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Pirouette No. 04/2022 April

WM Montpellier 2022 Wegen der Corona-Lockerungen in Südfrankreich konnte die WM in Montpellier nicht nur planmäßig, sondern sogar mit bis zu 8.000 Zuschauern stattfinden. Sehr viele Läufer freuten sich über ein begeisterungsfähiges und lebhaftes Publikum, das sie schon zwei Jahre lang nicht mehr erlebt hatten. Bei den nacholympischen WM fehlen alle vier Jahre einige Spitzenläufer von den Olympischen Spielen. Für Montpellier sagte Yuzuru Hanyu ab, weil er seine Knöchelverletzung ausheilte. Nathan Chen blieb wegen einer Hüftverletzung fern. Außerdem fehlten natürlich die russischen Läufer. Topthema: · Weltmeisterschaften Montpellier 2022 Weiteres aus dem Inhalt: · Interview: Nazarova & Nikitin · Interview: Aljona Savchenko · Interview: Loena Hendrickx · Deutsche Synchron-Meisterschaften · ISU-Sperre für Russland - Pro und Contra · ISU-Regeländerungen: Altersgrenzen-Erhöhung Pro und Contra · WM: Papadakis/Cizeron erneut überragend, Sakamoto vor Loena Hendrickx, Shoma Uno endlich Erster, Zhou und Pulkinen stehen für US-Motivation, Knierim/Frazier Weltmeister · Weitere Wettbewerbe: Frühlings-Cup in Luxemburg, Tallink Hotels Cup, Heiß auf Eis Pokal in Ilmenau · Junioren-WM Synchron: Fintastic verteidigen Titel · Deutschlandpokal · Olympisches Jugendfestival · Channel 1 Pokal: Teamwettbewerb in Saransk · Schweizer Meister der unteren Kategorien - Eine Fotoseite · Neues aus Japan · Eislaufgeschichte: Ellen Brockhöft - Protagonistin eines neuen Frauenbildes · Neues aus aller Welt Titelbild: Die Silbermedaille von Loena Hendrickx war eine positive Überraschung und die erste für eine Einzelläuferin in der Geschichte des belgischen Verbandes. Nach den Olympischen Spielen hatte sie sich eine Leistenzerrung zugezogen und konnte nur eingeschränkt trainieren, aber sie war motiviert und schaffte eine Spitzenleistung. Foto: Hella Höppner Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-4-april-2022.html (Erscheinungstermin 13.4.2022)

WM Montpellier 2022

Wegen der Corona-Lockerungen in Südfrankreich konnte die WM in Montpellier nicht nur planmäßig, sondern sogar mit bis zu 8.000 Zuschauern stattfinden. Sehr viele Läufer freuten sich über ein begeisterungsfähiges und lebhaftes Publikum, das sie schon zwei Jahre lang nicht mehr erlebt hatten. Bei den nacholympischen WM fehlen alle vier Jahre einige Spitzenläufer von den Olympischen Spielen. Für Montpellier sagte Yuzuru Hanyu ab, weil er seine Knöchelverletzung ausheilte. Nathan Chen blieb wegen einer Hüftverletzung fern. Außerdem fehlten natürlich die russischen Läufer.

Topthema:
· Weltmeisterschaften Montpellier 2022

Weiteres aus dem Inhalt:
· Interview: Nazarova & Nikitin
· Interview: Aljona Savchenko
· Interview: Loena Hendrickx
· Deutsche Synchron-Meisterschaften
· ISU-Sperre für Russland - Pro und Contra
· ISU-Regeländerungen: Altersgrenzen-Erhöhung Pro und Contra
· WM: Papadakis/Cizeron erneut überragend, Sakamoto vor Loena Hendrickx, Shoma Uno endlich Erster, Zhou und Pulkinen stehen für US-Motivation, Knierim/Frazier Weltmeister
· Weitere Wettbewerbe: Frühlings-Cup in Luxemburg, Tallink Hotels Cup, Heiß auf Eis Pokal in Ilmenau
· Junioren-WM Synchron: Fintastic verteidigen Titel
· Deutschlandpokal
· Olympisches Jugendfestival
· Channel 1 Pokal: Teamwettbewerb in Saransk
· Schweizer Meister der unteren Kategorien - Eine Fotoseite
· Neues aus Japan
· Eislaufgeschichte: Ellen Brockhöft - Protagonistin eines neuen Frauenbildes
· Neues aus aller Welt

Titelbild:
Die Silbermedaille von Loena Hendrickx war eine positive Überraschung und die erste für eine Einzelläuferin in der Geschichte des belgischen Verbandes. Nach den Olympischen Spielen hatte sie sich eine Leistenzerrung zugezogen und konnte nur eingeschränkt trainieren, aber sie war motiviert und schaffte eine Spitzenleistung.
Foto: Hella Höppner

Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-4-april-2022.html (Erscheinungstermin 13.4.2022)

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<strong>Pirouette</strong><br />

Nr. 4 | <strong>April</strong> <strong>2022</strong><br />

Internationales Eiskunstlauf-Magazin | 55. Jahrgang | www.pirouette-online.de<br />

Loena Hendrickx


WM-Kür<br />

Nicole Schott konnte sich trotz erneuter<br />

vieler Corona-Infektionen in Oberstdorf<br />

schützen und gut auf die WM vorbereiten.<br />

Sie kam auf Rang zehn. Damit kann die<br />

DEU bei der nächsten WM in Japan zwei<br />

Frauen nominieren.<br />

Foto: Hella Höppner


Impressum<br />

Verlags- und Redaktionsanschrift:<br />

STS·Verlag+Werbung<br />

Stefan Schulze<br />

Am Stutz 14<br />

97993 Creglingen<br />

Fon 07933-700-191<br />

Fax 07933-700-192<br />

E-Mail: info@pirouette-online.de<br />

3<br />

Inhalt & Termine<br />

Webshop: www.pirouette-online.de<br />

Google Play: https://play.google.com/store/apps/<br />

details?id=de.pirouette.android<br />

App Store: https://apps.apple.com/us/app/<br />

pirouette-magazin/id1553450950<br />

Verlagsleitung: Stefan Schulze<br />

Chefredakteur: Klaus-Reinhold Kany<br />

Stellvertreterin: Tatjana Flade<br />

Mitarbeiter: Manuela Buyny, Albert René Kolb<br />

(Schweiz), Katrin Flaschka (Österreich), Hella Höppner<br />

Grafik: Stefan Schulze, Andreas Münch<br />

Anzeigen: Stefan Schulze<br />

Kundenbetreuung: Angelika Manicone<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Bildzuschriften haftet der Verlag nicht.<br />

Beiträge, die mit Namen oder Initialen des Verfassers<br />

gezeichnet sind, stellen nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion oder des Herausgebers dar. Für die<br />

Richtigkeit der Mitteilungen und Berichte zeichnen<br />

die Clubs verantwortlich. Zuschriften können von uns,<br />

falls kein ausdrücklicher Vor behalt gemacht wird, im<br />

Wortlaut oder aus zugs weise veröffentlicht werden.<br />

Erscheinungsweise: 10 mal im Jahr, Mai/Juni und<br />

Juli/August sind Doppelausgaben, sonst monatlich.<br />

Einzelheft (Print): 6,90 EUR zzgl. Versand<br />

Einzelheft (App Store / Google Play): 5,99 / 6,49 EUR<br />

Jahresabonnement (Print):<br />

Deutschland: 69 EUR, EU: 72 EUR inkl. Versand<br />

Probeabo (Print): 36 EUR, EU: 38 EUR inkl. Versand<br />

Bankverbindungen:<br />

GLS Gemeinschaftsbank eG<br />

IBAN DE34430609677014380800,<br />

BIC GENODEM1GLS<br />

USt.-ID DE 178391062<br />

Anzeigen: Standard-Formate zum vergünstigten<br />

Festpreis in unserer Preisliste,<br />

Download unter www.pirouette-online.de/info/<br />

anzeigenpreise<br />

Copyright für alle Beiträge bei: STS·Verlag+Werbung.<br />

Nachdruck in Wort und Bild, auch auszugsweise,<br />

nur mit schriftlicher Ge neh migung des Verlags.<br />

Gerichtsstand: Bad Mergentheim<br />

Kündigung sind bis acht Wochen vor Ablauf des<br />

Abon ne ments möglich, sonst erfolgt Verlängerung um<br />

ein weiteres Jahr. Eine Kündigung bedarf der<br />

Schriftform.<br />

Unsere vollständigen AGB sind nachzulesen unter:<br />

www.pirouette-online.de/info/<br />

allgemeine-geschaeftsbedingungen<br />

Inhalt<br />

Interview mit WM-Silbermedaillen gewinnerin Loena Hendrickx auf Seite 6, Foto: Tatjana Flade<br />

Interview: Nazarova & Nikitin 4<br />

Interview: Aljona Savchenko 4<br />

Interview: Loena Hendrickx 6<br />

Deutsche Synchron-Meisterschaften 7<br />

Neues aus aller Welt 8<br />

ISU-Sperre für Russland 10<br />

ISU-Regeländerungen11<br />

Weltmeisterschaften12<br />

Weitere Wettbewerbe 25<br />

Junioren-WM Synchron 26<br />

Deutschlandpokal28<br />

Olympisches Jugendfestival 30<br />

Channel 1 Pokal 31<br />

Schweizer Meister 32<br />

Neues aus Japan 33<br />

Eislaufgeschichte: Ellen Brockhöft 34<br />

Termine (mit großem Vorbehalt)<br />

von Mitte <strong>April</strong> bis Anfang Juni <strong>2022</strong><br />

13.<strong>04</strong>. – 17.<strong>04</strong>. Junioren-WM in Tallinn<br />

(Estland)<br />

13.<strong>04</strong>. – 17.<strong>04</strong>. Triglav Trophy in Jesenice<br />

(Slowenien)<br />

13.<strong>04</strong>. – 17.<strong>04</strong>. Ice Cup in Minsk (Teilnahme<br />

vieler Länder<br />

unwahrscheinlich)<br />

23.05. – 28.05. Erwachsenenwettbewerb in<br />

Oberstdorf<br />

06.06. – 10.06. ISU-Kongress in Phuket<br />

(Thailand)<br />

Die nächste <strong>Pirouette</strong><br />

erscheint voraussichtlich am:<br />

5. Mai <strong>2022</strong> (Digital),<br />

13. Mai <strong>2022</strong> (Print)<br />

Titelbild:<br />

Die Silbermedaille von Loena Hendrickx war<br />

eine positive Überraschung und die erste für<br />

eine Einzelläuferin in der Geschichte des<br />

belgischen Verbandes. Nach den Olympischen<br />

Spielen hatte sie sich eine Leistenzerrung<br />

zugezogen und konnte nur eingeschränkt<br />

trainieren, aber sie war motiviert<br />

und schaffte eine Spitzenleistung.<br />

Foto: Hella Höppner


4<br />

Nazarova & Nikitin<br />

Interview<br />

Foto: privat<br />

Die ukrainischen SportlerInnen haben bei der WM Millionen<br />

Menschen mit ihren emotionalen Auftritten zu Tränen gerührt.<br />

Die Eistänzer Oleksandra Nazarova (25) und Maksym<br />

Nikitin (27) stammen aus Charkiv in der Ostukraine. Sie erzählen<br />

bemerkenswert ruhig von ihren schrecklichen Erlebnissen,<br />

aber dabei ist zu spüren, dass sie es immer noch nicht<br />

wirklich glauben können, dass ein Krieg (der in Russland<br />

nicht so genannt werden darf, sondern nur als „militärische<br />

Sonderoperation“ bezeichnet wird) ihr Heimatland verwüstet.<br />

In der Eishalle von Montpellier scheint weit weg, was in<br />

der Ukraine geschieht, aber in Wahrheit ist es ganz nah.<br />

Oleksandra Nazarova & Maksym Nikitin<br />

»Wir wurden vom Lärm der Kampfjets wach«<br />

<strong>Pirouette</strong>: Wann sind Sie aus Peking von den<br />

Olympischen Spielen zurückgekehrt?<br />

Maksym: Wir sind kurz vor der Schlussfeier abgereist,<br />

haben uns ein paar Tage Urlaub genommen<br />

und wollten uns danach auf die WM vorbereiten.<br />

Wir wollten am Freitag, den 25. Februar wieder<br />

aufs Eis gehen und am 24. begann der Krieg.<br />

Oleksandra: Wir sind statt vom Wecker vom<br />

Lärm der Kampfjets wach geworden. Es war<br />

über unseren Köpfen, es fühlte sich an, als sei<br />

es direkt neben dem Ohr.<br />

Maksym: Charkiv ist nah an der Grenze zu Russland,<br />

es sind nur 40 bis<br />

50 Kilometer. Ich habe<br />

die erste Explosion nicht gehört, dann nach vier<br />

bis fünf Minuten kam die zweite. Ich wurde<br />

gleich wach, als meine Eltern anriefen und das<br />

erste, was sie sagten war ‚Das ist’s, wir werden<br />

angegriffen‘. Die ganze Zeit über hörten wir in<br />

den Nachrichten von einer Eskalation der Situation,<br />

aber niemand konnte es glauben. Wir haben<br />

unsere Dokumente, alles <strong>No</strong>twendige zusammengepackt,<br />

um es griffbereit zu haben und<br />

haben dann den Fernseher eingeschaltet, um die<br />

Nachrichten zu sehen. Der erste Tag war der<br />

schrecklichste. Am Ende konnten wir trotz der<br />

Explosionen sogar einschlafen.<br />

Oleksandra: Wir haben uns ständig geschrieben.<br />

Wir wohnen in verschiedenen Stadtteilen<br />

und fragten bei Freunden, von welcher Seite<br />

der Beschuss kommt, wer was sieht, wenn er<br />

aus dem Fenster schaut. Als wir losgefahren<br />

sind, habe ich ein Video aufgenommen, wie<br />

über mir ein Kampfjet fliegt – und du kannst<br />

nichts machen. Ich dachte zuerst, sie werden<br />

uns ein, zwei Tage lang Angst machen und<br />

dann hört es auf. Ich habe wohl jeden Tag gedacht,<br />

dass es aufhört.<br />

Maksym: Niemand konnte sich so etwas in Europa<br />

vorstellen. Es war etwas Undenkbares. Am<br />

dritten Tag begriffen es die Leute. Es gab es<br />

schlimmen Beschuss von Wohnhäusern, im<br />

Stadtzentrum. Das Nachbarhaus von Sascha<br />

(Oleksandra) wurde getroffen. Zuerst knallte es<br />

nur hier und da, aber dann stabil, Haus für<br />

Haus. Tagsüber wird am meisten geschossen.<br />

Foto: KNSB<br />

Aljona Savchenko<br />

»Das Wichtigste ist der Wille«<br />

Olympiasiegerin Aljona Savchenko (38) ist die bekannteste aus der Ukraine<br />

stammende Persönlichkeit in Deutschland und unmittelbar von den schrecklichen<br />

Ereignissen in ihrem alten Heimatland betroffen. Im <strong>Pirouette</strong>-Interview berichtet die<br />

sechsmalige Weltmeisterin auch, warum sie die neue Herausforderung als<br />

Nationaltrainerin der Niederlande angenommen hat.<br />

<strong>Pirouette</strong>: Sie leben seit 2003 in Deutschland,<br />

aber Ihre Eltern, Brüder und viele andere<br />

Verwandte sind nach wie vor in der Ukraine<br />

zuhause. Wie geht es Ihrer Familie?<br />

Aljona: Meine Eltern sind in Deutschland, mein<br />

Vater kam erst Mitte März quasi in letzter Minute<br />

raus. Er wollte nicht gehen, er wollte<br />

meine Brüder nicht zurücklassen, aber Freunde<br />

haben ihn rausgeholt. Mein Bruder Rostik ist<br />

Arzt in der Nähe von Kiev, mein anderer<br />

Bruder arbeitet ebenfalls im medizinischen<br />

Bereich. Sie können und wollen nicht gehen,<br />

denn sie wollen die Menschen dort nicht im<br />

Stich lassen. Eine Verwandte flüchtete mit drei<br />

Kindern, ich habe sie zunächst bei mir aufgenommen.<br />

Das Schlimme ist, dass du so machtlos<br />

bist. Ich habe übrigens vorher vom Krieg geträumt,<br />

dass Panzer durch Kiev rollen. Da war<br />

ich gerade zu Besuch in der Ukraine und ich<br />

habe meinen Eltern gesagt, ‚es wird etwas passieren,<br />

ihr müsst weg‘. Jetzt können wir vor Sorgen<br />

nicht mehr normal schlafen. Wir haben Verwandte<br />

in Mariupol und Umgebung, in Donezk<br />

und wir hatten den Kontakt zu ihnen verloren.<br />

Hier ist man machtlos, wie Sie gesagt haben.<br />

Aber Sie haben gehandelt, zum Beispiel Hilfsgüter<br />

gesammelt und sich der Aktion „Athletes<br />

for Ukraine“ angeschlossen.


