aber auch General- und Totalunternehmer-Vergaben.<br />
Zu einem solchen Vergabe-Projekt zählte<br />
beispielsweise der vom Bezirkskrankenhaus<br />
St. Johann in Tirol geplante Umbau<br />
der Zentralküche. Der Auftragswert<br />
befand sich im Oberschwellenbereich<br />
(über den damaligen € 5,35 Mio. netto).<br />
Unter Anwendung der Los-Regel wurde<br />
von der GemNova eine gewerksweise Vergabe<br />
zur Stärkung der Regionalität via<br />
elektronischer Vergabeplattform durchgeführt.<br />
Die Bestbieterkriterien wurden eng<br />
mit Auftraggeber und Fachplanern abgestimmt.<br />
Die besondere Herausforderung<br />
bestand hier in der Umsetzung innerhalb<br />
einer sensiblen Infrastruktur. Dies wurde<br />
(vergabe)rechtlich entsprechend abgebildet,<br />
um den Auftraggeber abzusichern.<br />
Weitere Ausschreibungen betrafen<br />
unter anderem Lieferleistungen, wie die<br />
Beschaffung von (Feuerwehr)fahrzeugen,<br />
Dienstleistungen aus dem Bereich IT für<br />
eine sensible Infrastruktur, Produktion/<br />
Layout, Druck und Versand eines Magazins,<br />
Reinigungsleistungen und andere<br />
Dienstleistungen wie z.B. Laborleistungen.<br />
Auch Restmülltransporte wurden<br />
beschafft. Die Gemeinde Wildschönau<br />
plante z.B. den Auftrag zur Sammlung<br />
von Restmüll im Gemeindegebiet sowie<br />
die anschließende Verbringung zur Übernahmestelle<br />
mehrjährig zu vergeben. Da<br />
der geschätzte Auftragswert im Oberschwellenbereich<br />
(über den damaligen<br />
€ 214.000 netto) angesiedelt war, wurde<br />
ein offenes Verfahren (EU-weit) gewählt.<br />
Die Abwicklung des Verfahrens erfolgte<br />
über die elektronische Vergabeplattform.<br />
Der Zuschlag wurde einem Tiroler Unternehmen<br />
erteilt.<br />
Die Tabelle auf Seite 36/37 veranschaulicht,<br />
ohne ins Detail zu gehen, den Ablauf<br />
der gängigsten Vergabeverfahren. Dabei<br />
sind einige Details zu beachten, die aus<br />
Platzgründen nicht ausgeführt werden<br />
können.<br />
ZU DEN AUTOREN<br />
Mag. a Magdalena Ralser, Mag. Martin<br />
Schonger und Mag. Alexander Sporer<br />
wickeln im Bereich "Infrastruktur &<br />
Recht" insbesondere Vergabeverfahren<br />
ab.<br />
wies0<br />
IST AUSZUSCHREIBEN?<br />
Das Ziel ist die Stärkung des<br />
Wettbewerbs und ein sorgsamer<br />
Umgang mit öffentlichen Geldern<br />
gemäß TGO. Öffentliche Auftraggeber<br />
(z.B. Gemeinden, Gemeindeverbände)<br />
müssen deshalb u.a. das<br />
Bundesvergabegesetz 2018 einhalten.<br />
wann<br />
IST AUSZUSCHREIBEN?<br />
Grundsätzlich sind alle Beschaffungen<br />
– konkret Bau-, Liefer- und<br />
Dienstleistungen – auszuschreiben.<br />
Dabei gibt es einige Ausnahmen.<br />
Eine Direktvergabe darf nur unter<br />
Einhaltung der vergaberechtlichen<br />
Grundsätze erfolgen.<br />
Wie<br />
IST AUSZUSCHREIBEN?<br />
Je nach Auftragswert stehen einerseits<br />
verschiedene Verfahrensarten<br />
zur Verfügung, teilweise muss EUweit<br />
ausgeschrieben werden. Auch<br />
dort mit oder ohne Verhandlungsmöglichkeit.<br />
Andererseits können u.a.<br />
Bauleistungen auch unterschiedlich<br />
vergeben werden: gewerksweise<br />
Vergabe, Generalunternehmer, Totalunternehmer<br />
usw.
36<br />
tirol.kooperiert<br />
tirol.hat Recht tirol.hat Recht 37<br />
ablauf<br />
DIREKTVERGABE<br />
DIREKTVERGABE<br />
MIT VORHERIGER<br />
BEKANNTMACHUNG<br />
VERHANDLUNGS-<br />
VERFAHREN<br />
OHNE VORHERIGE<br />
BEKANNTMACHUNG<br />
VERHANDLUNGS-<br />
VERFAHREN<br />
MIT VORHERIGER<br />
BEKANNTMACHUNG<br />
NICHT OFFENES<br />
VERFAHREN<br />
OHNE VORHERIGE<br />
BEKANNTMACHUNG<br />
NICHT OFFENES<br />
VERFAHREN<br />
MIT VORHERIGER<br />
BEKANNTMACHUNG<br />
OFFENES<br />
VERFAHREN<br />
Aufforderung zur<br />
Angebotslegung<br />
Bekanntmachung<br />
schalten<br />
Aufforderung zur<br />
Angebotslegung<br />
Bekanntmachung<br />
schalten<br />
Aufforderung zur<br />
Angebotslegung<br />
Bekanntmachung<br />
schalten<br />
Bekanntmachung<br />
schalten<br />
Teilnahmefrist<br />
Teilnahmefrist<br />
Bewerbungsunterlagen<br />
versenden<br />
Bewerbungsunterlagen<br />
versenden<br />
Teilnahmeantrag<br />
Teilnahmeantrag<br />
allfällige Eignungsprüfung<br />
Eignungsprüfung<br />
Eignungsprüfung<br />
Eignungsprüfung<br />
Auswahlentscheidung<br />
Auswahlentscheidung<br />
Ausschreibungsunterlagen versenden<br />
Wie unterstützt<br />
die<br />
GemNova<br />
konkret?<br />
ANGEBOTSFRIST<br />
ANGEBOT<br />
ANGEBOTSFRIST<br />
ANGEBOT<br />
• Beratung hinsichtlich aller<br />
möglichen Beschaffungsvorhaben<br />
• Individuelle Beratung in<br />
neutraler Weise hinsichtlich<br />
der möglichen Vergabe<br />
interne Öffnung<br />
Verhandlungen<br />
Angebotsprüfung<br />
Öffnung<br />
Verhandlungsverbot<br />
• Prüfung, ob eine Ausnahme<br />
vom Bundesvergabegesetz<br />
2018 vorliegt<br />
Bestbieterermittlung<br />
• Erarbeitung einer passenden<br />
Lösung je nach Ausgangslage<br />
und Ziel: z.B. mit<br />
einer gewerksweisen Vergabe<br />
gemäß Los-Regel, um die<br />
Regionalität zu stärken<br />
Mitteilung der Zuschlagsentscheidung<br />
STILLHALTEFRIST<br />
• elektronische Vergabe<br />
(zum Teil verpflichtend<br />
einzuhalten!)<br />
AUFTRAG VERGEBEN<br />
AUFTRAG VERGEBEN
38<br />
tirol.hat Recht tirol.hat Recht 39<br />
Whistleblower<br />
Die EU verabschiedete mit<br />
dem Ziel der besseren Durchsetzung<br />
des Unionsrechts die<br />
Richtlinie (EU) 2019/1937 zum<br />
Schutz von Hinweisgebern<br />
(Whistleblower-RL). Während<br />
in Österreich der Bund mit<br />
der Umsetzung säumig ist<br />
und die Europäische Kommission<br />
bereits ein Vertragsverletzungsverfahren<br />
eingeleitet<br />
hat, setzte Tirol die Richtlinie<br />
mit dem Unionsrechtsverstöße-Hinweisgebergesetz<br />
(UVHG) um.<br />
TIROL ALS VORREITER BEIM<br />
HINWEISGEBERSYSTEM<br />
WOZU HINWEISGEBER-<br />
SYSTEME?<br />
Whistleblowing dient dazu, Kenntnis<br />
von Verstößen zu erlangen, um<br />
rechtzeitig auf internes Fehlverhalten<br />
reagieren und Schaden abwenden<br />
zu können. Grundsätzlich sollen mit<br />
Hinweisgebersystemen sowohl europaweite<br />
Mindeststandards als auch<br />
der bisher oft vernachlässigte Schutz<br />
für Hinweisgeber*innen sichergestellt<br />
werden, um mehr Meldungen<br />
über Verstöße gegen Unionsrecht zu<br />
erhalten und aufzuklären. Einerseits<br />
werden betroffene Unternehmen, das<br />
Land und Gemeinden vor große Herausforderungen<br />
bei der Umsetzung<br />
geeigneter Hinweisgebersysteme<br />
gestellt. Andererseits bietet die Einrichtung<br />
von Meldestellen die Chance,<br />
dank rechtzeitiger Information über<br />
Verstöße zeitnah Schaden begrenzen<br />
und öffentliche Skandale vermeiden<br />
zu können, weil Hinweisgeber*innen<br />
regelmäßig vor der Entscheidung stehen,<br />
Meldungen intern oder bei (Strafverfolgungs-)<br />
Behörden abzugeben.<br />
WER MUSS?<br />
Nach dem UVHG sind das Land Tirol,<br />
Gemeinden mit mindestens 10.000<br />
Einwohner*innen, Gemeindeverbände<br />
und durch Landesgesetz eingerichtete<br />
Selbstverwaltungskörper oder<br />
juristische Personen mit mindestens<br />
50 Dienst- bzw. Arbeitnehmer*innen<br />
zur Einrichtung einer internen Meldestelle<br />
verpflichtet. Die externe Meldestelle<br />
ist beim Landesvolksanwalt<br />
eingerichtet. Die Hinweisgebersysteme<br />
sind mit 1. <strong>April</strong> <strong>2022</strong> wirksam<br />
einzurichten.<br />
WAS MELDEN?<br />
Die Whistleblower-RL bzw. das UVHG<br />
zielt auf Verstöße gegen das Unionsrecht,<br />
insbesondere: öffentliches Auftragswesen;<br />
Finanzdienstleistungen,<br />
Finanzprodukte und Finanzmärkte<br />
sowie Verhinderung von Geldwäsche<br />
und Terrorismusfinanzierung;<br />
Produktsicherheit und –konformität;<br />
Verkehrssicherheit; Umweltschutz;<br />
Strahlenschutz und kerntechnische<br />
Sicherheit; Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,<br />
Tiergesundheit und<br />
Tierschutz; öffentliche Gesundheit;<br />
Verbraucherschutz; Schutz der Privatsphäre<br />
und personenbezogener Daten<br />
sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen;<br />
finanzielle Interessen<br />
der Union und Binnenmarktvorschriften.<br />
Ausgenommen sind Vorschriften zum<br />
Schutz von Verschlusssachen oder<br />
der anwaltlichen, notariellen und ärztlichen<br />
Verschwiegenheitspflicht und<br />
von Strafverfahren.<br />
WER KANN MELDEN?<br />
Zugang zum internen Hinweisgebersystem<br />
haben nur aktive oder ehemalige<br />
Dienst- oder Arbeitnehmer*innen,<br />
wenn sie im Zusammenhang mit<br />
ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen<br />
über Verstöße erlangt haben.<br />
Zugang zum externen Hinweisgebersystem<br />
haben alle Personen, die im<br />
Zusammenhang mit ihrer beruflichen<br />
Tätigkeit Informationen über Verstöße<br />
erlangt haben. Dazu zählen u.a.<br />
aktive, ehemalige und künftige Dienstoder<br />
Arbeitnehmer*innen, weiters<br />
Selbstständige, Anteilseigner*innen<br />
und Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane<br />
sowie Freiwillige und<br />
Praktikant*innen.<br />
INTERNE UND EXTERNE<br />
MELDESTELLEN<br />
Das interne Meldesystem kann als<br />
E-Mail-Postfach oder webseitenbasierte<br />
Plattform ausgestaltet werden.<br />
Letztere hat den Vorteil der anonymen<br />
Meldung, sodass die Vertraulichkeit<br />
gewährleistet wird und auch<br />
Hinweisgeber*innen angeregt werden,<br />
Meldungen intern zu erstatten.<br />
Dadurch kann die Meldung intern<br />
bearbeitet und ein möglicher Verstoß<br />
ohne Involvierung Dritter behoben<br />
werden.<br />
Dem Landesvolksanwalt obliegt die<br />
externe Meldestelle für Verstöße<br />
gegen Unionsrecht in Angelegenheiten<br />
der Landesgesetzgebung. Eine<br />
externe Meldung kann nach oder<br />
ohne vorherige Nutzung des internen<br />
Hinweisgebersystems erfolgen.<br />
Hinweisgebersysteme müssen sicher<br />
konzipiert, eingerichtet und betrieben<br />
sein, um die Vertraulichkeit der Identität<br />
des/der Hinweisgeber*in und<br />
anderer in der Meldung erwähnter<br />
Personen zu wahren. Unbefugte dürfen<br />
keinen Zugriff auf die Meldungen<br />
haben; sogar die Möglichkeit<br />
des Zugriffs eines IT-Administrators<br />
/ einer IT-Administratorin verletzt<br />
die Vertraulichkeit. Zur einfacheren<br />
Umsetzung können interne Meldestellen<br />
gemeinsam von Gemeinden oder<br />
von gemeinsamen Behördendiensten<br />
betrieben werden.<br />
MELDUNG EINGELANGT:<br />
WAS NUN?<br />
Nach einer mündlichen oder schriftlichen<br />
Meldung – sofern diese nicht<br />
anonym erfolgte – ist das Einlangen<br />
binnen sieben Tagen an den/<br />
die Hinweisgeber*in zu bestätigen,<br />
zu dokumentieren und zu prüfen<br />
sowie erforderliche Folgemaßnahmen<br />
zu ergreifen und dem/der<br />
Hinweisgeber*in schließlich innerhalb<br />
von drei Monaten darüber eine Rückmeldung<br />
zu erstatten. Bei Bedarf ist<br />
der/die Hinweisgeber*in um Informationen<br />
oder Präzisierung zu ersuchen.<br />
Auch anonyme Meldungen sind zu<br />
dokumentieren und zu prüfen, um<br />
allenfalls entsprechende Folgemaßnahmen<br />
zu ergreifen. Abhängig vom<br />
gemeldeten Sachverhalt besteht<br />
jedenfalls ein zeitlicher Druck zur<br />
raschen Aufarbeitung.<br />
SCHUTZ FÜR<br />
HINWEISGEBER*INNEN<br />
Bei einer personenbezogenen Meldung<br />
sind die DSGVO, das DSG und<br />
arbeitsrechtliche Regelungen einzuhalten,<br />
sodass die Identität der<br />
Person vertraulich bleibt. Auch darf<br />
ein/eine Hinweisgeber*in in keiner<br />
Weise benachteiligt werden, sodass<br />
Repressalien (Suspendierung oder<br />
Entlassung, Mobbing, Versagung einer<br />
Beförderung, negative Leistungsbeurteilung<br />
etc.) bei sonst hohen Verwaltungsstrafen<br />
verboten sind.<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. SEVERIN PLATTNER<br />
RA Mag. Severin Plattner ist Experte<br />
bei Heid & Partner Rechtsanwälte für<br />
Corporate, Immobilienprojekte und<br />
Prozessführung. Er ist Autor und<br />
Vortragender in den Bereichen Baurecht<br />
und Compliance.
40<br />
tirol.hat Recht tirol.hat Recht 41<br />
Illegale Müllablagerungen an Müllsammelstellen<br />
(Recyclinghof, Müllsammelinsel),<br />
Beschädigungen an solchen Einrichtungen<br />
oder anderem öffentlichen Gut und<br />
Verschmutzungen öffentlicher Orte oder<br />
Einrichtungen, die einen unverhältnismäßig<br />
hohen Reinigungs- und Instandhaltungsaufwand<br />
mit sich bringen. Das sind Phänomene,<br />
die immer wieder in kleineren<br />
dörflichen Gemeinschaften auftreten.<br />
Es liegt im Interesse der Gemeinschaft<br />
solchen Verhaltensweisen Einhalt zu<br />
gebieten. Dieses Interesse ist nachvollziehbar<br />
und gerechtfertigt. Als Mittel zur<br />
BILD: Beschädigungen<br />
und Verschmutzungen<br />
öffentlicher Orte<br />
stören nachweislich das<br />
Sicherheitsempfinden.<br />
(© unsplash)<br />
Videoüberwachung<br />
Big Brother und Sicherheitsmaßnahmen vs.<br />
Freiheitsrechte und Persönlichkeitsschutz<br />
Durchsetzung dieses Interesses liegt derzeit<br />
die Videoüberwachung von betroffenen/gefährdeten<br />
Orten sehr hoch im Kurs.<br />
Sie dient der Prävention und zielt auf die<br />
Angst der Täter*innen mittels dieser Überwachung<br />
überführt zu werden.<br />
Die überwiegende Anzahl der Menschen in<br />
unserem Land möchte allerdings in einer<br />
freien demokratischen Zivilgesellschaft<br />
leben, wofür der Schutz persönlicher Freiheitsrechte<br />
essenziell ist und in unser aller<br />
Interesse liegt. Gerade nach den vergangenen<br />
zwei Jahren mit Grundrechtseingriffen<br />
zur Pandemiebekämpfung herrscht wohl<br />
auch Konsens, dass Eingriffe in Grundrechte<br />
nicht leichtfertig stattfinden dürfen.<br />
Sicherheit vs. Freiheitsrechte<br />
Die Abwägung dieser beiden Interessen<br />
(Sicherheit vs. Freiheitsrechte und Persönlichkeitsschutz)<br />
ist auch die juristische<br />
Methode, mit der in jedem Einzelfall<br />
die Zulässigkeit einer Videoüberwachung<br />
geprüft werden muss. Auf eine Waagschale<br />
legt man die Wahrscheinlichkeit eines<br />
Schadenseintritts, abgeleitet von Erfahrungswerten,<br />
die mögliche Schadenshöhe<br />
und die Frage nach anderen Präventionsmaßnahmen<br />
bezüglich Kosten und Effizienz.<br />
Gibt es nämlich weniger eingriffsintensive<br />
Mittel, die wirtschaftlich vertretbar<br />
sind (z.B. Absperrungen), muss auf solche<br />
zurückgegriffen werden.<br />
Hier eine Anmerkung: In allen Fällen, in<br />
denen ich bisher als Datenschutzbeauftragter<br />
mit dieser Thematik befasst war, wurde<br />
von den Gemeindeverantwortlichen als<br />
Tätergruppe für Beschädigungen und Verschmutzungen<br />
von öffentlichen Orten/Einrichtungen<br />
die eigene Dorfjugend benannt.<br />
Für eine mittel- und langfristige Prävention<br />
sollte daher auch an eine zielgerichtete<br />
Jugendarbeit (allenfalls auch gemeindeübergreifend)<br />
gedacht werden.<br />
Die Dauer<br />
der Speicherung<br />
der Bilddaten<br />
darf max.<br />
72 Stunden<br />
betragen. Für eine<br />
längere Speicherung<br />
bräuchte<br />
es gewichtige<br />
nachvollziehbare<br />
Gründe.<br />
Auf eine andere Waagschale wird die Intensität<br />
des Eingriffs gewichtet. Wie schwer<br />
die Intensität zu gewichten ist, hängt von<br />
mehreren Variablen ab: Größe des überwachten<br />
Raums, Widmung des Raums,<br />
Anzahl der durchschnittlich im Raum erfassten<br />
Personen, Dauer des Aufenthalts im<br />
Raum usw. Kleine Anpassungen bei einzelnen<br />
Variablen können dabei gewaltigen<br />
Einfluss auf die Eingriffsintensität haben<br />
(z.B. Videoüberwachung im Recyclinghof<br />
nur außerhalb der Öffnungszeiten). Wenn<br />
regelmäßige Schäden zu erwarten sind<br />
oder ein schwerer Schaden, was jeweils<br />
hohe Kosten bedeutet, so besteht ein großes<br />
Interesse an der Schadensabwehr. Ist<br />
gleichzeitig das Risiko für von der Videoüberwachung<br />
betroffene Personen bzgl. der<br />
Einschränkung ihrer Rechte und Freiheiten<br />
gering, weil z.B. nur relativ wenige Personen<br />
bei widmungsmäßiger Nutzung des überwachten<br />
Raums nur kurz zu unverfänglichen<br />
Tätigkeiten dort sind, dann überwiegt<br />
das Interesse der Schadensabwehr durch<br />
die Überwachung jenes des Schutzes vor<br />
dieser konkreten Überwachung. Rechtlich<br />
ergibt das ein „berechtigtes Interesse“, was<br />
dann auch gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO<br />
(Datenschutz-Grundverordnung) die Rechtsgrundlage<br />
oder den „Erlaubnistatbestand“<br />
für die Videoüberwachung ist.<br />
Der rechtliche Rahmen<br />
Der österreichische Gesetzgeber hat zur<br />
„Bildverarbeitung“ eigene Paragraphen ins<br />
DSG (Datenschutzgesetz) 2018 eingefügt;<br />
nämlich die §§ 12 und 13. Dort verankert<br />
sind deutlich konkretere Regelungen zur<br />
Zulässigkeit sowie formale Vorgaben zur<br />
Umsetzung. Das BVwG (Bundesverwaltungsgericht)<br />
hat dazu entschieden, dass<br />
der österreichische Gesetzgeber hierzu<br />
keine Kompetenz hatte mangels einer Öffnungsklausel<br />
in Art. 6 DSGVO und dass die<br />
Zulässigkeit einer Videoüberwachung nur<br />
nach Art. 5 und 6 DSGVO zu beurteilen ist.<br />
Die österreichische Datenschutzbehörde<br />
hat bereits mitgeteilt, sich an diese Rechtsprechung<br />
zu halten. Der OGH (Oberste<br />
Gerichtshof) hat nach dieser Entscheidung<br />
des BVwG die §§ 12 und 13 DSG 2018 weiter<br />
angewendet, sodass hier eigentlich noch<br />
Unklarheit herrscht, die meines Wissens<br />
nach noch nicht endgültig geklärt ist.<br />
Für die Praxis ist das jedoch zweitrangig.<br />
Die §§ 12 und 13 DSG 2018 legen relativ<br />
hohe Standards fest, sodass der Verantwortliche<br />
für die Videoüberwachung mit der<br />
oben beschriebenen Interessensabwägung<br />
und der Einhaltung der §§ 12 und 13 DSG<br />
2018 rechtlich auf der sicheren Seite steht.<br />
Die Bestimmungen sind also mindestens<br />
als Leitlinie hilfreich und es empfiehlt sich<br />
sie zu beachten.<br />
Bei der konkreten Umsetzung der Videoüberwachung<br />
ist nach dieser Leitlinie zu<br />
beachten, dass die Dauer der Speicherung<br />
der Bilddaten max. 72 Stunden betragen<br />
soll. Für eine längere Speicherung bräuchte<br />
es gewichtige nachvollziehbare Gründe. Die<br />
Videoüberwachung muss gekennzeichnet<br />
werden. Dies wird wohl im Interesse des<br />
Verantwortlichen liegen, schließlich erhofft<br />
man sich Prävention durch Abschreckung.<br />
Dem weiteren Transparenzgedanken dahinter<br />
entsprechend sollte auch eine Datenschutzerklärung<br />
zur Videoüberwachung<br />
zugänglich sein. Diese kann bei der Kennzeichnung<br />
angebracht werden oder man<br />
verweist dort darauf, dass die Datenschutzerklärung<br />
auf der Homepage des Verantwortlichen<br />
zu finden ist.<br />
Schließlich kann es noch sein, dass die<br />
Installation einer Videoüberwachung eine<br />
Datenschutz-Folgenabschätzung gemäß<br />
Art. 35 DSGVO erforderlich macht. Die beiden<br />
Verordnungen der Datenschutzbehörde<br />
zur Frage, wann es jedenfalls keine Datenschutz-Folgenabschätzung<br />
braucht bzw.<br />
wann es jedenfalls eine braucht, haben im<br />
Ergebnis nur dazu geführt, dass auch hier in<br />
jedem Einzelfall diese Frage geprüft werden<br />
muss. Dabei gibt es Einzelfälle, für welche<br />
die Verordnungen klare und damit schnelle<br />
Antworten liefern, aber es gibt auch Sachverhalte,<br />
bei denen eine ähnliche Abwägung<br />
erfolgen muss, wie die Interessensabwägung<br />
zur Zulässigkeit der Überwachung.<br />
Der technische Fortschritt hat im Bereich<br />
der Videoüberwachung dazu geführt,<br />
dass bessere und billigere Systeme<br />
zur Verfügung stehen, sodass auch für<br />
kleine Bereiche/Einrichtungen mit einem<br />
verhältnismäßigen Aufwand solche<br />
Systeme installiert werden können. Es gibt<br />
in Tirol kompetente Anbieter für solche<br />
Systeme. Bei der Umsetzung sollte jedoch<br />
nicht nur aus rechtlicher Notwendigkeit,<br />
sondern auch aus gesellschaftlicher<br />
Verantwortlichkeit, die Eingriffsintensität<br />
auf das notwendige Mindestmaß<br />
beschränkt bleiben. Insgesamt sind einige<br />
rechtliche Fragen bei der Umsetzung zu<br />
beachten, sodass, weil gerade zu diesem<br />
Thema immer wieder viele Beschwerden<br />
bei der Datenschutzbehörde einlangen,<br />
immer der/die Datenschutzbeauftragte<br />
eingebunden werden sollte, wenn man<br />
eine Videoüberwachung installieren will.<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. NILS RAUCH<br />
Nils Rauch ist seit <strong>April</strong> 2018 bei der<br />
GemNova als Unternehmensjurist und<br />
als externer Datenschutzbeauftragter<br />
für über 50 Tiroler Gemeinden sowie<br />
für mehrere gemeindenahe Einrichtungen<br />
tätig. Davor sammelte er berufliche<br />
Erfahrungen als Rechtsanwalt und<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />
Universität Innsbruck.<br />
ACHTUNG<br />
eoüberwachung
42 tirol.hat Recht tirol.hat Recht 43<br />
Alles aus<br />
einer Hand<br />
ZUM AUTOR<br />
DR. WOLFGANG RAUTH<br />
Wolfgang Rauth ist Leiter des Objekt &<br />
Facility Managements der Bundesimmobiliengesellschaft<br />
in Tirol.<br />
Kontakt: wolfgang.rauth@big.at<br />
Was<br />
für ein<br />
Zustand!<br />
Die GemNova und die Expert*innen der BIG<br />
Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. bieten eine<br />
vertiefte Zustandserfassung und die Planung<br />
von Instandhaltungsmaßnahmen einer Immobilie<br />
an. Damit können Schwachstellen frühzeitig<br />
erkannt und die Wertsteigerung der Immobilie<br />
durch eine optimale Planung in wenigen Schritten<br />
erreicht werden.<br />
Unter der Zustandserfassung und<br />
Maßnahmenplanung versteht man die<br />
objektive, systematische Analyse eines<br />
Gebäudezustandes und die fundierte<br />
Ermittlung des Instandhaltungsbedarfes<br />
der Immobilie.<br />
TGA<br />
VERKEHRSFLÄCHEN<br />
TECHNIKFLÄCHEN<br />
NEBENNUTZFLÄCHEN<br />
Objektzustand<br />
Dabei erfolgt eine objektive und ganzheitliche<br />
Beurteilung des baulichen Zustandes<br />
eines Objektes durch die intelligente<br />
Nutzung statistischer Daten und systemische<br />
Unterstützung auf Basis des sogenannten<br />
epiqr®-Verfahrens. Die Elemente<br />
eines Gebäudes werden typ- und gruppenmäßig<br />
erfasst und die vorgefundenen<br />
Bauteile anhand von objektiven Beschreibungen<br />
vier möglichen Zuständen zugeordnet.<br />
Die Geometrien der Gebäudehülle<br />
und der Räume werden aufgenommen<br />
und dienen AiBATROS® zur automatischen<br />
Berechnung weiterer Massen und<br />
Dimensionen. In einem einzigen Diagramm<br />
können die wesentlichen Mängel<br />
und somit die Verbesserungserfordernisse<br />
rasch abgelesen werden. Auf Grundlage<br />
der Zustandsdaten werden dann auf<br />
Basis von detaillierten Kennwerten abgerechneter<br />
Instandhaltungsmaßnahmen<br />
Standardmaßnahmenpakete ermittelt,<br />
die je Strategie für die Budgetvorschau<br />
der kommenden Jahre herangezogen<br />
werden können.<br />
Die Zustandsbeurteilung und Maßnahmenplanung<br />
erfolgt in höchster Qualität<br />
durch eigens ausgebildetes und zertifiziertes<br />
Personal. Die Daten des Gebäudes<br />
werden je nach Detaillierungsgrad – der<br />
kann in unterschiedlichen Teilbereichen<br />
auch durchaus voneinander abweichen<br />
– dem Prozess der Zustandserfassung<br />
und Maßnahmenplanung zugrunde gelegt.<br />
Auf Basis der konkret erfassten Daten<br />
und der im System hinterlegten, bereits<br />
abgerechneten Projekte können Kostenkennwerte<br />
für die Instandhaltung bzw.<br />
Instandsetzung des Gebäudes vorgenommen<br />
und gegebenenfalls laufend angepasst<br />
werden. Grundsätzlich stehen drei<br />
Planungsstrategien zur Verfügung – von<br />
der Notinstandhaltung über den Werterhalt<br />
bis zur Modernisierung. Je nach<br />
Strategie und Zustandserfassung werden<br />
verschieden hohe Kostengrundlagen<br />
AUSSENANLAGE<br />
GEBÄUDEHÜLLE<br />
HAUPTNUTZFLÄCHE<br />
Für viele Tiroler Gemeinden<br />
ist ein fachgerechtes<br />
und gesetzeskonformes<br />
Gebäudemanagement aufgrund<br />
der ohnehin schon<br />
vielfältigen Aufgaben herausfordernd.<br />
Aus diesem<br />
Grund bieten die Bundesimmobiliengesellschaft<br />
und die GemNova Facility<br />
Management, Service und<br />
Wartung für Gemeindeimmobilien<br />
an.<br />
Bei Interesse steht Ihnen<br />
Mag. Nikolaus Kraak<br />
(n.kraak@gemnova.at) für<br />
Anfragen zur Verfügung.<br />
ermittelt. Die so berechneten Kosten können<br />
dann zur Umsetzung in Jahresbauraten<br />
zerlegt und den finanziellen Möglichkeiten<br />
der Gemeinde angepasst werden.<br />
Nikolaus Kraak, Prokurist bei GemNova,<br />
sieht in diesem Instrument einen klaren<br />
Mehrwert für die Tiroler Gemeinden: „Sie<br />
erhalten rasch, in einheitlicher Form und<br />
klar einen Überblick über den Zustand<br />
der eigenen Gebäude mit der Möglichkeit<br />
einer Gegenüberstellung unterschiedlicher<br />
Instandhaltungsstrategien einschließlich<br />
Maßnahmenpaketen als Basis für die Investitionsentscheidungen.<br />
Das ermöglicht<br />
zudem eine nachvollziehbare Budgeterstellung<br />
mit transparenter Kommunikation.“<br />
Wie die Maßnahmenplanung im Detail<br />
erfolgt und welches Instrument dabei zum<br />
Einsatz kommt, wird in der nächsten Ausgabe<br />
von <strong>277.TIROL</strong> berichtet.