5<br />

Oleksandra: Ich stand in einer Schlange. Die Geschäfte<br />

öffnen selten und nur für ein paar Stunden,<br />

wenn Lebensmittel angeliefert werden. Die<br />

Leute schreiben in Chatgruppen im Internet, dass<br />

ein Laden von zwölf bis zwei öffnet. Es bildet<br />

sich eine lange Schlange, alle haben Angst, wollen<br />

schnell ins Geschäft kommen. Nebenan wurde<br />

ein Gebäude bombardiert, die Fenster flogen<br />

raus, und ein Mann, der mit mir in der Schlange<br />

stand, wurde von Splittern getroffen und starb.<br />

Fünf Minuten vorher hatte meine Mutter mich<br />

neben diesem Laden abgesetzt. Sie fuhr weiter<br />

zur Arbeit über den zentralen Platz und zwei Minuten<br />

danach wurde das Stadthaus auf diesem<br />

Platz in die Luft gejagt. Sie sagte, ‚als ich die Explosion<br />

hörte, habe ich nur aufs Gas getreten‘.<br />

Wir beschreiben das alles, aber die Emotionen<br />

können wir mit Worten nicht wiedergeben.<br />

Maksym: Als wir dort waren, haben wir das alles<br />

mit eigenen Augen gesehen. Gleichzeitig ist es<br />

absurd, was verbreitet wird – dass die Ukraine<br />

das Coronavirus in Labors entwickelt hat. Und<br />

haben Sie von den Vögeln gehört? Das ist kein<br />

Fake, das sagen wirklich Generäle, offizielle Personen.<br />

Sie sagen, wir haben angegriffen, weil es<br />

in der Ukraine chemische Labore gibt, in denen<br />

Vögel infiziert werden, die nur die Russen vergiften.<br />

Sie sagen, wir bombardieren keine Wohnhäuser<br />

und nicht Charkiv, dann zeigen sie ein Video<br />

von einer Stadt, aber das ist nicht Charkiv.<br />

Ich kenne meine Stadt sehr gut! Über Odessa sagen<br />

sie, dass ukrainische Nationalisten die Metro<br />

sabotieren wollten, aber in Odessa gibt es gar<br />

keine Metro. In Mariupol habe ich Verwandte<br />

von der mütterlichen Seite. Die Stadt gibt es<br />

nicht mehr, da steht kein unversehrtes Haus<br />

mehr. Wir sprechen vor allem über Charkiv, über<br />

die Dinge, die wir selbst gesehen haben. Denn es<br />

gibt in der Tat viel Desinformation von beiden<br />

Seiten. Bei uns in Charkiv sprechen die meisten<br />

Menschen Russisch. Wir haben das ganze Leben<br />

lang, die ganze Familie, Russisch gesprochen und<br />

sie (die Russen) sagen, sie fordern, dass die russische<br />

Sprache nicht unterdrückt werden solle.<br />

Sie sagen, sie müssen uns von Nationalisten befreien.<br />

Im Westen der Ukraine sprechen die<br />

Menschen Ukrainisch, aber wir haben uns immer<br />

mit allen normal unterhalten, es gab nie Probleme.<br />

Unser Präsident hat gesagt, dass in Charkiv<br />

die große Masse russisch spricht, aber ukrainisch<br />

denkt. Das ist ein starker Satz. Jetzt kämpfen sie<br />

gegen Russisch sprechende Menschen, dahinter<br />

ist überhaupt keine Logik. Ich verstehe nicht, wie<br />

man das rechtfertigen und unterstützen kann.<br />

Sie haben lange in Moskau bei Alexander<br />

Zhulin trainiert, mit Viktoria Sinitsina und<br />

Nikita Katsalapov. Wie weh hat es getan, sie<br />

auf der Propaganda-Veranstaltung zu sehen?<br />

Oleksandra: Wir waren Freunde und haben Informationen<br />

geteilt, die man nur im engen<br />

Freunden teilt. Zuerst habe ich gedacht, dass<br />

diese Fotos manipuliert sind, dass dieses Z auf<br />

ihre Uniformen reinmontiert wurde. Aber dann<br />

sah ich ein Video. Und keiner von ihnen hat uns<br />

geschrieben oder auch nur gefragt, nicht der<br />

Trainer, niemand.<br />

Maksym: Es ist eine riesige menschliche Enttäuschung,<br />

aber dann wiederum sehen wir, wie viele<br />

Menschen uns unterstützen und Hilfe angeboten<br />

haben. Unsere Konkurrenten haben Ukraine-Anstecker<br />

getragen. Sehr viele haben uns<br />

geschrieben, von Anfang an. Wir sind jetzt in<br />

Polen. Sylwia <strong>No</strong>wak, ihr Club, sie haben uns<br />

und viele andere aufgenommen.<br />

Wie wichtig war es Ihnen, bei der WM<br />

aufzutreten?<br />

Maksym: Am 23. Februar hatten wir noch ein<br />

ganz normales Leben, bei uns fand ein Eislaufwettbewerb<br />

für Kleine statt. Und von einem Tag<br />

auf dem anderen hat sich absolut alles verändert<br />

und niemand hat das erwartet. Ich habe<br />

Angst davor, dass das weitergeht, in andere<br />

Länder. Es gibt keine Logik, und das ist das<br />

Schlimmste. Wir sind hierhergekommen, um darüber<br />

zu berichten und zu warnen und um unser<br />

ukrainisches Volk zu unterstützen. Unser Programm<br />

war ein Schrei.<br />

Oleksandra: Wir hatten nicht trainiert, waren<br />

nicht vorbereitet, wir wussten, dass wir nicht<br />

wegen der Keypoints herkamen, sondern für etwas<br />

anderes. Als wir aufs Eis gingen, wussten<br />

wir nicht, ob unsere Kräfte reichen würden, aber<br />

als die Zuschauer uns anfingen zu unterstützen,<br />

wussten wir, dass wir es schaffen.<br />

Wie geht es weiter für Sie?<br />

Oleksandra: Maksyms Auto und die Sachen, die<br />

wir mitnehmen konnten, stehen in Polen, aber<br />

was weiter sein wird, wissen wir nicht.<br />

Es ist schwer sich vorzustellen, wie Sie das<br />

alles aushalten.<br />

Oleksandra: Wir möchten nicht, dass sich irgendjemand<br />

das vorstellen und erleben muss.<br />

Wir möchten, dass es allen gut geht.<br />

Mit Oleksandra Nazarova und Maksym Nikitin<br />

sprach Tatjana Flade.<br />

•••<br />

Aljona Savchenko<br />

Interview<br />

Aljona: Ja, das ist ein gemeinnütziger Verein,<br />

initiiert vom Biathlon-Olympiasieger Jens<br />

Steinigen. Wir sammeln Spenden. Viel mehr<br />

können wir nicht tun. Wir versuchen denen zu<br />

helfen, die Hilfe brauchen. Ich möchte gerne etwas<br />

mit Kindern machen, zum Beispiel einen<br />

Bewegungskurs. Ich habe gesehen, wie traumatisiert<br />

einer meiner Neffen ist. Er ist erst neun<br />

Jahre alt.<br />

Der russische Eiskunstlauf wurde im Zuge der<br />

Sanktionen von Wettbewerben ausgeschlossen.<br />

Wie sehen Sie das?<br />

Aljona: Das ist eine schwierige Frage. Aber der<br />

Krieg ist nicht nur eine Katastrophe für russische<br />

Athleten, die jetzt nicht starten dürfen. Er<br />

ist eine Katastrophe für alle. Sport ist jetzt<br />

nicht so wichtig. Wichtiger ist das Leben der<br />

Menschen, der Kinder. Viele Menschen in Russland<br />

haben mit der Ukraine zu tun, haben dort<br />

Verwandte und Freunde, kommen selbst von<br />

dort, aber sie äußern sich nicht. Sie haben<br />

Angst um sich selbst. Das Schlimme ist der<br />

Hass, der zwischen den Menschen entsteht und<br />

der bleiben wird.<br />

Sie suchen sich beruflich eine neue Herausforderung<br />

und sind jetzt „bondscoach“ der<br />

Niederlande, also Eiskunstlauf-Nationaltrainerin,<br />

und werden im Verbandszentrum in<br />

Heerenveen arbeiten. Wie kam das zustande?<br />

Aljona: Sie haben angefragt. Ich habe lange<br />

überlegt und mich dann entschieden. Ja, es ist<br />

eine Herausforderung, aber ich schätze das Vertrauen,<br />

das die Niederländer mir entgegenbringen.<br />

Egal, wo ich arbeite, ich möchte meine Ziele<br />

bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften<br />

verfolgen und meine Erfahrungen an<br />

die Menschen weitergeben, die das wirklich<br />

wollen. Wenn also die Niederländer das unterstützen,<br />

sage ich nicht nein. Ich muss mich neu<br />

ausrichten. Die Situation ist nicht einfach,<br />

durch Corona ist viel kaputtgegangen, auch was<br />

Shows angeht.<br />

Was haben Sie als Nationaltrainerin in den<br />

Niederlanden vor?<br />

Aljona: Ich möchte den Eiskunstlauf dort bekannter<br />

machen, Talente suchen und ausbilden.<br />

Ob mir das gelingt, weiß ich nicht, aber ich will<br />

es versuchen. Die Niederlande haben es geschafft,<br />

im Short Track, Eisschnelllauf und Turnen<br />

erfolgreich zu werden, vielleicht gelingt das<br />

auch im Eiskunstlauf. Das Wichtigste ist der<br />

Wille. Ich werde mein Bestes tun und will sobald<br />

wie möglich dorthin ziehen.<br />

Ihre Tochter Amilia ist zweieinhalb Jahre alt.<br />

Wird sie bald mit dem Eislaufen anfangen?<br />

Aljona: Wenn sie es möchte, werde ich sie dabei<br />

unterstützen. Aber ich werde sie nicht gegen<br />

ihren Willen zur Eiskunstläuferin machen.<br />

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg<br />

bei den neuen Aufgaben.<br />

Mit Aljona Savchenko sprach Tatjana Flade. •••<br />

Athletes for Ukraine<br />

www.athletes-for-ukraine.org<br />

Webseite des Vereins,<br />

in dem sich Aljona<br />

Savchenko sowie andere<br />

ehemalige und aktive<br />

Spitzensportler für die<br />

Ukraine-Hilfe engagieren.


6<br />

Loena Hendrickx<br />

Loena Hendrickx<br />

»Auf dem Eis bin ich<br />

eine andere Person«<br />

Loena Hendrickx (22) hat mit Silber die<br />

erste WM-Medaille für den Einzellauf in<br />

Belgien gewonnen und die erste für ihr<br />

Land seit dem Paarlauf-Gold von 1948.<br />

In Montpellier trumpfte die von ihrem älteren<br />

Bruder Jorik trainierte EM-Vierte<br />

mit zwei sehr guten Programmen auf und<br />

feierte diesen historischen Erfolg.<br />

Interview<br />

<strong>Pirouette</strong>: Haben Sie inzwischen realisiert,<br />

was Sie geleistet haben?<br />

Loena: Ich bin ohne große Erwartungen zur WM<br />

gekommen. Ich wollte einfach nur mein Bestes<br />

geben und zwei tolle Programme laufen und das<br />

habe ich gemacht. Es fühlt sich immer noch<br />

nicht real an, wenn ich über mich die Zeile ‚Vize-Weltmeisterin‘<br />

lese, aber langsam beginne<br />

ich, es zu realisieren und dass ich es wirklich<br />

geschafft habe. Ich weiß, dass ich eine Medaille<br />

gewonnen habe, aber es fühlte sich nicht wie<br />

eine WM-Medaille an, weil ich nie gedacht<br />

habe, dass ich diese Medaille gewinne. Ich<br />

dachte nicht, dass ich dazu in der Lage bin, und<br />

jetzt ist es passiert und es ist einfach verrückt.<br />

Foto: Flade<br />

Warum dachten Sie, dass das unmöglich ist?<br />

Ich sehe mich nicht als eine der besten Eiskunstläuferinnen<br />

der Welt. Ich bin sehr streng<br />

mit mir selbst. Ich will, dass alles perfekt ist und<br />

es ist trotzdem nicht perfekt genug, das ist vielleicht<br />

der Grund. Ich hätte nie gedacht, es zu<br />

schaffen, aber jetzt bin ich super stolz auf mich<br />

und weiß, dass ich sehr hart dafür gearbeitet<br />

habe. Ich liebe es Eis zu laufen und glaube, dass<br />

ich diese Medaille wirklich verdient habe.<br />

Sie hatten keine großen Erwartungen, weil Sie<br />

sich zwei Wochen vor der WM verletzt hatten.<br />

Ich kam zu diesem Wettkampf, um ihn zu genießen<br />

und spürte keinen Druck. Bei Olympia war<br />

das anders, dort hatte ich viel Druck. Mit der<br />

Verletzung war es schwierig und ich war unsicher,<br />

ob ich zur WM kommen sollte. Ich war bei<br />

einem dreifachen Lutz etwas weit hinten, wollte<br />

noch einen Toeloop dranhängen. Dann habe ich<br />

was Komisches gemacht, habe nicht richtig eingehakt,<br />

bin gestürzt und habe die Leiste stark<br />

gezerrt. <strong>No</strong>rmalerweise kann ich bei einer Verletzung<br />

mit dem Schmerz weiter trainieren, aber<br />

das ging nicht. Ich war bei Ärzten und konnte<br />

nicht so viel trainieren. In Montpellier ließ ich es<br />

langsam angehen, damit ich im Wettkampf alles<br />

geben konnte. Wir haben das mit meinem Team<br />

gut gemanagt und smart trainiert.<br />

Der Weg zu dieser Medaille war aber nicht<br />

nur deshalb nicht einfach.<br />

Nach den Olympischen Spielen 2018 hatte ich<br />

eine sehr schwere Zeit. Ich hatte zwei Jahre<br />

lang mit Krankheiten und Verletzungen zu<br />

kämpfen, aber dadurch wurde mir klar, dass ich<br />

den Sport wirklich liebe und dass er meine Leidenschaft<br />

ist. Deswegen habe ich nie aufgegeben<br />

und wollte zurückkommen. Ich wusste<br />

nicht, wo es am Ende hingeht und ich hatte nur<br />

gehofft, dass ich wieder dasselbe Niveau errei-<br />

che. Und als ich zurückkam, wurde mein Niveau<br />

besser und ich war reifer. Ich bin stolz und<br />

glücklich, dass ich nach den zwei harten Jahren<br />

hier stehe und mich weiterentwickelt habe.<br />

Was bedeutet dieser Erfolg für den Eiskunstlauf<br />

in Belgien?<br />

Ich denke, wir werden mehr Aufmerksamkeit für<br />

den Eiskunstlauf bekommen, die Menschen werden<br />

den Sport mehr und besser kennenlernen.<br />

Vielleicht werden mehr Kinder mit dem Eislaufen<br />

anfangen, das ist etwas, was ich immer wollte.<br />

Sie haben sich in den vergangenen Jahren<br />

choreographisch sehr verbessert. Wie sehen<br />

Sie Ihre Entwicklung?<br />

Ich habe mich gesteigert, als ich diese Verletzungsprobleme<br />

hatte, denn ich konnte nicht viel<br />

springen und habe mich in dieser Zeit sehr auf<br />

Choreographie und Eislauffertigkeiten konzentriert.<br />

Ich denke, das hat mir dabei geholfen,<br />

reifer auf dem Eis zu wirken. Mein Choreograph<br />

Adam Solya ist dreimal in der Woche da, um<br />

mit mir zu arbeiten und mein Training zu beobachten.<br />

Einmal in der Woche machen wir eine<br />

komplette Sitzung, um meinem Programm Details<br />

hinzuzufügen. Bei jedem Wettkampf ist<br />

etwas anders in den Programmen, denn Adam<br />

fügt viele Dinge hinzu. Deswegen ist das Programm<br />

am Anfang der Saison nett, aber am<br />

Ende hat es den finalen Touch.<br />

Welchen Input haben Sie selbst in Ihre<br />

Programme?<br />

Alles, was ich tue, ist, was Adam mir sagt, aber<br />

wenn sich etwas unbequem anfühlt oder wenn<br />

er nach Ideen sucht, mache ich Schritte auf<br />

dem Eis und das inspiriert ihn. Wir helfen einander,<br />

aber Adam ist toll und ich denke, er ist<br />

der perfekte Choreograph für mich.<br />

Wie wählen Sie Ihre Kostüme aus?<br />

Wir machen das zusammen mit meinem Bruder<br />

und Trainer Jorik und Adam. Wir suchen uns<br />

Inspirationen auf Instagram, meistens sind es<br />

tatsächlich Ball- oder Hochzeitskleider. Mein<br />

Kürkostüm zum Beispiel ist von einem Hochzeitskleid<br />

inspiriert, es hat nur eine andere Farbe<br />

und einen anderen Rock. Es ist ein langer<br />

Prozess, bis wir etwas finden, was wir lieben.<br />

Ich schicke die Bilder dann zur Kostümdesignerin,<br />

mit Anweisungen – ich möchte den Rücken<br />

von diesem Kleid, ich möchte es mit dem Vorderteil<br />

von einem anderen Kleid kombinieren ….<br />

Ich gebe ihr so viele Details wie möglich und<br />

dann entwirft sie das Design. Beim Kürkostüm<br />

musste sie es sieben Mal entwerfen, weil es nie<br />

das war, was ich mir vorgestellt habe, und erst<br />

beim letzten Mal sagte ich sofort, ja, das ist es.<br />

Jorik hat auch viel Input, weil er ein sehr gutes<br />

Auge dafür hat.<br />

Wie beschreiben Sie Ihre Persönlichkeit?<br />

Ich bin nicht gern im Vordergrund und ich bin<br />

sehr schüchtern. Auf dem Eis bin ich eine ganz<br />

andere Person. Ich kann mich lange mit einer<br />

Person unterhalten, aber wenn ich in einer Gruppe<br />

bin, fällt es mir sehr schwer, mit Menschen<br />

zu sprechen. Aber sobald ich auf dem Eis bin,<br />

fühle ich mich frei und wirke nicht schüchtern.<br />

Was sind Ihre nächsten Pläne?<br />

Nach der WM habe ich Urlaub und kann mich<br />

ausruhen. Am liebsten fahre ich dahin, wo es<br />

warm ist, mit Strand und Meer – das ist das,<br />

was ich zum Entspannen brauche.<br />

Vielen Dank für das Interview und weiterhin<br />

viel Erfolg.<br />

Mit Loena Hendrickx sprach Tatjana Flade. •••


Endlich wieder<br />

Deutsche Meisterschaften<br />

im Synchronlaufen<br />

Endlich durften die besten Synchronteams des Landes die Schlittschuhe schnüren und<br />

ihr Können messen. Aber es kam noch besser, denn bei den Deutschen Meisterschaften<br />

im Synchroneiskunstlaufen in Neuss waren auch Teams aus dem Ausland zugelassen.<br />

Man hatte sich – wie in der <strong>Pirouette</strong> schon mehrfach angeregt – für Offene Deutsche<br />

Meisterschaften entschieden. Diese Möglichkeit wurde von insgesamt sieben Nationen<br />

genutzt, was den Wettbewerb viel interessanter machte. Sehr schön auch, dass man einen<br />

international sehr renommierten Controller in Person von Christopher Buchanan gewonnen<br />

hatte, den langjährigen Vorsitzenden des ISU-Komitees für Synchroneiskunstlaufen,<br />

und auch der Rest der Jury hochkarätig besetzt war. Technische Spezialistin war<br />

Romy Jaster, die viel Erfahrung in diesem Job mitbringt und Assistent Elmar Obermeier,<br />

der diese Funktion auch schon länger ausübt. Ein wenig schade, dass man bei den Preisrichtern<br />

diesen Weg nicht fortführte, sondern ausschließlich deutsche Preisrichter verpflichtet<br />

hatte und auch versierte Juroren wie der Hamburger Jörn Lucas oder Kirsten Tillmann<br />

aus NRW fehlten. Die Teams reisten nicht nur an, um sich zu messen, sondern viele<br />

möchten nebenbei auch ein qualifiziertes Feedback mitnehmen. Fast schon skandalös<br />

oder doch nur gestrig kann man den Umstand betrachten, dass kein komplettes Protokoll<br />

des Wettbewerbs mit den Bewertungen der einzelnen Preisrichter veröffentlicht wurde.<br />

Um mit dem Motto des Hosenbandordens zu sprechen: Ein Schelm, der Böses dabei denkt.<br />

Der Wettbewerb war, wie vom NRW Team nicht<br />

anders zu erwarten, gut organisiert. Es waren<br />

Zuschauer erlaubt, die, wenn dreimal geimpft,<br />

auf ihren Plätzen sogar die Masken abnehmen<br />

durften. Die Teams genossen es sehr, endlich<br />

wieder vor einem begeisterten Publikum zu laufen.<br />

Auch die nicht so fachkundigen Besucher<br />

konnten die Darbietungen genießen, denn das<br />

Regelwerk wurde wiederholt liebevoll vom<br />

Hallensprecher erklärt.<br />

Schon das zweite Mal holte Team Berlin 1 in<br />

dieser Saison Gold bei einem internationalen<br />

Wettbewerb und wurde gleichzeitig zum 26.<br />

Mal Deutscher Meister. Tatsächlich scheinen die<br />

Läuferinnen super in Form zu sein und das, obwohl<br />

es nicht wirklich darauf ankam, denn nominiert<br />

für die WM im kanadischen Hamilton<br />

Anfang <strong>April</strong> wurden sie aus logistischen Gründen<br />

schon einige Zeit vorher. Besonders das KP<br />

war wieder ein Feuerwerk und wirkte, als habe<br />

man es ihnen auf den Leib geschneidert. Vielleicht<br />

lag das auch daran, dass das Team intensiv<br />

mit Samuel Maxted, einem Tänzer des Friedrichstadtpalastes,<br />

gearbeitet hatte. Auch zwei<br />

Drittel der Kür war wieder begeisternd, gefühlvoll<br />

mit einer sehr gelungenen Gruppenhebung<br />

und einem sehr guten Kreuzen. Im letzten Drittel<br />

wirkte das Team aber etwas müde, was aber<br />

nach den ereignisreichen vergangenen Wochen<br />

verständlich war.<br />

Den zweiten Rang belegte das nagelneue<br />

schwedische Meisterklasseteam Inspire von Erfolgstrainerin<br />

Andrea Dohany. Die Choreografie<br />

und die Programme waren sehr gut, aber die<br />

LäuferInnen stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung.<br />

Den dritten Platz erreichte das im KP<br />

sehr unterbewertete ungarische Team Passion.<br />

Eine Läuferin stürzte zwar im KP, trotzdem war<br />

es ein schönes und rundes Programm. In der<br />

emotional sehr ergreifenden Kür war die Punktvergabe<br />

dann gerechtfertigt. Den vierten Rang<br />

belegten die Skating Graces aus Chemnitz mit<br />

zwei soliden Programmen. Die United Angels<br />

aus Stuttgart haben sich im Vergleich zu den<br />

Vorjahren sehr verbessert, was sicher auch daran<br />

liegt, dass sie nun 22 LäuferInnen haben.<br />

Hervorzuheben ist besonders die schöne Kür.<br />

Wären ihnen nicht einige kleine Fehler unterlaufen,<br />

wäre durchaus mehr drin gewesen.<br />

7<br />

Deutsche Synchron-Meisterschaften<br />

Im Bereich der ISU-Junioren waren die Skating<br />

Graces Junior die einzigen Teilnehmer und bestätigten<br />

ihre Leistungen von der Junioren-WM<br />

in Innsbruck. In der Kategorie Nachwuchs waren<br />

drei Teams angetreten, die annährend gleichwertige<br />

Leistungen zeigten. So gewann die Munich<br />

Destiny mit einem halben Punkt Vorsprung<br />

zum Team Berlin <strong>No</strong>vice, das kaum Level zuerkannt<br />

bekam. Den dritten Platz mit einem Punkt<br />

Abstand eroberte der Gast aus Frankreich, das<br />

Team Les Flammes.<br />

Team Berlin 1<br />

Foto: Kraus<br />

Bei den Junioren B (Nicht-ISU) gewann Team<br />

Berlin Junior, das in dieser Saison nicht genug<br />

LäuferInnen für ein ISU-Team zusammen bekam.<br />

Sie wirkten in der Kür zwar verbessert gegenüber<br />

ihrem letzten ISU-Jahr, konnten aber noch nicht<br />

an ihre einst so guten Leistungen anschließen<br />

und haben noch viel Arbeit vor sich. Im Bereich<br />

der Mixed Age Teams hatten drei deutsche Teams<br />

die Nase vorn und waren auch läuferisch am<br />

besten. Es siegten die Saxony Ice Pearls vor den<br />

Butterfl’Ice und dem Team New Horizons. mb


8<br />

News<br />

Bates und Radford in<br />

Athletenkommission<br />

Eistänzer Evan Bates und Paarläufer Eric Radford<br />

sind in die Athletenkommission der ISU<br />

gewählt worden. Bates kandidierte erstmals<br />

und setzte sich mit 32 zu 2 Stimmen klar gegen<br />

den zur Wiederwahl angetretenen ehemaligen<br />

belarussischen Eistänzer Juri Hulitski<br />

durch. Radford hatte keinen Gegenkandidaten<br />

und wurde daher ohne extra Wahl im Amt bestätigt.<br />

Die Wahl fand während der WM in<br />

Montpellier statt, abgestimmt wurde online.<br />

Bei der Synchron-WM sollte noch die Vertreterin<br />

für diese Disziplin gewählt werden. Die<br />

Wahlperiode beträgt vier Jahre. tat<br />

Savchenko zieht in die Niederlande<br />

Der niederländische Eissportverband gab am 14. März<br />

bekannt, dass er Olympiasiegerin Aljona Savchenko (38)<br />

als Nationaltrainerin für Eiskunstlauf engagiert hat.<br />

Arbeiten soll sie im neuen Eisschnelllaufzentrum in<br />

Heerenveen in <strong>No</strong>rd-Holland, wo die sehr erfolgreichen<br />

Eisschnellläufer trainieren, also relativ weit<br />

weg von den großen Städten der Niederlande.<br />

Damit wird sie Oberstdorf demnächst verlassen,<br />

wo sie zwar einige Läufer/innen betreute, aber nie<br />

so ganz Fuß fassen konnte (siehe Interview Seite<br />

4). Endgültig beendet ist damit auch die Idee<br />

der DEU, in Berlin ein großes Paarlaufzentrum<br />

zu installieren, nachdem der Vertag des geplanten<br />

Chefs Alexander König vor einigen<br />

Monaten gekündigt wurde.<br />

Foto: Brice Dequaire<br />

Foto: KSNB<br />

Lysiane Lauret gestorben<br />

Die französische Eislaufpreisrichterin und langjährige<br />

Funktionärin Lysiane Lauret ist wenige<br />

Monate vor ihrem 100. Geburtstag in Paris gestorben.<br />

Jahrzehntelang hat sie bei den großen<br />

Meisterschaften gewertet und galt als besondere<br />

Förderin der Geschwister Duchesnay und des<br />

damals revolutionären Laufstils. Etwa 20 Jahre<br />

lang gab es in Morzine in Hochsavoyen auch einen<br />

alljährlich ausgetragenen Eistanzwettbewerb<br />

namens Trophée Lysiane Lauret. Mehr als<br />

einmal hat sie ehemalige Eistänzer/innen motiviert,<br />

sich als Preisrichter zu engagieren, zum<br />

Beispiel die renommierte Christine Hurth aus<br />

Straßburg, und war Ehrenmitglied der ISU.<br />

Annerose Baier-Wetzel<br />

Foto: Andreas Seidel/Archiv<br />

DDR-Eistänzerin Annerose<br />

Baier gestorben<br />

Annerose Baier aus Chemnitz, verheiratet Baier-Wetzel,<br />

die mit ihrem Eistanzpartner Eberhard<br />

Rüger das erfolgreichste DDR-Eistanzpaar<br />

bildete, ist am 14. März im Alter von 75 Jahren<br />

gestorben. 1962 und zwischen 1964 und 1970<br />

wurden sie achtmal DDR-Meister und starteten<br />

sechsmal bei EM und WM. Ihre größten internationalen<br />

Erfolge waren dreimal Sieger beim<br />

Pokal der Blauen Schwerter, Platz vier bei der<br />

EM 1970 und Rang sechs bei den WM 1969<br />

und 1970. Aber anschließend mussten sie ihre<br />

Karriere beenden, weil die DDR in einer kurzsichtigen<br />

Entscheidung beschloss, nicht-olympische<br />

Sportarten nicht mehr zu fördern, obwohl<br />

sich schon damals abzeichnete, dass das<br />

Eistanzen 1976 olympisch wird. Später arbeitete<br />

Baier-Wetzel, so schrieb die Chemnitzer Tageszeitung<br />

„Freie Presse“, als Kosmetikerin.<br />

2003 kehrte sie zum Eis zurück und wirkte bis<br />

2017 als Übungsleiterin in Chemnitz.<br />

ISU suspendierte<br />

Kommentatoren<br />

Die ISU hat während der WM in Montpellier<br />

die beiden britischen TV-Kommentatoren Simon<br />

Reed und Nicky Slater fristlos entlassen. Sie<br />

hatten den Livestream der ISU für die Länder<br />

kommentiert, in denen keine Fernsehübertragungen<br />

stattfand. Nach dem Ende eines Wettbewerbs<br />

hatten die beiden vergessen, den Ton<br />

abzuschalten, während die Übertragung noch<br />

lief. Reed hatte sich dann vulgär über die kanadische<br />

Paarläuferin Meagan Duhamel geäußert,<br />

die sie zuvor wegen seiner WM-Kommentierung<br />

online bei Twitter kritisiert hatte. Slater<br />

hatte gelacht und nichts gesagt. Das genügte,<br />

um beide abzusetzen. Stattdessen wurde der<br />

Kanadier Ted Barton gebeten, ohne lange Vorbereitung<br />

einzuspringen, der seit Jahren den<br />

ISU-Livestream bei den Junioren Grand Prix<br />

kommentiert und auch anderweitig als Eislauf-<br />

Kommentator tätig ist, zum Beispiel bei den<br />

kanadischen und den russischen Meisterschaften.<br />

Die beiden Briten ebenso wie ISU-Präsident<br />

Jan Dijkema entschuldigten sich bei Duhamel,<br />

was diese auch annahm. Die ISU schrieb,<br />

für solche beleidigende Kommentare und solch<br />

vulgäres Benehmen sei kein Platz und daher<br />

würden sie nie mehr für die ISU kommentieren.<br />

Negativ wurde ihnen auch angekreidet, dass sie<br />

zuvor gesagt hatten, sie bedauerten, dass keine<br />

russischen Läufer am Start waren. Reed hatte<br />

tatsächlich vulgäre Worte gebraucht, aber Slater<br />

hatte nur gelacht und dafür erscheint eine<br />

Suspendierung eine zu harte Strafe.<br />

Keriven mit neuem Partner<br />

Die französische Paarläuferin Coline Keriven und ihr Partner<br />

<strong>No</strong>el-Antoine Pierre hatten sich nach der EM (Platz 17) getrennt.<br />

Im März wurde bekannt, dass Keriven mit dem bisher<br />

als Einzelläufer aktiven Tom Bouvart aus Annecy (16. beim<br />

Junioren Grand Prix in Riga 2019) einen neuen Partner gefunden<br />

hat. Die Teamkameraden Kovalev/Kovalev waren bei der<br />

WM auf Rang 8 gelandet, so dass Frankreich bei der nächsten<br />

WM zwei Startplätze im Paarlaufen hat.<br />

Coline Keriven und <strong>No</strong>el Antoine<br />

Pierre mit Trainerin<br />

Claude Thévenet beim Challenge<br />

Cup 2020, Foto: Kany


Calalang/Johnson getrennt<br />

Jessica Calalang (27) & Brian Johnson (26), die zusammen<br />

mit den neuen Weltmeistern Alexa Knierim & Brandon<br />

Frazier bei Jenni Meno und Todd Sand im kalifonischen Irvine<br />

trainiert haben, gaben bekannt, dass sie sich nach vier Jahren<br />

getrennt haben. Dies erscheint ziemlich kurzsichtig, denn die<br />

USA haben bei der WM drei Startplätze für 2023 geholt, so<br />

dass sie höchstwahrscheinlich bei der nächsten WM dabei<br />

gewesen wären. Aber sie haben ihr Hauptziel nicht erreicht,<br />

nämlich den Start bei den Olympischen Spielen. Im vergangenen<br />

Sommer musste Calalang monatelang pausieren<br />

und auch ihre finanzielle Unterstützung wurde eingestellt,<br />

weil sie bei den US-Meisterschaften 2021 positiv auf eine<br />

verbotene Dopingsubstanz getestet worden war. Nach<br />

intensiven Recherchen stellte sich heraus, dass der verbotene<br />

Stoff in einer Hautcreme enthalten war (die <strong>Pirouette</strong> hatte<br />