44<br />
tirol.ist schön tirol.ist schön 45<br />
NEUES KINDER-<br />
ZENTRUM IN ST. JOHANN<br />
KiM – Kinder im Mittelpunkt. So lautet der Name des neuen<br />
Kinderzentrums in St. Johann. Diese drei Buchstaben<br />
können auch als Willkommensgruß im heimischen Dialekt<br />
verstanden werden – „kim eicha“ – und stehen für sich.<br />
ZUM FOTOGRAFEN<br />
MICHAEL PUTZLOCHER<br />
Michael Putzlocher ist Fotograf und Digital Creator. Sein<br />
Studium absolvierte er an der FH MultiMediaArt in Salzburg.<br />
In Michaels Studio in Telfs und On-Location fertigt<br />
er ausdrucksstarke, positive und wirkungsvolle Porträts<br />
für Menschen, Orte und Unternehmen.
46<br />
tirol.ist schön tirol.ist schön 47<br />
8 Mio<br />
Gesamtinvestment<br />
7<br />
Gruppen<br />
Kindergarten<br />
4<br />
Gruppen<br />
Kinderkrippe<br />
Das KiM in St. Johann ist ein wahres Schmuckkästchen. Seit dem Vorjahr haben hier<br />
die Kinderkrippe mit vier Gruppen sowie der, Kindergarten mit sieben Gruppen ein<br />
neues Zuhause gefunden. In den wärmeren Monaten bieten großzügige Garten- und<br />
Außenspielflächen auch draußen ausreichend Platz für Spiel und Spaß.
48 tirol.ist schön tirol.ist schön 49<br />
DIE DREH-<br />
SCHEIBE LANS<br />
Mit dem Neubau der Volksschule,<br />
des Kindergartens und der Kinderkrippe<br />
setzt die Gemeinde<br />
Lans ein starkes Ausrufezeichen.<br />
Auch, weil es sich im Herzen des<br />
Ortes befindet.<br />
2.000<br />
m 2<br />
Holzfußboden schaffen<br />
Behaglichkeit<br />
11 Mio Gesamtinvestment<br />
Kinder Haus Lans: Der perfekte Platz<br />
für Kinder, großzügig ausgestaltet,<br />
gleichzeitig auf viele kleine Details achtend.<br />
Ein heimeliger Ort zum Wohlfühlen,<br />
zum Spielen, zum Lernen. Kinder sind<br />
die Zukunft unserer Welt
50<br />
tirol.ist schön tirol.bildet 51<br />
Innovative Hygiene.<br />
VERNETZTE DESINFEKTION & HYGIENE<br />
im Waschraum<br />
fürs Gebäude<br />
3.200<br />
G e s a m t n u t z fl ä c h e<br />
m 2<br />
Digitale Spenderdaten<br />
bringen 25 % weniger<br />
Serviceaufwand<br />
und 30 % mehr<br />
Kundenzufriedenheit.<br />
Reinigungslösungen und<br />
VAH-gelistete Desinfektionsmittel<br />
exakt dosieren<br />
für 30 % mehr Zeit und<br />
30 % weniger Ausgaben.<br />
Eine gelungene Verbindung<br />
von Pädagogik, Bauwerk und Ausstattung<br />
Die Idee von Lernclustern: Eine variable Möblierung,<br />
eine zweckdienliche Ausstattung, hohe<br />
Qualität. Kinder sollen spielerisch lernen, ihre<br />
Erfahrungen machen, viele positive Beispiele<br />
sehen. Vor allem aber ganzheitlich gefördert<br />
und gefordert werden.<br />
Mit einer Dosieranlage bis<br />
zu vier Waschmaschinen<br />
versorgen.<br />
Sorgenfrei-sauberes<br />
Geschirr, 24/7/365<br />
mit einer App.<br />
für die Wäsche<br />
in der Küche<br />
3.200 m² Gesamtnutzfläche schaffen<br />
Raum für kuschelige Spielecken<br />
für Kinder. Dabei gilt es immer wieder<br />
auf die Besonderheiten und Vielfalt<br />
unserer Kleinsten Rücksicht zu<br />
nehmen. Leise Stimmen haben den<br />
selben Stellenwert wie die lauten.<br />
DIGITALISIERUNG SCHAFFT<br />
EFFIZIENZ UND NACHHALTIGKEIT<br />
www.hagleitner.com
52<br />
tirol.modern und innovativ tirol.modern und innovativ 53<br />
MATTY?<br />
MATTY WAS?<br />
Wer von Ihnen hat schon mal den Namen „Matty“ gehört? Ja, „Matty“. Und was könnte<br />
sich hinter diesem Namen verbergen? Ich hatte aber so was von keine Ahnung. Wahrscheinlich<br />
wird es Ihnen gleich ergehen. Des Rätsels Lösung? „Matty“ steht für ein Tiroler<br />
Unternehmen, welches erst 2020 gegründet wurde, mittlerweile aber schon höchst<br />
erfolgreich ist. Am besten, Sie lesen gleich weiter.<br />
Aller Anfang ist schwer. „Du, ich hab<br />
diese Woche überhaupt keine Zeit, ich<br />
bin total eingedeckt, lass uns nächste<br />
Woche telefonieren.“ Eine Woche später.<br />
„Du, ich hab diese Woche überhaupt<br />
keine Zeit, ich bin total eingedeckt,<br />
lass uns nächste Woche telefonieren.“<br />
Nein, so nicht, denke ich mir und sage:<br />
„Schade, dann wird´s leider nichts mit<br />
unserer Geschichte.“ Kurzes Schweigen.<br />
„Warte mal, Donnerstag um neun,<br />
da hätte ich eine halbe Stunde Zeit.“<br />
„Tut mir leid, wir brauchen mindestens<br />
eine Stunde – mindestens,“ meine Antwort.<br />
„Ok, die krieg ich wohl auch noch<br />
zusammen. Also Donnerstag um neun.“<br />
Aller Anfang ist schwer. Als ich wie vereinbart<br />
um neun anrufe: „Du, ich sitz gerade<br />
im Auto, bin am Weg ins Büro. Kann ich<br />
dich in zehn Minuten anrufen?“ Eine halbe<br />
Stunde später klappt es dann endlich.<br />
Georg Foidl, der Gründer, Eigentümer und<br />
Geschäftsführer von Matty ruft an, nimmt<br />
sich nunmehr Zeit, über sich und sein<br />
Unternehmen zu erzählen. Am darauffolgenden<br />
Montag sitzen wir uns dann auch<br />
noch persönlich gegenüber, in Innsbruck.<br />
„Über mich magst was wissen? Hör auf,<br />
ich bin doch gar nicht wichtig.“ Deshalb<br />
nur im Schnelldurchgang. Der gebürtige<br />
Waidringer, mittlerweile 30 Jahre jung,<br />
absolvierte seine dreijährige Kochlehre<br />
im Vitalhotel Berghof in Erpfendorf bei<br />
Kirchdorf, um dann in diesem Hotel gleich<br />
als Sous Chef zu beginnen.<br />
Über ein namhaftes Hotel in Fieberbrunn,<br />
„dort war ich sogar Küchenchef“, gelangte<br />
er nach Braz. Braz, werden Sie sich fragen,<br />
wo bitte schön ist denn das? Braz<br />
ist eine Ansammlung weniger Häuser in<br />
der Nähe von Bludenz mit einem renommierten<br />
Haubenlokal und Golfhotel. „Ein<br />
Jahr lang war ich dort als Beilagenkoch<br />
tätig, wobei die Sprache schon wild war.<br />
Anfangs hab ich nicht einmal meinen<br />
Küchenchef verstanden.“ Ja, das Vorarlbergische<br />
ist für all jene, die aus Ländle-<br />
Sicht hinter dem Arlberg wohnen, also<br />
dem Rest Österreichs, tatsächlich nur<br />
schwer verständlich.<br />
„Georg – weißt keinen Koch für mich?“<br />
2019 – die fünf Jahre davor war Georg Foidl<br />
in der IT-Branche tätig, verkaufte Informationssysteme<br />
an Vier- und Fünf-Sterne-<br />
Hotels in der Schweiz und in Österreich.<br />
2019 dann die große Erleuchtung, die<br />
bahnbrechende Idee. „Die Tiroler Hotellerie<br />
ist ja ein Dorf, da kennt jeder jeden.<br />
Immer wieder wurde ich auf das Gleiche<br />
angesprochen: Du, Georg, weißt keinen<br />
Koch für mich, wir bekommen keinen. Da<br />
hab ich dann gedacht, warum bietet denn<br />
niemand den Hotels verschiedene Menüs<br />
an? Da hätten doch beide Seiten etwas<br />
davon.“<br />
Zuvor gab es freilich noch ein kleines<br />
Problem: Die Finanzierung jener Großküche,<br />
die für Hotels an bestimmten Tagen<br />
eine ganze Bandbreite von Menüs frisch<br />
zubereiten und liefern sollte. „Wir haben<br />
dann eine Investorengruppe in Kramsach<br />
gefunden. Denen hat unsere Idee gefallen.<br />
Danach sind wir uns rasch einig geworden.“<br />
Im Jänner 2020 wird Matty gegründet (der<br />
Name steht für „Menus are transported to<br />
BILD: Georg Foidl,<br />
der Kopf von Matty, in<br />
seiner Großküche. Erst<br />
vor wenigen Wochen<br />
wurde das Unternehmen<br />
mit dem Innovationspreis<br />
des Landes<br />
Tirol ausgezeichnet.<br />
(© fancy tree films)<br />
you“), im Dezember<br />
gleichen Jahres wird<br />
die 1,5 Mio. € teure<br />
Großküche in Buch<br />
bei Jenbach eröffnet.<br />
„Das war damals die<br />
modernste Großküche<br />
Österreichs“,<br />
freut sich Foidl auch<br />
noch heute.<br />
Dezember 2020,<br />
Sie erinnern sich<br />
noch? Corona, Jahr<br />
eins. Strenger Lockdown,<br />
fast alles<br />
geschlossen, Ausgehverbote.<br />
„Jetzt<br />
hatten wir eine tolle<br />
Großküche, die freilich<br />
nichts produzieren<br />
konnte, weil<br />
alle Hotels zu hatten.<br />
Wir haben uns<br />
dann überlegt, wie<br />
wir das zum Laufen<br />
kriegen. Na ja, und dann kam die Idee,<br />
gesundes Essen für Beschäftigte aus den<br />
unterschiedlichsten Bereichen zuzubereiten.<br />
Im März 2021 wurden die ersten<br />
Essen für Betriebe ausgeliefert, von der<br />
Drei-Mann-Firma bis hin zu Unternehmen<br />
mit 600 Beschäftigten. Der Start<br />
war endlich geglückt.“<br />
2.000 Essen täglich<br />
Am 19. Mai des Vorjahres durften die<br />
Hotels in Tirol wieder öffnen. Bereits ein<br />
paar Tage später lieferte Matty die ersten<br />
Menüs aus. „Gute Köche waren und sind<br />
nicht so leicht zu bekommen, darum wurden<br />
wir mit offenen Armen empfangen.<br />
Wir stellen den Hotels an zwei bis drei<br />
Tagen die Woche fertige Menüs zur Verfügung,<br />
oder auch nur die Vor-, Hauptoder<br />
Nachspeise. In dieser Zeit können<br />
sie ihren Köchen freigeben, eine geregelte<br />
Arbeitswoche anbieten. Gute Köche sind<br />
immer gefragt, nur bestehen diese zu<br />
Recht auch auf ihre Freizeit. Wenn alles<br />
zusammenpasst, bleiben sie auch längerfristig<br />
im Hotel beschäftigt.“<br />
In der eigenen Großküche in Buch beschäftigt<br />
Foidl mittlerweile zwölf Köche, dazu<br />
vier Personen im Back Office. Personalprobleme<br />
kennt er keine. „Wir zahlen gute<br />
Löhne, weit über dem Kollektivvertrag. Es<br />
gibt durchgehende Arbeitszeiten, keine<br />
Teildienste, keine stundenlangen Leerzeiten.<br />
Außerdem gibt´s bei uns keine Saisonarbeit,<br />
sondern eine Jahresstelle. Das<br />
Gesamtpaket ist einfach sehr attraktiv.“<br />
Die Essenszubereitung<br />
erfolgt bei uns ausschließlich<br />
in Handarbeit.<br />
Da gibt es also keine<br />
Maschinen, die etwa<br />
Knödel machen.<br />
Aktuell werden über zehn Hotels in Tirol<br />
regelmäßig beliefert, dazu kommen noch<br />
knapp sechzig Betriebe, deren Beschäftigte<br />
mit Mahlzeiten versorgt werden. Rund<br />
2.000 Essen werden derzeit täglich frisch<br />
zubereitet, in den nächsten zwei bis drei<br />
Jahren sollen es 10.000 Essen täglich sein.<br />
Was Foidl besonders herausstreicht:<br />
„Die Essenszubereitung erfolgt bei uns<br />
ausschließlich in Handarbeit. Da gibt es<br />
also keine Maschinen, die etwa Knödel<br />
machen.“ Offensichtlich kommt diese Art<br />
der Kooperation, der Essenslieferung in<br />
den Hotels gut an. Das Interesse ist groß,<br />
die Nachfrage steigt. „Das Allermeiste läuft<br />
über Mundpropaganda, über Empfehlungen.<br />
Wir beliefern derzeit ausschließlich<br />
Hotels im Vier-Sterne- und Vier-Sterne-<br />
Plus-Bereich. Da ist gehobene Küche<br />
gefragt, Qualität das zentrale Kriterium.“<br />
Kindergärten und Seniorenheime<br />
Eine weitere Tür wurde kürzlich auch in<br />
Richtung Kindergärten und Seniorenheime<br />
geöffnet. So werden etwa die Kindergärten<br />
in Stams und Aschau mit frisch zubereiteten<br />
Matty-Mahlzeiten beliefert, ebenso wie<br />
Seniorenheime in Münster und anderen<br />
Gemeinden. Dort spielt der Preis natürlich<br />
eine wichtigere Rolle. Foidl´s Credo: „Das<br />
Kind isst unsere Mahlzeiten im Kindergarten,<br />
die Mutter in der Firma, der Papa in<br />
der Werkstatt, der Opa und die Oma im<br />
Seniorenheim. Und wenn die ganze Familie<br />
dann auf Urlaub fährt, kommt das Menü<br />
ebenfalls von uns.“ Klingt gut, setzt freilich<br />
voraus, dass die Familie dann mindestens<br />
in einem Vier-Sterne-Hotel nächtigt. Und<br />
auch die entsprechenden Preise bezahlen<br />
kann.<br />
Für Matty und die Investorengruppe<br />
beginnt sich diese Idee langsam zu rechnen.<br />
Am 31. Dezember 2021 wurde bereits<br />
der Break Even erreicht, auch im Jänner<br />
konnte ein Gewinn erzielt werden. Und das<br />
in diesen herausfordernden Corona Zeiten<br />
– eine wirklich bemerkenswerte Leistung.<br />
Kein Wunder, dass die kurz- und mittelfristigen<br />
Planungen erweitert werden. Expansion<br />
ist angesagt, wenngleich man nicht zu<br />
schnell zu rasch wachsen will.<br />
Wirft man einen kurzen Blick in die Business-Pläne,<br />
so versteht man langsam<br />
auch die Foidl´sche Rastlosigkeit. In naher<br />
Zukunft soll eine zweite Großküche in München<br />
eröffnet werden, danach sollen noch<br />
weitere Großküchen folgen. „Vergangenen<br />
Monat musste ich einem großen Hotel<br />
absagen, einfach weil wir aktuell keine<br />
Kapazitäten mehr haben. Die Nachfrage<br />
ist einfach zu groß.“ Gut, diese „Probleme“<br />
würden sich andere Unternehmen wohl<br />
auch wünschen.<br />
Übrigens: Nach diesen Gesprächen mit<br />
Georg Foidl nehme ich sein „Du, ich hab<br />
diese Woche überhaupt keine Zeit.“ nicht<br />
mehr persönlich. Der Kerl hat offensichtlich<br />
wirklich sehr viel um die Ohren. Bei der<br />
Frage nach seinem Privatleben etwa lacht<br />
er laut auf. „Das ist derzeit echt schwierig.<br />
Ich bin zwar frisch verliebt, hab aber<br />
sehr wenig Zeit. Zum Glück sitzt meine<br />
Freundin in Wien, hat ebenfalls einen herausfordernden<br />
Job, auch nicht so viel Zeit.<br />
Sehen tun wir uns derzeit also vor allem<br />
über Videokonferenzen.“<br />
VON<br />
REINHOLD OBLAK
54 tirol.modern und innovativ<br />
55<br />
Nachhaltiges<br />
Bauen<br />
EINE ANNÄHERUNG<br />
projekt werden bis zu 15 (!) SDG-Ziele angesprochen.<br />
Vom Beginn der konkreten Arbeit<br />
auf EU-Ebene (CEN TC 350) im Jahr 2005<br />
bis zur heute gültigen ÖNORM EN 15643<br />
(2021) wurden umsetzbare Grundlagen für<br />
nachhaltiges Bauen in Österreich entwickelt.<br />
Wie die rechts angeführten Fakten zeigen,<br />
beeinflusst die Bauwirtschaft die globalen<br />
Material- und Energieströme sehr stark. Sie<br />
hat wesentlichen Einfluss auf die Ressourcennutzung<br />
bei der Errichtung (Investition).<br />
Beim Betrieb der Gebäude wird ein noch<br />
viel höherer Mitteleinsatz erforderlich. Und<br />
am Ende der Lebensdauer entsteht ein verhältnismäßig<br />
großer Anteil des weltweiten<br />
Abfalls. Nachhaltiges Bauen, das heißt achtsames<br />
und sinnvolles Entwickeln, Planen,<br />
Bauen, Nutzen, Betreiben, Instandhalten und<br />
Rückbauen, ist ein wirkungsvoller Hebel und<br />
kann einen großen Beitrag zu einer „enkeltauglichen“<br />
Zukunft leisten.<br />
Nachhaltiges Bauen ist per Definition in<br />
drei Bereiche gegliedert, integriert damit<br />
den Blick auf das Gebäude/das Quartier<br />
aus möglichst vielen Richtungen:<br />
die soziokulturelle Nachhaltigkeit<br />
die ökonomische Nachhaltigkeit<br />
die ökologische Nachhaltigkeit<br />
Nachhaltiges Bauen will Bauen ganzheitlich<br />
betrachten. Es umfasst alle Betroffenen<br />
(Stakeholder) inklusive unserem Ökosystem.<br />
Um Handlungsfelder für die drei Bereiche<br />
unterscheiden zu können, wurden jeweils<br />
Schutzziele und Schutzgüter genannt.<br />
~90 %<br />
verbringen wir<br />
in Innenräumen,<br />
Gebäude haben<br />
einen enormen<br />
Einfluss auf uns<br />
11,4 %<br />
Erhöhung des Baupreisindex<br />
Hochbau<br />
im 4. Quartal von<br />
2020 auf 2021<br />
24,1 %<br />
Schutzgüter<br />
1<br />
2<br />
Ökologie Ökonomie Soziokulturelles<br />
natürliche Ressourcen<br />
natürliche Umwelt<br />
natürliche Ressourcen<br />
globale und lokale Umwelt<br />
Kapital/Werte<br />
ökon. Leistungsfähigkeit<br />
menschliche Gesundheit<br />
soz. und kult. Werte<br />
Kapital/Werte Gesundheit<br />
Nutzerzufriedenheit<br />
Funktionalität<br />
kult. Werte<br />
Plus des Energiepreisindex<br />
der<br />
österreichischen<br />
Energieagentur<br />
im Dezember 2021<br />
gegenüber dem<br />
Vorjahr<br />
Zukunftsfähiges Bauen, „enkeltaugliches“ Bauen, nachhaltiges Bauen – Begriffe, die sich gerade häufen, im<br />
Trend sind, ein Gebäude auf der Höhe der Zeit erscheinen lassen wollen. Doch was bedeuten diese Begriffe<br />
wirklich? Auf welchen Grundsätzen beruhen sie? Und wie werden sie nachvollziehbar angewendet? Der<br />
rasche Wandel des Klimas hat die Notwendigkeit des Umdenkens verstärkt und beschleunigt. Nachhaltigkeit<br />
als Gebot der Stunde bietet Alternativen an, zeigt Defizite auf und hat das Ziel, unsere Welt für<br />
nachfolgende Generationen lebenswert zu erhalten.<br />
Der Begriff der Nachhaltigkeit existiert<br />
schon viele Jahre. Er stammt aus der Forstwirtschaft<br />
und wurde im 18 Jhd. von Hans<br />
Carl von Carlowitz erstmals schriftlich formuliert.<br />
Die Entwicklungen seit der Aufklärung<br />
– mit einem zum Teil bis heute ungebrochenen<br />
Glauben an den Fortschritt durch Technik –<br />
führten zu ersten nachdenklichen Stimmen in<br />
den 1960/70er Jahren. Als Beispiele seien hier<br />
die Urbanistin und Schriftstellerin Jane Jacobs<br />
sowie der Bericht „Grenzen des Wachtums“<br />
des Club of Rome aus dem Jahr 1972 genannt.<br />
Weitere Meilensteine sind die Aufnahme des<br />
Gedankens der nachhaltigen Entwicklung in<br />
die Vereinten Nationen mit dem Brundtland-<br />
Bericht 1987 bzw. bei der Rio-Konferenz 1992<br />
(als „Centre for Our Common Future“ reaktiviert).<br />
Nach den im Jahr 2000 beschlossenen Milleniumsentwicklungszielen<br />
(MDGs) sprechen seit<br />
2015 die Vereinten Nationen von den 17 SDGs<br />
(Sustainable Development Goals). Um damit zum<br />
nachhaltigen Bauen zu kommen: Je nach Bau-<br />
Schutzziele<br />
1<br />
2<br />
Schutz der natürlichen Ressourcen<br />
und sparsamer und<br />
schonender Umgang<br />
Effizienzsteigerung<br />
Reduktion von Schadstoffbelastungen/Umwelteinwirkungen<br />
Schutz der Erdatmosphäre,<br />
des Bodens, des Grundwassers<br />
und der Gewässer<br />
Förderung einer umweltverträglichen<br />
Produktion<br />
Schutz der natürlichen<br />
Ressourcen<br />
Schutz des Ökosystems<br />
Lebenszykluskosten senken<br />
Verringerung des Subventionsaufwandes<br />
Schulden verringern<br />
Förderung einer verantwortungsbewussten<br />
Unternehmerschaft<br />
Schaffung nachhaltiger<br />
Konsumgewohnheiten<br />
Schaffung dynamischer<br />
und kooperativer internat.<br />
wirtschaftlicher Rahmenbedingungen<br />
Reduzierung der Lebenszykluskosten<br />
Verbesserung der<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Erhalt von Kapital/Wert<br />
1 = Nachhaltigkeit allgemein, 2 = Nachhaltiges Bauen<br />
Schutz und Förderung<br />
menschlicher Gesundheit<br />
sozialen Zusammenhalt und<br />
Solidarität stärken<br />
kulturelle Werte erhalten<br />
Chancengleichheit<br />
Sicherung von Erwerbsfähigkeit<br />
und Arbeitsplätzen<br />
Armutsbekämpfung<br />
Bildung/Ausbildung<br />
Gleichberechtigung<br />
Integration<br />
Sicherheit/<br />
lebenswertes Umeld<br />
Bewahrung von Gesundheit,<br />
Sicherheit und Behagen<br />
Gewährleistung von<br />
Funktionalität<br />
Sicherung der gestalterischen<br />
und städtebaulichen<br />
Qualität<br />
~<br />
Die klimaschädlichen<br />
CO2-Emissionen,<br />
verursacht<br />
durch den Bausektor,<br />
waren noch<br />
nie so hoch.<br />
2/3<br />
des österreichischen<br />
Abfallaufkommens<br />
verursacht<br />
der Bausektor
56 tirol.modern und innovativ tirol.modern und innovativ<br />
57<br />
Diese Schutzgüter und Schutzziele führen zu<br />
einer großen Anzahl von Handlungsfeldern, beispielhaft<br />
sind in den Factboxes einige genannt.<br />
IM KREISLAUF<br />
ökologische Nachhaltigkeit<br />
Primärenergiebedarf<br />
verwendete Materialien,<br />
Kreislaufwirtschaft<br />
CO2-Emissionen<br />
Ausschluss klimaschädliche<br />
Substanzen<br />
Flächenverbrauch<br />
Ökobilanzierung<br />
Versiegelungsgrad<br />
Lage und Mobilität<br />
FÜR DIE MENSCHEN<br />
soziokulturelle Nachhaltigkeit<br />
Baukultur (kultureller und<br />
eventuell denkmalpflegerischer<br />
Wert)<br />
wohltuende Innen- und<br />
Außenräume<br />
Barrierefreiheit<br />
Behaglichkeit<br />
Innenraumluftqualität<br />
Schallschutz, Akustik<br />
Tageslicht, Kunstlicht<br />
Sicherheit<br />
Handlungsfelder<br />
IM LEBENSZYKLUS<br />
ökonomische Nachhaltigkeit<br />
Planungsqualität<br />
Prozessqualität<br />
Nutzungsflexibilität<br />
Struktur des Baukörpers<br />
Flächeneffizienz<br />
Gebäudeluftdichtheit<br />
Lebenszyklusberechnungen<br />
Energieverbrauchs-<br />
Monitoring<br />
Nachhaltiges<br />
Bauen versucht<br />
die Bedürfnisse,<br />
Wünsche und<br />
Ziele von uns<br />
Menschen sowie<br />
die ökonomischen<br />
und ökologischen<br />
Anforderungen<br />
zusammengefasst<br />
in einem Gebäude<br />
zu verwirklichen.<br />
Es gilt der Anspruch, dass die Zusammenarbeit<br />
in den betroffenen Bereichen frühund<br />
gleichzeitig erfolgen muss. Die Digitalisierung<br />
gibt uns die Möglichkeiten dazu.<br />
Planungen, Erfahrungen und Berechnungen<br />
greifen zur selben Zeit ineinander, um ein<br />
ausgereiftes Projekt bei der Erstellung, beim<br />
Betrieb, bei der Instandhaltung und beim<br />
Rückbau umzusetzen. Ziel ist ein Gebäude<br />
entlang der erwarteten Bedingungen<br />
zu errichten, die dem Menschen guttun,<br />
den Wert hochhalten und der moralischen<br />
Pflicht gegenüber den kommenden Generationen<br />
gerecht werden. Der ganzheitliche<br />
Ansatz erlaubt den notwendigen Überblick,<br />
den steuernden Eingriff in die Prozesse und<br />
die breite Einbeziehung der Betroffenen<br />
zum richtigen Zeitpunkt über den gesamten,<br />
möglichst langen Lebenszyklus.<br />
Nachhaltiges Bauen beginnt mit der allerersten<br />
Idee, lebt vom breiten Miteinander<br />
(integraler Arbeitsprozess) und ist sich<br />
der Verantwortung bewusst, dass ein<br />
Bauwerk in seiner Gesamtheit nur durch<br />
hervorragende Baukultur, durch immense<br />
Flexibilität und durch die Anwendung der<br />
jeweils aktuell gültigen Kenntnisse (über<br />
den gesamten Lebenszyklus) gelingt. Es<br />
betrachtet ab den ersten Schritten der Entwicklung<br />
den Betrieb, die Instandhaltung<br />
und den Rückbau als Teil des Ganzen.<br />
Nachhaltiges Bauen versucht die Bedürfnisse,<br />
Wünsche und Ziele von uns Menschen<br />
sowie die ökonomischen und ökologischen<br />
Anforderungen zusammengefasst<br />
in einem Gebäude zu verwirklichen. Das ist<br />
eine große Herausforderung, aber mit den<br />
heutigen Kenntnissen und Mitteln schaffbar.<br />
Noch dazu mit einem Ergebnis, das<br />
uns und die nachfolgenden Generationen<br />
bereichert, zum Wohlbefinden beiträgt und<br />
nicht zuletzt den Wert hochhält.<br />
Warum bauen wir also nicht schon längst<br />
nur noch nachhaltige Gebäude?<br />
Möglichkeiten zur Umsetzung von NACH-<br />
HALTIGEM Bauen lest ihr in der nächsten<br />
Ausgabe! Bei Fragen stehe ich gerne zur<br />
Verfügung: a.ilmer@gemnova.at<br />
ZUM AUTOR<br />
DI ALOIS ILMER, M.ENG<br />
Alois Ilmer lebt mit seiner Familie in einer Reihenhausanlage<br />
in Holzmassiv-Bauweise in Sistrans, hat<br />
Architektur studiert, viele Jahre als Angestellter und<br />
später Selbständiger im Bereich Entwicklung, Planung<br />
und Umsetzung gearbeitet, immer mit dem Fokus<br />
auf einer umfassenden Betrachtung der Aufgabe<br />
und ein qualitätvolles Ergebnis. In den Jahren 2013<br />
bis 2015 hat er das Masterstudium „Nachhaltiges<br />
Bauen“ absolviert, war einige Jahre an der Universität<br />
Innsbruck als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig und<br />
ist seit März 2020 Projektverantwortlicher bei der<br />
GemNova.<br />
Digitales Parken mit Parkster<br />
Parken mit Parkster heißt für Autofahrer: einfaches und<br />
schnelles Bezahlen ihrer Parkgebühren – bequem, kontaktlos<br />
und sicher am Smartphone. Als Kommunen oder private<br />
Parkplatzbetreiber können Sie dank der Parkster Lösungen die<br />
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Mit der Parkster App ermöglichen Sie Autofahrern Handy-<br />
Parken ohne Zusatzkosten. So können Sie schnell hohe Nutzungsquoten<br />
beim digitalen Parken erreichen, während Sie<br />
Kosten für Bargeldhandling und Parkraumbewirtschaftung,<br />
beispielsweise für die Wartung und mittelfristig sogar für die<br />
Neuanschaffung von Parkautomaten, einsparen.<br />
Ihre Vorteile im Überblick<br />
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und Schattwald sind bereits dabei. Sie auch?<br />
Fragen? Wir beraten Sie<br />
gerne: vertrieb@parkster.at<br />
Foto: Adobe Stock / chathuporn
58 tirol.denkt weiter<br />
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG 59<br />
Umrüstung der<br />
Außenbeleuchtung in Weer<br />
LED-Außenbeleuchtung<br />
Die IKB ist der regionale Experte und zudem Marktführer in Tirol<br />
im Bereich Außenbeleuchtung. Wenn Sie eine moderne und wirtschaftliche<br />
Beleuchtung haben wollen, dann ist die IKB der<br />
richtige Partner für Sie.<br />
Unser Produkt<br />
• Straßenbeleuchtungen<br />
• Platzbeleuchtungen<br />
• Sportstättenbeleuchtungen<br />
• Objektanstrahlungen<br />
Unsere Leistungen<br />
• Ist-Analyse<br />
• Beratung mit individueller Planung<br />
• Materialbeschaffung<br />
• Baustellenkoordination<br />
• Errichtung und Inbetriebnahme<br />
• Licht- und elektrotechnische Überprüfung samt Protokoll<br />
• Dokumentation von Leitungen, Schaltstellen, Lichtpunkten<br />
• Fehlermessungen samt Störungsbehebung<br />
• Wartungsarbeiten<br />
• Mithilfe bei der Förderabwicklung<br />
Der Weg zur LED-Außenbeleuchtung<br />
1. 2. 3. 4.<br />
Beratung &<br />
Planung<br />
Unsere Preise<br />
Angebot<br />
Umsetzung<br />
Betriebsphase<br />
Die Kosten richten sich nach Ihren Anforderungen und Wünschen. Sie<br />
erhalten von uns ein entsprechendes Angebot. Gerne unterstützen wir Sie<br />
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Energie- und Betriebskosten<br />
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Lebensdauer<br />
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Ihrer Bürger/-innen, Gäste, Mitarbeiter/-innen<br />
und Kunden<br />
• rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr ist<br />
unsere Störungsbehebung für Sie erreichbar<br />
Auszug unserer Kunden, die uns ihr Vertrauen<br />
geschenkt haben<br />
• Straßenbeleuchtung: Innsbruck und über 40 Gemeinden<br />
in Tirol<br />
• Platzbeleuchtungen: Sandoz, DEZ, Fachmarktzentrum<br />
Telfs, Gewerbepark Kematen<br />
• Sportstätten: Innsbruck, Hall, Absam<br />
• Objektanstrahlungen: Rauchmehl, Kirche St. Leonhard<br />
Kundl, Kirche St. Jakob Vals<br />
Für eine kostenlose Beratung kontaktieren Sie uns<br />
am besten noch heute – wir freuen uns auf Sie<br />
Martin Angerer<br />
Geschäftsbereich:<br />
Energieservices<br />
0512 502-5234<br />
martin.angerer@ikb.at<br />
www.ikb.at<br />
2016 beauftragte die Gemeinde Weer die<br />
Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB) mit einer<br />
Ist-Analyse und anschließenden Umstellung<br />
der Außenbeleuchtung entlang der<br />
Bundesstraße und am Kathreinweg auf modernste<br />
LED-Technologie.<br />
Bei der Analyse der bestehenden Straßenbeleuchtung<br />
stellte sich heraus, dass die Ausleuchtung der Straße und<br />
der Gehwege nicht der aktuellen Norm entsprach. Für<br />
Gemeinden ist es unabdingbar, diese Norm zu erfüllen,<br />
denn bei Nicht-Erfüllung kann im Falle eines Unfalls den<br />
Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin eine (Mit)-Schuld<br />
treffen.<br />
32 neue LED-Leuchten für die Gemeinde<br />
2017 wurden – im Zuge der Sanierung der Bundesstraße<br />
und des Kathreinwegs – die bestehenden Beleuchtungsmasten<br />
samt veralteter Leuchtmittel entfernt und durch<br />
die IKB neue modernste LED-Leuchten auf „Grashalm-<br />
Masten“ installiert. Zusätzlich zu den 22 bestehenden<br />
Leuchten wurden 10 neue montiert, um die Straße gemäß<br />
Norm ausleuchten zu können.<br />
Damit wurden einerseits die Sicherheit der Bewohnerinnen<br />
und Bewohner in Weer erhöht und gleichzeitig das<br />
Gefahrenpotential durch eine bessere Ausleuchtung der<br />
Schutzwege verringert. Mit den neuen LED-Leuchten werden<br />
Straßen und Plätze gezielt beleuchtet, das Licht wird<br />
genau dorthin gerichtet, wo es gebraucht wird, die Lichtverschmutzung<br />
wird gesenkt und die Anwohnerinnen und<br />
Anwohner werden nicht geblendet.<br />
Durch die Umstellung auf moderne LED-Technik konnten der<br />
Stromverbrauch – trotz Erhöhung der Leuchtenanzahl von<br />
22 auf 32 – für die Außenbeleuchtung und in weiterer Folge<br />
auch die Stromkosten um 22 Prozent reduziert werden.<br />
Kurz und knapp: teilweise Umstellung der Außenbeleuchtung<br />
in der Gemeinde Weer<br />
• Erhöhung der Sicherheit durch<br />
normgerechte Beleuchtung<br />
• Senkung der Stromkosten um 22 Prozent,<br />
obwohl die Anzahl der Leuchten um 45 Prozent<br />
erhöht wurde (22 auf 32 Lichtpunkte)<br />
• Verringerung des Gefahrenpotentials vor<br />
allem auf den Schutzwegen durch eine punktgenaue<br />
Ausleuchtung kritischer Bereiche<br />
• Verringerung der Lichtverschmutzung<br />
durch moderne Leuchtmittel<br />
Modernste LED-Beleuchtung für<br />
Innsbruck und Tiroler Gemeinden<br />
Auch das komplette Innsbrucker Stadtgebiet wurde mit<br />
über 11.000 Lichtpunkten seit dem Beginn der Umrüstung<br />
im Jahr 2015 auf LED-Technologie umgestellt . Der Energieverbrauch<br />
für die Beleuchtung konnte damit um über 50<br />
Prozent reduziert werden. Zudem erstrahlen auch in den<br />
Tiroler Gemeinden Radfeld, Trins, Gschnitz, Kaltenbach,<br />
Völs und einigen weiteren Gemeinden wie Thaur, Mutters<br />
etc. modernste LED-Leuchten von der IKB.<br />
Stand: Februar 2021
60<br />
tirol.investiert tirol.investiert 61<br />
Blackout<br />
VORSORGE-VORBILD BAD HÄRING<br />
Unsere Gesellschaft war noch nie so abhängig von elektrischer Energie wie heute. Das Schreckensszenario<br />
schlechthin ist daher ein Blackout, also ein überregionaler Stromausfall. Immer mehr Tiroler<br />
Gemeinden treffen Vorsorgemaßnahmen, damit die Bevölkerung im Ernstfall nicht mit blanken Händen<br />
dasteht. Erleichtert wird dies mittlerweile auch durch Förderungen des Landes Tirol.<br />
Sehr früh hat man sich in der<br />
Gemeinde Bad Häring dieser<br />
Thematik gestellt. Die Unterländer<br />
haben ihre Blackout-Vorbereitungen<br />
bereits abgeschlossen.<br />
Sie setzen auf eine mobile<br />
Notstrom-Lösung. Ziel ist es,<br />
eine Notfallversorgungsstruktur<br />
für die Bevölkerung aufzubauen.<br />
Einbezogen sind dabei eine Reihe<br />
von Gemeindeeinrichtungen.<br />
Etwa die Schule, der Kindergarten<br />
und das Altenwohnheim. Die Notstromversorgung<br />
kann innerhalb<br />
kürzester Zeit aufgebaut werden<br />
und Stromausfälle von bis zu einer<br />
Woche abfedern. Sollte ein Blackout<br />
länger dauern, kann das mobile<br />
Notstromgerät auch zum Speicher<br />
für die Trinkwasserversorgung des<br />
Ortes verlegt werden. Mit Hilfe des<br />
Notstroms wird der leere Speicher<br />
dann über eine Grundwasserbohrung<br />
wieder aufgefüllt.<br />
Bürgermeister Hermann Ritzer ist<br />
zurecht stolz auf die innovative<br />
Lösung: „Die Gemeinde Bad Häring<br />
befasst sich schon seit längerer<br />
Zeit mit dem Thema Blackout, das<br />
ja immer wieder in den Medien und<br />
der Bevölkerung aufpoppt. Im Zuge<br />
der Sanierung des Gemeindeamtes<br />
haben wir das Thema neu aufgegriffen.<br />
Wir haben uns entschlossen<br />
eine Vorsorge-Lösung bei der<br />
Sanierung umzusetzen. Diese ist<br />
mittlerweile fertig. Wir haben sie<br />
getestet und sie funktioniert hervorragend.<br />
Wir haben nun die großartige<br />
Situation, dass wir – sollte<br />
der Ernstfall eintreten – eine<br />
Woche mit diesem Gerät unter<br />
Volllast durchfahren können. Wir<br />
hoffen natürlich, dass ein Blackout<br />
nicht länger als eine Woche dauert.<br />
So lange haben wir nämlich mit<br />
dem Dieselvorrat vorgesorgt.“ Wer<br />
weitere Tiroler Gemeindelösungen<br />
in der Blackout-Vorsorge kennen<br />
lernen möchte, dem sei die Doku<br />
„Ernstfall Blackout – wenn die<br />
Lichter ausgehen“ empfohlen. In<br />
diesem Video wird auch aufgezeigt,<br />
welche Auswirkungen eine derartige<br />
Krise auf das Bundesland hat.<br />
GemNova begleitet Umsetzung<br />
Die Umsetzung des Projekts in<br />
Bad Häring wurde von der GemNova<br />
begleitet. Beschaffungsexperte<br />
Mario Foidl erklärt den Ablauf:<br />
BILD: Im Untergeschoß<br />
des Gemeindeamtes wird<br />
das mobile Aggregat an<br />
das interne Leitungsnetz<br />
angedockt . (© GemNova)<br />
VON<br />
MANFRED SCHIECHTL<br />
BILD: Das mobile Aggregat<br />
kann auch zum Trinkwasserspeicher<br />
verlegt<br />
werden, um diesen aufzufüllen.<br />
(© GemNova)<br />
INTERALPINE ENERGIE- & UMWELTTAGE<br />
VERSORGUNGS-<br />
SICHERHEIT<br />
IM ALPENRAUM<br />
09.06.<strong>2022</strong> / ACHENSEE<br />
Diskussion & Austausch mit Keynotespeakern<br />
wie Dr. Erich Entstrasser, Mag. Ernst Schöpf,<br />
Dr. Axel Friedrich und vielen<br />
weiteren Fachexpert:innen<br />
www.ibi-kompetenz.eu<br />
„Nach Vorgesprächen mit den Verantwortlichen<br />
seitens der Gemeinde<br />
wurden klare Spezifikationen<br />
und Anforderungen für dieses Gerät<br />
definiert. Daraufhin haben wir diverse<br />
Lieferanten und Hersteller kontaktiert.<br />
Resultierend daraus haben<br />
sich mehrere Varianten und Angebote<br />
ergeben. Die Gemeinde Bad<br />
Häring hat sich dann schlussendlich<br />
das am besten geeignetste Aggregat<br />
aussuchen können.“<br />
Für Gemeinden, die ein ähnliches<br />
Vorhaben wie Bad Häring planen,<br />
gibt es seit Anfang dieses Jahres<br />
auch finanzielle Unterstützung<br />
durch das Land Tirol. Für die Förderung<br />
von Blackout-Vorsorgemaßnahmen<br />
zur Aufrechterhaltung der<br />
Infrastruktur von Gemeinden und<br />
Gemeindeverbänden wird nämlich<br />
aus dem Gemeindeausgleichsfonds<br />
im Rahmen eines Blackout-<br />
Programmes für die Jahre <strong>2022</strong> bis<br />
2024 ein Betrag in Höhe von jährlich<br />
1,5 Millionen Euro zur Verfügung<br />
gestellt. Zur Gemeindeinfrastruktur<br />
zählen laut Landesrat Johannes<br />
Tratter beispielsweise Wasserverund<br />
Abwasserentsorgungsanlagen,<br />
Altenwohn-und Pflegeheime, betreutes<br />
Wohnen, Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />
Schulen sowie sonstige<br />
gemeindeeigene Gebäude. Fördergegenstand<br />
ist die Anschaffung von<br />
Notstromaggregaten sowie die aufgrund<br />
dieser Anschaffung erforderlichen<br />
baulichen bzw. elektrotechnischen<br />
Maßnahmen. „Die GemNova<br />
unterstützt Gemeinden jederzeit<br />
bei der Umsetzung eines derartigen<br />
komplexen Beschaffungsprojekts“,<br />
so Beschaffungsexperte Foidl.<br />
DIE VERSORGUNGSSICHERHEIT<br />
IST DER DREH- UND ANGELPUNKT<br />
UNSERES GESELLSCHAFTSLEBENS.<br />
Fachexpert:innen und Entscheidungsträger:innen<br />
diskutieren offen über die<br />
anstehenden Herausforderungen des<br />
Energiesektors und präsentieren mögliche<br />
Wege für eine neue Versorgungssicherheit<br />
in den Alpen.<br />
Seien Sie dabei und tauschen Sie sich<br />
aus!<br />
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PROGRAMM<br />
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ANMELDEN & MITREDEN
62<br />
tirol.investiert tirol.investiert 63<br />
BLACKOUT: TROTZ<br />
EIGENER PHOTOVOLTAIK-<br />
ANLAGE OHNE STROM?<br />
Viele Besitzer*innen von Photovoltaik-Anlagen – auch Gemeinden – wähnen sich im Falle eines Blackouts<br />
auf der sicheren Seite. Doch das kann ein Trugschluss sein. Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist<br />
ein Blackout mit eigenem durch Sonne erzeugten Strom „überbrückbar“. Ist eine Photovoltaik-Anlage nicht<br />
entsprechend ausgerüstet, so trifft auch die Besitzer*innen einer solchen ein allgemeiner Stromausfall.<br />
OBEN:<br />
Bürgermeister<br />
Martin Mayerl bei der<br />
Arbeit in seinem Mutterkuh-<br />
und Rindermastbetrieb.<br />
(© Tanja Cammmerlander/Martin<br />
Mayerl)<br />
Zur Senkung der Stromkosten und um<br />
etwas unabhängiger vom Stromnetz zu<br />
sein, lassen sich immer mehr Gemeinden,<br />
Eigenheimbesitzer*innen und Gewerbebetriebe<br />
eine Photovoltaik-Anlage montieren.<br />
Solange die Sonne scheint, wird eigener<br />
Strom produziert. Das schont nicht<br />
nur das Geldbörsl, sondern ebenso die<br />
Umwelt. Was viele nicht wissen: Bei einem<br />
Stromausfall im großen Stil stehen selbst<br />
sie im Dunkeln. Denn bei einem Blackout<br />
trennt sich eine Solaranlage unverzüglich<br />
vom Netz, weil sich der in der Regel darin<br />
installierte sogenannte Wechselrichter<br />
abschaltet. Jede Solaranlage ist mit dem<br />
örtlichen Stromnetz verbunden, und so<br />
dient diese automatische Trennung bei<br />
einem Blackout vor allem dem Schutz derjenigen,<br />
die zum Zeitpunkt des Ausfalls an<br />
der Wiederherstellung des Stromnetzes<br />
arbeiten. Erst wenn das Netz wieder einsatzfähig<br />
ist, fängt auch die Solaranlage<br />
wieder an Strom zu produzieren.<br />
LINKS:<br />
Am Wirtschaftsgebäude<br />
wurde eine moderne,<br />
dach-integrierte Photovoltaik-Anlage<br />
installiert,<br />
die Hof und Speicher mit<br />
Energie versorgt.<br />
(© sun.e-solution,<br />
Dölsach)<br />
Mit einem Speicher lässt sich eine<br />
gewisse Zeit überbrücken.<br />
Wurde eine Photovoltaik-Anlage aber schon<br />
im Hinblick auf einen gewissen Grad Autarkie,<br />
also Stromunabhängigkeit, ausgelegt,<br />
kann ein Stromausfall durchaus überbrückt<br />
werden. Voraussetzung dafür ist ein ins<br />
System integrierter Speicher und ein dafür<br />
ausgelegtes Energiemanagement, das sich<br />
bei einem Stromausfall nicht automatisch<br />
abschaltet. Allerdings kann nur der Strom<br />
verwendet werden, der von der Anlage auch<br />
gespeichert wurde. Wie lang die gespeicherte<br />
Energie ausreicht, ist von mehreren<br />
Faktoren abhängig. Entscheidend ist<br />
auf jeden Fall die Kapazität des Speichers.<br />
Dann kommt es darauf an, wie viele und<br />
welche Stromverbraucher mit Energie versorgt<br />
werden müssen. Das kann über ein<br />
intelligentes Energie-Managementsystem<br />
gesteuert werden. Schließlich spielt der<br />
Faktor Zeit eine Rolle: Für wie lange soll<br />
ein Stromausfall überbrückt werden?<br />
Dazu ein Fallbeispiel aus Dölsach / Osttirol:<br />
Bürgermeister Martin Mayerl hat neben<br />
seinem Amt einen Mutterkuh- und Rindermastbetrieb.<br />
Er interessierte sich früh für<br />
Photovoltaik – auch weil sein Hof für diese<br />
Technologie günstig gelegen ist. Bereits<br />
2010 installierte er mit Hilfe von Förderungen<br />
eine 6 KW-Photovoltaik-Anlage am<br />
Wohnhaus seines Hofs. Mittlerweile hat<br />
sich die Investition amortisiert und die<br />
Anlage erzielt nach wie vor optimale Stromerträge.<br />
„Allerdings war ein weiterer Ausbau<br />
der Photovoltaik besonders im Hinblick<br />
auf Speichertechnologie bislang in puncto<br />
Wirtschaftlichkeit und Förderungen relativ<br />
uninteressant. Eine Erweiterung in dieser<br />
Hinsicht hatte ich aber immer im Hinterkopf“,<br />
erzählt der Dölsacher Bürgermeister.<br />
Wie viel Komfort darf es sein?<br />
Vor zwei Jahren ergab sich die Chance,<br />
dieses Vorhaben anzugehen, weil dafür<br />
ein Förderpaket speziell für die Landwirtschaft<br />
aufgelegt wurde. Auch die Möglichkeit,<br />
eine AWS-Prämie zu nutzen, führte<br />
zu dem Entschluss, eine ergänzende<br />
Photovoltaik-Anlage inklusive Speicher<br />
am Wirtschaftsgebäude zu installieren.<br />
Martin Mayerl ließ sich durch einen Photovoltaik-Fachbetrieb<br />
beraten. Da in Osttirol<br />
in den letzten drei Jahren Windbruch und<br />
Schneechaos immer wieder zu längeren<br />
Stromausfällen führten, hatte Mayerl den<br />
Wunsch, die Speicherkapazitäten für eine<br />
Überbrückung dahingehend auszulegen.<br />
Dieser Punkt muss bei der Planung einer<br />
Photovoltaik-Anlage unbedingt berücksichtigt<br />
werden, damit die benötigte Leistung<br />
und entsprechend das komplette System<br />
daraufhin ausgelegt werden kann. „Nicht<br />
nur Eigenheimbesitzerinnen und -besitzern<br />
oder Gewerbetreibenden ist das oft<br />
unbekannt, sondern auch Betreiberinnen<br />
und Betreibern von öffentlichen Anlagen,<br />
wie ich durch die Beratung erfahren habe“,<br />
sagt Bürgermeister Martin Mayerl.<br />
UNSER SYSTEM IST SO AUSGELEGT,<br />
DASS BEI EINEM STROMAUSFALL IN<br />
DER NACHT NOCH 20 % IM SPEICHER<br />
BLEIBEN, DIE FÜR DEN START IN DER<br />
FRÜH REICHEN. MIT ZUNEHMENDEM<br />
TAGESLICHT WIRD OHNEHIN WIEDER<br />
STROM PRODUZIERT.<br />
Dabei ist die Entscheidung zentral, was<br />
abgesichert sein muss und was Komfort<br />
ist. Entsprechend ergeben sich daraus die<br />
Investitionskosten und ihr Verhältnis zum<br />
tatsächlichen Nutzen – die Wirtschaftlichkeit<br />
also. „Für uns war wichtig, bei einem<br />
Stromausfall die Funktion der Heizungsanlage,<br />
der Kühl- und Gefriertruhen und des<br />
Lichts sicherzustellen. Die Absicherung für<br />
den Heukran hingegen haben wir hintenangestellt.<br />
Solche Dinge können wir konventionell<br />
überbrücken. Unser System ist so<br />
ausgelegt, dass bei einem Stromausfall in<br />
der Nacht noch 20 % im Speicher bleiben,<br />
die für den Start in der Früh reichen. Mit<br />
zunehmendem Tageslicht wird ohnehin<br />
wieder Strom produziert“, führt Bürgermeister<br />
Mayerl aus. Seit letztem Juli ist<br />
seine Zusatzanlage in Betrieb und rechnet<br />
sich bereits deutlich – begünstigt durch die<br />
gestiegenen Einspeisungstarife.<br />
Ein Totalausfall ist nur mit Notstromaggregat<br />
zu vermeiden.<br />
Ist jedoch die Energie im Speicher aufgebraucht,<br />
beginnt die Anlage erst zu arbeiten,<br />
wenn entweder Strom über das Netz<br />
wieder verfügbar ist oder die Photovoltaik-<br />
Anlage durch Sonnenenergie wieder Strom<br />
produziert und sich dadurch der Speicher<br />
nach und nach aufladen kann. Hierzu merkt<br />
der Photovoltaik-Fachmann Martin Kollnig<br />
der Dölsacher Firma „sun.e-solution“ an:<br />
„Wesentlich ist dabei die ‚Schwarzstartfähigkeit‘<br />
der Anlage. Darunter versteht man<br />
das Hochfahren eines stromproduzierenden<br />
Systems unabhängig vom Stromnetz.<br />
Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, startet<br />
die Anlage nur mit externem Strom<br />
erneut. Was vielen auch nicht bewusst ist:<br />
Photovoltaik-Anlagen in Verbindung mit<br />
einem Speicher sind keine Notstromlösungen<br />
im eigentlichen Sinne. Das wird nur in<br />
Kombination mit einem konventionellen<br />
Notstromaggregat möglich. Sinnvoll ist das<br />
für sensible Bereiche wie Krisenzentren,<br />
Spitäler oder Sicherheitsanlagen.“<br />
Zusammengefasst bedeutet das: Auch<br />
Betreiber*innen einer Photovoltaikanlage<br />
können von einem großflächigen Stromausfall<br />
betroffen sein. Mit genügender Speicherkapazität<br />
lässt sich aber eine gewisse<br />
Zeit überbrücken. Wer auf der sicheren<br />
Seite sein will – wenn es zum Beispiel um<br />
sensible Bereiche geht – sollte ein speicherunterstütztes<br />
Photovoltaiksystem<br />
um ein konventionelles Aggregat ergänzen.<br />
Der tatsächlich notwendige Bedarf<br />
– das Must-have – ist dabei grundsätzlich<br />
zu klären. Das hängt davon ab, ob man<br />
Eigenheimbesitzer*in, Gewerbetreibende*r<br />
oder öffentliche Institution wie eine<br />
Gemeinde ist. Aspekte des Nice-to-have<br />
kommen erst nach der notwendigen<br />
Grundversorgung. Wie viel einem ein solcher<br />
Komfort im Falle eines Blackouts wert<br />
ist, liegt im Auge des Betrachters.<br />
ZUM AUTOR<br />
JAN SCHÄFER<br />
Jan Schäfer ist Experte für Marketing<br />
und Kommunikation. Er unterstützt<br />
seit 2020 die GemNova als Gemeindebetreuer<br />
in Osttirol und war zuletzt<br />
maßgeblich bei der Entstehung des<br />
neuen “Gemeinde ABC‘s” beteiligt.<br />
Kontakt: j.schaefer@gemnova.at
64<br />
tirol.investiert<br />
..<br />
F0rderm0glichkeiten<br />
richtig nutzen ...<br />
..<br />
65<br />
Bei der Finanzierung und Umsetzung von<br />
Projekten sind Gemeinden aufgrund der<br />
oft eingeschränkten finanziellen Mittel<br />
auf Förderungen angewiesen. Förderungen<br />
für Projekte zu erhalten, gestaltet sich<br />
jedoch viel schwieriger, wie auf den ersten<br />
Blick oft angenommen wird. Die Förderlandschaft<br />
wird zudem immer komplexer.<br />
Von der Analyse der Möglichkeiten über<br />
die fachlich richtige Antragstellung und<br />
Prozessabwicklung bis hin zur korrekten<br />
Abrechnung von Förderungen ist es ein<br />
langer Weg. Unzählige Fragen werfen sich<br />
dabei für Gemeinden auf:<br />
Raum zum Wohlfühlen<br />
Ideal als langfristige oder temporäre Raumlösung<br />
(z.B. Kindergärten und Schulen)<br />
Angenehmes Raumklima dank<br />
optimaler Wärmedämmung<br />
Brandschutz (R)EI30 serienmäßig<br />
www.containex.com<br />
OIB6<br />
konform *<br />
* U-Werte gem. OIB RL6<br />
Ist das<br />
Pr0jektv0rhaben<br />
f0rderfähig?<br />
Welche<br />
F0rderqu0te ist<br />
m0glich?<br />
Welche<br />
F0rdergeber<br />
gibt es?<br />
ist die<br />
Gemeinde<br />
antragsberechtigt?<br />
Wie erf0lgt die<br />
richtige Antragstellung,<br />
um den<br />
maximalen Output<br />
zu erzielen?<br />
CTX_Inserat_279.tirol (195x135)_122-rz.indd 1 17.03.22 14:27<br />
Welche<br />
Fristen sind zu<br />
beachten?<br />
Auf all diese Fragen versuchen wir eine Antwort<br />
zu geben und die Gemeinden vollumfänglich<br />
zu unterstützen. Gerade in Zeiten<br />
wie diesen, wo alle Fördermöglichkeiten<br />
maximal ausgeschöpft werden sollen, um<br />
das ohnehin schon angespannte Budget zu<br />
entlasten und um Investitionen tätigen zu<br />
können, ist es essenziell, den Überblick im<br />
Förderdschungel zu bewahren. Ob bei Infrastrukturprojekten,<br />
im Bereich der Digitalisierung<br />
oder in Thematiken rund um Umwelt,<br />
Mobilität und Klima, das<br />
Spektrum an unterschiedlichen<br />
Förderprogrammen auf den<br />
diversen Ebenen (Land, Bund, EU) ist weitreichend.<br />
Zudem entscheiden oft Nuancen<br />
über einen positiven oder negativen Förderbescheid<br />
sowie über die Höhe der Förderung.<br />
Gerne unterstützen wir mit unserer<br />
Erfahrung die Gemeinden dabei, sämtliche<br />
Förderpotentiale bestmöglich zu<br />
nutzen.<br />
Wie erf0lgt die<br />
k0rrekte Abrechnung,<br />
um alle zugesagten<br />
Mittel auch tatsächlich<br />
abh0len zu k0nnen?<br />
K0ntakt<br />
Maximilian Huber, MA<br />
m.huber@gemnova.at<br />
+43 660 296 89 69
66 tirol.sportlich und gesund<br />
66<br />
tirol.kulturell 67<br />
Zeit<br />
Mahlzeit!<br />
Mit Jausengeld.at, dem<br />
intelligenten Essensgutschein.<br />
ist relativ.<br />
AUTOR GABRIEL CASTANEDA<br />
Und ich meine das jetzt nicht im streng wissenschaftlichen Sinn, weil erstens hab‘ ich<br />
von solchen Dingen nicht den blassesten Schimmer und zweitens ist Zeit auch für den<br />
wissenschaftlichen Laien oft relativ. Fünf Minuten Wurzelbehandlung und fünf Minuten<br />
länger schlafen können, sind zwei völlig unterschiedliche Zeitspannen.<br />
www.jausengeld.at<br />
Aber nicht nur da ist Zeit relativ.<br />
Nehmen wir die Zeit, in der<br />
durchschnittliche Minister*innen<br />
in Österreich ihren Dienst verrichten.<br />
Mittlerweile ist ja jeder<br />
Dschungelkönig länger im Amt<br />
und man wünscht sich auf so<br />
manch einem Posten lieber<br />
eine Evelyn Burdecki oder einen<br />
Filip Pavlovic als die amtierenden<br />
Personen. Die Leute in den<br />
Ministerien wechseln mittlerweile<br />
in einer Geschwindigkeit,<br />
dass selbst Menschen die sich<br />
eigentlich für Politik interessieren,<br />
Mühe haben, das aktuelle<br />
Personal der Regierung beim<br />
Namen nennen zu können.<br />
Oder nehmen wir die vergangenen<br />
Wochen des Gemeinderatswahlkampfes.<br />
Es ist diese<br />
relativ kurze Zeit, wo plötzlich<br />
alles möglich scheint. Von der<br />