berichtet), sie also kein Mittel eingenommen hatte. Daher<br />

wurde sie freigesprochen und konnte mit ihrem Partner ab<br />

dem Frühherbst wieder trainieren. Sie waren dreimal Zweite<br />

bei den US-Meisterschaften, erster Ersatz für die Olympischen<br />

Spiele und die WM <strong>2022</strong>. Ihre größten internationalen<br />

Erfolge waren Rang 4 bei den Vier-Kontinente-Meisterschaften<br />

2020, die Plätze 1 und 2 beim Warschau Cup und Rang 5<br />

bei Skate America 2021, wo sie mit 197 Punkten auch ihre<br />

persönliche Bestleistung erreichten.<br />

Jessica Calalang und<br />

Brian Johnson bei den<br />

US-Meisterschaften 2021<br />

Foto: Ritoss<br />

9<br />

News<br />

Zeitgenössischer Tanz auf Kufen mit dem IceLab Leipzig<br />

Am 27. und 28. Mai <strong>2022</strong> findet im Heizhaus<br />

in Leipzig die Premiere eines ungewöhnlichen<br />

Tanzstückes auf Kunsteis statt.<br />

Das IceLab Leipzig präsentiert zeitgenössischen<br />

Tanz und fragt in seiner interaktiven Produktion<br />

„updating your future… ERROR“, die auch das<br />

Fahrradkino Chemnitz (das Publikum in Leipzig<br />

kann den Strom für die Aufführung erzeugen)<br />

mit einbezieht, nach der Nachhaltigkeit von Digitalisierungsprozessen.<br />

Gründerinnen des<br />

IceLab Leipzig sind Katja Grohmann (Deutsche<br />

Juniorenmeisterin 2006 und Starterin bei Junioren<br />

Grand Prix) und Vivien Reichel (Einzel- und<br />

Synchronläuferin, Choreografin der Skating Graces<br />

in Chemnitz). Wie hat es die ehemaligen<br />

Eiskunstläuferinnen mit einem eigenen Kollektiv<br />

in die Darstellende Kunst verschlagen und wie<br />

konnten sie durch einen Neustart in den letzten<br />

beiden Jahren dort Fuß fassen?<br />

Das IceLab Leipzig wurde 2020 als Projektplattform<br />

und Kollektiv für zeitgenössischen Tanz<br />

und Bewegungsrecherchen auf dem Eis gegründet.<br />

Durch neue Dynamiken, künstlerische Fragen<br />

und Bewegungsabläufe werden die Grenzen<br />

des Eiskunstlaufs aufgehoben. Der Blick richtet<br />

sich auf die ökologischen, sozialen und globalen<br />

Herausforderungen unserer Zeit. Der zeitgenössische<br />

Tanz ermöglicht es, dem Publikum eine<br />

völlig neue Perspektive des „Eis-Tanz“ zu bieten.<br />

Das erste Kollektiv, das den Durchbruch in der<br />

Welt des Tanzes schaffte, heißt Le Patin Libre.<br />

Mit den Tanzproduktionen „Threshold“ und<br />

„Vertical Influences“ schafften sie den Sprung<br />

aus dem kanadischen Montreal nach Europa,<br />

Das IceLab bildet eine kreative Plattform für<br />

Tanzende, ehemalige Eiskunstläufer/innen und<br />

Künstler/innen anderer Sparten. Neben der Realisierung<br />

von Performances versteht sich das<br />

IceLab Leipzig als Weiterbildungsstätte durch<br />

seine Workshops. Es wird auf Eishalleneis,<br />

Kunststoffeis und Natureis gearbeitet. Das<br />

Kunststoffeis bringt die eigentliche künstlerische<br />

Freiheit in die kreative Arbeit - aufgrund<br />

der örtlichen Flexibilität und den geringen Wartungskosten.<br />

Natureis hingegen ist enorm ortsgebunden<br />

und flüchtig und fängt die authentischsten,<br />

ursprünglichsten Qualitäten des Kufentanzes<br />

ein. In seinem Charakter bringt es<br />

ganz eigene Themen auf die Bühne wie die Verbindung<br />

zwischen Mensch und Natur.<br />

Geleitet wird das IceLab Leipzig von Katja Grohmann.<br />

Seit 2016 ist sie Pionierin im zeitgenössischen<br />

Tanz auf dem Eis, Co-Gründerin des UN-<br />

FREEZE Contemporary Ice Skating Festivals Berlin<br />

und der internationalen Organisation Contemporary<br />

Skating Alliance. Sie ist mit Einzelkünstler/innen<br />

und Organisationen europa- und<br />

weltweit vernetzt – während das IceLab Leipzig<br />

aktuell hauptsächlich lokal agiert. Nur in Berlin<br />

gibt es mit der eiskunst-werkstatt, dem Ice-<br />

DanceTheater - Fusion, Vitale Victoria Vaugin<br />

und dem UNFREEZE e.V. i.G. vergleichbare Organisationen<br />

in Deutschland. Seit 2016 entstanden<br />

immer wieder kürzere Bühnenstücke im Kontext<br />

von Festivals und Shows. Dazu gehören Anspannung<br />

(2017 Leeuwarden, NL), Air Bridges (2018<br />

Leeuwarden, NL) und One minute of silence<br />

(2018 Berlin). Das erste abendfüllende Bühnenstück<br />

begegnung // encounter wurde 2019 auf<br />

LIKE-ICE im Kulturhof Gohlis in Leipzig realisiert.<br />

Im sächsischen Lock-Down-Frühjahr von 2021<br />

entstand das Klimakunstprojekt no(t)ice, welches<br />

mehrfach gefördert und honoriert als multimediale<br />

Ausstellung mit Fotografie, Audio, Video und<br />

Tanz im Juni 2021 Premiere feierte.<br />

Es wird erneut im Zeitraum 24. - 26.06.<strong>2022</strong> in<br />

Leipzig ausgestellt und fängt die Dramatik des<br />

„Nicht-Eises“ im Leipziger Winter durch zeitgenössischen<br />

Tanz auf Kufen auf Natureis ein.<br />

Während die Pandemie die Planung von Produktionen<br />

und Aufführungen nicht unmöglich<br />

macht, zumindest aber erschwert, entstehen<br />

auch neue Chancen für die künstlerische Arbeit.<br />

So werden im IceLab Leipzig derzeit auch digitale<br />

Projekte verwirklicht, wie der Musikvideodreh<br />

mit The Micronaut und der Kurzfilm zu no(t)ice,<br />

der Ende <strong>2022</strong> Premiere feiern wird. Gleichzeitig<br />

werden mit den angestrebten Lockerungen<br />

Workshops wieder möglich, welche den zeitgenössischen<br />

Tanz auf Eis für mehr Menschen –<br />

mit oder ohne Kufenvorerfahrungen – erlebbar<br />

machen. Die Premiere am 27. und 28. Mai in<br />

Leipzig eröffnet einen Blick auf ein Thema, das<br />

selten auf dem Eis gesehen wird. Mehr Informationen<br />

finden sich unter www.icelab-leipzig.de<br />

und www.instagram.com/icelableipzig.<br />

<br />

Katja Grohmann<br />

Unterstützen kann man<br />

das IceLab Leipzig unter:<br />

https://steadyhq.com/de/<br />

icelableipzig/about.<br />

Webseite des<br />

IceLab Leipzig:<br />

www.icelab-leipzig.de


10<br />

ISU-Sperre für Russland<br />

Pro und Contra<br />

Die Sperre für Russland<br />

bei ISU-Wettbewerben<br />

Die ISU hat am 1. März alle LäuferInnen<br />

und Offiziellen aus Russland und<br />

Belarus mit sofortiger Wirkung und bis<br />

auf Weiteres für ihre Wettbewerbe gesperrt.<br />

Damit folgte die ISU einer Empfehlung<br />

des Internationalen Olympischen Komitees,<br />

das so auf den Einmarsch Russlands<br />

in die Ukraine reagierte. Die Sperre<br />

ist eine von vielen Sanktionen, die Staaten<br />

in aller Welt verhängten. Was spricht<br />

dafür und was spricht dagegen?<br />

Es ist nachvollziehbar, dass fast alle Sportverbände<br />

Russland und Belarus ausgeschlossen haben.<br />

Nicht nur wollen sie damit ihr Entsetzen<br />

über das Leid in der Ukraine ausdrücken, sondern<br />

auch Konflikte bei Wettbewerben vermeiden.<br />

ZuschauerInnen könnten zum Beispiel aggressiv<br />

auf das russische Team reagieren, es könnte zu<br />

Problemen mit anderen Teams und Boykotten<br />

kommen. Andersherum will bei Wettbewerben<br />

niemand Aktionen wie die des Turners Ivan Kuliak<br />

sehen, der am 6. März beim Weltcup in Doha<br />

provokativ mit einem „Z“ auf der Brust zur Siegerehrung<br />

erschienen war und damit seine Unterstützung<br />

für die sogenannte „militärische<br />

Sonderaktion“, wie es offiziell in Russland heißt,<br />

demonstriert hat. Das „Z“ ist zum Symbol russischer<br />

Aggression geworden. Schwer erträglich<br />

waren auch die Bilder von der Propaganda-Show<br />

am 18. März im Luzhniki-Stadion, wo unter anderem<br />

die Eistänzer Viktoria Sinitsina/Nikita Katsalapov<br />

und die Paarläufer Evgenia Tarasova/Vladimir<br />

Morozov mit einen „Z“-Zeichen in den russischen<br />

Nationalfarben auftraten. Anders als bei<br />

dem Turner ist aber nicht klar, inwiefern die EiskunstläuferInnen<br />

aus Überzeugung an der Show<br />

teilnahmen. Verschiedenen Berichten ausländischer<br />

Medien zufolge wurden ganze Belegschaften,<br />

Sportschulen, Studentengruppen ins Stadion<br />

beordert, um für die Jubelkulisse zu sorgen. Bei<br />

der Veranstaltung sagte Katsalapov, dass man<br />

Sport und Politik nicht vermischen solle, wobei<br />

allein die Teilnahme der AthletInnen diese Forderung<br />

ad absurdum führt. Tatsächlich hat der<br />

Sport in Russland und anderen autoritären Staaten<br />

einen hohen Stellenwert, sollen die Siege die<br />

Stärke des Systems demonstrieren und gelten<br />

SportlerInnen als RepräsentantInnen des Landes.<br />

Alles dies sind gute Argumente für den Ausschluss<br />

Russlands und seines Verbündeten Belarus.<br />

Aber es gibt auch einen anderen Ansatz. Die<br />

russische Regierung hat innerhalb kurzer Zeit einen<br />

neuen „Eisernen Vorhang“ heruntergelassen<br />

und geht massiver als je zuvor gegen Oppositionelle,<br />

Demonstranten und Andersdenkende vor.<br />

Viele Menschen in Russland sind mit der aktuellen<br />

Politik nicht einverstanden, aber sie können<br />

ihre Meinung nicht ungefährdet öffentlich äußern.<br />

Die Wahrheit ist aber auch, dass viele<br />

RussInnen hinter ihrem Präsidenten stehen –<br />

weil sie seine Politik für richtig halten oder<br />

aber auch weil es zunehmend schwierig ist,<br />

sich über unabhängige Quellen zu informieren.<br />

WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, SportlerInnen<br />

auszuschließen und russischen Bürger-<br />

Innen keine Visa zu erteilen, hat dennoch einen<br />

kontraproduktiven Effekt und schwächt<br />

die Zivilgesellschaft, hilft letztendlich dabei,<br />

den neuen Eisernen Vorhang abzudichten. Diese<br />

Menschen haben keinen Einfluss und werden<br />

bestraft, was wiederum die Narrative vom<br />

bösen Westen, der Russland schaden will, verstärkt.<br />

Es ließen sich vielleicht Kompromisse<br />

finden, zum Beispiel die LäuferInnen als neutrale<br />

AthletInnen ohne jegliche Erwähnung des<br />

Landes (also auch nicht wie in Peking unter<br />

„Russisches Olympisches Komitee“ oder wie<br />

bei der WM 2021 in Stockholm unter „Russischer<br />

Eislaufverband“) ohne Fahne und Hymne<br />

teilnehmen zu lassen.<br />

So mancher äußerte sich schadenfroh darüber,<br />

dass die russischen Sportler bei der WM nicht<br />

dabei sein durften. Aber das ist unfair. Sportlich<br />

gesehen war das Fehlen der russischen<br />

Stars natürlich ein Verlust, denn viele der<br />

Weltbesten kommen eben aus Moskau und St.<br />

Petersburg.<br />

Der russische Eislaufverband hat inzwischen<br />

Presseberichten zufolge gemeinsam mit dem<br />

russischen Eisschnelllaufverband beim Internationalen<br />

Sportgerichtshof CAS Klage gegen die<br />

Sperre eingereicht. Dort laufen bereits ähnliche<br />

Klagen des russischen Fußballverbandes, nachdem<br />

die FIFA und die UEFA die russische Nationalmannschaft<br />

und die Clubs von ihren Wettbewerben<br />

ausgeschlossen hatten. Einen Antrag<br />

des russischen Fußballverbandes auf Aussetzung<br />

der Sperre während des Verfahrens wies<br />

das Gericht ab. Russland schied daher aus der<br />

Qualifikation für die Fußball-WM aus. Wie lange<br />

die Sperre für den russischen Sport anhalten<br />

wird, kann zurzeit niemand voraussehen. Südafrika<br />

war zum Beispiel wegen der Apartheid<br />

(Rassentrennung) von 1964 bis einschließlich<br />

1988 von Olympischen Spielen und ähnlich<br />

lange auch von anderen Veranstaltungen des<br />

Weltsports ausgeschlossen. Tatjana Flade<br />

Neuordnung<br />

im russischen Eistanz<br />

Am Ende der Olympiasaison haben sich in Russland<br />

mehrere Tanzpaare getrennt. Trainer Alexander<br />

Svinin bestätigte, dass Sofia Shevchenko/Igor<br />

Eremenko, die Dritten der Junioren-WM<br />

2019, getrennte Wege gehen. Shevchenko konzentriere<br />

sich vorerst auf ihr Studium, Eremenko<br />

suche eine neue Partnerin. Ebenso tanzen die<br />

Bronzemedaillengewinner der Junioren-WM<br />

2020, Elizaveta Shanaeva/Devid Naryzhnyy aus<br />

der Schule von Svinin und Irina Zhuk nicht mehr<br />

zusammen. Er probiert es mit Anabell Morozov,<br />

der Tochter von Coach Nikolai Morozov, die bisher<br />

mit Andrei Bagin gelaufen war. Shanaeva<br />

wiederum hatte angeblich Probetrainings mit<br />

Pavel Drozd. Außerdem haben Arina Ushakova/<br />

Maxim Nekrasov, die bei Alexei Gorshkov in<br />

Odintsovo trainiert haben, ihre gemeinsame<br />

Karriere beendet. Ob sie aufhören oder neue<br />

Partner suchen und was Bagin plant, war zunächst<br />

nicht bekannt.<br />

Khudaiberdieva verheiratet<br />

Die russische Eistänzerin Elizaveta Khudaiberdieva<br />

(19) hat am 27. Februar den Sportjournalisten<br />

Kirill Blagov (34) geheiratet. „Die beste Wahl<br />

meines Lebens“, schrieb die Eiskunstläuferin auf<br />

Instagram. Khudaiberdieva gewann bei der Junioren-WM<br />

2019 mit Nikita Nazarov die Silbermedaille.<br />

Mit ihrem aktuellen Partner Egor Bazin<br />

holte sie Bronze bei der Russischen Meisterschaft<br />

<strong>2022</strong>. Blagov arbeitet als Produzent beim Ersten<br />

Kanal, dem russischen Staatsfernsehen, und ist<br />

unter anderem für Eiskunstlauf zuständig.<br />

Evgenia Medvedeva in<br />

Herrenmagazin<br />

Die zweimalige Weltmeisterin Evgenia Medvedeva<br />

(22) hat sich für das Herrenmagazin „Maxim“<br />

fotografieren lassen. „Am Anfang habe ich<br />

mich geniert, aber dann habe ich mich daran<br />

erinnert, dass die ganze Welt meinen Hintern im<br />

Höschen in meinen Programmen bei den Olympischen<br />

Spielen und Weltmeisterschaften gesehen<br />

hat und habe mich beruhigt. Aber ich poste<br />

eigentlich keine Bilder im Badeanzug“, zitiert<br />

die russische Presse aus dem Interview im „Maxim“.<br />

Früher habe sie Komplexe wegen ihres<br />

Aussehens gehabt, dies aber überwunden, erzählte<br />

die Zweite der Olympischen Spiele 2018<br />

weiter. Medvedeva ist vor allem als Kommentatorin<br />

und Moderatorin bei Eislaufwettbewerben<br />

und Shows im Einsatz. Für das russische Fernsehen<br />

arbeitete sie in Peking.<br />

Kostornaia wechselt zu Buianova<br />

Aliona Kostornaia ist Anfang März von Eteri<br />

Tutberidze zu Elena Buianova (Vodorezova)<br />

gewechselt. Der Wechsel sei nicht ihre Initiative<br />

gewesen, sondern von Tutberidze ausgegangen,<br />

kommentierte die Europameisterin<br />

von 2020 und bestätigte damit Berichte, dass<br />

Tutberidze die Zusammenarbeit mit ihr been-<br />

det habe. Kostornaia war im Sommer 2020 zunächst<br />

zu Evgeni Plushenko gegangen, am Ende<br />

der Saison aber ins Team Tutberidze zurückgekehrt.<br />

In der aktuellen Saison konnte sie zwar<br />

Medaillen im Grand Prix gewinnen, bei der Russischen<br />

Meisterschaft trat sie jedoch nicht an,<br />

weil sie sich die Hand gebrochen hatte. tat


ISU-Regeländerungen<br />

Altersgrenzen-Erhöhung<br />

bei Läuferinnen?<br />

Bei den Olympischen Spielen begann wegen des Falles Valieva wieder einmal eine<br />

hitzige Debatte darüber, ob eine Erhöhung der Altersgrenzen bei den Mädchen<br />

sinnvoll sei. Was wäre anders, wenn Valieva 18 Jahre alt gewesen wäre? Viele Menschen<br />

sind in Wahrheit schon lange in erster Linie deshalb für eine Erhöhung, weil sie<br />