kinderfreundlichen Wohnanlage<br />
für Jungfamilien über die nagelneue<br />
Feuerwehrhalle inklusive<br />
Fuhrpark und Drohne bis hin zum<br />
Senior*innenbetreuungszentrum<br />
mit integriertem Inklusions-Kindergarten.<br />
Danach folgen nicht<br />
selten relativ lange Zeiträume<br />
der Ernüchterung.<br />
Zeit ist für uns Menschen relativ<br />
und mit zunehmendem Alter<br />
vergeht sie leider oft wie im<br />
Flug. Zumindest so lange man<br />
noch aktiv und gesund am<br />
Leben teilnehmen kann. Und in<br />
jedem Leben geht’s mal auf- und<br />
mal abwärts, es gibt gute und<br />
schlechte Zeiten. Doch unterm<br />
Strich leben wir seit 70 Jahren<br />
in der besten Zeitspanne.<br />
Wir genießen Wohlstand (im<br />
Überfluss), Sicherheit, Reichtum<br />
(ja, wir sind alle reich) und Friede.<br />
Und dann knallt’s plötzlich ganz<br />
dicht vor unserer Haustür und<br />
all das beginnt zu wanken und<br />
wir merken, Zeit ist relativ, aber<br />
der Friede ist es nicht. Friede ist<br />
absolut und absolut unverzichtbar.<br />
Für alle. Denn wie sagte der<br />
große Willy Brandt vollkommen<br />
richtig: „Der Frieden ist nicht<br />
alles, aber alles ist ohne den<br />
Frieden nichts.“<br />
Castañeda<br />
2021<br />
07.04. Kufstein (T)<br />
13.05. Imst (T)<br />
20.05. Pertisau (T)<br />
14.09. Längenfeld (T)<br />
15.09. Breitenwang (T)<br />
16.09. Landeck (T)<br />
17.09. Telfs (T)<br />
21.09. Hohenems (V)<br />
24.09. Hochfilzen (T)<br />
30.09. Salzburg (S)<br />
04.11. Pertisau (T)<br />
www.castaneda.tv
ese<br />
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie<br />
Es ist der Stil, die Schreibe,<br />
die wirklich feine<br />
Ganz spontan, drei Begriffe<br />
das Wort „Chanson“ hören?<br />
Feder des Autors, welche<br />
nur. Ja, auch Namen, Interpreten,<br />
Liedtexte. Fragen<br />
dieses Buch besonders<br />
auszeichnen. Außerdem<br />
Sie auch Ihre Freundinnen,<br />
die Herangehensweise,<br />
die vielen Gespräche<br />
Worte werden am häufigsten<br />
Freunde. Und – welche drei<br />
mit Zeitzeug*innen, mit<br />
genannt? Bei mir, in meinem<br />
deren Nachkommen, mit<br />
Freundeskreis sind es...<br />
anderen Beteiligten, die<br />
für zusätzliche Dynamik<br />
Wer dieses Buch in Händen hält, wird gleich merken, wie schwer es ist.<br />
sorgen. Im Zentrum die-<br />
Klar, bei rund 250 großformatigen Seiten. Großartig ist auch das Cover,<br />
ses Werks stehen zwei<br />
ebenso wie der Inhalt, die vielen Fotos. Großes, ganz großes Kino. Eine<br />
Personen: der bekannte<br />
wunderschöne, mit viel Herzblut und wirklich feiner Feder verfasste Tour<br />
und politisch fehlgeleitete<br />
d'Horizon durch und über die Geschichte des Chansons. Dazu Kurzbio-<br />
Dichter Ezra Pound (1885-<br />
grafien über herausragende, höchst unterschiedliche Interpretinnen und<br />
Lois Hechenblaikner ist ein Mahner, ein Wachrüttler,<br />
einer, der mit aller Vehemenz Fehlter,<br />
Mary de Rachewiltz,<br />
Jacques Brel – um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Wer ihre, wer<br />
1972) sowie dessen Toch-<br />
Interpreten. Über Edith Piaf natürlich, über Charles Aznavour, Dalida oder<br />
entwicklungen aufzeigt. Vor allem im Tiroler<br />
mittlerweile auch schon<br />
seine Nase in dieses Buch steckt, wird sie wohl lange nicht mehr herausziehen.<br />
Die Gründe dafür liegen zwischen den beiden Buchdeckeln.<br />
Tourismus. Auch deshalb werden seine Bücher –<br />
zarte 96 Jahre alt. Es war<br />
darunter „Hinter den Bergen“, „Volksmusik“ oder<br />
wohl eine zuweilen recht<br />
„Ischgl“ – von den einen gelobt, von den anderen verdammt. In vorliegendem Werk, fürwahr ein wuchtiges Buch, setzt er sich mit „Besonderhei-<br />
seine<br />
charakterisiert wurden.<br />
knap-<br />
frei-<br />
Anti-<br />
Ver-<br />
„Besonderheiēse<br />
ese<br />
ten“ im schweizerischen Grand Hotel Waldhaus<br />
im Engadin auseinander. Abermals legt er<br />
Finger in offene Wunden, zeigt detailliert auf,<br />
wie Gäste dort seinerzeit bespitzelt, belauscht,<br />
Neben den ausgezeichneten Textbeiträgen –<br />
von Martin Suter oder von Hans Heiss – sind es<br />
vor allem die Karteikarten, die mit ihren<br />
pen Bemerkungen überraschen, abstoßen,<br />
lich auch zum Schmunzeln Anlass geben.<br />
knapēse<br />
seinese<br />
Antiēse<br />
Verēse<br />
68<br />
tirol.kulturell tirol.kulturell 69<br />
388<br />
Seiten<br />
€ 53,46<br />
Edition Patrick Frey<br />
März 2021<br />
Lois<br />
Hechenblaikner:<br />
Olaf Saliè:<br />
Keine Ostergrüße<br />
mehr<br />
Chanson<br />
240<br />
Seiten<br />
€ 50,-<br />
mühsame Spurensuche,<br />
Prestel Verlag<br />
die der Autor hier gekonnt<br />
November 2021<br />
unternommen hat.<br />
Besonders hervorzuhe-<br />
ben sind die Gespräche,<br />
die Begegnungen mit, die<br />
Erinnerungen von Mary de<br />
Rachewiltz, auch die Leich-<br />
Es ist ein beeindruckendes Buch, es sind fürwahr beeindruckende Fotografien, die<br />
tigkeit, mit der diese in<br />
uns hier vorgelegt werden. Knapp 140 Schwarz-Weiß-Aufnahmen, allesamt rund<br />
den Text einfließen. Seite<br />
150 Jahre alt. Es ist eine Zeitreise ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts. Erst kurz<br />
für Seite wird damit eine<br />
davor tuckerte die erste Dampflokomotive über den Brenner, löste damit endgültig<br />
Brücke in die Vergangen-<br />
Edith<br />
die Postkutsche ab, läutete eine neue Zeit ein. Fotografien von Innsbruck, Salzburg,<br />
heit errichtet, über die wir<br />
Hessenberger:<br />
Vorarlberg, Bayern, Südtirol. Bemerkenswert, wie es dort damals ausgesehen hat.<br />
Fotografische<br />
semitische Äußerungen sind darin ebenso zu leichtfüßig wieder in die<br />
Tempi passati. Unwiederbringlich.<br />
Zeitreise durch<br />
finden wie Informationen zu persönlichen Gegenwart zurückkehren.<br />
freiēse<br />
Tirol<br />
hältnissen oder politischen Ansichten. Zu Erich Ein äußerst beeindrucken-<br />
Noch faszinierender sind die Fotografien aus den Stubaier, den Ötztaler Alpen, vom<br />
Neumann, Staatssekretär in Hermann Görings des Buch, wunderschön zu<br />
Arlberg. Unberührte Berglandschaften, gewaltige Gletscher, da und dort mal ein Bret-<br />
Behörde und Teilnehmer an der berüchtigten Helmut Luther:<br />
lesen. Chapeau!<br />
terverschlag. Und heute, wie stellt sich uns dieser Blick heute dar? Dazu bietet die<br />
Wannsee-Konferenz am 20. Jänner 1942, heißt Mary de Rachewiltz<br />
180<br />
Autorin informative, erklärende Texte an, sachlich nüchtern geschrieben, dennoch mit<br />
es etwa: „Hohes Tier im Dritten Reich. Badrutt<br />
Seiten<br />
viel Herzblut versehen. Edith Hessenbergers’s Buch ist ein weiteres Kleinod aus der<br />
hat ihn ins Palace gelotst. – 1945. Das Tier wird<br />
Schriftenreihe der Ötztaler Museen. Lesenswert. Betrachtenswert. Empfehlenswert.<br />
wohl kleiner geworden sein.“<br />
€ 20,46<br />
208<br />
€ 22,62<br />
Studien Verlag<br />
Athesia-Tappeiner Verlag<br />
Dezember 2021<br />
Seiten<br />
Dezember 2021<br />
ACHT LESENS-<br />
WERTE BÜCHER
216<br />
Sarah Biasini:<br />
Seiten<br />
Vorab: Annemarie Schwar-<br />
Die Schönheit<br />
zenbach war gerade mal<br />
des Himmels<br />
€ 20,46<br />
21 Jahre jung, als sie dieses<br />
Buch mit großer Lei-<br />
Haymon Verlag<br />
Manfred Krug:<br />
November 2021<br />
Abgehauen<br />
denschaft schrieb. Noch<br />
Hans Haid:<br />
bemerkenswerter: Sie tat<br />
es kann sein,<br />
dies vor knapp hundert<br />
dass dann die<br />
272<br />
Das<br />
gro-<br />
Jahren, im Jahr 1929, in<br />
schatten kommen<br />
Seiten<br />
ße Unglück<br />
einer Zeit also, die, zumal<br />
von<br />
Kin-<br />
in der Schweiz, nicht als<br />
Ist es tatsächlich ein Roman, den<br />
dern berühmter Eltern ist es, immer<br />
besonders liberal galt.<br />
Hans Haid (1938-2019) hier bruch-<br />
wieder an diesen gemessen, auf diese<br />
Doch Annemarie Schwar-<br />
stückhaft verfasst hat? Ist es nicht<br />
angesprochen zu werden. Andererseits:<br />
zenbach konnte, wollte<br />
vielmehr Ausdruck seines labyrinthhaften<br />
Denkens, seines intensiven<br />
Was für ein bemerkenswertes, faszinierendes,<br />
dieser Kinder öffentlich überhaupt nicht<br />
sie auch bis zu ihrem frü-<br />
Ohne deren Berühmtheit würden einige<br />
nicht aus ihrer Haut – wie<br />
Gefühlslebens? Sind es nicht seine<br />
ja, herausragendes Buch. Über eine Zeit, als es<br />
wahrgenommen werden. Was freilich<br />
hen Tod immer wieder<br />
zuweilen wirren, uns verwirrenden<br />
die DDR noch gab. Über den Riss zwischen der<br />
kein Nachteil sein muss. Sarah Biasini<br />
eindrucksvoll bewiesen<br />
Gedanken, die er hier laut ausgesprochen<br />
und immer wieder aufs Neue<br />
der anderen Seite. Über eine geheim aufgenom-<br />
Buch eindrucksvoll gelungen, aus dem<br />
Nomenklatura auf der einen, den Intellektuellen auf<br />
ist es auf alle Fälle mit vorliegendem<br />
hat.<br />
niedergeschrieben, zusammengesetzt,<br />
also komponiert hat? Ist es<br />
vier nervenaufreibenden Wochen zwischen dem<br />
Warum? Na ja, für die Antwort auf diese<br />
Schwarzenbach:<br />
besonders auffällt: die mitmene,<br />
streng vertrauliche Sitzung. Über die rund<br />
großen Schatten ihrer Mutter zu treten.<br />
Annemarie<br />
Was bei diesem Buch<br />
überhaupt wichtig, ob es ein Roman<br />
19. <strong>April</strong> und dem 20. Mai 1977. Über das detaillierte<br />
Protokoll eines informellen Stasi-Mitarbeiters,<br />
zu sehen<br />
ne, rationale Sprache, die<br />
Frage empfiehlt es sich, das Buch lesen.<br />
Eine Frau<br />
unter sachliche, nüchter-<br />
oder eine sehr persönliche Erregung,<br />
ein lauter, permanenter Aufschrei<br />
Manfred Krug betreffend. Es ist, als würde man<br />
Eigentlich, so sagt es die Autorin, sind<br />
zuweilen langen Sätze, die<br />
ist? Hans Haid, so viel steht auf alle<br />
den schweren, dicken Vorhang zur Seite schieben<br />
diese knapp 200 Seiten vor allem an ihre<br />
doch im großen Gegensatz<br />
112<br />
Fälle fest, hat mit diesem Buch post<br />
und ins nackte Herz des Systems blicken. Der eine<br />
kleine Tochter gerichtet. Als Erklärung<br />
zum emotionalen Inhalt<br />
mortem ein starkes Ausrufezeichen<br />
oder die andere vielleicht auch in einen Spiegel.<br />
für ihr Leben, ihre Ängste, Verletzlichkeiten,<br />
wohl auch für ihre Suche nach<br />
war dies auch ihre Art, die<br />
Seiten<br />
stehen. Aber gut, vielleicht<br />
gesetzt.<br />
Was dieses Buch ebenfalls auszeichnet, ist die<br />
längst Vergangenem, unwiederbringlich<br />
Verlorenem. Sarah Biasini taucht<br />
Kein & Aber Verlag Ausdrucksweise, um laut<br />
€ 10,29<br />
ihr richtig erscheinende<br />
Romane haben üblicherweise eine<br />
direkte, schnörkellose, ungewohnt offene Sprache.<br />
Handlung, eine solche fehlt hier völlig.<br />
Stattdessen zornige, verzweifelkehrt.<br />
Bemerkenswert auch, wie schonungslos<br />
mit ganz feiner Feder, ungewohnt offen<br />
beziehen, sich Gehör zu<br />
Manfred Krug schreibt, wie er denkt. Und umge-<br />
in ihre Geschichte ein und beschreibt<br />
Mai 2020<br />
und deutlich Stellung zu<br />
te, depressive, kritische, polemische,<br />
offen er den Charakter von Weggefährten und<br />
und selbstkritisch, ihre Beziehungen, ihre<br />
verschaffen. Und ja, sie<br />
nüchterne, zugespitzte, sich wieder-<br />
Begleiterinnen beschreibt. Auch da spricht er<br />
Konflikte, ihr Erwachsenwerden. Natürlich<br />
überhöht sie ihre Eltern, gleichzei-<br />
der, in faszinierender Wei-<br />
hat dies in beeindruckenholende,<br />
heftig herausgeschriebene<br />
Klartext, zuweilen durchaus verbittert und ent-<br />
Eruptionen. Erinnerungen an das alte<br />
täuscht. Wer liest,<br />
tig widersteht sie der Versuchung, den<br />
se gemacht. Chapeau!<br />
Ötztal, an den Dialekt, die Sagen, die<br />
so heißt es, ist für<br />
Voyeurismus wohl vieler zu bedienen.<br />
Bräuche und Sitten. Dann wieder die<br />
die Dummheit verlo-<br />
Ein schönes Buch, auch wenn sie auf den<br />
Nazi-Zeit, das Hermann Göring Haus<br />
ren. Auch deswegen<br />
letzten Seiten doch wieder zu sehr auf<br />
vulgo Martin Busch Hütte, das juden-<br />
sei dieses Buch aus-<br />
ihre berühmte Mutter zurückfällt.<br />
freie Ötztal, das Geheimprojekt Zitter-<br />
drücklich empfohlen.<br />
aal-Stollen. Natürlich die Saligen Fräulein<br />
und die Wally, die harte Arbeit am<br />
192<br />
Hof, die Mutter, Freunde, die tausenden<br />
Schafe. Die letzten beiden Sätze<br />
Seiten<br />
des Buches: „Blase das Himmelslicht<br />
€ 22,62<br />
aus und gehe enk.“ipps<br />
schlafen. Pfiet<br />
€ 12,33<br />
Zsolnay Verlag<br />
Ullstein Verlag<br />
Oktober 2021<br />
EMPFOHLEN VON<br />
September 2003<br />
REINHOLD OBLAK<br />
ipps<br />
70<br />
tirol.kulturell tirol.kulturell 71
72<br />
tirol.mobil tirol.mobil 73<br />
Digitales<br />
Parken per App<br />
Wie Smartphone-basiertes Parken Städte, Gemeinden<br />
und andere Parkraumbewirtschafter beim Parkraummanagement<br />
entlastet.<br />
Wer schon einmal einen Parkschein auf<br />
die klassische Art gelöst hat, kennt‘s:<br />
Geldtasche suchen, möglichst passendes<br />
Kleingeld rauskramen, denn der<br />
Automat rechnet jeden eingeworfenen<br />
Cent in Parkzeit um. Der Blechkiste ist<br />
es egal, dass der/die Autofahrer*in<br />
eigentlich gar nicht so lange stehenbleiben<br />
möchte. Hat man bezahlt, geht<br />
es zurück zum Auto: Tür auf, gedruckter<br />
Parkschein rein, Tür zu – und endlich<br />
erledigen, was eigentlich auf dem<br />
Plan steht. Wenn das länger dauert als<br />
gedacht, heißt es zurück zum Parkplatz<br />
spurten, Geldtasche suchen, … das ganze<br />
Spielchen nochmal von vorn.<br />
Wer den Parkschein dagegen per App löst,<br />
braucht weder Kleingeld noch einen Parkautomat,<br />
sondern nur ein Smartphone.<br />
BILD: Per App lässt sich<br />
der digitale Parkschein<br />
noch direkt im Auto oder<br />
schon auf dem Weg ins<br />
Freizeitvergnügen lösen.<br />
(© Parkster)<br />
Einfach im Auto den Parkplatz in der App<br />
auswählen, gewünschte Parkdauer einstellen,<br />
Kennzeichen eingeben und losparken.<br />
Die App meldet sich per Push-Mitteilung,<br />
wenn die Parkzeit knapp wird. Der Parkschein<br />
kann dann direkt am Smartphone<br />
verlängert werden, ohne dass man zum<br />
Parkplatz zurückgehen muss. Praktisch,<br />
wenn es unterwegs noch ein Kaffee sein<br />
darf oder es im Wartezimmer länger dauert.<br />
Andersherum funktioniert’s genauso:<br />
Ist alles schneller erledigt, kann der digitale<br />
Parkschein vorzeitig beendet werden<br />
und man spart so unnötige Parkgebühren.<br />
Digitales Parken ist deshalb nicht nur bei<br />
Autofahrer*innen beliebt, sondern auch<br />
bei der Parkraumüberwachung. Die Mitarbeiter*innen<br />
können alle digital gelösten<br />
Parkscheine in Echtzeit auf ihren Handgeräten<br />
einsehen. Eine Kennzeicheneingabe<br />
genügt und die Kontroll-Software<br />
verrät, ob ein gültiger digitaler<br />
Parkschein vorliegt.<br />
VORTEILE FÜR KOMMUNEN<br />
UND PRIVATE PARKRAUMBE-<br />
TREIBER<br />
Städte, Gemeinden und andere<br />
Parkraumbewirtschafter sind<br />
durch das digitale Parken mittelfristig<br />
in der Lage, die Neuanschaffungszyklen<br />
ihrer Parkscheinautomaten<br />
zu verlängern.<br />
Weitere Kosteneinsparungen<br />
BILD: Die<br />
Architektur der<br />
Parkster App<br />
ist so flexibel,<br />
dass auch<br />
verschiedene<br />
Parktarife parallel<br />
angeboten<br />
werden können.<br />
(© Parkster)<br />
bringt der digitale Parkschein insbesondere<br />
beim Bargeldhandling. Je mehr Autofahrer*innen<br />
ihre Parkscheine per App lösen,<br />
desto seltener müssen die Automaten<br />
geleert und die schweren Münzkassetten<br />
zum Einzahlen zur Bank gebracht werden,<br />
wo oft Gebühren für die Entgegennahme<br />
der Münzen anfallen. Dies setzt auch personelle<br />
Ressourcen frei, die an anderer<br />
Stelle sinnvoll eingesetzt werden können.<br />
WARUM HIGHTECH-PARKAUTOMATEN<br />
MEIST KEINE ALTERNATIVE SIND<br />
Hohe Anschaffungskosten sowie fehlende<br />
infrastrukturelle Voraussetzungen – etwa<br />
an abgelegenen Standorten – sprechen<br />
häufig gegen die Installation von Parkautomaten.<br />
Auch die Aufrüstung schon<br />
bestehender Münzparkautomaten birgt<br />
oft mehr Risiken als Vorteile. So sind<br />
sie ein beliebtes Ziel von Vandalismus.<br />
Die Gefahr von Diebstahl sollten Parkraumbewirtschafter<br />
nicht unterschätzen.<br />
Gerade Automaten, die über Bauteile<br />
zur Scheinannahme verfügen, sind<br />
beliebt bei Langfingern. Aus einem einfachen<br />
Grund: Scheine sind leichter als<br />
Münzen, es lässt sich also mit wenig Aufwand<br />
eine hohe Beute erzielen. Kaputte<br />
oder beschädigte Geräte verursachen<br />
außerdem hohe Reparaturkosten und<br />
längere Ausfallzeiten. Letztere verärgern<br />
vor allem die Nutzer*innen und es<br />
kommt obendrein zu Einnahmeeinbußen.<br />
ZUSATZKOSTEN – DER KNACKPUNKT<br />
BEIM DIGITALEN PARKEN<br />
„Oft schmälern im Kleingedruckten versteckte<br />
Preisaufschläge und Zusatzkosten<br />
die Akzeptanz- und Nutzungsquote bei digitalen<br />
Parkscheinen. Ist das der Fall, verpuffen<br />
auch die Einsparungen der Parkraumbewirtschafter.<br />
Ganz zu schweigen von<br />
negativen Kommentaren in den sozialen<br />
Medien und unliebsamen Diskussionen in<br />
der Lokalpresse“, erklärt Keven Lehmann,<br />
Vertriebsleiter der Parkster GmbH. „Wir<br />
sind daher überzeugt: Erfolgreiches digitales<br />
Parken gibt es nur ohne Zusatzkosten<br />
für die Autofahrerinnen und Autofahrer.“<br />
Parkster, Anbieter für Handy-Parken in<br />
Deutschland, Österreich und Schweden,<br />
ist seit 2018 auf dem deutschen Markt<br />
aktiv und rollt seine Lösungen seit vergangenem<br />
Jahr in Österreich aus. Kern<br />
des Parkster-Konzepts: Autofahrer*innen<br />
parken mit der Parkster App zum gleichen<br />
Preis wie am Parkautomaten. Wer<br />
möchte, kann darüber hinaus kostenpflichtige<br />
Zusatzservices hinzubuchen wie ein<br />
Familienkonto oder die Unterstützung<br />
eines Klimaschutzprojekts.<br />
PILOTPROJEKT TANNHEIMER TAL MIT<br />
DER APP „PARKSTER“<br />
GemNova startet nun in eine Kooperation<br />
mit Parkster. Martin Schädle, Bürgermeister<br />
von Grän, hat die Zusammenarbeit initiiert.<br />
Er sieht digitales Parken als weiteren<br />
Mosaikstein auf dem Weg zur digitalen<br />
Gemeinde. Geplant ist eine langfristige<br />
Zusammenarbeit mit Parkster, die Pilot-<br />
Phase ist zunächst auf vier Jahre angelegt.<br />
Auch Karina Konrad, Bürgermeisterin der<br />
Gemeinde Jungholz im Bezirk Reutte und<br />
Koordinatorin der vier Planungsverbände<br />
im Außerfern, steht hinter dem Projekt: „In<br />
den vergangenen Wochen hat es in unserer<br />
Region einige Gespräche mit Parkster<br />
gegeben. Das digitale Parken funktioniert<br />
offensichtlich gut. Wir haben uns deshalb<br />
entschieden, hier im Tannheimer Tal ein<br />
Pilotprojekt zu starten. Bisher sind die<br />
Gemeinden Schattwald, Zöblen und Grän<br />
fix dabei. Gut möglich, dass noch die eine<br />
oder andere Gemeinde dazukommt.“<br />
VORBILD IN SACHEN KOOPERATION:<br />
PARKSTER IM OBERALLGÄU<br />
Vergleichbar ist die Kooperation im Tannheimer<br />
Tal mit der im deutschen Oberallgäu.<br />
Bereits seit 2019 besteht dort die<br />
Zusammenarbeit zwischen Parkster und<br />
der OberAllgäu Tourismus Service GmbH<br />
(OATS). Inzwischen haben sich über die<br />
OATS mehr als 15 Gemeinden für den digitalen<br />
Parkschein mit Parkster entschieden,<br />
darunter Immenstadt, Oberstaufen und auf<br />
österreichischer Seite das Kleinwalsertal.<br />
Auch die Oberstdorf Kleinwalsertal Bergbahnen<br />
und das Berg-Naturerlebnis Grasgehren<br />
bieten auf ihren Parkplätzen das<br />
Parken per App an.<br />
INTEGRATION TOURISMUSSPEZIFI-<br />
SCHER LÖSUNGEN<br />
Die Oberstdorf Kleinwalsertal Bergbahnen<br />
und einige weitere Gemeinden im Oberallgäu<br />
ermöglichen auf ihren Parkplätzen<br />
das rabattierte Parken, z. B. für Besitzer*innen<br />
einer Allgäu-Walser-Card oder eines<br />
Bergbahntickets. Auch dies lässt sich in<br />
der Parkster App abbilden. Autofahrer*innen<br />
geben hierfür beim Parkvorgang die<br />
Nummer der Gästekarten, der Saisonkarte<br />
oder des Bergbahntickets in die Parkster<br />
App ein. Über eine Schnittstelle zwischen<br />
Parkster und dem System des Kartenanbieters<br />
wird diese Nummer automatisch<br />
auf ihre Gültigkeit geprüft und daraufhin<br />
der vergünstigte Tarif berechnet.<br />
Erfolgreiches<br />
digitales Parken<br />
gibt es nur ohne<br />
Zusatzkosten<br />
für die Autofahrerinnen<br />
und<br />
Autofahrer.<br />
KEVEN LEHMANN,<br />
VERTRIEBSLEITER DER<br />
PARKSTER GMBH<br />
Über<br />
Parkster<br />
Parkster ist ein innovativer Full-Service-Anbieter<br />
im Bereich „Digitales<br />
Parken“. Das Unternehmen ermöglicht<br />
es Autofahrer*innen, Parkgebühren<br />
mit dem Smartphone minutengenau<br />
und auf Rechnung zu<br />
bezahlen. Parkster entwickelt und<br />
vermarktet Lösungen zur On- und<br />
Off-Street-Parkraumverwaltung für<br />
kommunale und gewerbliche Parkraumbewirtschafter<br />
sowie zur Parkgebührenabrechnung<br />
für Mitarbeiter*innen<br />
in Unternehmen. Parkster<br />
wurde 2010 im schwedischen Lund<br />
gegründet. Parken mit der Parkster<br />
App ist heute in über 370 Städten in<br />
Deutschland und Österreich sowie in<br />
mehr als 200 schwedischen Kommunen<br />
verfügbar.<br />
Kooperation<br />
mit Parkster:<br />
Sonderkonditionen<br />
für alle GemNova-<br />
Partner<br />
Durch die Kooperation mit Parkster<br />
können alle GemNova-Partner die<br />
Parkster-Lösungen zu Sonderkonditionen<br />
nutzen. Bei Fragen zur Kooperation<br />
und zur Einführung von Parkster<br />
in Ihrer Gemeinde stehe ich gerne zur<br />
Verfügung: m.foidl@gemnova.at.<br />
ZUM AUTOR<br />
MARIO FOIDL<br />
Mario Foidl ist seit Mai 2019 bei der<br />
GemNova und Bereichsverantwortlicher<br />
für Mobilität & Beschaffung.<br />
Kontakt: m.foidl@gemnova.at
74<br />
tirol.sucht Menschen tirol.sucht Menschen 75<br />
Der ganz n0rmale<br />
Alltag in der<br />
Gemeindeverwaltung<br />
„Gemeindeverwaltung kann<br />
doch jeder und was macht man<br />
denn schon als Amtsleiter*in?<br />
Kann doch ein jeder lernen.“<br />
So oder so ähnlich klingt es<br />
landauf landab, wenn man<br />
mit Personen spricht, die sich<br />
weniger mit der Gemeinde<br />
auseinandersetzen. Wenn<br />
man dies aber genauer betrachtet,<br />
dann sieht die Sache<br />
schon etwas anders aus – und<br />
vielleicht doch nicht so einfach.<br />
Es braucht Spezialist*innen in<br />
der Verwaltung und das sind<br />
die 277 Amtsleiter*innen,<br />
sowie die Mitarbeiter*innen<br />
im Bauamt, in der Finanzverwaltung,<br />
im Meldewesen und<br />
noch vielen weiteren Bereichen.<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. GEORG HOCHFILZER<br />
Georg Hochfilzer ist seit 2019 bei der<br />
GemNova. Er studierte Politik- und<br />
Rechtswissenschaften und arbeitet seit<br />
2015 täglich mit den Tiroler Gemeinden<br />
zusammen. Er ist Teil des Teams<br />
Digitalisierung & Personaldienstleistung.<br />
Kontakt: g.hochfilzer@gemnova.at<br />
M0ntag<br />
Der Montag beginnt um 07:00<br />
Uhr mit der wöchentlichen<br />
Dienstbesprechung mit den Mitarbeitern<br />
des Gemeindebauhofs.<br />
Ein Wasserschaden am Wochenende,<br />
Straßenschäden und auch<br />
eine Baustelle sind die Kernthemen<br />
der Woche. Gemeinsam<br />
geht man das Programm durch.<br />
Kurz darauf erscheint der Waldaufseher,<br />
welcher ebenfalls ein<br />
Anliegen hat. Die Gemeinde Reith<br />
i.A. verfügt über ein großflächiges<br />