Russlands Überlegenheit nicht akzeptieren.<br />

Russische Trainer sagen, die Mädchen seien mit<br />

12, 13 und 14 Jahren noch schlank, aber schon<br />

weiter entwickelt als Jungen und könnten daher<br />

auch Vierfache springen. Weil sie noch sehr<br />

leicht sind, ziehen sie sich weniger Verletzungen<br />

zu als später. Außerdem ist es eine Diskriminierung,<br />

wenn man immer noch meint, die Mädchen<br />

seien „das schwache Geschlecht“. Auch in<br />

der Schule sind Mädchen im Durchschnitt bedeutend<br />

besser als Jungen. Da verbietet ihnen<br />

auch niemand, bessere <strong>No</strong>ten zu schreiben.<br />

Ziel der Erhöhung der Altersgrenzen ist eine<br />

längere Karriere. Aber was nützt das Bestreben,<br />

wenn die Besten mit 14 oder 15 schon entnervt<br />

aufhören, weil sie nicht noch jahrelang warten<br />

wollen? Im Raum steht auch der Vorwurf, Russland<br />

würde die Pubertät der Mädchen mit unerlaubten<br />

Mitteln hinauszögern. Ist die Gefahr<br />

nicht groß, dass man bei höherem Mindestalter<br />

die Pubertät noch zwei weitere Jahre hinausschiebt?<br />

Auch in Deutschland sind fast alle Läuferinnen<br />

an der Pubertät mehr oder weniger gescheitert,<br />

auch die US-Olympiasiegerinnen Tara<br />

Lipinski und Sarah Hughes.<br />

Aber der ISU-Vorstand hat für den im Juni im<br />

thailändischen Phuket geplanten Kongress den<br />

Antrag gestellt, die Altersgrenze ab der Saison<br />

2023/24, also nicht sofort, um ein Jahr zu erhöhen<br />

und ein Jahr später noch einmal um ein<br />

Jahr. In der kommenden Saison würde sich daher<br />

erst einmal nichts ändern. Aber alle Läuferinnen<br />

und Läufer, auch Synchronläuferinnen,<br />

die am 1. Juli 2023, also in 15 Monaten, noch<br />

keine 15 Jahre alt sind, dürften noch zwei weitere<br />

Saisons weder große Grand Prix noch ISU-<br />

Meisterschaften außer der Junioren-WM laufen.<br />

Für Junioren und Nachwuchs würde sich<br />

nichts ändern. Kanada will außerdem das<br />

Höchstalter für Junioren-Paarläuferinnen und<br />

-Eistänzerinnen von 19 auf 21 Jahre erhöhen,<br />

so wie es schon für Männer im Paarlaufen und<br />

Eistanzen gilt.<br />

Weitere Vorschläge für<br />

Regeländerungen<br />

<strong>No</strong>ch nicht entschieden war, ob Anträge von<br />

Russland und Belarus beim Kongress überhaupt<br />

behandelt werden. Ziemlich unverständlich ist,<br />

dass die drei baltischen Staaten das Höchstalter<br />

für offizielle ISU-Ämter am Tag der Wahl von<br />

75 auf 80 Jahre erhöhen wollen. Will man damit<br />

ISU-Vizepräsident Alexander Lakernik gefallen,<br />

der jetzt 77 ist und vermutlich wegen des<br />

Ukraine-Krieges gar nicht dabei sein darf? ISU-<br />

Präsident Jan Dijkema hatte schon erklärt, nicht<br />

mehr kandidieren zu wollen.<br />

Die bisher Assistent des Technischen Spezialisten<br />

genannte Person soll ebenfalls Technischer Spezialist<br />

genannt werden, weil beide gleichberechtigt<br />

sein sollen. Wesentliche Regeländerungen<br />

für Läufer sollen in den letzten zwei Jahren vor<br />

den Olympischen Spielen nicht mehr in Kraft<br />

treten. Russland will, dass auch alle Teilnehmer<br />

an nationalen Meisterschaften eine Genehmigung<br />

ihres Verbands mit einem Jahr Wartezeit<br />

benötigen, wenn sie das Land wechseln wollen.<br />

Bisher galt das nur für Läufer/innen, die schon<br />

international gestartet waren. Zu den offiziellen<br />

ISU-Wettbewerben soll in Zukunft auch der<br />

Qualifizierungswettbewerb für die Olympischen<br />

Spiele zählen, der seit 20 Jahren die Nebelhorn<br />

Trophy ist. Das wird aber alle vier Jahre vom<br />

ISU-Vorstand neu entschieden. Technische Controller<br />

sollen nicht mehr beim selben ISU-Event<br />

auch als Preisrichter oder Schiedsrichter amtieren<br />

dürfen, auch nicht in einer anderen Disziplin.<br />

Technische Spezialisten sollen nicht mehr in einer<br />

anderen Disziplin beim selben Event als<br />

Schieds- oder Preisrichter oder Controller amtieren<br />

dürfen. All das erhöht die Kosten.<br />

Kanada, Italien und die Niederlande wollen die<br />

Preisrichter bei ISU-Wettbewerben aufteilen:<br />

Bei den Grand Prix sollen fünf nur Elemente<br />

und Eislauffertigkeiten bewerten, fünf andere<br />

die vier anderen Komponenten. Bei den ISU-<br />

Meisterschaften und Olympischen Spielen sollen<br />

es sieben und sieben sein. Wer was wertet,<br />

soll erst kurz vorher ausgelost werden. Dabei<br />

hat sich das gegenwärtige System bewährt.<br />

Warum jetzt ändern? Da weniger Juroren als<br />

bisher ein Element oder eine Komponente bewerten,<br />

fällt eine nicht korrekte Wertung mehr<br />

ins Gewicht als früher, was man eigentlich<br />

nicht will. Neuseeland will die Multiplikationsfaktoren<br />

bei den Komponenten erhöhen, damit<br />

die gestiegene Punktzahl für die Elemente wieder<br />

in etwa der Punktzahl der Komponenten<br />

entspricht. Auch das ISU-Kunstlauf- und das<br />

Tanzkomitee wollen das ändern.<br />

Der ISU-Vorstand will bei den ISU-Weltmeisterschaften<br />

ab 2024/25 (nur dort) wieder Qualifizierungsküren<br />

einführen, die bereits mehrfach<br />

kamen und nach kurzer Zeit wieder abgeschafft<br />

wurden. Dies erhöhte die Kosten einer verlängerten<br />

Meisterschaft, die man eigentlich stets<br />

reduzieren wollte. Statt der Qualifikationen hat<br />

man jetzt doch bewährte Mindestpunktzahlen.<br />

Wegen höherer Kosten werden sonst noch weniger<br />

Länder eine Meisterschaft ausrichten<br />

wollen. Statt der bisherigen Technischen Mindestpunktzahlen<br />

soll es, so will es der Vorstand,<br />

eine Gesamtmindestpunktzahl geben. Die gemäß<br />

der bisherigen Länderregeln 24 besten<br />

Einzelläufer, 20 Tanzpaare und 16 Kunstlaufpaare<br />

sollen ohne Qualifikation gleich beim KP<br />

bzw. beim Rhythmustanz starten können. Island<br />

hat beantragt, dass die Mindestpunktzahlen<br />

schon bis 1. August veröffentlicht werden müssen.<br />

Ungarn will, dass die Läufer sich nicht nur<br />

bei der WM des Vorjahres und den Olympischen<br />

Qualifizierungswettbewerb (also bis jetzt die<br />

Nebelhorn Trophy) für die Olympischen Spiele<br />

qualifizieren können, sondern bei mehreren<br />

Wettbewerben.<br />

Die Technischen Komitees wollen festlegen, dass<br />

nur Preisrichter, die Paarlaufen vorher schon international<br />

gewertet haben, auch die Paarlaufkonkurrenz<br />

der Olympischen Spiele werten dürfen.<br />

Auch die DEU hat einen Vorschlag gemacht:<br />

Preisrichter, die für einen Teil des Wettbewerbs<br />

nicht ausgelost wurden, sollen als Zeitnehmer<br />

bei Hebungen oder anderen Assistenzfunktionen<br />

wirken. Denn es wird immer schwieriger, qualifizierte<br />

Freiwillige zu finden. Die Mitglieder der<br />

Assessment-Kommission sollen strenger darauf<br />

achten, ob Preisrichter von der Mehrheit abweichen<br />

und sie dann sanktionieren. Damit werden<br />

allerdings abweichende Meinungen, die auch<br />

richtig sein können, noch mehr unterdrückt.<br />

Im Eistanzen sollen Frauen auch Hosen tragen<br />

dürfen, bisher war das nur Einzel- und Paarläuferinnen<br />

erlaubt. Die detaillierten Beschreibungen<br />

für die Anforderungen der fünf Komponenten<br />

werden überarbeitet. Es gibt auch den Vorschlag<br />

einer Reduzierung auf drei Komponenten.<br />

Die erst 2018 aus Versehen eingeführte Auslosungen<br />

bei Grand Prix soll wieder abgeschafft<br />

werden, sondern es geht für das KP nach Weltrangliste.<br />

Die erst 2018 eingeführte Zahl von 20<br />

Paaren, die sich für das WM-Finale qualifizieren,<br />

soll wieder auf 16 reduziert werden. Bei den<br />

Vier-Kontinente-Meisterschaften sollen mehr<br />

Preisrichter aus den Vier Kontinenten werten<br />

und weniger Europäer.<br />

In der kommenden Saison soll bei den Junior/<br />

innen der Rittberger als Einzelsprung im Junioren<br />

KP vorgeschrieben werden, ein Jahr später<br />

der Lutz und zwei Jahre später der Flip. Auch<br />

die <strong>Pirouette</strong>n werden jedes Jahr aktualisiert.<br />

Junior/innen sollen in der Kür keine normale<br />

Schrittfolge mehr ausführen, sondern eine Choreo-Schrittfolge.<br />

Im Paarlaufen werden wieder<br />

die Hebungen und die Todesspirale jährlich geändert.<br />

Auch im Eistanzen und im Synchronlaufen<br />

gibt es Änderungen bei den Elementen, die<br />

noch veröffentlicht werden.<br />

<br />

Klaus-Reinhold Kany<br />

11<br />

ISU-Regeländerungen


12<br />

Weltmeisterschaften<br />

WM mit voller Eishalle<br />

und ohne Russland<br />

Deutsche schnitten gut ab · Vier neue Weltmeister<br />

In Montpellier live dabei: Klaus-Reinhold Kany<br />

Wegen der Corona-Lockerungen in<br />

Südfrankreich, wo es nur ein Zehntel<br />

der Infektionszahlen von Deutschland<br />

gab, konnte die WM in Montpellier nicht<br />

nur planmäßig, sondern sogar mit bis zu<br />

8.000 Zuschauern stattfinden. Masken<br />

waren für Zuschauer nur empfohlen, für<br />

Läufer, Trainer und Medienvertreter aber<br />

noch verpflichtend. Die täglichen<br />

Schnelltests, für die Medienvertreter jedes<br />

Mal 25 Euro zahlen mussten, waren<br />

lästig, gaben aber ein Gefühl der Sicherheit.<br />

Es gab ein paar wenige positive Fälle<br />

unter den Teams und Medien. Das<br />

Konzept einer geschlossenen „Blase“ für<br />

die Teilnehmer wie z.B. in Stockholm vor<br />

einem Jahr und einigen Grand Prix in der<br />

Saison konnte aufgegeben werden. Sehr<br />

viele Läufer freuten sich über ein begeisterungsfähiges<br />

und lebhaftes Publikum,<br />

das sie oft schon zwei Jahre lang nicht<br />

mehr erlebt hatten. Die Halle mit dem<br />

Namen Arena Sud de France ist eigentlich<br />

eine Messehalle und fünf Kilometer<br />

vom Stadtzentrum entfernt, in Richtung<br />

Flughafen und Mittelmehrstrand, aber<br />

gut hergerichtet. Sie war dank mehrerer<br />

großer Parkplätze mit dem Auto gut erreichbar.<br />

Aber Zuschauer, die ohne Auto<br />

gekommen waren, waren auf Taxis oder<br />

eine Straßenbahnlinie angewiesen, die<br />

zwar ganz in der Nähe hielt, aber spätabends<br />

nur noch ein bis zweimal pro<br />

Stunde fuhr. Die Eintrittspreise lagen<br />

ziemlich hoch, wie in Frankreich üblich:<br />

eine Dauerkarte in der unteren Zuschauerhälfte<br />

kostete mehr als 1.000 Euro.<br />

Das Läuferhotel lag direkt am Strand,<br />

war im Winter zuvor geschlossen und<br />

wurde wegen seiner mangelnden Sauberkeit<br />

und zahlreicher Insekten von einigen<br />

Bewohnern kritisiert. Im Hotel der Offiziellen<br />

in Zentrum wurden Koffer geöffnet<br />

und Geld gestohlen. Die bei Events in<br />

Frankreich üblichen Pannen traten auch<br />

diesmal auf, offensichtlich lernt man niemals<br />

dazu. Zum Beispiel öffnete die Halle<br />

für die Zuschauer erst 30 Minuten vor<br />

dem Wettbewerbsbeginn, obwohl schon<br />

Hunderte oder Tausende vor den Türen<br />

warteten. Bis dann alle Taschen auf<br />

Bomben durchsucht waren, war die erste<br />

Gruppe der Läufer schon gestartet. Besucher<br />

beschwerten sich außerdem darüber,<br />

dass es an den wenigen Essenständen<br />

lange Schlangen und außer Kartoffelchips<br />

fast nichts zu kaufen gab. Das Sofa<br />

in der Tränenecke war so klein, dass sich<br />

bei Paaren mit zwei Betreuern eine Person<br />

immer auf die Lehne setzen musste.<br />

Im sehr geräumigen Presseraum waren<br />

vor dem Beginn auf beiden Seiten der<br />

nicht sehr breiten Tische Stühle gestellt,<br />

so dass alle Fotografen und Journalisten<br />

zu eng beieinander gesessen und sich gegenseitig<br />

angeatmet hätten. Aber dies<br />

wurde noch bemerkt und bis zum ersten<br />

Trainingstag korrigiert, indem man jeweils<br />

zwei Tische zusammenstellte. Platz<br />

genug war vorhanden, man musste nur<br />

noch zusätzliche Tische herbeischaffen.<br />

Nicht verantwortlich für eine Panne war<br />

der französische Verband drei Wochen<br />

zuvor, denn der belgische Verband hatte<br />

versehentlich seine einzige Läuferin Loena<br />

Hendrickx nicht gemeldet. Aber ein<br />

Anruf von Choreograph Adam Solya ganz<br />

oben bei der ISU genügte und zwei Stunden<br />

später war sie nachgemeldet. Gabriella<br />

Papadakis & Gullaume Cizeron standen<br />

auch nach der WM im Mittelpunkt.<br />

Wenige Tage später wurde ihnen von<br />

Staatspräsident Emmanuel Macron persönlich<br />

vor allem wegen ihres Olympiasieges<br />

eine dem Bundesverdienstkreuz<br />

vergleichbare Ehrung zuerkannt. <strong>No</strong>ch<br />

mal einige Tage später, bei ihrer Schaulauftournee<br />

in ihrer 150.000-Einwohner-<br />

Heimatstadt Clermont-Ferrand nahe<br />

Lyon verkündete der dortige Bürgermeister,<br />

dass die Eishalle, in der sie ihre Kindheit<br />

auf dem Eis verbrachten, offiziell in<br />

Patinoire (Eishalle) Papadakis-Cizeron<br />

umbenannt wird. Das geht in Frankreich<br />

ganz schnell, da wartet man nicht, bis jemand<br />

gestorben ist.<br />

Erste Reihe von rechts: Gabrielle Papadakis, Präsident Emanuel Macron, Guillaume Cizeron, Macrons Ehepartnerin Brigitte und Haupttrainer Romain Haguenauer, Quelle: Facebook