Gemeindegebiet und gemeinsam<br />
mit der Wildbach- und Lawinenverbauung<br />
stehen Arbeiten an.<br />
Eine gute Abstimmung und Koordination<br />
sind dabei essenziell.<br />
Montagnachmittag ist Parteienverkehr<br />
in der Gemeinde. Das<br />
bestehende Team der Verwaltung<br />
wird im Tagesgeschäft unterstützt.<br />
Dies umfasst aktuell neben<br />
einfachen Anfragen zu Genesungszertifikaten<br />
auch Unterstützungsleistungen<br />
im Bürgerservice<br />
oder Anfragen zur anstehenden<br />
Gemeinderatssitzung.<br />
dienstag<br />
Ein Todesfall ereignete sich in der<br />
Nacht. Nach Absprache mit der<br />
Pfarre wurde ein geeigneter Platz<br />
gefunden. Die Gemeinde ist von<br />
der Geburt bis zum Todesfall für<br />
die Bürger*innen zuständig, somit<br />
fällt auch dieser verwaltungstechnische<br />
Aspekt in das Arbeitsfeld<br />
der Gemeinde. Es folgt ein Termin<br />
bzgl. Breitbandinternet. Das Land<br />
Tirol unterstützt den Ausbau, die<br />
Gemeinden fördern den Zugang<br />
durch niedrige Anschlussgebühren.<br />
Die Planung für <strong>2022</strong> wird<br />
mit dem zuständigen Techniker<br />
in der Gemeinde besprochen.<br />
Am Nachmittag stehen Gespräche<br />
mit Mitarbeiterinnen der Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
an.<br />
Die Gemeinde bietet im Sommer<br />
Ferienbetreuung an, die Planung<br />
erfolgt jedoch schon jetzt. Es<br />
gilt die Ferienbetreuung von der<br />
Anmeldung bis hin zur Abwicklung<br />
und Abrechnung zu nieren.<br />
koordi-<br />
Mittw0ch<br />
Eine Abstimmung der Gemeindeverwaltung<br />
mit dem Bürgermeister<br />
steht am Programm.<br />
Gemeinsam koordiniert man die<br />
politischen und verwaltungstechnischen<br />
Termine. Goldene Hochzeiten<br />
und auch Geburtenfeiern<br />
stehen wieder an. Im Rahmen<br />
der täglichen Emails ergaben sich<br />
auch Anfragen bzgl. gratis WLAN<br />
und zu diversen Bauprojekten in<br />
der Gemeinde.<br />
Anschließend geht es zu einer<br />
Besprechung über den Hochwasserschutz.<br />
Der Hochwasserschutz<br />
Mittleres Unterinntal zielt<br />
in der Gemeinde Reith i.A. auf die<br />
Ortsteile St. Gertraudi und Weng<br />
ab und schützt eine Vielzahl an<br />
Objekten und auch Flächen im<br />
Falle eines Hochwassers.<br />
BILD: Die Gemeinde<br />
Reith im Alpbachtal mit<br />
ihren 2668 Einwohner*innen<br />
liegt am Eingang des<br />
Alpbachtales auf einem<br />
Plateau über dem Inntal.<br />
(© GemNova/Georg<br />
Hochfilzer)<br />
d0nnerstag<br />
Sitzungstag in der Gemeinde Reith i.A. Alles ist vorbereitet. Tagsüber<br />
folgen wieder Besprechungen. Ein Projekt in der Gemeinde ist die Errichtung<br />
eines neuen Einsatzzentrums, welches Teil eines Großprojektes<br />
wird. Das Bauamt arbeitet derzeit federführend an der Realisierung<br />
dieses Vorhabens.<br />
Zusätzlich steht ein Abstimmungstermin zwischen der Gemeindeverwaltung<br />
und der Heimleitung an. Die Gemeinde betreibt im Gemeindeamt<br />
das Wohn- und Pflegeheim „Marienheim“. Diverse Reparaturarbeiten,<br />
Belegung, Personalthemen – all das findet sich auf der Agenda.<br />
Abends findet die Gemeinderatssitzung statt. Jemand aus der Gemeindeverwaltung<br />
übernimmt das Schreiben des Protokolls und auch die Unterlagen<br />
werden allen bereitgestellt. Allfällige Fragen werden gemeinsam<br />
mit dem Bürgermeister geklärt.<br />
freitag<br />
Letzter Tag der Woche. Das Protokoll<br />
der Gemeinderatssitzung wird<br />
fertiggestellt und mit dem Bürgermeister<br />
besprochen. Zusätzlich<br />
gilt es Förderanträge für Bauvorhaben<br />
vorzubereiten und mit dem<br />
Land Tirol einen KAT-Schaden zu<br />
besprechen. Hierzu wird noch mit<br />
den zuständigen Stellen des Tourismusverbandes<br />
abgestimmt, da<br />
der Schaden touristische Infrastruktur<br />
betrifft. Kurz vor 12:00<br />
Uhr erscheint noch ein Gemeindebürger<br />
mit einer Anfrage zum<br />
Thema Freizeitwohnsitzabgabe.<br />
Der Tag endet.<br />
Auch wenn dies nur einen Bruchteil<br />
der Woche darstellt, zeigt es,<br />
dass die Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung<br />
alles umfasst,<br />
auch Dinge, mit denen man nicht<br />
rechnet. Das Tagesgeschäft<br />
erstreckt sich von Abfallfragen,<br />
Bürger*innenanliegen, Emails,<br />
Finanzierungen, Straßenerhaltung,<br />
Wasserleitungen u.v.m.<br />
bis hin zur Zukunftsvorsorge<br />
des Ortes. Es gilt die Gemeinde<br />
als Betrieb zu führen, zukunftsorientiert<br />
und doch immer mit<br />
einem Auge für die Anliegen der<br />
Gemeindebürger*innen Altes zu<br />
erhalten und Neues zu schaffen.<br />
Ein Beruf, der eine Berufung<br />
darstellt, und kein einziger Tag<br />
ist wie der Gestrige. Das sind<br />
meine Eindrücke, welche ich im<br />
Rahmen der Unterstützung der<br />
Gemeindeverwaltung in Reith im<br />
Alpbachtal gewinnen konnte.
76<br />
tirol.sportlich und gesund tirol.sportlich und gesund 77<br />
Die Pr0jektpartner<br />
der Gesunden<br />
Gemeinde Tir0l“...<br />
“<br />
Die ARGE Gesunde Gemeinde Tirol besteht aus dem avomed, der GemNova und dem Verein<br />
Sicheres Tirol und wurde gegründet, um mit gebündelter Expertise Gemeinden auf dem Weg zur<br />
Gesunden Gemeinde zu begleiten (www.gesunde-gemeinde.tirol).<br />
ESSEN FÜR DIE KNOCHEN<br />
rein vegane Ernährung sehr viel lebensmit-<br />
Osteoporose ist eine Erkrankung der<br />
telbezogenes Wissen voraus. Durch eine<br />
Knochen, bei der es zu einer Abnahme<br />
bunte, abwechslungsreiche Ernährung in<br />
der Knochenmasse und -qualität kommt.<br />
Kombination mit Bewegung kann man das<br />
Dadurch steigt die Gefahr für Knochenbrü-<br />
Osteoporoserisiko senken.<br />
che. Sie entwickelt sich unbemerkt über<br />
Der avomed, ein Verein, der<br />
Jahre, tritt aber meist erst im Alter auf.<br />
Gewichtsbelastende körperliche Aktivitä-<br />
von der Tiroler Ärztekam-<br />
Dabei spielen z. B. die Vererbung, Ernähten<br />
stellen eine wesentliche Voraussetzung<br />
mer gegründet wurde und<br />
rungsgewohnheiten, Bewegungsverhalten<br />
für die Knochengesundheit dar. Besonders<br />
hauptsächlich durch Mittel<br />
und die Sonnenexposition (Vitamin D) eine<br />
zu empfehlen ist gezieltes Krafttraining<br />
des Landes Tirol und der<br />
Rolle.<br />
bzw. Funktionstraining, das abwechselnd<br />
Sozialversicherungsträger<br />
die wichtigsten Muskelgruppen fördert,<br />
(v.a. der ÖGK Tirol) finan-<br />
Das fettlösliche Vitamin D regelt die Cal-<br />
weil Belastung den Knochen stärkt. Frei<br />
ziert wird, setzt gezielte<br />
ciumaufnahme aus dem Darm und fördert<br />
nach dem Motto „use it or lose it“ muss<br />
Angebote in den Berei-<br />
dessen Einbau in die Knochen. Der Körper<br />
der Knochen benutzt werden. Er passt sich<br />
chen Vorsorgemedizin und<br />
kann Vitamin D selbst bilden, wenn unsere<br />
an die an ihn gestellten Anforderungen an.<br />
Gesundheitsförderung wie<br />
Haut ausreichend Sonnenlicht ausgesetzt<br />
z.B. Zahngesundheitsvor-<br />
wird. Wichtigster Baustein für die Knochen<br />
sorge, Diabetesschulungen,<br />
ist das Calcium. Damit das Skelett gesund<br />
Bewegungs- und Ernäh-<br />
und stabil aufgebaut werden kann bzw.<br />
rungsprogramme, Betreuung<br />
damit der altersbedingte Abbau möglichst<br />
chronisch kranker Kinder in<br />
hinausgezögert wird, muss über die Nah-<br />
AUTOR*INNEN:<br />
Bildungseinrichtungen oder<br />
rung täglich genügend Calcium aufgenom-<br />
SIDS-Prophylaxe uvm.<br />
men werden.<br />
Die weitaus besten Calciumlieferanten<br />
sind Milch und Milchprodukte. Empfehlenswert<br />
sind drei Portionen Milch oder Milchprodukte<br />
pro Tag. Eine Portion für einen<br />
Erwachsenen entspricht ca. 200 ml Milch,<br />
MAG. NIKOLAUS GRIESSER<br />
Joghurt oder Topfen sowie ca. 60 g Schnitt-<br />
PROJEKTBETREUER<br />
BEWEGUNGSPROGRAMM<br />
oder Hartkäse. Auch Nüsse und andere<br />
Lebensmittel wie calciumreiche Mineral-<br />
MARIE HANSER, BSC.<br />
wässer, Hülsenfrüchte, Vollkornbrot oder<br />
PROJEKTBETREUERIN<br />
Broccoli liefern Calcium, jedoch setzt eine ERNÄHRUNGSPROGRAMME<br />
... stellen<br />
sich v0r!<br />
Wussten sie,<br />
dass ...<br />
CA. 80.000<br />
80 %<br />
der Unfälle im Haushalt, in der zeit und beim Sport zu verzeichnen<br />
sind (Verkehr 9 %, Arbeit 11 Frei-<br />
%)?<br />
DIE 65.000<br />
Unfälle in Tirol jährlich im Krankenhaus<br />
behandelt werden müssen?<br />
Haushalts-, Freizeit- und<br />
Sportunfälle zu 42 % in der<br />
Freizeit und beim Sport passieren<br />
4 VON 5<br />
und zu 37% im Haushalt?<br />
Unfällen im Haushalt, in der Freizeit<br />
und beim Sport und nicht im Verkehr<br />
oder bei der Arbeit passieren?<br />
Unfälle im Verkehr und bei der<br />
Arbeit im Abnehmen sind, jene<br />
im Haushalt, in der Freizeit und<br />
beim Sport aber zunehmen?<br />
DIE VEREINSSTRATEGIE<br />
ZUR UNFALLVERMEIDUNG:<br />
AUTOR<br />
• Keine neuen Gebote oder Verbote, sondern<br />
auf die Eigenverantwortung setzen<br />
• Bewusstseinsbildung durch Öffentlichkeitsarbeit<br />
über Medien, soziale<br />
Netzwerke, Kurse Messen, usw.<br />
• Verstärkte Zusammenarbeit mit privaten<br />
„Wir geben Tipps, um Tirol<br />
und gesetzlichen Unfallversicherungen sicher zu erleben, und setzen<br />
dabei auf Bewusstseins-<br />
• Aufnahme der Unfallprävention in das bildung, Information und Eigen-<br />
Gesundheitsvorsorgeprogrammes des<br />
verantwortung.“<br />
Landes Tirol<br />
DR. KARL MARK,<br />
• Verstärkte Zusammenarbeit mit den<br />
PRÄSIDENT VEREIN SICHERES<br />
Tiroler Gemeinden<br />
TIROL, BEZIRKSHAUPTMANN A.D.<br />
TIROL SICHER ERLEBEN<br />
Unfälle im Wohn-, Freizeit-<br />
und Verkehrsbereich durch<br />
Bewusstseinsbildung und<br />
Prävention bei Jung und Alt<br />
zu vermeiden, dafür tritt der<br />
Verein SICHERES TIROL<br />
seit 23 Jahren ein.<br />
Die wichtigsten Projekte auf<br />
einen Blick:<br />
• Schulstartpaket: Alle (ca.<br />
8.600) Tiroler Volksschulkinder<br />
bekommen einen<br />
Turnbeutel mit Sicherheitsweste<br />
für den Schulweg,<br />
Sicherheitstools,<br />
Kinderbüchlein „Sicher im<br />
Verkehr“, usw.<br />
• Babysicherheitsbox mit<br />
Sicherheitstools<br />
als<br />
Geschenk von Gemeinden<br />
für die neugeborenen<br />
Gemeindebürger*innen<br />
• StreetBuddy, das<br />
Sicherheitstool<br />
für<br />
die<br />
Aufmerksamkeit<br />
der Autofahrer*innen<br />
gegenüber Kindern im<br />
Straßenverkehr<br />
• Sicheres Wohnen:<br />
Broschüre mit Tipps<br />
zu Stolperfallen und<br />
Sicherheitseinrichtungen<br />
zur Unfallvermeidung<br />
• ARGE Gesunde Gemeinde<br />
Tirol uvm.
78<br />
tirol.sportlich und gesund tirol.sportlich und gesund 79<br />
Geh’<br />
weiter, geh’<br />
immer<br />
weiter<br />
Seit rund 60 Jahren kenne<br />
und korrespondiere ich<br />
mit Kurt Diemberger. Ich<br />
habe vor ihm als großen<br />
Bergsteiger großen Respekt.<br />
Und er ist ja noch<br />
immer kräftig unterwegs.<br />
Wishing Kurt a Very Happy<br />
90th Birthday!<br />
CHRIS BONINGTON<br />
LINKS:<br />
„Gerannt bin ich nie, das<br />
hab ich gerne den anderen<br />
überlassen“, erklärt Kurt.<br />
Den Grund dafür schreibt<br />
er mir gleich auf.<br />
(© GemNova)<br />
Kurt war als Einziger dabei, als mein Vater an<br />
der Chogolisa über die Wächte trat und in den<br />
Abgrund gerissen wurde. Danach hatte er die<br />
schreckliche Mission, meiner Mutter Generl die<br />
letzten Habseligkeiten meines Vaters zu übergeben.<br />
Vor allem die Tagebücher. Seitdem ist er<br />
ihr schicksalhaft verbunden, ist ein guter und<br />
treuer Freund geworden. Wann immer er in Salzburg<br />
weilte, hat er auch meine Mutter besucht<br />
und unterstützt. Respekt zu seinem Leben!<br />
KRIEMHILD BUHL MIT<br />
MUTTER GENERL UND<br />
SCHWESTER SILVIA<br />
Das erste Mal haben wir uns im vorigen Jahrhundert<br />
getroffen. Bei irgendeinem Bergfilmfestival.<br />
In Trient, in Salzburg, in St. Anton am Arlberg, wir<br />
wissen es beide nicht mehr. Seitdem sind wir in<br />
Kontakt geblieben. Ab und zu ein Telefongespräch,<br />
eine E-Mail. Am 16. März feierte Kurt Diemberger<br />
seinen 90. Geburtstag. Er, der Erstbesteiger von<br />
zwei Achttausendern. Ein schöner Grund, in Calderino<br />
bei Bologna dieses Interview zu führen.<br />
Als Bergsteiger bist du Extremsituationen<br />
gewohnt. Wie bist du eigentlich<br />
durch die Corona-Pandemie gekommen?<br />
Zuerst bin ich einfach hineingeschwommen,<br />
hab mir nicht viele Gedanken<br />
gemacht. Dann ließ ich mich sofort drei<br />
Mal impfen. Hier in unserer Gegend, vor<br />
allem auch in Mailand, war es ja am<br />
Anfang besonders schlimm. Mit der Zeit<br />
ist mir dieses Virus dann schon ziemlich<br />
auf die Nerven gegangen. Aber ich war<br />
und bin sehr vorsichtig, passe auf, meide<br />
die Menschen. Dass du hier bist, ist eine<br />
große Ausnahme. Eigentlich mag ich das<br />
nicht. Ich möchte niemanden anstecken,<br />
gleichzeitig gehöre ich mit 90 ohnehin zur<br />
Risikogruppe.<br />
Mit 90 darf man schon einen Rückblick<br />
machen. Was hast du in deinem Leben<br />
falsch, was richtig gemacht?<br />
Das jetzt spontan festzustellen, ist<br />
unmöglich, das kann ich nicht. Ich lass<br />
einfach noch ein paar Jahre vergehen, bis<br />
ich ein abschließendes Urteil fälle. Aber<br />
natürlich hab ich vieles falsch, freilich<br />
auch vieles richtig gemacht. Und ja, es<br />
gab in meinem Leben sehr viele prägende<br />
Momente. War es am K2 wirklich richtig<br />
noch weiterzugehen? Hätten wir früher<br />
umdrehen sollen? Ich weiß es nicht.<br />
Du hast in Wien studiert, hast dann<br />
fünf Jahre als Lehrer in Salzburg unterrichtet.<br />
Du hattest also einen sicheren<br />
Job und bist dennoch in die Berge ausgebrochen.<br />
Warum? Würdest du das<br />
heute auch noch so machen?<br />
(Denkt kurz nach.) Ja, ich würde wohl<br />
wieder Bergführer werden. Weil ich gerne<br />
etwas weitergebe, weil mir die Berge<br />
so viel bedeuten. Eigentlich sind mir die<br />
Berge genau so nahe wie die Menschen.<br />
Dabei geht es mir nicht nur um die Achttausender,<br />
nein, mir geht es um den Berg<br />
an sich. Es gibt da so eine Schwingung,<br />
ein – wie sage ich das bloß – eine Anziehungskraft,<br />
die mich mit dem Berg verbindet.<br />
Heute steige ich nicht mehr auf<br />
Berge, hoffe aber mit meinen Vorträgen<br />
Ich habe Kurt vor einigen Jahren bei einem Vortrag<br />
in Brixen kennengelernt. Da habe ich vor<br />
lauter Lachen fast geweint. Er hat so eine schöne,<br />
so eine packende Art zu erzählen. Ich könnte<br />
ihm da stundenlang zuhören. Er ist schon eine<br />
ganz besondere Persönlichkeit.<br />
TAMARA LUNGER<br />
und Büchern doch noch einiges weitergeben<br />
zu können.<br />
Du bist neben Hermann Buhl der einzige<br />
Mensch, der zwei Achttausender<br />
erstbestiegen hat. 1957 den Broad<br />
Peak, 1960 den Dhaulagiri. Hat das<br />
heute für dich noch eine Bedeutung?<br />
Durchaus. Das waren einmalige Erlebnisse.<br />
Dort zu sein, wo vor dir noch niemand war.<br />
Beinahe in die Seele des Berges hineinschweben<br />
zu dürfen. Diese Gipfel hatten<br />
dort oben eine doppelte Wolke. Sie erschienen<br />
mir wie die Schwünge des Geistes der<br />
Berge. Und diesem Kraftfeld durfte ich bei<br />
meinen Expeditionen immer wieder nahekommen.<br />
Dafür bin ich auch heute noch<br />
sehr dankbar. So etwas vergisst man nicht.<br />
Nach dem Broad Peak wolltest du<br />
mit Hermann Buhl noch die Chogolisa<br />
besteigen. Du gingst zehn, zwanzig<br />
Meter voraus, plötzlich war dein<br />
Gefährte weg. Wächtenbruch. Wie lange<br />
hast du daran noch gekiefelt?<br />
Lange, sehr lange. Ein einziger falscher<br />
Schritt, der zwischen Leben und Tod ent-
80<br />
tirol.sportlich und gesund<br />
81<br />
Was mich am Berg so<br />
fesselt, ist das Unbekannte,<br />
das große Rätsel<br />
hinter einer sich ganz langsam<br />
öffnenden Türe.<br />
scheidet. Hermann war viel erfahrener<br />
als ich, konnte mehr, wusste mehr. Und<br />
dann, ein verhängnisvoller Schritt in die<br />
falsche Richtung, in den Tod. Zum Glück<br />
waren wir nicht angeseilt, sonst wäre<br />
auch ich heute nicht hier. Später hab ich<br />
dann immer nach dem Grund gesucht,<br />
nach einem möglichen Fehler. Aber den<br />
gibt es nicht, weil in solchen Situationen<br />
alles blitzschnell geht. Leben. Oder Tod.<br />
Dazwischen gibt es nichts.<br />
1986 ist dir dann mit Julie Tullis endlich<br />
die Besteigung des K2 gelungen. Mit<br />
einem tragischen Ende.<br />
Julie war mein alpiner Lebensmensch. Insgesamt<br />
sind damals in wenigen Stunden<br />
fünf Menschen am K2 gestorben, nur der<br />
Willi Bauer und ich haben den Weg zurück<br />
ins Basislager geschafft. Ein paar Fingerkuppen<br />
mussten mir danach amputiert werden.<br />
Und es ist dieser eine Satz, ich weiß<br />
nicht mehr, wer ihn mir zugerufen hat, den<br />
ich nie mehr vergessen werde: „Heute Nacht<br />
ist uns die Julie gestorben.“ Meine Julie.<br />
Als ich ganz jung war, hab ich sein Buch „Gipfel<br />
und Gefährten“ gekauft und immer wieder gelesen.<br />
Ich hab´s schön in Nylon eingepackt, damit es ja<br />
nicht kaputt geht. Er war und ist ein ganz Großer,<br />
ein wirkliches Vorbild für mich. Außerdem<br />
ist er ein wirklich kreativer Mensch, mit dem<br />
Fotoapparat, der Filmkamera, der Feder. Ich wünsche<br />
ihm nur das Allerbeste – und mir, dass wir<br />
uns bald mal wieder sehen.<br />
HANS KAMMERLANDER<br />
Dein Stil beim Höhenbergsteigen war<br />
ein völlig anderer als jener von Messner,<br />
Habeler oder Kammerlander. Du<br />
hast gerne lange geschlafen, hast dir<br />
bewusst viel Zeit gelassen, dann auf<br />
den Gipfeln der Achttausender auch<br />
Filme gedreht.<br />
Mein Credo war immer: Wer langsam<br />
geht, geht gut. Gerannt bin ich nie, das hab<br />
ich gern den anderen überlassen. Ich hab<br />
vor allem nach meinem Gespür gehandelt,<br />
war grundsätzlich vorsichtig, hatte auch<br />
sehr viel Glück. Vielleicht lebe ich auch<br />
deshalb noch. Wobei: Beim Abstieg war<br />
ich immer schnell, ich bin ja meist am<br />
Hintern abgerutscht. Weil unten, also im<br />
Basislager, wollte ich immer ganz schnell<br />
sein. Auch des guten Essens wegen.<br />
Reinhold Messner beklagt immer wieder<br />
den Verlust des „traditionellen<br />
Bergsteigens“. Wie siehst du das?<br />
BILD:<br />
„Warte, ich muss dir noch<br />
etwas zeigen“, sagt Kurt.<br />
Und spaziert dann gemütlich<br />
ins Haus, um etwas zu<br />
holen. (© GemNova)<br />
Da hat der Reinhold – und auch andere<br />
– schon recht. Was mich am Berg so fesselt,<br />
ist das Unbekannte, das große Rätsel<br />
hinter einer sich ganz langsam öffnenden<br />
Türe. Als junger Kerl wurde ich „Tiefenschürfer“<br />
genannt, weil ich in der Tiefe,<br />
in der Höhe, vor allem in mir selbst, Neues<br />
entdecken wollte. In den Kletterhallen,<br />
auf den ganzen Normalwegen wird man<br />
genau das nicht finden. Darum hoffe ich,<br />
dass das Pendel wieder zurückschlägt<br />
und die Jungen sich vermehrt auf die<br />
Suche nach dem wirklichen Abenteuer<br />
machen. Es gibt ja noch so viel zu tun.<br />
Aber draußen, in der Natur, in den Bergen.<br />
Seit über 40 Jahren bist du mit Teresa<br />
zusammen, lebst hier in der Nähe von<br />
Bologna in deinen Hügeln. Bist du noch<br />
immer täglich zu Fuß unterwegs?<br />
(Lacht.) Ja, ich gehe jeden Tag bis zur Straße<br />
runter und wieder zurück. Ich nenne das „la<br />
posta“, weil dort unten ist der Postkasten. Ich<br />
schaue immer nach der Post, schließlich will<br />
ich ja wissen, was es Neues gibt. Und dann<br />
gibt es noch etwas, mein tägliches inneres<br />
Mantra: Geh’ weiter, geh’ immer weiter.<br />
Hast du eigentlich nie daran gedacht,<br />
wieder zurück nach Österreich, in die<br />
Berge, zu kommen?<br />
(Lacht.) Ich bin ja immer wieder in Österreich.<br />
Am Ossiachersee in Kärnten hab<br />
ich ein Haus, in Salzburg eine Mietwohnung.<br />
Und viele Vorträge hab ich ja ebenfalls<br />
in Österreich gemacht. Aber die<br />
Hügel von Bologna, du siehst es ja selbst,<br />
haben schon einen ganz besonderen Reiz.<br />
Wenn ich von hier heroben ins Tal schaue,<br />
von einem Hügel zum anderen, ist es fast<br />
so, also würde ich am K2 stehen und über<br />
die Welt blicken. Grenzen haben für mich<br />
ja keine Bedeutung. Erst Corona hat die<br />
Grenzen wieder zugemacht. Nicht nur die<br />
zwischen den Staaten. Leider.<br />
Eine letzte Frage noch. Hast du eigentlich<br />
Angst vor dem Tod?<br />
Nein, warum denn? Es gibt ja keinen Grund<br />
dazu. Warum sollen wir vor etwas Angst<br />
haben, dass doch nicht zu ändern ist?<br />
Kurt wird nicht müde, auch die kühler werdende<br />
Temperatur scheint ihm nicht viel<br />
auszumachen. „Ich glaub, wir können die<br />
Maske jetzt kurz abnehmen“, sagt er dann.<br />
Es ist ruhig hier, hoch über Calderino. Der<br />
Blick geht über die Hügel, da und dort zeigt<br />
Als Kurt „seine“ Achttausender<br />
erstbestieg, war ich 13 bzw.<br />
16 Jahre alt. Hermann Buhl war<br />
ein Freund meines Großvaters,<br />
er war oft bei uns zu Hause und<br />
ich kann mich erinnern, dass er<br />
erzählte, Kurt sei bei seiner<br />
nächsten Expedition zum Broad<br />
Peak dabei. Ich habe sie beneidet!<br />
1967 habe ich meine Bergführerausbildung<br />
gemacht, und<br />
plötzlich war auch der Kurt da.<br />
Als Teilnehmer. Das war einfach<br />
unglaublich: der berühmte Kurt<br />
Diemberger mit mir im gleichen<br />
Bergführerkurs. 1974 haben wir<br />
uns im Makalu Basislager erneut<br />
getroffen, auch lange miteinander<br />
geredet. Und dann halt immer<br />
wieder. Kurt ist eine Legende,<br />
ein Vorbild.<br />
WOLFGANG NAIRZ<br />
sich ein Fels. „Ab und zu sehe ich den jungen<br />
Leuten beim Klettern zu. Schon beeindruckend,<br />
was die können. Aber gut, die<br />
meisten kennen mich ja gar nicht.“ Wir<br />
sitzen gemütlich im Freien, machen es uns<br />
nicht in seinem Haus bequem. „Weil meine<br />
Frauen wollen das nicht, Eintritt verboten,<br />
sozusagen.“ Langsam wird es dunkel, Zeit,<br />
uns zu verabschieden. Leicht fällt es nicht.<br />
Ich gehe durchs schwere Tor, das sich<br />
langsam hinter mir schließt. Noch ein Blick<br />
zurück, Kurt steht vor dem Haus, lächelt,<br />
winkt, ruft noch kurz: „Bis zum nächsten<br />
Mal, pfiat di.“<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE<br />
REINHOLD OBLAK<br />
Gratulation zu<br />
70 Jahren<br />
traditionellem<br />
Alpinismus<br />
und Storytelling.<br />
REINHOLD MESSNER<br />
Kurt hat nicht nur Alpingeschichte<br />
geschrieben, sondern<br />
diese auch gelebt. Als<br />
er etwa bei der Erstbesteigung<br />
am Broad Peak bereits am<br />
Gipfel war, zum unvergessenen<br />
Hermann Buhl abgestiegen und<br />
dann mit ihm nochmals zurück<br />
zum Gipfel ist. Das zeigt<br />
schon eine ganz besondere<br />
menschliche Größe, Hut ab.<br />
Ich durfte mit Kurt und seiner<br />
Bergpartnerin Julie Tullis<br />
am K2 (1984) und am Nanga<br />
Parbat (1985) das Base Camp<br />
teilen, da kommen wunderschöne<br />
Erinnerungen auf. Alles<br />
Gute Kurt, bleib g´sund.<br />
PETER HABELER<br />
STEVE HOUSE<br />
Der größte Erfolg eines<br />
Bergsteigers, einer Bergsteigerin<br />
ist ein hohes<br />
Alter zu erreichen. In<br />
dieser Hinsicht wünsche<br />
ich mir, deinen Spuren<br />
folgen zu dürfen, Kurt.<br />
Genauso, wie auch andere<br />
deinen Spuren in den Alpen,<br />
im Himalaya, im Karakorum<br />
gefolgt sind. Alles<br />
Gute zum Neunziger!<br />
Mehr<br />
zu Kurt<br />
Diemberger
82 tirol.sportlich und gesund<br />
tirol.bildet 83<br />
Zur Person<br />
Kurt Diemberger<br />
Kurt, du bist Bergsteigerlegende,<br />
Schriftsteller,<br />
Fotograf, Kameramann,<br />
Dokumentarfilmer und vor<br />
allem ein Mann, der träumen<br />
kann. Dein bewegtes<br />
Leben: um die Welt reisen,<br />
immer wieder die „Grenze“<br />
überschreiten, um das<br />
verborgene und unbekannte<br />
Gesicht der Berge kennenzulernen.<br />
Stets mit der<br />
Neugier, zu entdecken, was<br />
auf der anderen Seite ist.<br />
Herzlichen Glückwunsch zu<br />
diesen wunderbaren, so intensiv<br />
gelebten 90 Jahren.<br />
NIVES MEROI<br />
Kurt Diemberger wurde am 16. März 1932<br />
in Villach geboren. Nach der Matura in Salzburg<br />
studierte er an der Hochschule für<br />
Welthandel in Wien Betriebswirtschaft. Mit<br />
den Bergen erstmals in Berührung kam er<br />
als Kristallsucher. Fünf Jahre lang arbeitete<br />
er als Lehrer an der Fremdenverkehrsakademie<br />
in Salzburg, zwischendurch legte er<br />
die Bergführerprüfung ab. Ende der 1960er<br />
Jahre gab er seinen Beruf endgültig auf und<br />
widmete sich nur mehr dem Bergsteigen.<br />
Nach der kontroversiell diskutierten Erstbesteigung<br />
der sogenannten „Schaumrolle“ an<br />
der Königsspitze-Nordwand wurde Hermann<br />
Buhl auf Diemberger aufmerksam und lud<br />
ihn zur Broad Peak Expedition ein. Nach der<br />
Erstbesteigung des Broad Peaks gelang<br />
Diemberger außerdem die Erstbesteigung<br />
des Dhaulagiri. Insgesamt bestieg er sechs<br />
Achttausender. Des Weiteren gelang ihm die<br />
Erstbesteigung des Tirich Mir IV im Alpinstil<br />
oder des Shartse am Lhotse-Nuptse-Kamm.<br />
Gemeinsam mit Julie Tullis gründete Diemberger<br />
das höchste Filmteam der Welt.<br />
Beeindruckende Filme folgten, unter anderem<br />
„K2 – Traum und Schicksal“. Darüber<br />
hinaus verfasste er eine erkleckliche Anzahl<br />
von Büchern. Als knapp 70-Jähriger bestieg<br />
er noch den ca. 6.000 Meter hohen Cotopaxi<br />
in Südamerika. Diemberger lebt mit<br />
seiner Frau Teresa und deren Schwester in<br />
Calderino, über den Hügeln von Bologna. Er<br />
hat zwei Söhne, zwei Töchter sowie zwei<br />
Enkelkinder.<br />
„Kein Alter, kein Geschlecht,<br />
kein Stand, keine Nation ist von<br />
den Vorteilen ausgeschlossen,<br />
welche die Spar-Casse jedem<br />
Einlegenden anbietet.“<br />
Auszug aus der Gründungsurkunde der Sparkassen.<br />
AUF GEHT’S.<br />
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84<br />
tirol.bunt und vielfältig tirol.bunt und vielfältig 85<br />
Eine indianische Weisheit lautet: „Wandere drei Monde in den Mokassins des anderen und du wirst ihn verstehen<br />
lernen.“ Guter Ansatz, dachte ich mir, und setzte mich in einen Anfängerkurs für Deutsch. Wie ist es<br />
wohl, in einem Land zu leben, in dem man die Sprache nicht versteht. Und wie gelingt es, ebendiese Sprache<br />
möglichst rasch zu erlernen. Ein kleiner Erfahrungsbericht.<br />
Neugierige, ratlose, verunsicherte, ängstliche,<br />
gespannte Gesichter. Sieben Frauen,<br />
neun Männer. Payanda, Shekeba oder<br />
Negina aus Afganistan zum Beispiel. Oder<br />
Hossen, Khaled, gleich drei Mohammads<br />
aus Syrien. Ebenso wie Ebyan, Adna, Zenab<br />
oder Farah aus Somalia. Um nur ein<br />
paar Namen zu nennen. Vor uns steht eine<br />
lächelnde, sympathisch wirkende Frau, Kitty<br />
Kaas, sie wird uns in den nächsten Wochen<br />
Deutsch beibringen. Aufgrund der hohen<br />
Teilnehmer*innenzahl wird der Kurs gesplittet.<br />
Mehr als acht Personen sollten nicht<br />
in einem Kurs sitzen. Wir alle sind nun im<br />
dritten Stock eines Gebäudes gleich gegenüber<br />
dem Innsbrucker Hauptbahnhof versammelt.<br />
In einem mit „Südtirol“ bezeichneten<br />
Raum. Es ist ein Mittwoch, 8.30 Uhr<br />
morgens. Wie all die anderen wohl hierher<br />
gefunden haben? Einige kennen sich<br />
untereinander, flüstern in ihrer Sprache, vielleicht<br />
Farsi, schauen sich immer wieder an,<br />
suchen Geborgenheit, Sicherheit, Nähe.<br />
„Guten Morgen, ich bin Kitty.“ Allgemeines<br />
Schweigen, große Augen, was hat sie<br />
gesagt? Stellen Sie sich bitte einfach vor, in<br />
einem Chinesischkurs zu sitzen. Und es wird<br />
ausschließlich Chinesisch gesprochen. Wie<br />
es Ihnen da wohl geht, wie Sie sich dabei<br />
wohl fühlen? Kitty wiederholt ihre ersten<br />
Worte, sehr langsam, ganz deutlich. „Guten<br />
Morgen, ich bin Kitty.“ Keine Reaktion von<br />
den anderen. Die Spannung, die Unsicherheit<br />
liegen schwer in der Luft, sind förmlich<br />
spürbar, greifbar. Kitty lächelt noch mehr,<br />
versucht eine Verbindung, eine Beziehung<br />
drei M0nde<br />
in den M0kassins<br />
herzustellen. Willkommen im Anfängerkurs<br />
für Deutsch.<br />
Kitty Kaas<br />
Kitty Kaas. Ein Name wie aus einem Hollywood-Film.<br />
Dabei ist sie gar kein Filmstar,<br />
vielmehr eine couragierte Deutschlehrerin.<br />
Geboren und aufgewachsen ist sie in Holland,<br />
direkt an der Küste, an der belgischen<br />
Grenze. Im Alter von 16 Jahren zog sie mit<br />
ihren Eltern nach Tirol, besuchte die Handelsakademie<br />
in Kitzbühel. Über 20 Jahre<br />
war sie dann im Tourismus tätig, konnte<br />
dort auch ihre Sprachkenntnisse – Holländisch,<br />
Deutsch, Französisch, Englisch – entsprechend<br />
anwenden. Anfang 2021 kam sie<br />
schließlich zur GemNova, als Sprachtrainerin,<br />
als Deutschlehrerin. Jetzt sitzt sie also<br />
mitten unter uns, versucht uns die deutsche<br />
Sprache näherzubringen.<br />
Nicht alle können schreiben, lesen.<br />
In ihrem Herkunftsland hatten sie<br />
einfach nicht die Möglichkeit eine<br />
Schule zu besuchen.<br />
Mittlerweile haben wir die Tische im Raum<br />
zu einem großen Kreis zusammengestellt.<br />
Alleine schon diese Tätigkeit hat die Starrheit<br />
gelöst, lächelnde Gesichter überwiegen.<br />
Vor uns liegt ein Blatt Papier, ein Stift. Kitty<br />
schreibt am Whiteboard ihren Vornamen<br />
auf, weist uns mit großer Gestik darauf hin,<br />
selbiges zu tun. Adna versteht es sofort,<br />
nimmt den Stift, schreibt ihren Vornamen<br />
auf das Blatt Papier. Neugierige Blicke, dann<br />
verständnisvolles Nicken. Es raschelt im<br />
Raum, die meisten Blätter weisen nun einen<br />
Namen auf, einige wenige bleiben leer. Der<br />
Grund: Nicht alle können schreiben, lesen.<br />
In ihrem Herkunftsland hatten sie einfach<br />
nicht die Möglichkeit eine Schule zu besuchen.<br />
Auch das ist eine wichtig zu verstehende<br />
Realität.<br />
Man hilft sich gegenseitig, wenige Minuten<br />
später sind alle Zettel beschriftet. „Das ist<br />
auch deswegen wichtig, damit ich die Leute<br />
direkt mit dem Vornamen ansprechen<br />
kann“, erklärt Kitty. Und wir uns untereinander<br />
auch. Wobei ich die ähnlichen Anfangsschwierigkeiten<br />
habe, die Namen meiner<br />
neuen Bekannten richtig auszusprechen,<br />
wie auch umgekehrt. Reinhold – was für ein<br />
komplizierter Name auch, selbst Italiener<br />
haben mit der richtigen Aussprache ihre<br />
Probleme.<br />
Brücke in die Vergangenheit<br />
Kitty hat inmitten aller Tische kleine Gegenstände<br />
deponiert, die sie von zu Hause mitgebracht<br />
hat. Ein Buch, eine Kaffeetasse, ein<br />
Spielzeugauto, ein Stofftier, ein Glas. Nun<br />
fordert sie uns auf, „intuitiv“ (dieses Wort<br />
versteht fast jeder) etwas zu nehmen. Hossen<br />
greift sofort zum Spielzeugauto, streichelt<br />
fast sanft darüber, lächelt und scheint<br />
glücklich. Was ist denn jetzt los, denke ich<br />
mir. Einige Wochen später verstehe ich sein<br />
Verhalten. In seinem Heimatland war er<br />
Automechaniker, mit diesem Spielzeugauto<br />
hat er eine Brücke in die Vergangenheit<br />
gebaut. Und er hat ein vertrautes Thema,<br />
über das er einige Wochen später erzählen<br />
wird können. Mohammad wiederum hat<br />
sich sofort das Buch geschnappt. Auch bei<br />
ihm wird es noch Monate dauern, bis er<br />
seine persönliche Geschichte dazu erzählen<br />
kann. Dass er eben leidenschaftlich gerne<br />
liest, um so in andere Welten eintauchen<br />
zu können. Dass lesende Menschen<br />
in seiner ursprünglichen Heimat nicht allzu<br />
gerne gesehen waren, dass viele Bücher<br />
nicht erhältlich, verboten waren. Und dass<br />
dieses von Kitty mitgebrachte Buch eben<br />
all das wieder in Erinnerung rief. Darum<br />
sein Lächeln.<br />
Mein großes Ziel ist es, diesen<br />
Menschen hier bei der Integration<br />
zu helfen. Mit der Sprache, aber<br />
auch mit dem Selbstverständnis,<br />
gleichberechtigt zu sein<br />
KITTY KAAS<br />
„Kleine Dinge bringen oft eine große Wirkung<br />
mit sich“, erklärt mir Kitty Kaas später.<br />
„Denn das Wichtigste ist, Vertrauen zu<br />
schaffen, auf die anderen zuzugehen, sich<br />
empathisch zu zeigen. Mit Bildern, mit Fotos,<br />
mit Gegenständen erreicht man oft mehr<br />
als mit Worten. Mein großes Ziel ist es, diesen<br />
Menschen hier bei der Integration zu<br />
helfen. Mit der Sprache, aber auch mit dem<br />
Selbstverständnis, gleichberechtigt zu sein.“<br />
Gleichberechtigung<br />
Negina kommt aus Afghanistan, einem<br />
Land, in dem Frauen noch weit, sehr<br />
weit, von jeder Gleichberechtigung entfernt<br />
sind. Heute noch mehr als noch vor<br />
wenigen Monaten. Wenn man sie im Kurs<br />
beobachtet, wird klar, dass sie neugierig,<br />
wissbegierig ist. Gleichzeitig ist sie ruhig,<br />
zurückgezogen, getraut sich nicht, aus sich<br />
herauszugehen. Sie meldet sich nicht zu<br />
Wort, beteiligt sich kaum an auflockernden<br />
Übungen und Spielen. „Negina ist kein Einzelfall“,<br />
sagt Kitty, „viele Frauen sind nach<br />
wie vor in alten Mustern, in ihrer alten Kultur<br />
gefangen. So wie natürlich auch viele<br />
Männer, die ebenfalls erst langsam Gleichberechtigung<br />
verstehen müssen. In unseren<br />
Kursen lernen wir nicht nur Deutsch,<br />
sondern versuchen auch eine Kultur des<br />
Miteinanders, der Gleichwertigkeit<br />
auf allen Ebenen zu<br />
vermitteln. Das ist eine sehr<br />
große Herausforderung – für<br />
alle Beteiligten.“<br />
Auch ich lerne in diesem Kurs<br />
sehr viel. Dass Selbstverständlichkeiten<br />
eben keine Selbstverständlichkeiten<br />
sind, zum<br />
Beispiel. Mohammad etwa,<br />
der zweite mit diesem Namen,<br />
scheint beim Lesen große Probleme<br />
zu haben. Klar, denke<br />
ich mir, er hat in seinem Heimatland<br />
keine Schule besucht.<br />
Ein anderer Kursteilnehmer,<br />
ich hab mir seinen Namen<br />
nicht merken können, sieht<br />
schlichtweg sehr schlecht,<br />
hat auch keine Brille, hat in<br />
seinem Leben noch nie eine<br />
gehabt hätte sich weder eine<br />
Brille, noch einen Arztbesuch leisten können.<br />
Oder ein anderer Teilnehmer: Sein Verhalten<br />
wird wohl etwas mit seinen traumatischen<br />
Verhältnissen in Syrien zu tun haben,<br />
mit dem Krieg, mit den vielen Toten, die er<br />
dort gesehen hat. Wie lautet das indianische<br />
Sprichwort? Genau: „Wandere drei Monde<br />
in den Mokassins des anderen und du wirst<br />
ihn verstehen lernen.“<br />
eine<br />
banane<br />
ein<br />
Kugelschreiber<br />
Adresse? Was ist eine Adresse?<br />
Der erste Kurs – 60 Einheiten á 45 Minuten<br />
– wird diesen Monat abgeschlossen.<br />
Dann folgen Kurs zwei und Kurs drei, ebenfalls<br />
im dritten Stock des großen Gebäudes<br />
gegenüber vom Innsbrucker Hauptbahnhof.<br />
In den vergangenen vier Jahren haben rund<br />
4.000 Menschen einen Deutschkurs bei den<br />
Sprachtrainerinnen und Sprachtrainern der<br />
GemNova absolviert. Eine bemerkenswerte<br />
Zahl, die doch nichts über das jeweilige<br />
Einzelschicksal aussagt. „Nach dem<br />
ersten Kurs sind bereits Minidialoge möglich“,<br />
erzählt mir Kitty. „Wie heiße ich, woher<br />
komme ich, wo wohne ich, wie lautet meine<br />
Telefonnummer. Die Allermeisten wissen<br />
am Anfang ja gar nicht, was eine Adresse<br />
ist. Diese Selbstverständlichkeiten müssen<br />
erst langsam, mitunter auch recht mühsam<br />
ein<br />
glas eine<br />
kaffeetasse<br />
ein<br />
buch<br />
BILD: Ein Glas, eine Kaffeetasse, ein Kugelschreiber,<br />
eine Banane, ein Buch. Deutsche Worte anhand mitgebrachter<br />
Gegenstände lernen ( © GemNova/rawpixels)<br />
gelernt werden.“ Natürlich gibt es innerhalb<br />
der Gruppen zuweilen auch große Unterschiede.<br />
Überspitzt formuliert lernen Junge<br />
schneller als Ältere, auch deswegen, weil<br />
viele Ältere in ihrer alten Heimat keine Möglichkeit<br />
hatten, eine Schule zu besuchen.<br />
Nach einem Jahr, so Kitty Kaas, könnten sich<br />
alle schon recht gut verständigen. Aber gut,<br />
so weit sind wir hier noch lange nicht. In<br />
der heutigen Stunde lernen wir das richtige<br />
Grüßen hier in Tirol. Dass man in der Früh<br />
„Guten Morgen“ sagt, nach einem Behördengang<br />
etwa „Auf Wiedersehen.“ Dass<br />
man sich beim Reden in die Augen schaut,<br />
ja, auch die Frauen, wie Kitty eindrücklich<br />
sagt. Plötzlich zücken drei Teilnehmer ihre<br />
Handy´s, tippen irgendetwas ein. Ich ziehe<br />
abermals die falschen Schlussfolgerungen,<br />
wie ich später von Kitty erfahre. „Nein, die<br />
haben nicht ihre Mails abgerufen. Sie haben<br />
das Wort ‚Auf Wiedersehen‘ in ihr Handy<br />
getippt, um mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms<br />
zu erfahren, was das in ihrer<br />
Muttersprache bedeutet.“<br />
VON<br />
REINHOLD OBLAK
86 tirol.bunt und vielfältig tirol.bunt und vielfältig 87<br />
Atract<br />
fliegt jetzt<br />
Die Ausgangslage ist bekannt: Im Tourismus fehlen tausende<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine private Initiative aus Tirol<br />
versucht nun europaweit Lösungen zu finden. „Atract“ ist genossenschaftlich<br />
organisiert und will den eklatanten Personalmangel<br />
in Hotellerie und Gastronomie schrittweise beheben.<br />
Karin Lindner ist das sympathische<br />
Gesicht von „Atract“. Gemeinsam mit<br />
Josef Kirchmair und Alexander Prachensky<br />
stellte sie Ende 2019 das Projekt auf die<br />
Füße, erweckte „Atract“ zum Leben. „Wir<br />
haben bereits viele Vorarbeiten geleistet,<br />
waren voller Tatendrang und Energie, doch<br />
dann kam Corona. In weiterer Folge gab es<br />
Lockdown um Lockdown, Hotels mussten<br />
schließen, Gäste blieben aus, Beschäftigte<br />
wurden entlassen oder in die Kurzarbeit<br />
geschickt.“ Gleichzeitig wurden den Hotels<br />
und Gastronomiebetrieben beträchtliche<br />
Förderungen und Unterstützungen seitens<br />
des Staates gewährt. Was indes allen<br />
Beteiligten fehlte, war eine konkrete Perspektive.<br />
Nahezu zwei Jahre lang. „Klar, das<br />
war eine äußerst schwierige Zeit, doch wir<br />
wollten unser Projekt unbedingt zum Fliegen<br />
bringen“, so Lindner heute.<br />
Die Idee dahinter ist rasch erklärt: „Atract“<br />
ist genossenschaftlich organisiert, Hotels<br />
und Gastronomiebetriebe können beitreten<br />
und nach Unterzeichnung einer Fairnesserklärung<br />
aus einem großen Personalpool<br />
ihre künftigen Beschäftigten aussuchen.<br />
Also etwa Köchinnen, Kellner, Reinigungskräfte,<br />
Küchenpersonal, Rezeptionisten,<br />
Handwerkerinnen usw. Diese wiederum<br />
werden europaweit gesucht, entsprechend<br />
geschult, trainiert, auf den Job vorbereitet.<br />
Oberstes Gebot dabei: Es soll ein faires<br />
Miteinander geben, die unattraktiven<br />
Arbeitsverhältnisse im Tourismus auf vielerlei<br />
Ebenen aufgewertet und interessant<br />
gemacht werden. Fürwahr keine leichte<br />
Aufgabe. Wohl auch deswegen, weil viele<br />
im Tourismus beschäftigte Menschen<br />
mittlerweile in anderen Bereichen ihr Geld<br />
verdienen.<br />
Crew-Scouts<br />
Vor einem knappen Jahr war es dann endlich<br />
so weit: „Atract“ ging in den Echtbetrieb<br />
über, die ersten Tourismusbetriebe<br />
beteiligten sich an der Genossenschaft.<br />
Das Kinderhotel Kröller in Gerlos zum Beispiel,<br />
die Bergbahnen Zauchensee mit vier<br />
Gastronomie- und Hotelbetrieben oder das<br />
Biohotel Grafenast am Pillberg. Zwischenzeitlich<br />
war das Interesse so groß, dass<br />
sogar ein Aufnahmestopp verhängt werden<br />
musste. Der Grund: Im Personalpool von<br />
„Atract“ befanden sich zu wenige künftige<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für<br />
Hotellerie und Gastronomie. Schnee von<br />
gestern: Heute ist der Personalpool mit<br />
rund 100 Personen sehr gut gefüllt. Und<br />
laufend kommen neue dazu.<br />
Mittlerweile sind eigene Crew-Scouts,<br />
die in unterschiedlichen Ländern Europas<br />
leben, für „Atract“ unterwegs. Deren zentrale<br />
Aufgabe: Motivierte Menschen zu finden,<br />
die sich vorstellen können, abermals oder<br />
erstmals im Tourismusbereich zu arbeiten.<br />
Insbesondere aus Ländern mit einer<br />
BILD: Tourismusunternehmen<br />
suchen händeringend<br />
qualifiziertes Personal.<br />
„Atract“ kann ihnen die<br />
entsprechenden Hilfs- und<br />
Fachkräfte zur Verfügung<br />
stellen. (© Atract)<br />
hohen Arbeitslosigkeit oder schlechten<br />
Arbeitsbedingungen. „Eigentlich ist es eine<br />
Win-win-Situation für alle Beteiligten. Wir<br />
bringen diese Leute mit Tourismusunternehmen<br />
zusammen, bereiten sie vorher in<br />
unseren Trainingscamps entsprechend vor,<br />
begleiten sie und achten vor allem auf faire,<br />
wertschätzende Dienstverhältnisse hier in<br />
Österreich, speziell in Tirol“, erklärt Lindner.<br />
Doch aus welchen Ländern kommen nun<br />
die Menschen, die künftig im Tourismusbereich<br />
quer durch Österreich arbeiten wollen?<br />
Die meisten stammen aus Spanien,<br />
Italien, Rumänien. Selbst aus Argentinien,<br />
wo eine große spanische und italienische<br />
Community beheimatet ist, gibt es immer<br />
wieder Anfragen und Bewerbungen. Auch<br />
von ausgewiesenen Fachkräften. Allein im<br />
heurigen Jahr plant „Atract“ acht Trainingscamps<br />
abzuhalten, etwa im Zillertal und<br />
Stubaital. „In diesen Trainingscamps werden<br />
diese Hilfs- und Fachkräfte speziell<br />
geschult. Es gibt Deutschkurse, wir helfen<br />
bei der Integration, für Quereinsteiger<br />
gibt es die Möglichkeit, in Bereichen wie<br />
Küche, Service, Housekeeping usw. hineinzuschnuppern“,<br />
erklärt Lindner. Derzeit laufen<br />
außerdem Gespräche, um einen eigenen<br />
„Atract-Campus“ in Tirol zu errichten.<br />
Deutschkurse vor Ort<br />
Viele Beschäftigte im Tourismus kommen<br />
aus dem nicht deutschsprachigen Ausland.<br />
Gerade deswegen sind Sprachkurse auch<br />
nach dem Jobstart notwendig. Die Landessprache<br />
zu sprechen und zu verstehen,<br />
hilft nicht nur im Job, sondern fördert auch<br />
die soziale Integration. „Wir selbst können<br />
das nicht machen, darum haben wir uns<br />
nach einem Kooperationspartner umgesehen,<br />
der dies kompetent umsetzt und<br />
auch eine langjährige Erfahrung mitbringt“,<br />
so Lindner. So wurde dann die GemNova<br />
Akademie und ihre Deutschtrainerinnen<br />
und -trainer zentraler Teil von „Atract“.<br />
Allein in den vergangenen vier Jahren<br />
absolvierten rund 4.000 Personen die<br />
Deutschkurse der GemNova Akademie.<br />
Diese kamen aus allen Teilen der Welt,<br />
unter anderem aus Ungarn, Afghanistan,<br />
der Slowakei, Syrien, Griechenland, Italien,<br />
Somalia, Tschechien, Polen, Rumänien<br />
usw. Besonders wichtig dabei: Diese<br />
Deutschkurse finden direkt in den Hotels<br />
und Gastronomiebetrieben vor Ort statt,<br />
somit müssen deren Beschäftigte keine<br />
stundenlangen Anfahrtszeiten zu den Kursen<br />
auf sich nehmen.<br />
„Außerdem werden die Kurse und Unterlagen<br />
speziell auf das jeweilige Unternehmen<br />
abgestimmt“, wie Sandra Wimmer von der<br />
GemNova Akademie erklärt. „Da geht es<br />
auch um spezielle Dialektausdrücke, um<br />
bestimmte Begriffe aus den Speisekarten.<br />
So gab es bei den Hotelgästen schon<br />
öfter große Augen, wenn etwa eine dunkelhäutige<br />
Kellnerin eine Speise auf Tirolerisch<br />
erklärt. Da kann es dann schon mal<br />
passieren, dass auch das Trinkgeld etwas<br />
höher ausfällt.“<br />
Langfristig und nachhaltig<br />
Sternschnuppen sind schön anzusehen,<br />
verschwinden aber naturgemäß wieder<br />
rasch, sind nicht von Dauer. Mehr Schein<br />
als Sein, wie so vieles andere auch. „Unsere<br />
Idee ist nachhaltig, somit auch langfristig<br />
angelegt“, sagt Karin Lindner. So<br />
sollen gemeinsam gleich mehrere große<br />
Ziele erreicht werden. Etwa das Image im<br />
Tourismus signifikant zu verbessern. Die<br />
Zukunft der Hotellerie und Gastronomie in<br />
Österreich langfristig zu sichern. Für faire,<br />
ausgewogene, wertschätzende Arbeitsverhältnisse<br />
zu sorgen. Klingt alles ganz<br />
wunderbar, ist freilich nur in kleinen, ganz<br />
konkreten Schritten zu erreichen. Das weiß<br />
selbstverständlich auch die Atract-Gründerin.<br />
„Die Tourismusbranche befindet sich<br />
jetzt nach mehr als zwei Jahren Corona<br />
im Umbruch. Es gilt neue Türen zu öffnen,<br />
neue Arbeitsverhältnisse zu diskutieren,<br />
sich auf Augenhöhe zu begegnen.<br />
Begleitendes Coaching ist gefragt, ebenso<br />
wie ehrliche, saubere, langfristige Dienstverhältnisse.<br />
Nicht nur den Kunden und<br />
Gästen, auch den Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern muss etwas geboten werden.<br />
Unsere Aufgabe dabei ist es, die richtigen<br />
Menschen mit den richtigen Fähigkeiten<br />
für die richtigen Arbeitgeber zu finden, zu<br />
begleiten und zu unterstützen.“<br />
Karin Lindner und ihr Team ist in diesen<br />
Wochen auch deswegen sehr viel unterwegs.<br />
Es gilt Kontakte zu knüpfen, Fragen<br />
zu beantworten, Kooperationen abzuschließen.<br />
Beim Reden, so heißt es, kommen die<br />
Leute zusammen. Oder wie es Lindner<br />
formuliert: „Natürlich muss immer wieder<br />
neu am Zahnrad gedreht werden, um etwa<br />
mehr Gäste zu bekommen. Dabei darf freilich<br />
nicht darauf vergessen werden, dass<br />
sich in diesem Fall auch immer andere<br />
Räder bewegen müssen. Und eine Kette<br />
ist bekannterweise nur so stark, wie deren<br />
schwächstes Glied.“<br />
ZUM AUTOR<br />
MAG. REINHOLD OBLAK<br />
Aufgewachsen in Kärnten studierte er an den<br />
Universitäten Wien und Perugia, Italien. Er war<br />
viele Jahre Journalist, Konzernsprecher, Vorstand<br />
und Aufsichtsrat. Seit 2018 ist er bei der<br />
GemNova für die Unternehmenskommunikation<br />
zuständig.<br />
Kontakt: r.oblak@gemnova.at<br />
Zu<br />
Atract<br />
Gegründet Ende 2019 als<br />
Genossenschaft. Derzeit gehören<br />
ihr rund 40 Hotels und<br />
Gastronomiebetriebe in Tirol<br />
und Salzburg an. In den nächsten<br />
Wochen sollen weitere<br />
Tourismusbetriebe im Süden<br />
Österreichs und in der Stadthotellerie<br />
dazukommen. Erklärtes<br />
Ziel ist es, den offensichtlichen<br />
Personalmangel im Tourismusbereich<br />
zu beheben. Laut Institut<br />
für Höhere Studien müssen<br />
in Österreich bis 2023 rund<br />
60.000 Stellen im Tourismus<br />
neu besetzt werden. Mit den<br />
eigenen Crew-Scouts sowie in<br />
Kooperation mit Tourismusschulen<br />
und Arbeitsämtern werden<br />
europaweit Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter gesucht, die<br />
dann entsprechend vorbereitet<br />
und trainiert werden. Deutschkurse,<br />
Persönlichkeitsschulung,<br />
individuelles Fachtraining inklusive.<br />
Die beteiligten Hotels und<br />
Gastronomiebetriebe verpflichten<br />
sich zu einer wertschätzenden<br />
Unternehmenskultur<br />
und fairen Arbeitsbedingungen.<br />
Oberstes Ziel sind nachhaltige<br />
und langfristige Arbeitsbedingungen<br />
im Tourismus.<br />
www.atract.at
88 tirol.denkt weiter tirol.denkt weiter 89<br />
back t0<br />
the green<br />
r00ts<br />
Wer durch die Innsbrucker Museumstraße<br />
spaziert, kommt in einem Abstand von 150<br />