Shoma Uno<br />

endlich Erster<br />

Bei den nacholympischen Weltmeisterschaften<br />

fehlen alle vier Jahre einige<br />

Spitzenläufer von den Olympischen Spielen.<br />

Für Montpellier sagte Yuzuru Hanyu,<br />

der Olympiasieger von 2014 und 2018 ab,<br />

weil er seine Knöchelverletzung ausheilte,<br />

die er sich beim bis jetzt nicht im Wettbewerb<br />

gestandenen vierfachen Axel zugezogen<br />

hatte. Nathan Chen, dreifacher<br />

Weltmeister und Olympiasieger<br />

<strong>2022</strong>, blieb wegen einer<br />

Hüftverletzung fern.<br />

Außerdem fehlten natürlich<br />

drei russische (vermutlich<br />

Kolyada, Kondratiuk und Semenenko)<br />

und der belorussische<br />

Läufer Milyukov aus politischen<br />

Gründen sowie wegen<br />

der nacholympischen dreiwöchigen<br />

innerchinesischen Quarantäne<br />

der Chinese Boyang Jin. Ihre Karriere<br />

beendeten nach den Spielen der „kalifornische<br />

Tscheche“ Michal Brezina, der<br />

nach dem enttäuschenden Rang 25 bei<br />

den Spielen nicht mehr motiviert war<br />

und nicht ersetzt wurde, weil seine<br />

Landsleute nicht gut genug waren. Außerdem<br />

liefen der Israeli Alexei Bychenko<br />

und der Amerikaner Jason<br />

Brown nicht.<br />

Männer | WM Montpellier<br />

KP Kür Pkt<br />

1 Shoma Uno – Japan 1 1 312.48<br />

2 Yuma Kagiyama – Japan 2 2 297.60<br />

3 Vincent Zhou – Ver. Staaten 6 4 277.38<br />

4 Morisi Kvitelashvili – Georgien 7 5 272.03<br />

5 Camden Pulkinen – Ver. Staaten 12 3 271.69<br />

6 Kazuki Tomono – Japan 3 8 269.37<br />

7 Daniel Grassl – Italien 5 7 266.66<br />

8 Adam Siao Him Fa – Frankreich 10 6 266.12<br />

9 Ilia Malinin – Ver. Staaten 4 11 263.79<br />

10 Matteo Rizzo – Italien 8 10 255.75<br />

11 Kevin Aymoz – Frankreich 15 12 245.46<br />

12 Roman Sadovsky – Kanada 18 9 245.36<br />

13 Deniss Vasiljevs – Lettland 11 14 243.00<br />

14 Keegan Messing – Kanada 9 17 235.03<br />

15 Mihhail Selevko – Estland 20 13 234.72<br />

16 Vladimir Litvintsev – Aserbaidschan 14 15 233.62<br />

17 Maurizio Zandron – Österreich 16 16 228.27<br />

18 Sihyeong Lee – Südkorea 13 18 225.06<br />

19 Nikolaj Majorov – Schweden 19 20 216.45<br />

20 Graham Newberry – Großbritannien 21 21 210.40<br />

21 Tomas-Ll. Guarino Sabate – Spanien 24 19 208.95<br />

22 Nikita Starostin – Deutschland 23 22 205.72<br />

23 Ivan Shmuratko – Ukraine 22 23 196.65<br />

Ausgeschieden:<br />

– Junhwan Cha – Südkorea 17 – 82.43<br />

Kürfinale nicht erreicht:<br />

25 Mark Gorodnitsky – Israel 25 – 69.70<br />

26 Adam Hagara – Slowakei 26 – 60.92<br />

27 Vladimir Samoilov – Polen 27 – 60.71<br />

28 Burak Demirboga – Türkei 28 – 52.86<br />

29 Aleksandr Vlasenko – Ungarn 29 – 51.10<br />

Nicht angetreten:<br />

– Donovan Carrillo – Mexiko – – –<br />

Shoma Uno<br />

Foto: Hella Höppner<br />

Der in Peking noch überzeugende Australier<br />

Brendan Kerry fehlte wegen eines Ermüdungsbruchs<br />

und der Armenier Slava Hayrapetyan<br />

wegen einer Rückenverletzung, die er sich noch<br />

zu Hause beim Training des 4S zugezogen hatte.<br />

Der bereits angereiste „Oberstdorfer Schweizer“<br />

Lukas Britschgi musste wegen eines positiven<br />

Corona-Tests vom Wettbewerb fernbleiben.<br />

Donovan Carillo aus Mexiko konnte nicht teilnehmen,<br />

weil auf den Flügen von Mexiko nach<br />

Montpellier sein Koffer mit Schlittschuhen verloren<br />

ging und bis zum Wettbewerb nicht wieder<br />

auftauchte, obwohl er extra frühzeitig geflogen<br />

war. Versuche mit geliehenen fremden<br />

Schlittschuhen funktionierten nicht. Aus nicht<br />

bekannten Gründen erhielt der Kasache Michail<br />

Shaidorov (5. der Vier-Kontinente-Meisterschaften<br />

<strong>2022</strong>) kein Visum für Frankreich.<br />

Aber trotz dieser fehlenden Läufer starteten<br />

noch immer genügend sehr gute und gute, allerdings<br />

sah man wieder relativ viele Patzer. Japan<br />

und die USA sind die beiden einzigen Länder,<br />

die drei Startplätze für die WM 2023 holten.<br />

Shoma Uno war häufig Zweiter, Dritter<br />

oder Vierter bei den großen ISU-Meisterschaften,<br />

aber stets waren entweder Nathan Chen<br />

oder Yuzuru Hanyu und zuletzt auch Landsmann<br />

Yuma Kagiyama vor ihm. Außerdem<br />

hatte der Japaner vor zwei bis drei Jahren<br />

erhebliche Stabilitätsprobleme bei seinen<br />

Sprüngen, die er aber insbesondere<br />

überwunden hat, seitdem er online oder<br />

live bei Stéphane Lambiel trainiert. In<br />

Montpellier konnte er nun mit seinem ersten<br />

WM-Titel seinen größten Erfolg feiern. Das<br />

KP zu zwei barocken Oboenkonzerten glückte<br />

mit 4F und 4T-3T, fünf weiteren exzellenten<br />

Elementen und 109 Punkten so hervorragend<br />

wie im Training. In der Kür zu<br />

einer modernen Bolero-Variation<br />

war der zweite 4T überdreht<br />

und er riss den Flip nach 3A<br />

und Euler auf. Aber vier<br />

Vierfache und alles andere<br />

gelang erstklassig.<br />

Zwei der 45 Kür-Komponenten<br />

lagen bei<br />

10,0. Nach der WM<br />

wollte er bei vielen<br />

Shows in Japan laufen<br />

und dann wieder zurück<br />

in die Schweiz, um mit<br />

»<br />

Lambiel neue Programme<br />

einzustudieren.<br />

Nach der Kür sagte Uno:<br />

„Das war mein letzter Wettbewerb<br />

«<br />

der Saison,<br />

daher wollte ich etwas zeigen, auf das<br />

mein Trainer Stephane Lambiel stolz sein<br />

kann. Das habe ich geschafft und ich habe<br />

noch nicht so oft gewonnen, daher bin ich<br />

darüber sehr glücklich. Die Choreographie<br />

der Kür ist sehr anspruchsvoll und ich musste<br />

auch fünf Vierfache einbauen, daher freue<br />

ich mich sehr über meine Punkte. Während<br />

meiner Schrittfolgen habe ich gedacht, nun<br />

habe ich genug gemacht, aber dann wollte<br />

ich Stéphanes Bemühungen belohnen.“<br />

13<br />

Weltmeisterschaften


14<br />

Weltmeisterschaften<br />

Yuma Kagiyama glänzte ebenfalls schon im KP<br />

mit erstklassigen 4S und 4T-3T, die besser<br />

klappten als im Training. In der Gladiator-Kür<br />

lief aber trotz dreier sehr guter Vierfacher nicht<br />

alles nach Wunsch, denn der 4R war vorwärts<br />

gelandet und den zweiten Axel riss er auf. Er<br />

kommentierte, er sei besonders nervös gewesen,<br />

weil er die Chance gesehen habe, Weltmeister<br />

zu werden. Am Anfang der Saison habe er große<br />

Probleme mit seinen Sprüngen gehabt, aber<br />

nach viel hartem Training seien sie zurückgekommen.<br />

Im Sommer will er nun auch noch 4F<br />

und 4L lernen. Sein Vater und Trainer geht übrigens<br />

deshalb am Stock, weil er vor Jahren einen<br />

Schlaganfall hatte und seitdem gehbehindert<br />

ist, aber unterrichten kann er weiterhin.<br />

Zhou und Pulkinen stehen für<br />

US-Motivation<br />

nische Kinder ab, nachdem Peru erst seit kurzem<br />

Mitglieder der ISU ist. Pulkinen sagte zwar, er<br />

habe nicht gewusst, ob Brown nicht doch noch<br />

bei der WM starten wolle, betonte aber, als Ersatzläufer<br />

habe er voll trainiert, weil er sich<br />

dazu verpflichtet fühlte. Von diesem Ethos können<br />

sich Deutsche eine Scheibe abschneiden.<br />

Sein Laufstil war schon immer herausragend,<br />

die <strong>Pirouette</strong> hatte ihn vor Jahren schon einmal<br />

mit dem frühen Patrick Chan verglichen. Aber<br />

oft lief er nervenschwach. Diesmal waren im KP<br />

drei Elemente etwas knapp, so dass er zurücklag.<br />

Aber mit der drittbesten Kür zu „Besame<br />

Mucho“, die zwei sehr gute 4T enthielt, konnte<br />

er noch sieben Plätze gutmachen. Er wird jetzt<br />

in New York studieren und hofft, dass er das<br />

mit seinen Trainern in Colorado Springs, aber<br />

auch dem Training in Manhattans einziger Eishalle<br />

in den Chelsea Piers verbinden kann.<br />

xemburg (siehe Seite 25), weil er dort erfahren<br />

hatte, dass er für den verletzten Hanyu-Ersatz<br />

Kao Miura bei der WM einspringen soll. Das KP<br />

lief mit 4T-3T und 4S hervorragend, aber in der<br />

Kür gelangen vier Sprünge nicht wie geplant.<br />

Daniel Grassl lief ein fehlerloses KP mit 4L und<br />

3L-3T und etwas besserem Sprungstil als früher.<br />

Aber in der Kür stürzte er beim Auftakt-4L und<br />

später waren drei weitere Sprünge unterdreht.<br />

Landsmann Matteo Rizzo wackelte etwas beim<br />

4T im KP und verpatzte in der Kür beide 4T.<br />

Adam Siao Him Fa wurde der bessere der beiden<br />

Franzosen, weil seine Sprünge häufiger<br />

klappen und er die besseren Nerven hat. Im KP<br />

glückte der 4T, in der Kür sogar drei Vierfache.<br />

Kevin Aymoz konnte nach den Olympischen<br />

Spielen vier Wochen ohne Verletzungen<br />

trainieren. Er läuft zwar mit viel<br />

Die Bronzemedaille war für den Amerikaner Vincent<br />

Zhou ein großer mentaler Erfolg. Bei den<br />

Olympischen Spielen hatte er zur Silbermedaille<br />

(die noch zu Gold werden könnte) des US-Teams<br />

beigetragen, aber bis heute gibt es keine Siegerehrung.<br />

Am Tag vor seinem Individualwettbewerb<br />

war er positiv auf Corona getestet worden (wie<br />

kann das sein, obwohl er zuvor jeden Tag negativ<br />

war?) und konnte beim wichtigsten Wettbewerb<br />

nicht starten. Zur Schlussfeier durfte er die Quarantäne<br />

wieder verlassen, aber weil er in der<br />

Nähe eines anderen Positiven war, durfte er nicht<br />

einmal dorthin. Nach so viel Pech verlor er zunächst<br />

die Motivation weiterzumachen und sagte<br />

seinem Trainer und seiner Managerin, er wolle<br />

aufhören. Aber letztlich überzeugte er sich selbst<br />

davon, wieder aufzustehen und es bei der WM zu<br />

versuchen, denn sonst würde er es das ganze Leben<br />

bereuen, nicht bei der WM gestartet zu sein.<br />

Das ist der Kampfgeist und das positive Denken,<br />

das Leistungssportler aus den USA oft auszeichnet<br />

und das man bei Deutschen oft vermisst:<br />

Einmal mehr aufstehen als hinfallen, denn jeder<br />

Leistungssportler erlebt Siege und Niederlagen.<br />

Im KP waren beide Vierfachen nicht sauber und<br />

auch in der Kür drei Sprünge unterdreht, aber es<br />

reichte für eine Medaille und er konnte mit<br />

Recht sagen, er sei stolz auf sich, auch wenn<br />

man das oft als US-Floskel empfindet. Nach vielen<br />

Shows in den USA und in Japan will er im<br />

Sommer sein Studium fortsetzen.<br />

Bester Europäer wurde der Moskauer Georgier<br />

Morisi Kvitelashvili, nachdem er im KP beim 4S<br />

umstieg. Aber alles andere, auch eine 4T-3T-<br />

Kombination gelang gut, ebenso wie drei Vierfache<br />

in der Kür. Nach Beginn des Krieges konnte<br />

er rechtzeitig Russland verlassen und sich<br />

zwei Wochen lang im italienischen Bergamo auf<br />

die WM vorbereiten, wenn auch mit seinen russischen<br />

Haupttrainern nur online. Zu einem<br />

Markenzeichen ist seine Schaulaufnummer als<br />

Aladin geworden, mit der sein bisher etwas biederes<br />

Image verbessern will.<br />

Sehr gut schnitt der Amerikaner Camden Pulkinen<br />

ab, der als zweiter Ersatzläufer für Nathan<br />

Chen gekommen war. Denn der erste Ersatz Jason<br />

Brown hatte nach den Olympischen Spielen<br />

zunächst Urlaub in Peru gemacht und hielt anschließend<br />

ein einwöchiges Seminar für perua-<br />

Der andere US-WM-Debütant<br />

Ilia Malinin, Zweiter der US-<br />

Meisterschaften <strong>2022</strong>, konnte<br />

seinen kühnen Wunsch nach einer<br />

Medaille bei der WM, den er im Interview<br />

im Märzheft der <strong>Pirouette</strong><br />

geäußert hatte, nicht umsetzen. Zwar<br />

gelang das KP mit 4L und 4T-3T fehlerfrei<br />

und hier erhielt er sogar knapp über<br />

100 Punkte. Aber in der Kür fiel der<br />

17-Jährige zurück, weil er zwei Vierfache<br />

vorwärts landete und auch stilistisch noch<br />

nicht mit den Besten mithalten konnte. Aber<br />

daran kann er mit seinen Trainereltern Tatjana<br />

Malinina und Roman Skorniakov, einst selbst<br />

WM-Teilnehmer für Usbekistan, arbeiten. Wenn<br />

er dann noch in der Kür eine diesmal noch nicht<br />

versuchte 4-4-Kombination zeigt, von denen er<br />

mehrere Trainingsvideos schon veröffentlicht<br />

hat, kann er schnell nach vorne kommen. Beide<br />

Eltern waren mitgekommen, aber er gab zu,<br />

dass seine Mutter so nervös wird, dass sie lieber<br />

im Hotel bleibt und sich anschließend alles erzählen<br />

lässt, Daher war auch diesmal der Vater<br />

mit ihm an der Bande. Der dritte Japaner Kazuki<br />

Tomono kam direkt vom Frühlingscup aus Lu-<br />

Yuma Kagiyama<br />

Fotos: Hella Höppner


mehr Kunst und Choreographie, aber im KP riss<br />

er nach gelungener 4T-3T-Kombination den<br />

Axel auf und in der Kür war der einzige versuchte<br />

Vierfache, der Toeloop, vorwärts gelandet<br />

und gestürzt. Seine Komponenten sind zu<br />

Recht hoch, aber technisch bietet er zu wenig.<br />

Roman Sadovsky, bei Olympia noch ziemlich<br />

schwach, wurde diesmal der bessere der beiden<br />

Kanadier. Zwar gingen im nach Olympia wieder<br />

hervorgekramten alten KP zur Exogenesis Symphony<br />

3 von der Gruppe Muse zwei Sprünge<br />

daneben, aber in der Kür punkte er mit zwei 4S<br />

und sieben Dreifachen, auch wenn nicht alle<br />

rückwärts gelandet waren. Keegan Messings<br />

Gepäck mit den Schlittschuhen war auf dem<br />

Weg von Alaska nach Montpellier zunächst verloren<br />

gegangen, traf aber zwei Tage vor dem KP<br />

noch ein. Das KP gelang mit 4T-2T-Kombination,<br />

aber in der Kür musst er dreimal zu Boden.<br />

Ivan Shmuratko<br />

15<br />

Weltmeisterschaften<br />

Deniss Vasilievs riskierte im KP keinen Vierfachen<br />

und sein 3A war leicht unterdreht. In der<br />

Kür war der 4S vorwärts gelandet und beinahe<br />

gestürzt und vier weitere Sprünge waren unterdreht.<br />

Stilistisch läuft er erstklassig, aber ohne<br />

Vierfache und saubere Dreifache kommt er<br />

nicht sehr weit. Maurizio Zandron aus Innsbruck<br />

lief einen der besten Wettbewerbe seiner Karriere<br />

und hatte daher keine Mühe, das Finale zu<br />

erreichen. Das KP zum „Earth Song“ von Michael<br />

Jackson und zu „Save Us“ von Armand Amar<br />

blieb ganz fehlerfrei. Der oft unsaubere 3A erhielt<br />

diesmal Bewertungen von +2 und +3; drei<br />

<strong>Pirouette</strong>n und die Schrittfolge hatten viermal<br />

Level 4. Die Kür enthielt drei Wackler, aber da<br />

er acht Dreifache versuchte und keinen Sprung<br />

unterdrehte, sammelte er genug Punkte.<br />

Nikita Starostin<br />

Nikita Starostin erreichte bei seinem WM-Debüt<br />

immerhin das Finale, obwohl der 3A im KP wieder<br />

einmal auf dem Hosenboden endete und er<br />

noch keinen Vierfachen im Programm hat. Die<br />

gute Bewertung verdankt er in erster Linie seinem<br />

freundlichen und ansprechenden Laufstil,<br />

der im KP Komponenten bis 8,25 einbrachte, für<br />

einen Neuling außerordentlich viel. In der Kür<br />

waren beide 3A unsauber und mit q bedacht.<br />

Insgesamt erhielten sechs Elemente Minuspunkte.<br />

Da muss er technisch noch zulegen und gab<br />

auch zu, dass er unzufrieden war. Ivan Shmuratko<br />

aus der Ukraine war über Polen geflüchtet,<br />

mit der Bahn von Warschau bis Montpellier<br />

gekommen und konnte zuvor wenig trainieren.<br />

Er zeigte deutlich weniger als in guter Form, erhielt<br />

aber stehende Ovationen für die Tatsache,<br />

dass er überhaupt startete. Er trug kein Kostüm,<br />

sondern ein T-Shirt mit der Aufschrift Ukraine<br />

in den ukrainischen Farben, und sagte dazu, ein<br />

schönes Kostüm passe jetzt nicht, weil die Ukrainer<br />

um das Überleben kämpfen müssen. Nach<br />

der WM bestätigte Denys Strekalin, der französische<br />

Paarläufer ukrainischer Herkunft, der <strong>Pirouette</strong>,<br />

dass er Shmuratko in seiner Wohnung<br />

aufgenommen hat und er vorläufig bei ihm in<br />

Paris trainieren kann. Brian Orsers Schüler<br />

Junhwan Cha aus Südkorea verpatzte<br />

sein KP und konnte die Kür gar nicht<br />

laufen, weil zwei Tage vor dem KP<br />

sein rechter Schlittschuh gebrochen<br />

waren und auch mit Klebeband<br />

nicht mehr richtig hielt.<br />

Vincent Zhou


16<br />

Weltmeisterschaften<br />

Papadakis/Cizeron erneut überragend<br />

In der Eistanzkonkurrenz waren außer den<br />

gesperrten Russen und den Deutschen<br />

Tänzer fast aller Länder vertreten, die bei<br />

den Olympischen Spielen gestartet waren,<br />

und noch einige mehr. Nur das chinesische<br />

Tanzpaar, Schüler der Montrealer<br />

Tanzschule, fehlte, weil es wie alle anderen<br />

Chinesen nach den Olympischen Spielen<br />

drei Wochen in Quarantäne musste.<br />

Daher war es für die 31 gestarteten Duos<br />

besonders schwierig, das Finale der besten<br />

20 zu erreichen. Die Technischen Spe-<br />

Eistanz | WM Montpellier<br />

RT Kür Pkt<br />

1 Gabriella Papadakis / Guillaume Cizeron<br />

Frankreich 1 1 229.82<br />

2 Madison Hubbell / Zachary Donohue<br />

Ver. Staaten 2 2 222.39<br />

3 Madison Chock / Evan Bates<br />

Ver. Staaten 3 3 216.83<br />

4 Charlène Guignard / Marco Fabbri<br />

Italien 4 4 209.92<br />

5 Piper Gilles / Paul Poirier<br />

Kanada 5 5 202.70<br />

6 Lilah Fear / Lewis Gibson<br />

Großbritannien 7 6 198.17<br />

7 Olivia Smart / Adrian Diaz<br />

Spanien 6 7 194.63<br />

8 Kaitlin Hawayek / Jean-Luc Baker<br />

Ver. Staaten 9 8 191.61<br />

9 Laurence Fournier Beaudry / Nikolaj Sörensen<br />

Kanada 8 9 188.54<br />

10 Allison Reed / Saulius Ambrulevicius<br />

Litauen 10 11 180.21<br />

11 Marjorie Lajoie / Zachary Lagha<br />

Kanada 13 10 178.84<br />

12 Juulia Turkkila / Matthias Versluis<br />

Finnland 12 12 175.95<br />

13 Natalie Taschlerova / Filip Taschler<br />

Tschechien 11 14 172.23<br />

14 Tina Garabedian / Simon Proulx Senecal<br />

Armenien 14 13 170.32<br />

15 Maria Kazakova / Georgy Reviya<br />

Georgien 17 15 165.38<br />

16 Kana Muramoto / Daisuke Takahashi<br />

Japan 15 16 164.25<br />

17 Sasha Fear / George Waddell<br />

Großbritannien 18 18 160.05<br />

18 Holly Harris / Jason Chan<br />

Australien 19 17 159.92<br />

19 Solene Mazingue / Marko Jevgeni Gaidajenko<br />

Estland 20 19 149.<strong>04</strong><br />

Ausgeschieden:<br />

– Oleksandra Nazarova / Maksym Nikitin<br />

Ukraine 16 – 67.70<br />

Kürfinale nicht erreicht:<br />

21 Shira Ichilov / Volodymyr Byelikov<br />

Israel 21 – 62.57<br />

22 Mariia Ignateva / Danijil Leonyidovics Szemko<br />

Ungarn 22 – 62.12<br />

23 Jasmine Tessari / Stéphane Walker<br />

Schweiz 23 – 60.75<br />

24 Charlotte Lafond-Fournier / Richard Kang In Kam<br />

Neuseeland 24 – 59.45<br />

25 Maria Sofia Pucherova / Nikita Lysak<br />

Slowakei 25 – 58.27<br />

26 Carolina Moscheni / Francesco Fioretti<br />

Italien 26 – 58.22<br />

27 Ekaterina Mitrofanova / Vladislav Kasinskij<br />

Bosnien-Herzeg. 27 – 55.01<br />

28 Anastasia Polibina / Pavel Golovishnikov<br />

Polen 28 – 50.73<br />

29 Ekaterina Kuznetsova / Oleksandr Kolosovskyi<br />

Aserbaidschan 29 – 49.14<br />

30 Aurelija Ipolito / Luke Russell<br />

Lettland 30 – 46.00<br />

31 Gaukhar Nauryzova / Boyisangur Datiev<br />

Kasachstan 31 – 45.87<br />

zialisten waren generell sehr streng und<br />

selbst die Medaillengewinner erhielten<br />

auch Level 2 und Level 3. Der Wettbewerb<br />

wurde zu dem erwarteten kompletten Triumph<br />

der Eistanzschule von Montreal,<br />

denn nicht weniger als 13 Eistanzpaare<br />

kamen von dort, darunter alle drei Medaillengewinner<br />

und neun der besten 11<br />

Paare. Drei Startplätze im Eistanzen bei<br />

der nächsten WM haben Frankreich und<br />

die USA, zwei haben Italien, Kanada,<br />

Großbritannien, Spanien und Litauen.<br />

Auf einem kleinen Trainermeeting gab die ISU<br />

bekannt, dass in der kommenden Saison im<br />

Rhythmustanz der Meisterklasse zwei verschiedene<br />

lateinamerikanische Tänze vorgeschrieben<br />

sind und die Pflichtschritte zum Argentinischen<br />

Tango gelaufen werden. Junioren müssen einen<br />

argentinischen Tango und einen weiteren lateinamerikanischen<br />

Tanz wählen. In der Kür sind<br />

jetzt zwei verschiedene Rhythmen vorgeschrieben,<br />

von denen der überwiegende Teil höchstens<br />

75 % der Zeit umfassen darf. Über neue Elemente<br />

wie einen „Choreo-assisted Jump“ und<br />

weitere Regeländerungen soll demnächst wieder<br />

ein ISU-Kommuniqué veröffentlicht werden.<br />

Die Olympiasieger und Favoriten Gabriella Papadakis<br />

& Guillaume Cizeron bestätigten auch<br />

vor heimischem Publikum ihre Stärke und gewannen<br />

überlegener, als es ihre 7,5 Punkte Vorsprung<br />

ausdrücken. In ihrem rasanten „Waacking<br />

Dance“ mit den charakteristischen und<br />

außerordentlich parallelen Armbewegungen zu<br />

den Musikstücken „Made to Love“ und „U<br />

Move, I Move“, beide von dem US-Popsänger<br />

John Legend, dominierten Elementebewertungen<br />

von +5 und Komponenten von 10,0. Cizeron<br />

sagte, sie hätten den Waacking-Tanz von A<br />

bis Z gelernt. Sie seien überrascht gewesen, wie<br />

gut sich dieser Tanzcharakter auf dem Eis umsetzen<br />

lasse. Sie bestätigten, dass das Programm<br />

auch technisch noch besser als bei den<br />

Olympischen Spielen gewesen sei. Auch in der<br />

Kür zur „Elegie“ für Violoncello und Klavier des<br />

spätromantischen französischen Komponisten<br />

Gabriel Fauré wurde ihre besondere Magie<br />

sichtbar, die keine anderen Eistanzweltmeister<br />

der letzten 35 Jahre besitzen. Ihre Elemente<br />

wirken leicht und selbstverständlich, was ihre<br />

besondere Kunst ausmacht. Diesmal erhielten<br />

sie für Performance (Darbietung), Composition<br />

(Zusammenstellung) und Interpretation der<br />

Musik von allen neun Juroren eine 10,0, für die<br />

Eislauffertigkeiten und die Übergänge je zur<br />

Hälfte 9,75 und 10.0.<br />

Madison Hubbell und Zachary Donohue


17<br />

Madison Chock & Evan Bates waren ebenfalls<br />

über ihre Leistung, das Publikum und die<br />

Freundschaft mit den anderen Spitzenpaaren<br />

sehr glücklich. Bei ihnen dominierten mit +4 bewertete<br />

Elemente und ihre Komponenten lagen<br />

bei etwa 9,6. Auch sie erhielten einige 10,0. Sie<br />

sprachen noch einmal über ihre Weltraumkür, in<br />

der Astronaut Evan eine Außerirdische (Madison)<br />

trifft und sie feststellen, dass auch eine solche<br />

Beziehung funktionieren kann und<br />

Fremde sich nicht immer bekämpfen und<br />

Kriege führen müssen. Zunächst hatten<br />

sie etwas moralische Unterstützung der<br />

Trainer benötigt, weil sie nicht sicher waren,<br />

ob man so etwas auf dem Eis umsetzen kann.<br />

Erstmals seit 2016 landeten sie bei einer WM<br />

wieder auf dem Podium. Von Montpellier aus<br />

flogen sie zu Shows nach Japan, wollen auch die<br />

nächste Saison Wettbewerbe laufen und hoffen<br />

natürlich auf Titel in naher Zukunft.<br />

Weltmeisterschaften<br />

Charlène Guignard & Marco Fabbri aus Mailand<br />

präsentierten ebenfalls zwei Programme ganz<br />

nahe an der Weltklasse, laufen allerdings weniger<br />

spektakulär und waren weniger enthusiastisch<br />

und extrovertiert, als es um ihre Leistungen<br />

ging. Stirnrunzeln löste aus, dass sie im<br />

Rhythmustanz zu einem Michael Jackson-<br />

Medley für ihre parallele Schrittfolge nur<br />

Level 1 erhielten. Sie wollen auf jeden Fall<br />

in der nächsten Saison weitermachen und<br />

dann Jahr für Jahr neu entscheiden, ob<br />

sie ihre Karriere noch bis zu den<br />

Olympischen Spielen 2026 in ihrer<br />

Heimatstadt Mailand fortsetzen.<br />

Gabriella Papadakis und Guillaume Cizeron<br />

Fotos: Hella Höppner<br />

Nach ihren beiden Programmen waren sie so<br />

glücklich und erleichtert wie nie zuvor. Vor jubelndem<br />

französischem Publikum zu laufen, war<br />

auch für sie etwas ganz Besonderes. Dies sei einer<br />

der schönsten Momente in ihrer Karriere.<br />

Cizeron flachste ein bisschen über die Werbung<br />

mit ihnen beiden und sagte, er habe sich auf<br />

Mülltonnen abgebildet gesehen, auf Wasserflaschen<br />

und Desinfektionsbehältern, lieber wäre<br />

ihm auf Champagnerflaschen gewesen, aber<br />

vielleicht sei das auch irgendwo zu sehen. Ein<br />

bisschen wie Abschied klang, als sie betonten,<br />

wie gut sie sich immer mit ihren Konkurrenten<br />

aus derselben Tanzschule verstanden haben. In<br />

Montpellier wollten sie noch nichts über ihre<br />

weiteren Pläne sagen, sondern gingen zunächst<br />

für knapp zwei Wochen auf Tournee durch<br />

Frankreich. Aber angesichts des Stresses und<br />

des drohenden Burn-out vor zwei Jahren ist zu<br />

vermuten, dass sie anschließend nach fünf EM-,<br />

fünf WM-Titeln und je einer Olympischen Silber-<br />

und Goldmedaille ihren Rücktritt erklären,<br />

obwohl sie mit 26 und 27 Jahren noch jung genug<br />

für vier weitere Jahre wären.<br />

Silber und Bronze für US-Tänzer<br />

Madison Hubbell (31) & Zachary Donohue (31)<br />

hatten schon vor Monaten angekündigt, dass die<br />

WM ihr letzter Wettbewerb sei, und waren ebenfalls<br />

mit ihrem Abschneiden und der Leistung<br />

hochzufrieden und bester Laune. Im Rhythmustanz<br />

waren die Levels nicht ideal, aber die Elemente<br />

gelangen ebenfalls ausgezeichnet und die<br />

Komponenten erreichten etwa 9,7. Die Bewertung<br />

der Kür war ähnlich. Auch sie freuten sich<br />

über das begeisterte Publikum, was sie bei den<br />

Olympischen Spielen und während der gesamten<br />

vergangenen zwei Jahre oft vermisst hatten.<br />

Auch sie erhielten einige Komponenten von 10,0,<br />

was etwas zu wohlwollend war, aber ihre Silbermedaille<br />

war verdient. Hubbell erwähnte, dass sie<br />

ihre WM-Karriere vor zehn Jahren in Nizza begonnen<br />

hatten, also auch in Frankreich.<br />

Piper Gilles & Paul Poirier, die bei Carol Lane<br />

und Juris Razguliaevs in Scarborough bei Toronto<br />

trainieren, hatten sich nach der WM-Bronzemedaille<br />

im vergangenen Jahr (allerdings in Abwesenheit<br />

von Papadakis/Cizeron) sicherlich sowohl<br />

bei den Olympischen Spielen als auch bei<br />

der WM mehr erhofft als die Plätze 7 und 5.<br />

Aber die Programme dieser Saison kamen nicht<br />

so gut an. Trotzdem konnten auch sie vollauf<br />

überzeugen. Kanada hatte besonders strenge<br />

Corona-Einschränkungen und daher freuten sie<br />

sich sehr, dass sie in einer Halle mit beifallsfreudigen<br />

Zuschauern laufen konnten. In ihrer<br />

diesjährigen Kür stellen sie ihre fast 12 Jahre<br />

dauernde gemeinsame Laufbahn dar, so dass es<br />

nach einem Karriereende aussieht. Aber zunächst<br />

ging es auf eine Schaulauftournee durch<br />

Kanada. Lilah Fear & Lewis Gibson konnten mit


18<br />

Weltmeisterschaften<br />

modernen und showbetonten Programmen, sowohl<br />

im Rhythmustanz zu Musik der Rockgruppe<br />

„Kiss“ als auch in der Kür zur Filmmusik „König<br />

der Löwen“, weiter in der Hierarchie aufsteigen.<br />

Sie kündigten an, dass man sie noch weitere<br />

vier Jahre sehen wird.<br />

Olivia Smart und Adrian Diaz<br />

Fotos: Höppner<br />

Erstklassige Spanier<br />

Die Spanier Olivia Smart & Adrian Diaz liefen im<br />

Rhythmustanz wieder zu Songs von Tina Turner<br />

und in der Kür zu einem spanischen Medley mit<br />

der „Maske des Zorro“. Ihr Ziel von 200 Gesamtpunkten<br />

erreichten sie nicht, aber sie liefen<br />

trotzdem erstklassig und waren zufrieden, insbesondere<br />

weil sie mit Platz sieben erstmals unter<br />

die besten zehn kamen und damit Spanien im<br />

nächsten Jahr zwei Startplätze sicherten. Dies<br />

wäre ihnen auch dann gelungen, wenn russische<br />

Paare dabei gewesen wären. Ob sie ihre Karriere<br />

fortsetzen, wollten sie später entscheiden.<br />

Das dritte US-Paar Kaitlin Hawayek & Jean-Luc<br />

Baker zeigte sich ebenfalls von seiner besten<br />

Seite. Sie waren glücklich, dass sie höhere Levels<br />

als bei den Olympischen Spielen erhielten und<br />

sich ihr intensives Training somit ausgezahlt hat.<br />

Sie wollen den kommenden olympischen Zyklus<br />

bestreiten und hoffen natürlich auf einen Aufstieg<br />

in Richtung Medaillen. Zunächst ging es<br />

aber zu Shows nach Japan, dann wieder nach<br />

Montreal. Das zweite kanadische Duo Laurence<br />

Fournier Beaudry & Nikolaj Sörensen betonte<br />

nach den gelungenen Programmen, wie sehr sie<br />

genossen, wieder vor großem Publikum auftreten<br />

zu können, denn genau das hatten sie in Kanada<br />

und anderswo besonders vermisst. Die erste Kürhälfte<br />

habe besonders gut geklappt, aber dann<br />

hätten sich seine Rückenprobleme unangenehm<br />

bemerkbar gemacht. Zumindest eine Saison wollen<br />

sie auf jeden Fall weitermachen.<br />

Erstmals unter die besten zehn kamen auch die<br />

Litauer Allison Reed & Saulius Ambrulevicius. Sie<br />

räumten ein, es sei mental nicht leicht gewesen,<br />

den Frust zu überwinden, dass sie nicht zu den<br />

Olympischen Spielen durften, weil der Amerikanerin<br />

Reed keine litauische Staatsbürgerschaft<br />

gewährt wurde. Aber in ihrem Umfeld habe man<br />

ihnen viel Rückhalt gegeben, das habe sie motiviert,<br />

nicht aufzugeben und auch für die kommende<br />

Saison wieder Programme einzustudieren.<br />

Die dritten Kanadier Marjorie Lajoie und Zachary<br />

Lagha waren über ihre niedrigen Levels im<br />

Rhythmustanz enttäuscht, aber Lagha gab zu, er<br />

habe zwei Elemente etwas vermasselt. Lajoie<br />

sagte, in der olympischen Saison hätten sie vor<br />

allem gelernt, auch unter Stress wie bei Olympia<br />

gut zu laufen. Sie freuten sich schon auf die Programme<br />

der kommenden Saison. Maria Kazakova<br />

& Georgy Reviya aus Georgien hatten Russland<br />