Metern an vier Filialen gängiger Supermarktketten<br />
vorbei. In jeder einzelnen erstreckt<br />
sich das Angebot von frisch aufgebackenem<br />
Brot, Obst und Gemüse aus aller Welt bis zu<br />
verschiedenen Non-Food-Artikeln. Ein ganzer<br />
Einkauf in einem Laden. Der Gang zum Bäcker<br />
oder Gemüsehändler nebenan wird überflüssig.<br />
In den Regalen reihen sich Plastik an Karton<br />
an Dose – Verpackungen, die oftmals<br />
vermeidbar wären und in Österreich einen<br />
wesentlichen Anteil des Haushaltsmülls<br />
ausmachen. Die Zero Waste Bewegung<br />
sagt diesem Zustand den Kampf an. Sie<br />
sucht alternative Lösungen und zeigt Möglichkeiten<br />
für ein ressourcenschonendes<br />
Konsumverhalten. Der 2018 gegründete<br />
verpackungsfreie Laden „greenroot“ (ebenfalls<br />
in der Museumstraße) bietet ebendies.<br />
Die grüne Wurzel<br />
Der Wunsch, Lebensmittel „so wie früher“<br />
anzubieten, ließ den greenroot-Gründer<br />
und Geschäftsführer Engin Dogan die<br />
Zero Waste Bewegung entdecken. Die<br />
Produkte offen und ohne Verpackung<br />
anzubieten, vermeidet nicht nur Müll,<br />
sondern ermöglicht den Kund*innen auch<br />
die genau benötigte Menge zu erwerben<br />
und beugt so Lebensmittelverschwendung<br />
vor. Eben zurück zu den grünen Wurzeln<br />
(engl. roots) – wie früher im Tante-Emma-<br />
Laden, als unsere Eltern und Großeltern<br />
ihre Lebensmittel in Säcke und Behälter<br />
abfüllten. Ganz ohne Verpackungsmüll.<br />
Gerade Obst und Gemüse bringen<br />
doch ihre eigene Verpackung von Natur<br />
aus mit. Da verwundert es, dass der<br />
BILD: Wie von<br />
Natur erschaffen –<br />
verpackungsfreies<br />
Gemüse aus der Region<br />
(© greenroot )<br />
Mensch dem Apfel oder der Zucchini<br />
eine „zweite“ Verpackung verabreicht,<br />
damit sie im Supermarkt schneller ins<br />
Auge stechen. Eine Verpackung, die es<br />
eigentlich nicht braucht und die unter<br />
Ressourcenaufwand hergestellt und<br />
entsorgt wird. Kritisch betrachtet ist das<br />
reine Ressourcenverschwendung. Die<br />
Verpackungen unterschiedlicher Produkte<br />
summieren sich österreichweit zu jährlich<br />
über 1,4 Millionen Tonnen Verpackungsmüll.<br />
Im Jahr 2018 das altbewährte Tante-<br />
Emma-Konzept in Innsbruck neu umzusetzen,<br />
brachte einige Herausforderungen mit<br />
RECHTS: Engin<br />
Dogan bei der Abfüllung<br />
von Nüssen – natürlich<br />
in Bio- und Fairtrade-<br />
Qualität (© greenroot )<br />
sich. Über manch eine Wurzel wäre man<br />
fast gestolpert, denn es gab keine Anknüpfungspunkte<br />
oder Interessensverbände, die<br />
einem den Weg weisen konnten. Der Zero<br />
Waste Gedanke war im Lebensmittelhandel<br />
noch nicht wieder angekommen. So<br />
steckte Engin Dogan viel Zeit und Energie<br />
in Recherchen und suchte den Dialog mit<br />
Lieferant*innen. Dabei verlor er nie seinen<br />
ganzheitlichen Blick: „Wir lehnen uns nicht<br />
zurück und sagen Zero Waste reicht. Wir<br />
wollen so nachhaltig wie möglich agieren;<br />
Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven<br />
sehen und durchleuchten.“ So sind biologische<br />
Landwirtschaft, Regionalität, faire<br />
Arbeitsbedingungen entlang der gesamten<br />
Lieferkette und ressourcenschonender<br />
Transport nur ein Auszug der Themen,<br />
für die sich der Unternehmer mit seinem<br />
Laden unermüdlich einsetzt.<br />
Denkt an die Kleinen<br />
Doch oftmals werden genau diese Läden,<br />
die mit viel Mühe und Herz geführt werden,<br />
übersehen. Unser Landschaftsbild<br />
ist geprägt von Supermärkten. Das sogenannte<br />
„One-Stop-Shopping“, welches alle<br />
notwendigen Produkte in einem einzelnen<br />
BILD: Von A wie<br />
gedörrter Apfel bis Z<br />
wie Zimtstangen<br />
(© greenroot )<br />
Laden erwerben lassen, ist heutzutage die<br />
bevorzugte Wahl. In Zeiten der Pandemie<br />
und Kontaktbeschränkungen hat diese<br />
Form des Einkaufs einen zusätzlichen Aufschwung<br />
erlebt. Bäckereien, Metzgereien,<br />
Obst- und Gemüsehändler verschwinden<br />
unterdessen immer mehr von der Bildfläche.<br />
In der Stadt ist diese Entwicklung noch<br />
stärker als auf dem Land zu beobachten.<br />
„Ich glaube am Land herrscht noch die<br />
nötige Atmosphäre für kleinere Strukturen.<br />
Man kennt sich, man kann fragen, woher<br />
die Produkte kommen. Die Vertrauensebene<br />
ist größer als in der Stadt. Jede*r Einzelne<br />
kann mit dem eigenen Einkauf einen<br />
Beitrag leisten, lokale Anbieter aufrecht zu<br />
erhalten.“ Die Macht der Konsument*innen<br />
das Angebot zu steuern, dürfe nicht unterschätzt<br />
werden. Einen deutlichen Appell<br />
richtet Engin Dogan auch in Richtung Politik.<br />
Es benötige mehr Engagement für kleine<br />
Betriebe, sowohl in der Bewusstseinsbildung<br />
der Konsument*innen als auch in der<br />
Schaffung von Rahmenbedingungen, die ein<br />
gutes Arbeiten ermöglichen und nicht nur<br />
ein Überleben. Er wünscht sich einen Austausch<br />
auf Augenhöhe. Andernfalls stünden<br />
die Interessen der kleinen Geschäfte<br />
immer im Schatten großer Anbieter.<br />
Schritt für Schritt<br />
Jeder Schritt zählt. Das betont Engin Dogan<br />
immer wieder. So hat er das greenroot zu<br />
dem gemacht, was es heute ist: einem<br />
modernen Zero Waste Shop mit breiter<br />
Produktpalette und einem Zero Waste Café<br />
nebenan. Das Geheimnis dahinter? Sein<br />
Ehrgeiz und die kontinuierliche Weiterentwicklung<br />
ohne Kompromisse. So könne auch<br />
jeder Konsument und jede Konsumentin<br />
Schritt für Schritt das Leben nachhaltiger<br />
gestalten. Es beginne bei kleinen Alltagsentscheidungen:<br />
in der Eisdiele die Waffel statt<br />
green<br />
r00t<br />
... ist ein Zero Waste Shop<br />
im Herzen Innsbrucks.<br />
Kund*innen können die Produkte<br />
in der jeweils benötigten<br />
Menge in eigene Behältnisse<br />
abfüllen. Die Behälter<br />
werden davor gewogen und<br />
das Leergewicht berücksichtigt.<br />
Man bezahlt nur den<br />
Inhalt, keine Verpackung,<br />
keinen Müll. Das Geschäft<br />
steht für nachhaltigen<br />
Konsum und setzt ein Zeichen<br />
für den Klimaschutz.<br />
www.greenroot.at<br />
des Bechers wählen, den Kaffee in Ruhe aus<br />
der Tasse trinken statt im Einweg-To-Go-<br />
Becher und regional und saisonal einkaufen.<br />
So entwickele sich aus dem Kleinen<br />
etwas Großes. „Wenn jede*r ein bisschen<br />
darauf schaut, dann werden wir die Herausforderungen<br />
des Klimawandels gemeinsam<br />
bewältigen. Es hängt von uns Einzelnen ab.<br />
Jede*r trägt mit seinen/ihren Entscheidungen<br />
und Handeln dazu bei.“ So setzt Engin<br />
Dogan beständig seine Schritte und lädt<br />
alle ein mitzugehen.<br />
ZUR AUTORIN<br />
JULIA WOLF, MSC<br />
Julia Wolf ist seit 2019 als Koordinatorin<br />
im GemNova Bildungspool tätig. Ihr<br />
ist es ein Anliegen ihren Beitrag für<br />
den Klimaschutz zu leisten, denn jeder<br />
Schritt zählt.<br />
Kontakt: j.wolf@gemnova.at
Virgen<br />
90<br />
tirol.denkt weiter tirol.denkt weiter 91<br />
Vorreiter in Sachen<br />
Klimaschutz<br />
GEMEINDE VIRGEN / OSTTIROL<br />
BILD: Bereits 2005<br />
installierte die Gemeinde<br />
Virgen das „Virger<br />
Mobil“, ein Fahrservice<br />
für die Bürger*innen.<br />
(© Gemeinde Virgen)<br />
DIE GEMEINDE<br />
VIRGEN LIEGT AUF<br />
1.194<br />
IM NATIONALPARK<br />
HOHE TAUERN,<br />
AM FUSSE DER<br />
VENEDIGERGRUPPE<br />
2.215<br />
EINWOHNER*INNEN<br />
m<br />
Im vergangenen Herbst wurde die Gemeinde Virgen in Osttirol bereits zum fünften Mal<br />
als „e5-Gemeinde“ mit der höchsten Auszeichnung „5e“ prämiert und erhielt das dritte<br />
Mal Gold beim „European Energy Award“. Aber Virgen ist schon länger Vorreiter in Sachen<br />
Umweltschutz und Energieeffizienz – in ganz Österreich. Von den Anfängen bis heute war es<br />
ein langer Weg, doch visionäres Denken und Einfallsreichtum machten ihn möglich.<br />
VON JAN SCHÄFER<br />
Noch bevor das „e5-Programm“ zur Förderung<br />
von Gemeinden bei ihrer Energie- und<br />
Klimapolitik ins Leben gerufen wurde, ging<br />
die Gemeinde Virgen die ersten Schritte<br />
in diese Richtung. Bereits in den 1980er<br />
Jahren begannen kreative Virger*innen in<br />
Form von Selbstbaugruppen erste thermische<br />
Solaranlagen zu errichten, was wohl<br />
auch auf die sonnenbegünstigte Lage der<br />
Gemeinde zurückzuführen ist. Um eine<br />
Grundlage und wissenschaftliche Werte<br />
für weitere Überlegungen und Planungen<br />
zu schaffen, wurde 1993 gemeinsam mit<br />
der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie<br />
und Geodynamik) eine Klimastation installiert.<br />
Ein Jahr später führte Virgen als erste<br />
Gemeinde Österreichs eine Förderung für<br />
Solaranlagen ein.<br />
„Das waren alles Vorläufe, bevor wir 1996<br />
dem Projekt ‚Energieautarke Gemeinde‘<br />
der ARGE Alp und dem Klimabündnis<br />
beitraten. Schon ein Jahr darauf bauten<br />
wir unser erstes Wasserkraftwerk am<br />
Virgerbach. Außerdem beschäftigten wir<br />
uns schon zu dieser Zeit mit dem Thema<br />
Biogasanlagen und der Frage, wie man<br />
die biogenen Abfälle der Gemeinde zur<br />
Energiegewinnung nutzen kann“, erinnert<br />
sich Virgens Bürgermeister Dietmar Ruggenthaler,<br />
der seit 1992 im Amt ist.<br />
Wenn Umweltziele auch der Gemeinschaft<br />
zugutekommen<br />
In den darauffolgenden Jahren führten die<br />
Virger*innen eine umfangreiche Energieanalyse<br />
durch. Ehrenamtlich sammelten und<br />
erhoben die Bürger*innen Daten zu jedem<br />
Haus und jedem Gebäude. Die Motivation<br />
für die rege Beteiligung war, dass jeder<br />
herausfinden wollte, wo man den „Schilling“<br />
am geschicktesten einsetzen kann, um<br />
Energie und damit auch Geld zu sparen.<br />
Letztlich führten diese Aktivitäten 1999<br />
zur Beteiligung am „e5-Programm“, das in<br />
jenem Jahr initiiert wurde. „Wenig später<br />
setzten wir uns mit der Straßenbeleuchtung<br />
auseinander, die damals noch mit<br />
Quecksilberdampflampen betrieben wurde.<br />
LED-Leuchten kamen erst langsam auf. So<br />
beschlossen wir auf Natriumdampflampen<br />
umzusteigen. Doch diese waren recht<br />
teuer. Der Gemeindevorarbeiter, Gregor<br />
Stadler, hatte die Idee, diese Leuchtmittel<br />
selbst herzustellen. Nach einigem Tüfteln<br />
und in Zusammenarbeit mit einem regionalen<br />
Elektriker entstand eine Leuchte,<br />
die wir statt der alten Lampen verwenden<br />
konnten. Das war nicht nur ein Beitrag zur<br />
Reduktion des Stromverbrauchs um gute<br />
47 %. Das Licht war für die nachtaktiven<br />
Insekten ebenfalls besser und zudem profitierte<br />
die örtliche Wertschöpfungskette<br />
davon“, erzählt Ruggenthaler. Mit diesem<br />
Projekt, das auch von der Universität Innsbruck<br />
begleitet wurde, gewann die Osttiroler<br />
Gemeinde den „Ford-Award“ und<br />
schaffte es damit auf die Titelseite des<br />
„Wall Street Journal“. Inzwischen stellt Virgen<br />
seine Straßenbeleuchtung sukzessive<br />
auf LED um.<br />
Einen weiteren Meilenstein setzte die<br />
Gemeinde mit der Biomasseförderung<br />
für private Haushalte. Ausgangspunkt war<br />
die fiktive Holzeinschlagszahl von 6.000<br />
m3/p.a. zur Erhaltung eines gesunden<br />
Waldbestands. Holzeinschlag ist wichtig,<br />
denn junge, vitale Bäume tragen zu einer<br />
besseren Schutzfunktion bei und regulieren<br />
den Wasserhaushalt des Waldes<br />
effektiver. Tatsächlich wurden aber nur ca.<br />
2.000 m3 Holz aus dem Wald geholt. Der<br />
Rest verrottete ungenutzt. Daraufhin wurde<br />
durch die Errichtung einer Hackschnitzelanlage<br />
und den Anschluss von privaten<br />
und öffentlichen Gebäuden an das entsprechende<br />
Heizwärmesystem die Nahwärmeversorgung<br />
ausgebaut. Auch diese<br />
umfangreiche Maßnahme wirkte sich<br />
positiv auf mehrere Aspekte aus: Beitrag<br />
für den Wald, Förderung der heimischen<br />
Holzwirtschaft, Reduktion von Heizöl und<br />
Kohlebriketts sowie weitere Steigerung der<br />
regionalen Wertschöpfungskette.<br />
Meilenstein Gemeindemobil Virgen<br />
Parallel dazu wurden zahlreiche öffentliche<br />
und zudem private Gebäude energetisch<br />
saniert und die Installation von<br />
Solaranlagen ausgebaut. Aber auch bei<br />
der Mobilität war Virgen aktiv und hat<br />
eine Vorreiterrolle eingenommen, wie<br />
der Virger Bürgermeister zu berichten<br />
weiß: 2005 erstellten wir eine eigene<br />
Fallstudie zum Thema „Mobilität“. Zwei<br />
Punkte standen dabei im Fokus: Die<br />
generelle Mobilität – gerade bei älteren<br />
Bürger*innen - und der Aspekt „Zweitwagen“.<br />
Aufgrund dieser Analyse entschlossen<br />
wir uns einen Fahrservice<br />
einzurichten. Wir kauften also ein Auto<br />
– damals noch einen Verbrenner, weil die<br />
E-Autos erst im Kommen waren – und<br />
das Gemeindemobil war geboren.“ Hier<br />
mussten einige rechtliche Fragen geklärt<br />
werden: gewerbliche Aspekte oder der<br />
Umgang mit dem Kraftfahrtliniengesetz<br />
– das alles war Neuland. Entsprechende<br />
praktische Lösungen wurden jedoch<br />
gefunden. 2014 stieg Virgen mit dem<br />
Gemeindemobil auf ein E-Auto um. Drei<br />
Jahre später trat die Gemeinde dem Osttiroler<br />
E-Car-Sharing „FLUGS“ bei. Auch<br />
das Thema „Radfahren“ wurde forciert.<br />
Selbstverständlich erfolgte dieser Ausbau<br />
im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherheit<br />
und aller verkehrstechnischen<br />
sowie infrastrukturellen Überlegungen.<br />
Zudem entstanden neben Ladestationen<br />
für E-Autos auch solche für E-Bikes. Um<br />
all diese Umweltthemen und -maßnahmen<br />
ins Bewusstsein der Virger*innen zu rükken,<br />
haben diverse Aktionstage, regelmäßige<br />
Bürger*innenbefragungen und auch<br />
Gesundheitsprojekte beigetragen, denn<br />
Umwelt und Gesundheit sind eng miteinander<br />
verbunden. Letztlich steigert dieses<br />
Zusammenspiel aller Maßnahmen die<br />
Lebensqualität in einer Gemeinde.<br />
Schaut man auf die Anfänge und den langen<br />
Weg der Gemeinde Virgen zurück,<br />
stellt man fest: Es braucht das Mitwirken<br />
und den Weitblick der Bürger*innen und<br />
letztlich auch vom Bürgermeister.<br />
„So etwas kann nie<br />
einer allein schaffen<br />
und es geht<br />
auch nie auf<br />
einen allein<br />
zurück.<br />
Mein persönliches Engagement ist<br />
sicherlich darauf zurückzuführen, dass<br />
ich mich schon früh mit Umweltthemen<br />
befasst und mich fortgebildet habe. Doch<br />
erst wenn man Mitstreiter*innen findet,<br />
mit denen man sich austauschen kann,<br />
kommen die Ideen, die zu Visionen werden.<br />
Und ohne die Beteiligung der Virger<br />
Bürger*innen wären diese Visionen nicht<br />
Realität geworden. Es ging dabei immer<br />
um das Zusammenspiel von Umwelt,<br />
Wirtschaft und Gemeinschaft. Es ist ein<br />
Kreislauf. Der Lohn für unsere gemeinsamen<br />
Anstrengungen sind nicht die Auszeichnungen,<br />
sondern das gute, gesunde<br />
Leben mit Respekt zur Natur in unserer<br />
Gemeinde“, zieht Bürgermeister Dietmar<br />
Ruggenthaler als Fazit.<br />
BILD: Die Gemeinde Virgen ist<br />
aufgrund der sonnigen Lage<br />
prädestiniert für die Nutzung von<br />
Sonnenenergie (© Hannes Berger)<br />
DER NAME „VIRGEN“ STAMMT<br />
AUS DEM SLAWISCHEN UND<br />
BEDEUTET<br />
sonniges<br />
Plätzchen
92<br />
tirol.bildet tirol.bildet 93<br />
ZUR AUTORIN<br />
MAG. NINA<br />
REDLICH-ZIMMER-<br />
MANN, MA ECED<br />
Nina Redlich-Zimmermann<br />
koordiniert den Fachbereich<br />
Elementarbildung im Gem-<br />
Nova Bildungspool und steht<br />
insbesondere für Fragen rund<br />
um das Thema Kinder- und<br />
Sprachenrechte zur Verfügung.<br />
Kontakt:<br />
n.redlich@gemnova.at<br />
Chancengerechtigkeit<br />
als<br />
Chance für ALLe<br />
Der Weg hin zu Bildungschancen führt über die SPRACHE –<br />
was Kinder und Familien brauchen und wie wir sie als Gemeinde<br />
in ihrem Lebensumfeld begleiten können.<br />
Es ist beachtlich zu lesen, dass in den<br />
Wahlprogrammen zu den Gemeinderatsund<br />
Bürgermeister*innenwahlen <strong>2022</strong> in<br />
Tirol vielerorts im Sinne der Chancengerechtigkeit<br />
der Fokus auf die Teilhabe,<br />
das heißt auf die Mitbestimmung und<br />
Mitgestaltung, von Kindern und Jugendlichen<br />
gelegt wurde. Darüber hinaus findet<br />
sich häufig als Zielformulierung für<br />
ein gelingendes Zusammenleben in der<br />
Gemeinde der differenzierte Blick auf die<br />
Vielfalt an Familien und deren Lebenssituationen<br />
sowie individuellen Bedürfnisse.<br />
Gemeinden beweisen damit, dass<br />
sie nicht nur als Träger von Kinderbildungs-<br />
und Betreuungseinrichtungen eine<br />
Schlüsselfunktion beim Schaffen idealer<br />
Rahmenbedingungen für das Gelingen institutioneller<br />
Bildung übernehmen, sondern<br />
als Drehscheibe auch im unmittelbaren<br />
Familien- und Lebensumfeld von<br />
Kindern und Jugendlichen bedürfnisorientierte<br />
Angebote setzen möchten, um so<br />
Bildungschancen für alle zu ermöglichen.<br />
In diesem ersten Beitrag zur dreiteiligen<br />
Reihe zum Thema Chancengerechtigkeit<br />
in der Kinderbildung und -betreuung widmen<br />
wir uns dem ersten Vielfaltsmerkmal,<br />
welches die Heterogenität in unserer heutigen<br />
Gesellschaft als Normalität kennzeichnet:<br />
Mehrsprachigkeit und kulturelle<br />
Vielfalt. Darauf basierend hat jede<br />
Gemeinde, als Lebensmittelpunkt von<br />
Familien, Kindern und Jugendlichen, bzw.<br />
jeder Gemeindeverband die Möglichkeit<br />
zu erheben und einzuschätzen, welchen<br />
Bedürfnissen und Bedarfen das Gemeindenetzwerk,<br />
bestehend aus Vereinen, Bildungsträgern<br />
sowie Sozial- und Gesundheitseinrichtungen,<br />
gerecht werden muss.<br />
Die Vielschichtigkeit an Herausforderungen<br />
im Kontext der Diversität erkennen.<br />
Eine Bürger*innenbefragung, die seitens der<br />
GemNova 2020 tirolweit durchgeführt wurde,<br />
lieferte für den umfassenden Bereich<br />
„Bildung und Betreuung“ für die Zielgruppe<br />
0-18 Jahre qualitative Daten darüber,<br />
welchen Bedarf Familien und Kinder bzw.<br />
Jugendliche aufgrund der Herausforderungen,<br />
die sich für sie im Zusammenhang mit<br />
ihrer mehrsprachigen bzw. interkulturellen<br />
Lebenssituation ergeben, haben. Außerdem<br />
konnten auf Basis einer Inhaltsanalyse<br />
damit zusammenhängende Risiken in<br />
Bezug auf Chancengerechtigkeit sichtbar<br />
gemacht werden.<br />
Was fehlt aus Sicht von Bürger*innen<br />
bzw. Familien aktuell (noch) im Bereich<br />
Bildung und Betreuung von Kindern und<br />
Jugendlichen?<br />
bewusstseinsbildung<br />
Sprachliche Teilhabe für alle<br />
Kinder und Jugendlichen<br />
Bildungsangeb0te<br />
Schnuppertage in Berufen,<br />
internat. Filmabende<br />
Sprachliche<br />
Unterstützung<br />
im Alltag<br />
Sprachbuddys,<br />
Hausübungsbetreuung<br />
F0rderung v0n<br />
Mehrsprachigkeit<br />
..<br />
Alle Erstsprachen einbinden<br />
(Bibliothek, Jugendtreff)<br />
Vorhandenes Praxiswissen aus den<br />
Gemeinden und fachliche Expertise nutzen<br />
und vernetzen. Eine regelmäßige Vernetzungsarbeit<br />
mit und unter Gemeinden<br />
bzw. Planungsverbänden schafft die Möglichkeit,<br />
unterschiedliche wirksame Praxiskonzepte<br />
im Sinne eines Wissensmarktplatzes<br />
miteinander zu teilen. Auf diese Weise<br />
kann von bereits erprobtem Erfahrungswissen<br />
profitiert und das eigene Verantwortungsbewusstsein<br />
hinsichtlich der Chancengerechtigkeit<br />
von Kindern und Jugendlichen<br />
immer wieder aufs Neue geschärft werden.<br />
Durch das Einrichten einer sozialpädagogischen<br />
Koordinationsstelle können<br />
neben dem Bündeln von vorhandener<br />
Fachexpertise und dem Durchführen<br />
von Bedarfserhebungen für den Sozialraum<br />
zielführende Handlungsstrategien<br />
zur Sicherstellung von Chancengerechtigkeit<br />
von Kindern und Jugendlichen<br />
laufend evaluiert und weiterentwickelt<br />
werden. Die folgenden Best-Practice-Ideen<br />
fokussieren die sprachliche und kulturelle<br />
Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in<br />
ihrem alltäglichen Lebensumfeld.<br />
Gelebte interkulturelle Kompetenz. Ehrenamtliche<br />
„Brückenbauer*innen“ sowie die<br />
mobile Jugendarbeit sind wertvolle Ressourcen<br />
für jede Gemeinde. Sie können niederschwellige<br />
Angebote setzen und damit<br />
Barrieren überwinden, z.B. im Aufsuchen<br />
von Familien bzw. Kindern und Jugendlichen<br />
an öffentlichen Plätzen (Spielplatz, Supermarkt,<br />
Arzt etc.) oder zuhause, wo das nötige<br />
Vertrauen, das Familien brauchen, um<br />
für Angebote in der Gemeinde zugänglich<br />
zu werden, hergestellt wird. Diese Form des<br />
Beziehungsaufbaus bildet die Grundlage<br />
einer „Willkommenskultur“.<br />
Vereinsleben als Bildungschance. Vereine<br />
sorgen mit ihren unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten für ein aktives Miteinander<br />
und können mit einer Schwerpunktsetzung<br />
im Bereich Kinder- und Jugendarbeit einen<br />
wertvollen Beitrag als interkulturelle Brückenbauer*innen<br />
sowie Sprachbuddys leisten.<br />
Egal, ob bei der Feuerwehr, im Trachtenverein,<br />
Fußballclub oder im Kinder- und<br />
Jugendchor, das Setzen sprachlicher Anreize<br />
gelingt bei jedem gemeinsamen Tun und<br />
öffnet Türen für den interkulturellen Dialog.<br />
Binnendifferenzierung bei Sprachangeboten.<br />
Ein vielfältiges, niederschwelliges<br />
Informations-, Beratungs- und Vernetzungsangebot<br />
für Familien im Rahmen der<br />
Erziehung schafft Vertrauen im Sinne einer<br />
Bildungspartnerschaft auf Augenhöhe und<br />
gibt Sicherheit, dort, wo kulturell-sprachliche<br />
Unsicherheiten vorhanden sind. So können<br />
beispielsweise auf der Homepage Informationsvideos<br />
oder Aushänge in einfacher deutscher<br />
Sprache bzw. in den vorherrschenden<br />
Erstsprachen in der Gemeinde aufbereitet<br />
werden. Auch freiwillige Helfer*innen, die<br />
als Sprachbuddys zur Verfügung stehen,<br />
können die Integration von Menschen mit<br />
anderen Herkunftssprachen durch sprachliche<br />
Unterstützung im Alltag mitgestalten<br />
(z.B.: Begleitung von Erwachsenen bei Amtswegen,<br />
Wohnungssuche etc.).<br />
Bewusstseinsbildung im Sinne der<br />
Chancengerechtigkeit von Kindern und<br />
Jugendlichen. Die Gemeinde übernimmt<br />
als Schnittstelle aller Bildungs- und Kulturträger<br />
eine wichtige Vorbildfunktion, wenn<br />
sie kontinuierliche Sensibilisierungsarbeit<br />
leistet, mit dem Ziel, dass Bildung und<br />
Betreuung von Kindern und Jugendlichen<br />
von allen Mitgestalter*innen innerhalb<br />
einer Gemeinde als verbindlicher Auftrag<br />
wahrgenommen wird. Das Thema<br />
Sprachbildung und Mehrsprachigkeit ist<br />
nicht ausschließlich im Kindergarten bzw.<br />
in der Schule zu verorten, sondern wird<br />
von allen, die mit Kindern und Jugendlichen<br />
arbeiten, als Förderauftrag alltagsintegriert<br />
mitgedacht.<br />
Bildungsübergänge gemeinsam gestalten.<br />
Die bundesweit gesetzlichen sprachdiagnostischen<br />
Testungen am Übergang vom<br />
Kindergarten in die Volksschule schaffen<br />
bei Familien und Kindern mit anderen Erstsprachen<br />
häufig Verunsicherung oder verursachen<br />
sogar massive Ängste vor der<br />
Einschulung. Elementarpädagog*innen<br />
und Lehrpersonen haben die Möglichkeit,<br />
den Bildungsweg von Kindern abseits der<br />
Testverfahren mit pädagogischem Fingerspitzengefühl<br />
und im engen Austausch mit<br />
Familien so zu gestalten, dass der Fokus<br />
auf die sprachlichen Ressourcen und Entwicklungspotenziale<br />
von Kindern gewahrt<br />
bleibt bzw. diese maximal genutzt werden.
94<br />
tirol.bildet tirol.bildet 95<br />
Vor mittlerweile sechs Jahren wurde der GemNova Bildungspool im Auftrag<br />
des Landes Tirol gegründet. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen,<br />
sich im Detail anzusehen, welch vielfältige Bereiche dort täglich abgedeckt<br />
werden – von Menschen aller Altersgruppen, die aus insgesamt<br />
31 verschiedenen Staaten unserer Erde kommen.<br />
Die grundsätzliche Ausgangslage ist heute<br />
noch die gleiche wie im Jahre 2016.<br />
„Wir verstehen uns vor allem als eine<br />
kompetente Serviceeinrichtung, als jene,<br />
welche die Tiroler Gemeinden bei der<br />
Freizeit- und Ferienbetreuung sowie der<br />
Schulassistenz professionell unterstützen.<br />
Unser gesamtes Team umfasst rund<br />
500 Kolleg*innen, alle sind hochmotiviert<br />
und freuen sich jeden Tag darauf, an den<br />
Pflichtschulen unterstützend und gestaltend<br />
tätig zu sein“, so Manuel Rott vom<br />
GemNova Bildungspool.<br />
Unser Fokus dabei: den Tiroler Pflichtschulen<br />
die entsprechende Anzahl<br />
von Freizeitpädagog*innen und<br />
Schulassistent*innen zur Verfügung zu<br />
stellen. Noch konkreter: Der Bildungspool<br />
übernimmt im Auftrag der Gemeinden<br />
an den Pflichtschulen die Organisation,<br />
Koordination und Durchführung ebendieser<br />
Freizeitbetreuung und Schulassistenz.<br />
Außerdem wird in der Freizeitbetreuung die<br />
Förderabwicklung mit Bund und Land übernommen<br />
und so der administrative Aufwand<br />
für die Gemeinden spürbar reduziert.<br />
RECHTS: Sind Teil des Teams (hinten v.l.n.r.):<br />
Manuel Scheiber, Kathrin Malina, Marlene Froidl,<br />
Marisa Warum, Stephen Neill, Mario Kreutzer und<br />
(vorne v.l.n.r.) Katharina Lentz, Julia Wolf, Mai Nguyen-<br />
Feichtner und Kim Victoria Wegener (© GemNova)<br />
Kunterbunte<br />
expertise<br />
Dynamisch. Engagiert. International.<br />
Was beim großen Team des Bildungspool<br />
gleich ins Auge springt, ist zum einen die<br />
jugendliche Frische und Begeisterung.<br />
„Innerhalb der GemNova nimmt der Bildungspool<br />
einen ganz besonderen Stellenwert<br />
ein“, so GemNova Gründer und<br />
Geschäftsführer Alois Rathgeb. „Das ist<br />
ein dynamisches, engagiertes Team von<br />
Expert*innen. Alle sind mit großer Begeisterung<br />
dabei, man sieht förmlich das<br />
Lachen in ihren Augen.“ Zum anderen ist<br />
da auch noch die Internationalität. Unsere<br />
Kolleg*innen kommen aus insgesamt 31<br />
verschiedenen Staaten der Welt. Von A<br />
wie Ägypten oder Albanien über C wie<br />
Chile, I wie Iran oder Irland, L wie Lettland<br />
oder Luxemburg, M wie Mexiko, S<br />
wie Syrien bis hin zu U wie Ukraine oder<br />
Ungarn. Um nur zwölf der insgesamt 31<br />
Länder zu nennen. Und jeder einzelne<br />
Bildungspool-Mensch bringt damit auch<br />
seine eigene Geschichte, seine eigene<br />
Kultur, seine eigene Persönlichkeit mit.<br />
Rathgeb: „Das ist ein ungeheurer Erfahrungsschatz,<br />
den wir natürlich gerne den<br />
Gemeinden zur Verfügung stellen. Die<br />
Welt ist bunt. Diese Vielfältigkeit bilden<br />
wir im Bildungspool in jeder Hinsicht ab.<br />
Das ist eine weitere ganz große Stärke<br />
von uns.“<br />
Junge Menschen, so wird gesagt, haben<br />
noch viel Feuer in ihren Herzen, sind mit<br />
großer Begeisterung bei ihrer Arbeit,<br />
wollen ein Stück weit auch die Welt verändern.<br />
In Verbindung mit den älteren<br />
Kolleg*innen, die ein gerütteltes Maß an<br />
Erfahrung und Lebensweisheit mitbringen,<br />
ist dies die optimale Kombination. Oder,<br />
um nochmals Manuel Rott zu Wort kommen<br />
zu lassen:<br />
„Wir vom Bildungspool möchten<br />
einen wertvollen Beitrag für<br />
die Gesellschaft leisten, insbesondere<br />
im Kindergarten und<br />
Pflichtschulbereich.“<br />
Dafür brennen wir, darum versuchen wir<br />
Tag für Tag unsere zentralen Werte wie<br />
Wertschätzung, Vertrauen und Verantwortung<br />
mit den Kindern zu teilen.<br />
Wertschätzung<br />
Wie wichtig ein wertschätzender Umgang<br />
ist, zeigt sich unter anderem in der<br />
Schulassistenz. Hier unterstützen die<br />
Schulassistent*innen des Bildungspools<br />
jene Schüler*innen, die mit physischen<br />
oder psychischen Beeinträchtigungen<br />
durchs Leben gehen müssen. Natürlich ist<br />
das eine herausfordernde Aufgabe, aber<br />
man bekommt sehr viel ganz direkt zurück.<br />
Je nach Bedürfnis des Kindes oder eventuell<br />
auftretender gesundheitlicher Probleme<br />
braucht es oftmals auch spezielle ärztliche<br />
Unterweisungen.<br />
Für den Präsidenten des Tiroler Gemeindeverbandes<br />
Ernst Schöpf steht freilich noch<br />
ein anderer Punkt weit oben: der laufende<br />
Ausbau des guten Dienstleistungs- und<br />
Serviceangebots in den Gemeinden. Die<br />
Bürger*innen würden sich dies zu Recht<br />
von ihrer Gemeinde erwarten, so Schöpf.<br />
Zu diesem Angebot zählen selbstverständlich<br />
auch die Freizeitbetreuung und Schulassistenz<br />
sowie die Sprachberatung in<br />
den Kindergärten. „Dabei geht es auch um<br />
Familienfreundlichkeit, um die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf. Die Fachleute<br />
des GemNova Bildungspools unterstützen<br />
uns Bürgermeister*innen dabei. Wir sollten<br />
dieses Angebot annehmen und gemeinsam<br />
die Zukunft unserer Kinder mitgestalten“,<br />
so Schöpf.<br />
Stimmen aus<br />
den Gemeinden<br />
„Seit Herbst 2019 gibt es bei uns in Neustift die schulische<br />
Tagesbetreuung. Die Freizeitbetreuung wird seither personell<br />
von der GemNova abgedeckt. Früher, als es bei uns<br />
noch einen Hort gab, waren die Freizeitpädagog*innen direkt<br />
bei der Gemeinde angestellt. Für den Betreuungswechsel<br />
hat man sich aber bewusst entschieden, um auch im Falle<br />
von Krankenständen auf einen größeren ‚Vertretungs-Pool‘<br />
zurückgreifen zu können. Die für die Planung verantwortlichen<br />
Mitarbeiter*innen bei der GemNova sind auch tatsächlich<br />
immer bemüht, personelle Ausfälle nach Möglichkeit zu kompensieren<br />
bzw. nachzubesetzen, auch wenn das in Pandemiezeiten<br />
nicht immer ganz einfach ist. Die Kommunikation<br />
zwischen den Ansprechpartner*innen des Bildungspools und<br />
uns Schulleiter*innen funktioniert jedenfalls ausgezeichnet!“<br />
RAIMUND LEITNER,<br />
SCHULLEITUNG VOLKSSCHULE NEUSTIFT IM STUBAI<br />
„Die Zusammenarbeit mit der für uns zuständigen Mitarbeiterin<br />
in der GemNova ist ausgezeichnet, wir sind im regelmäßigen<br />
Austausch. Ich bin über das GemNova Springersystem<br />
sehr froh. Krankenstandsvertretungen sind dadurch für uns<br />
kein Problem, da bis jetzt im Bedarfsfall immer ein Ersatz<br />
möglich war. Ich möchte mich für die sehr gute Zusammenarbeit<br />
einfach bedanken.“<br />
ROSWITHA SAUGSPIER,<br />
SCHULLEITUNG HANS HENZINGER<br />
SCHULE IN KUFSTEIN<br />
„Wir haben im Sommer 2019 Neuland betreten und erstmals<br />
eine Ferienbetreuung angeboten. Das Interesse war enorm,<br />
sechs Wochen lang wurden rund 30 Kinder im Alter von<br />
sechs bis zehn Jahren intensiv betreut. Und das den ganzen<br />
Tag über – Mittagessen inklusive. Alleine hätten wir das als<br />
Gemeinde nicht geschafft. Das gesamtpädagogische Konzept<br />
der GemNova war einfach hervorragend.“<br />
HANSJÖRG PEER,<br />
BÜRGERMEISTER MUTTERS<br />
K0ntakt<br />
bildungspool@gemnova.at
96<br />
GemNova.Menschen GemNova.Menschen 97<br />
я зараз тут *<br />
BILD: Oksana Duda vor<br />
dem Hauptbahnhof in<br />
Innsbruck. Im Alter von 22<br />
Jahren kam sie nach Tirol,<br />
mittlerweile ist sie hier<br />
verheiratet und fühlt sich<br />
zu Hause. (© GemNova)<br />
„Guten Morgen, ich bin jetzt da.“ Vor einiger Zeit schon haben wir dieses Treffen vereinbart, jetzt steht<br />
Oksana pünktlich um neun Uhr morgens vor der Türe, wartet auf mich. Was für ein offenes, freundliches,<br />
sympathisches Gesicht. Lachende Augen. Oksana Duda ist 26 Jahre jung, stammt aus der Ukraine und ist<br />
bereit, mir ihre Geschichte zu erzählen.<br />
VON REINHOLD OBLAK<br />
Lemberg. Kennen Sie Lemberg? Ja, die<br />
seinerzeitige Hauptstadt Galiziens, die<br />
viertgrößte Stadt der Habsburgermonarchie,<br />
weniger als 800 Kilometer östlich von<br />
Wien gelegen. Wo an den Schulen Deutsch<br />
unterrichtet und gesprochen wurde, wo<br />
viele „österreichische“ Beamtinnen und<br />
Beamte ihren Dienst versahen. Jene Stadt<br />
also, die über eine der größten jüdischen<br />
Gemeinden in der Monarchie verfügte.<br />
Ende des 19. Jahrhunderts, um nur ein<br />
Beispiel zu nennen, gab es in Lemberg<br />
14 Synagogen und 80 Bethäuser. Kurz vor<br />
dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges<br />
lebten dort rund 110.000 Jüdinnen und<br />
Juden. Dann kam die Shoah, der Holocaust<br />
. . .<br />
„Lemberg war für mich immer die schönste<br />
Stadt der Welt, die Familie meines Opas<br />
kommt von dort. Mein Opa hat in der Schule<br />
noch Deutsch gelernt. Auch ich selbst<br />
war immer wieder dort, das letzte Mal erst<br />
im vergangenen Sommer.“ Oksana‘s Augen<br />
strahlen, wenn sie von Lemberg erzählt.<br />
Heute heißt Lemberg freilich Lwiw, ist die<br />
siebtgrößte Stadt der Ukraine und rund 150<br />
Kilometer von Luzk entfernt, jener Stadt im<br />
Westen der Ukraine, in der Oksana geboren<br />
wurde und aufgewachsen ist. „Hier in<br />
Tirol kennt natürlich niemand Luzk, obwohl<br />
Luzk fast doppelt so viele Einwohner wie<br />
Innsbruck hat.“ Gut, die wenigsten wissen<br />
wohl auch, dass die Ukraine nach Russland<br />
der flächenmäßig größte Staat Europas ist.<br />
* ist kyrillisch und bedeutet<br />
vom Ukrainischen<br />
ins Deutsche übersetzt "Ich<br />
bin jetzt da." Mit diesen<br />
Worten begrüßte mich Oksana<br />
um neun Uhr morgens<br />
lächelnd in Innsbruck.<br />
Ins Zentrum der Ukraine<br />
Aufgewachsen ist Oksana in einer Akademikerfamilie,<br />
der Vater hat Geschichte, die<br />
Mutter Steuerrecht studiert. Bildung war<br />
in der Familie Duda sehr wichtig, somit<br />
auch Fremdsprachen, Kultur, andere Sichtweisen.<br />
„Mit dem Englischen hab ich mich<br />
immer recht schwer getan, aber Deutsch<br />
kannte ich ja schon etwas über meinen<br />
Opa. Nachdem meine Eltern beide gearbeitet<br />
haben, bin ich mit 14 ins Internat<br />
gekommen. Dort hat mir eine Lehrerin die<br />
Leidenschaft für die deutsche Sprache vermittelt.<br />
Ich habe acht Stunden die Woche<br />
Deutsch gelernt, in dieser Sprache auch<br />
maturiert.“ Während der Internatszeit gab<br />
es einen dreitägigen Schulausflug nach<br />
Wien. Natürlich nur für jene, deren Eltern<br />
sich dies auch finanziell leisten konnten.<br />
Oksana gehörte zu den Privilegierten,<br />
konnte mitfahren. „Wien hat mich sofort<br />
an Lemberg erinnert. Alles war so sauber,<br />
ganz viel Licht, die schönen Häuser,<br />
die gepflegten Straßen, die ganze Atmosphäre.“<br />
Nach der Matura zieht Oksana<br />
ins Zentrum der Ukraine, nach Kiew, 400<br />
Kilometer östlich von Luzk, um dort Germanistik<br />
und Lehramt Deutsch zu studieren.<br />
„Ich hab in einem Studentenwohnheim<br />
gewohnt, mich unglaublich wohl gefühlt<br />
und bin eigentlich nur einmal im Jahr nach<br />
Hause gefahren. Das war für mich schon<br />
eine sehr beeindruckende Zeit.“ Vier Jahre<br />
später schließt sie ihr Studium in Kiew ab<br />
und . . . begibt sich auf eine große Reise.<br />
Ins Herz der Alpen<br />
Knapp 2.000 Kilometer liegen zwischen<br />
Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, und Innsbruck,<br />
dem Herz der Alpen – und noch viel<br />
mehr kulturelle, soziale, politische Unterschiede.<br />
„Mit 22 bin ich nach Innsbruck<br />
gekommen, als Au pair Mädchen. Ich hab<br />
bei einer Familie in der Templstraße auf<br />
ihren kleinen Sohn aufgepasst. Insgesamt<br />
drei Jahre lang. Ich wollte einfach noch<br />
besser Deutsch lernen, eine andere Welt<br />
kennenlernen.“ Womit Oksana freilich nicht<br />
gerechnet hat, war der Tiroler Dialekt. „Das<br />
kann ja nicht Deutsch sein, hab ich mir<br />
zuerst gedacht. Und als Zweites: Welche<br />
Sprache hab ich denn in Kiew eigentlich<br />
studiert? War das wirklich Deutsch? Am<br />
Anfang hab ich etwa überhaupt nicht verstanden,<br />
was man mir eigentlich sagen<br />
will. Zum Glück hab ich mich dann recht<br />
schnell an das Tiroler Deutsch gewöhnt.<br />
Als weitere Fremdsprache sozusagen.“<br />
Die Gastfamilie war überaus nett, zeigte<br />
der jungen Ukrainerin die Sehenswürdigkeiten<br />
der Stadt, des Landes. „Vom Goldenen<br />
Dachl war ich fast etwas enttäuscht, ich<br />
hab es mir viel, viel, viel größer vorgestellt.<br />
Dafür war ich von den Bergen begeistert.<br />
Was für eine gewaltige Landschaft! In der<br />
Ukraine ist der höchste Berg ja gerade mal<br />
zweitausend Meter hoch. Und die Menschen<br />
hier haben viel mehr gelächelt als in<br />
der Ukraine. Das hat mir sofort sehr gefallen.“<br />
Um ihr Deutsch weiter zu perfektionieren,<br />
beginnt Oksana in dieser Zeit ein<br />
zusätzliches Studium der Germanistik an<br />
der Uni Innsbruck. „Ich hab´s aber noch<br />
nicht abgeschlossen“, räumt sie gleich mit<br />
einem schelmischen Augenzwinkern ein.<br />
Am Fuße des Patscherkofels<br />
Das Leben in Tirol gefällt Oksana – die<br />
Pünktlichkeit des öffentlichen Verkehrs, die<br />
gute Infrastruktur, die Berge. „Und es gibt<br />
hier keine Korruption.“ Sie zieht in ein Studentenheim<br />
in Hall, belegt zusätzlich einen<br />
Lehrgang für Freizeitpädagogik. „Ich hab<br />
so viele junge Leute kennengelernt, auch<br />
meinen Freund Philipp. Er ist Tiroler, hat<br />
ebenfalls Germanistik studiert.“ Im Vorjahr<br />
zieht sie dann zu ihm, nach Vill, an den Fuß<br />
des Patscherkofels. „Ich konnte mir früher<br />
überhaupt nicht vorstellen, in so einem<br />
kleinen Dorf zu wohnen. Aber es ist so<br />
wunderschön ruhig, überhaupt nicht fad,<br />
das ist eben Lebensqualität.“<br />
Auf Facebook sieht Oksana dann für sich<br />
eine Jobmöglichkeit: Freizeitpädagogin bei<br />
der GemNova, einem Unternehmen, welches<br />
Menschen aus 31 verschiedenen Nationen<br />
beschäftigt. Sie bewirbt sich, führt<br />
einige Gespräche und wird angestellt. Seit<br />
einem knappen Jahr ist sie nun halbtägig<br />
als Freizeitpädagogin an der Volksschule<br />
in Gries am Brenner tätig, unternimmt mit<br />
einer kleinen Gruppe von drei bis sechs<br />
Kindern die unterschiedlichsten Aktivitäten.<br />
Nachdem sie keinen Führerschein besitzt,<br />
erfolgt die tägliche Anreise von Vill nach<br />
Gries – und zurück – mit öffentlichen Verkehrsmitteln.<br />
Durchaus eine persönliche<br />
Herausforderung, wie sie lächelnd verrät.<br />
Um gleich danach die Begründung nachzureichen.<br />
„Eigentlich bin ich ein bisschen tollpatschig.<br />
Es kann schon passieren, dass ich<br />
in den falschen Zug, in den falschen Bus<br />
einsteige oder dass ich zu einem Termin<br />
am falschen Tag komme. Im Vorjahr wollte<br />
ich etwa mit dem Zug von Innsbruck<br />
nach Wien fahren, um von dort in die Ukraine<br />
zu fliegen. Aufgrund des Hochwassers<br />
war Kufstein überschwemmt, der Zug fuhr<br />
nicht. Ich hab mir also ein Taxi von Innsbruck<br />
nach Salzburg bestellt – das war<br />
um drei Uhr in der Früh gar nicht so einfach<br />
– um dann dort in den Zug einsteigen<br />
zu können. Ich hab dafür 400 € bezahlt,<br />
aber ich wollte eben unbedingt mal wieder<br />
meine Eltern sehen. Seitdem benutze ich<br />
allerdings kein Taxi mehr. Ich kann es mir<br />
einfach nicht mehr leisten.“<br />
„Schlafes Bruder“<br />
Mittlerweile ist Oksana mit Haut und Haaren<br />
in Tirol angekommen, spricht auch<br />
den hiesigen Dialekt. Und sie liest sehr<br />
gerne, sehr viel. Ihr bisher letztes Buch<br />
war „Schlafes Bruder“ vom Vorarlberger<br />
Robert Schneider, ein fürwahr beeindruckender,<br />
höchst erfolgreicher Roman, der<br />
in 36 Sprachen übersetzt wurde. „Ich hab<br />
das Buch natürlich auf Deutsch gelesen.<br />
Aber so ganz einfach war das nicht, weil<br />
Schneider immer wieder vorarlbergische<br />
Dialektworte verwendet hat. Und die hab<br />
ich doch nicht alle sofort verstanden.“ Na<br />
ja, mit dem Vorarlbergischen hätten wohl<br />
auch andere Menschen außerhalb des<br />
Ländles ihre Schwierigkeiten.<br />
Wo sich Oksana Duda in zehn Jahren<br />
sieht? „Ich möchte in Tirol bleiben, die<br />
Ukraine ist mittlerweile mein zweites Heimatland<br />
geworden. Hier in Innsbruck gibt<br />
es eine ukrainische Gemeinde, rund 100<br />
Leute. Viele wandern aus der Ukraine aus,<br />
weil dort die Lebensverhältnisse, auch die<br />
Freiheiten, ganz andere sind. Seit 2014<br />
gibt es im Osten der Ukraine außerdem<br />
Krieg, viele Tote, die Krim ist von Russland<br />
besetzt. Ich hätte außerdem gerne mehr<br />
Stunden als Freizeitpädagogin, ich möchte<br />
mehr arbeiten.“ Kurze Nachdenkpause.<br />
„Vor kurzem haben Philipp und ich ja geheiratet.<br />
Da wird es wohl nicht mehr zehn Jahre<br />
dauern, bis wir auch Eltern werden.“<br />
Dieser Artikel wurde vor dem<br />
Einmarsch Russlands in die<br />
Ukraine verfasst. Auf die<br />
aktuelle Situation wird darum<br />
kein Bezug genommen.
98<br />
99<br />
IMPRESSUM:<br />
Wir<br />
bleiben wir<br />
selbst.<br />
Wir sind davon überzeugt, dass Menschen selbstbestimmt handeln können. Wir erwarten von allen<br />
Kolleg*innen, dass sie Verantwortung übernehmen und ihr Tun darauf ausrichten, einen gesellschaftlichen<br />
Beitrag zu leisten. Wir sind alle gleich, wir unterscheiden nicht nach Funktion und<br />
Verantwortlichkeit und begegnen allen mit Wertschätzung. Wir lieben und leben Vielfalt in all ihren<br />
Farben und bleiben bei unserem Handeln authentisch. Jede Person, die diese Grundsätze mitträgt,<br />
kann innerhalb unseres Rahmens mitgestalten, sich einbringen, eigenverantwortlich und eigenorganisiert<br />
handeln und dabei individuelle Wege wählen.<br />
WIR ALLE SIND GEMEINDE.<br />
Wir<br />
vertrauen<br />
einander.<br />
Herausgeber, Medieninhaber<br />
und Verleger: GemNova Dienstleistungs<br />
GmbH | Adamgasse 7a,<br />
A-6020 Innsbruck, office@gemnova.<br />
at, +43 (0) 50 4711, www.gemnova.<br />
at, © <strong>2022</strong>. Herstellung und Druck:<br />
Alpina Druck GmbH, www.alpinadruck.com.<br />
Auflage: 11.000 Stück.<br />
Anzeigenverkauf: Mag. Bernhard<br />
Müssiggang, www.bmw-agentur.at.<br />
Konzept & Gestaltung: Mitspieler<br />
– Kommunikation & Gestaltung,<br />
www.mitspieler.at. Textkorrekturen:<br />
Natalie Nagl, MA. Redaktionsschluss:<br />
07.03.<strong>2022</strong>. Mit „Entgeltliche<br />
Einschaltung“ gekennzeichnete<br />
Artikel sind bezahlte Informationenund<br />
fallen nicht in die Verantwortlichkeit<br />
der Redaktion.
100<br />
PROJEKT: OFFICE FIBY<br />
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