bei Kriegsausbruch verlassen und sich in Oberstdorf<br />

bei Rostislav Sinicyn auf die WM vorbereitet,<br />

aber sie vermissten ihren russischen Trainer<br />

Denis Samohin, der nicht mitkommen durfte. Die<br />

Schweizer Eistänzer Jasmine Tessari und Stéphane<br />

Walker verfehlten trotz guten Rhythmustanzes<br />

und 60 Punkten das Finale, weil sie bei der<br />

parallelen Schrittfolge wackelten.<br />

Oleksandra Nazarova & Maksym Nikitin aus der<br />

Ukraine waren nach Polen geflüchtet und hatten<br />

sich in Torun mit der polnischen Trainerin Sylwia<br />

<strong>No</strong>vak kurz auf die WM vorbereitet und sogar<br />

einen neuen Rhythmustanz einstudiert. Die polnischen<br />

Eistänzer Natalia Kaliszek und Maksym<br />

Spodyriev, die ihre Karriere beendet haben, haben<br />

sie bei sich zu Hause aufgenommen. Nazarova/Nikitin<br />

liefen demonstrativ in blauem und<br />

gelbem T-Shirt, den ukrainischen Nationalfarben.<br />

Ihre Musik war „1944“ von der ukrainischen Eurovision-Gewinnerin<br />

Jamala, in dem es über die<br />

Deportation von Krim-Tataren im Zweiten Weltkrieg<br />

geht. Der Text ist erschreckend aktuell und<br />

passt auf die heutige Situation („When strangers<br />

are coming, they come to your house. They kill<br />

you all and say ‚we are not guilty’…“) Der zweite<br />

Teil ist ein kämpferisches ukrainisches Volkslied<br />

in einem Remix, der jetzt sehr populär geworden<br />

ist. Sie qualifizierten sich für das Finale und erhielten<br />

stehende Ovationen für ihr Land und den<br />

Mut zu starten, gingen aber in der Kür doch<br />

nicht an den Start (siehe Interview Seite 4). Evan<br />

Bates, der neue ISU-Athletensprecher für Eistanzen,<br />

sagte: „Wir waren schon in der Halle, als<br />

Oleksandra und Maksym liefen, haben sie live<br />

gesehen und waren noch nie emotional so von<br />

einem Vortrag bewegt. Ich denke, die Welt hat<br />

gesehen, wie tapfer das ukrainische Volk ist und<br />

wie tapfer die beiden sind. Sie sind hier, laufen<br />

und tragen ihre ukrainischen T-Shirts.“<br />

Trauerspiel der Deutschen<br />

Stehender Applaus für<br />

Oleksandra Nazarova und<br />

Maksym Nikitin<br />

Allison Reed und<br />

Saulius Ambrulevicius<br />

Eigentlich hatte die DEU zu Recht Jennifer Janse<br />

van Rensburg & Benjamin Steffan für die WM<br />

nominiert, weil Katharina Müller und Tim Dieck<br />

nicht das Finale in Peking erreicht hatten. Aber<br />

kurz vor der Abreise wurde Steffan positiv getestet<br />

und sie konnten nicht anreisen. Müller &<br />

Dieck konnten dann aber nicht einmal als Ersatz<br />

einspringen, obwohl sie vorher versucht haben<br />

sollen, wieder mit Wunschtrainerin Angelika<br />

Krylova in Moskau zu arbeiten, was mit ihrem<br />

Bundeswehrstatus aber nicht ging. Sportdirektorin<br />

Claudia Pfeifer sagte der <strong>Pirouette</strong> zunächst,<br />

Dieck sei krank und sagte zu dpa, die DEU sei<br />

über Müller & Dieck enttäuscht. Müller war<br />

dann Co-Kommentatorin bei der ARD und sagte<br />

dort, es sei einiges zwischen ihnen und der DEU<br />

vorgefallen. Kurzum, das Ganze ist ein Trauerspiel<br />

und die Deutschen sollten sich ein Beispiel<br />

an Vincent Zhou nehmen (siehe Seite 14).


Kaori Sakamoto gewinnt vor Loena Hendrickx<br />

Trotz der Abwesenheit der drei russischen<br />

Läuferinnen hatte die Frauenkonkurrenz<br />

ein gutes, wenn auch kein überragendes<br />

Niveau. Niemand versuchte einen vierfachen<br />

Sprung und niemand landete einen<br />

sauberen 3A. Die Olympische Bronzemedaillengewinnerin<br />

Kaori Sakamoto ist<br />

auch ohne diese Sprünge eine würdige<br />

Weltmeisterin, denn alles andere war erstklassig.<br />

Der französische Choreograf Benoit<br />

Richaud war im vergangenen Sommer<br />

in Japan und hat damals in der Eishalle<br />

und später noch hier und da online mit ihr<br />

gearbeitet. Ihre charakteristischen Bewegungen,<br />

das Thema starke Frauen und die<br />

Entwicklung von mehr Selbstbewusstsein<br />

lassen seine Handschrift erkennen. Sakamoto<br />

erwähnte, dass sein Stil eben keine<br />

Elemente des klassischen Balletts enthält,<br />

sondern modern ist. Außerdem läuft sie<br />

sehr dynamisch. Erstmals erhielt sie im KP<br />

mehr als 80 Punkte und hatte zur Filmmusik<br />

„Gladiator“ Komponenten von etwa<br />

9,3; die kanadische Preisrichterin gab sogar<br />

eine 10,0 für die Darbietung (performance),<br />

was durchaus zu vertreten war.<br />

Ihre 2A mit souveränem Auslauf erhielten<br />

in beiden Programmen fast nur +5, in beiden<br />

Programmen gelangen auch alle anderen<br />

Elemente hervorragend, sieht man<br />

von einer kleinen Kantenwarnung bei einem<br />

3L in der Kür ab. Wie so viele Läufer<br />

hatte sie nach dem Saisonhöhepunkt der<br />

Olympischen Spiele zunächst Motivationsprobleme,<br />

aber diese konnte sie schnell<br />

wieder überwinden.<br />

Frauen | WM Montpellier<br />

KP Kür Pkt<br />

1 Kaori Sakamoto – Japan 1 1 236.09<br />

2 Loena Hendrickx – Belgien 2 2 217.70<br />

3 Alysa Liu – Ver. Staaten 5 3 211.19<br />

4 Mariah Bell – Ver. Staaten 3 4 208.66<br />

5 Young You – Südkorea 4 6 2<strong>04</strong>.91<br />

6 Anastasiia Gubanova – Georgien 14 5 196.61<br />

7 Haein Lee – Südkorea 11 7 196.55<br />

8 Karen Chen – Ver. Staaten 8 8 192.51<br />

9 Ekaterina Ryabova – Aserbaidschan 9 11 188.50<br />

10 Nicole Schott – Deutschland 6 14 188.42<br />

11 Wakaba Higuchi – Japan 7 12 188.15<br />

12 Madeline Schizas – Kanada 10 10 188.14<br />

13 Ekaterina Kurakova – Polen 16 9 186.43<br />

14 Olga Mikutina – Österreich 15 13 182.98<br />

15 Mana Kawabe – Japan 12 15 182.44<br />

16 Niina Petrokina – Estland 17 16 176.60<br />

17 Lindsay Van Zundert – Niederlande 18 17 171.39<br />

18 Julia Sauter – Rumänien 19 18 170.31<br />

19 Alexia Paganini – Schweiz 13 19 170.02<br />

20 Lara Naki Gutmann – Italien 20 20 164.39<br />

21 Josefin Taljegard – Schweden 21 21 163.24<br />

22 Kailani Craine – Australien 22 22 161.75<br />

23 Natasha Mckay – Großbritannien 24 23 159.27<br />

24 Dasa Grm – Slowenien 23 24 147.12<br />

Kürfinale nicht erreicht:<br />

25 Jenni Saarinen – Finnland 25 – 55.30<br />

26 Tzu-Han Ting – Taiwan 26 – 55.24<br />

27 Eliska Brezinova – Tschechien 27 – 55.07<br />

28 Alexandra Feigin – Bulgarien 28 – 55.01<br />

29 Lea Serna – Frankreich 29 – 54.30<br />

30 Marilena Kitromilis – Zypern 30 – 53.32<br />

31 Julia Lang – Ungarn 31 – 47.93<br />

32 Stefanie Pesendorfer – Österreich 32 – 47.23<br />

33 Anete Lace – Lettland 33 – 44.60<br />

19<br />

Weltmeisterschaften<br />

Kaori Sakamoto<br />

Foto: Hella Höppner<br />

Die Silbermedaille von Loena Hendrickx war eine<br />

positive Überraschung und die erste für eine<br />

Einzelläuferin in der Geschichte des belgischen<br />

Verbandes. Kurz nach den Olympischen Spielen<br />

hatte sie sich eine Leistenzerrung zugezogen,<br />

konnte nur eingeschränkt trainieren und<br />

war besorgt, dass sie die Kür nicht<br />

durchsteht, aber sie war vorher gut<br />

austrainiert und motiviert und daher<br />

schaffte sie eine Spitzenleistung.<br />

Bruder und Trainer Jorik Hendrickx<br />

sagte der <strong>Pirouette</strong>, sie habe den Schmerz unter<br />

Kontrolle. Sprungtechnisch ist sie seit vielen<br />

Jahren sehr stark und war Fünfte der WM 2021.<br />

Aber in den letzten Monaten hat sie vor allem<br />

mit Choreograf Adam Solya an ihrem<br />

Ausdruck und der Dynamik gearbeitet und<br />

erhielt nach einem ganz makellosen KP<br />

in der fast fehlerfreien orientalischen<br />

Kür erstmals Komponenten von mehr<br />

als 9,0. Auch die etwa 7.000 Zuschauer<br />

waren begeistert und gewährten<br />

ihr stehende Ovationen<br />

(siehe Interview Seite 6 und<br />

Titelfoto). Sie könnte ein<br />

Vorbild für die oft nicht<br />

sehr selbstbewussten<br />

deutschen Läuferinnen<br />

sein, denn sie ist<br />

auch im europäischen<br />

Westen<br />

groß geworden.


20<br />

Weltmeisterschaften<br />

Die Amerikanerin Alysa Liu (16) war vor drei<br />

Jahren ein Wunderkind mit 3A und sogar 4L,<br />

das mit den russischen Teenagerinnen konkurrenzfähig<br />

zu sein schien. Sie ist erst in dieser<br />

Saison in der internationalen Meisterklasse<br />

startberechtigt. Ihr KP war fehlerfrei mit Weltklasse-<strong>Pirouette</strong>n,<br />

allerdings „nur“ mit 2A. In<br />

der Kür riskierte sie einen 3A, der auf den ersten<br />

Blick und ohne Zeitlupe als einziger 3A-Versuch<br />

im Feld korrekt aussah. Aber er war unterdreht,<br />

verhalf ihr allerdings zu hohen Komponenten<br />

und zusammen mit sieben weiteren Dreifachsprüngen<br />

zu einer verdienten Bronzemedaille.<br />

Nach knapp drei Monaten in Colorado Springs<br />

ist sie nun wieder zurück in das nördliche Kalifornien<br />

von San Franzisko gezogen, weil in der<br />

dortigen Eishalle ihre Freunde trainieren, auch<br />

ihr einstiger Kindheitstrainer Phillip DiGuglielmo<br />

arbeitet, den sie immer sehr schätzte, der ihr<br />

die Sprünge beibrachte und jetzt auch mit ihr in<br />

Montpellier war. Wenn das so ist, fragt man<br />

sich, warum sie dort überhaupt weggegangen<br />

ist, zuerst zu Massimo Scali und Jeremy Abbott,<br />

dann zu Viktor Pfeifer und Drew Meekins nach<br />

Colorado. Aber das hat ihr Vater und weniger<br />

sie selbst entschieden. Karen Chen riss im KP<br />

den Rittberger auf und kämpfte in der Kür mit<br />

nicht rückwärts gelandeten Sprüngen.<br />

Mariah Bell aus Colorado Springs hat zwar einen<br />

ausgesprochen freundlichen Laufstil, aber<br />

3-3-Kombinationen von ihr sind selten ganz<br />

einwandfrei. Nach Montpellier war sie ohne<br />

Trainer gekommen und erklärte, Rafael Arutunian<br />

sei nach dem Olympiasieg seines wichtigsten<br />

Schülers Nathan Chen erschöpft, kommuniziere<br />

aber mit ihr hervorragend über Facetime. Co-<br />

Trainer Adam Rippon hatte keine Zeit, weil er<br />

mit anderen Schülern arbeitete. Sie gab zu, dass<br />

sie in der zweiten Kürhälfte etwas wenig getan<br />

habe und daher hinter Alysa Liu zurückgefallen<br />

sei. Aber letztlich bekümmerte sie das wenig,<br />

denn jetzt stehe erst einmal die Schaulauftournee<br />

durch die USA an und sie freue sich, wieder<br />

in die Heimat zurückkehren zu können. Was danach<br />

komme, stehe noch nicht fest. Die Südkoreanerin<br />

Young You erhielt in der Kür erhebliche<br />

Abzüge, weil gleich vier Sprünge nicht rückwärts<br />

gelandet waren. Immerhin versuchte sie<br />

einen 3A, aber der sah schon ohne Zeitlupe<br />

nicht gut aus und wurde unterdreht gewertet.<br />

Sie kündigte an, bis zur nächsten Saison Vierfache<br />

lernen zu wollen. Die zweite Südkoreanerin<br />

Haein Lee landete nur zwei Plätze hinter ihr, so<br />

dass ihr Verband mit den Plätzen 5 + 7 bei der<br />

nächsten WM in Japan drei Läuferinnen schicken<br />

darf, die das asiatische Land auch besitzt.<br />

Anastasiia Gubanova aus Georgien, auch sie<br />

eine Russin aus St. Petersburg, stürzte zwar im<br />

KP beim 3F und auch der improvisierte 3T nach<br />

dem 3L war knapp durchgezogen. Aber mit einer<br />

mutigen Kür mit sieben Dreifachen konnte<br />

sie noch acht Plätze gutmachen. Wie die anderen<br />

Georgier hatte sie nach Beginn des Krieges<br />

Russland schnellstens verlassen und sich im<br />

norditalienischen Bergamo auf die WM vorbereitet.<br />

Ihr St. Petersburger Trainer Evgeni Rukavitsin<br />

durfte aber nicht mitkommen, weil er kein<br />

Dauervisum für die EU besitzt und die EU in der<br />

Regel für Russen keine neuen Visa mehr ausstellt.<br />

Nur Trainer, die bereits vor Kriegsbeginn<br />

ein Dauervisum für die Europäische Union hatten<br />

- wie Dmitri Savin - dürfen bis zum Ablauf<br />

ihres Visums noch aus Russland in den Westen<br />

reisen. Allerdings gibt es kaum noch Flugverbindungen,<br />

so dass das Reisen kompliziert wird.<br />

Auch der Schleichweg mit der Bahn von St. Petersburg<br />

nach Helsinki wurde eingestellt. Ende<br />

März waren nur noch Flüge über Istanbul, die<br />

Golfstaaten oder Mittelasien nach Westeuropa<br />

möglich. Ekaterina Ryabova musste zum Beispiel<br />

von Moskau über Katar und Paris nach Montpellier<br />

reisen. Weil ihr Vater und Trainer nicht<br />

mitkam, engagierte sie ihren Freund, Eistänzer<br />

und Freiwilligen Helfer Geoffrey Brissaud, der<br />

ihr Training auf Video aufnahm und es dem Vater<br />

schickte. In der Halle half ihr außerdem<br />

Paarlauftrainer Dmitri Savin. Auch die Kanadierin<br />

Madeline Schizas musste ohne Trainerin auskommen,<br />

denn diese war in Montpellier positiv<br />

getestet worden und musste im Hotel bleiben.<br />

Platz 10 für Schott<br />

Nicole Schott konnte sich trotz erneuter vieler<br />

Corona-Infektionen in Oberstdorf schützen und<br />

gut auf die WM vorbereiten. Im KP gelang endlich<br />

einmal alles wie geplant: Die 3F-3T-Kombination,<br />

der 3R und der 2A erhielten viele Pluspunkte.<br />

Die drei <strong>Pirouette</strong>n und die Schrittfolge<br />

hatten Level 4 und die Tango-Interpretation war<br />

zackiger und dynamischer als sonst. Prompt erhielten<br />

sie mit 67,77 Punkten mehr als jemals<br />

zuvor im KP und landete sogar in der besten<br />

Kürgruppe. Anschließend sagte sie, ob sie 12.,<br />

14., 16. oder 18. sei, mache keinen großen Unterschied.<br />

Platz sechs im KP und Platz 10 am<br />

Ende sind aber doch deutlich besser. Die Kür<br />

glückte weniger erstklassig. Zwar kam sie ohne<br />

Sturz oder Fast-Sturz durch das Programm, aber<br />

nur vier Dreifache waren sauber, der 3T der<br />

Kombination unterdreht, der zweite Salchow<br />

nur doppelt und der 3L ist ohnehin nicht im<br />

Programm. Mit etwas Glück, Fehler von Konkurrentinnen<br />

und den hohen Komponenten in der<br />

Nicole Schott Olga Mikutina Alexia Paganini


21<br />

besten Startgruppe reichte es noch für Rang<br />

zehn. Dies ist der größte Erfolg für eine deutsche<br />

Läuferin seit Tanja Szewczenkos neuntem<br />

Platz im Jahr 1998. Damit kann die DEU bei der<br />

nächsten WM in Japan zwei Frauen nominieren.<br />

Jetzt müsste nur noch Kristina Isaev oder eine<br />

andere Deutsche so gut werden, dass man sie<br />

auch guten Gewissens schicken kann. Schott<br />

will jedenfalls weiterlaufen.<br />

Weltmeisterschaften<br />

Olga Mikutina aus dem österreichischen Feldkirch<br />

war erkältet und erreichte nicht die Brillanz<br />

der vergangenen WM. Im KP wurde der<br />

Lutz nur doppelt (null Punkte) und auch in der<br />

Kür waren drei Sprünge nicht einwandfrei. Aber<br />

sie hielt sich im Mittelfeld. Vor sechs Jahren ist<br />

sie aus der Ukraine gekommen und hat dort<br />

noch viele Verwandte und Bekannte im Krieg.<br />

Ihre Eltern seien aber in Sicherheit, sagte sie<br />

kurz. Locker das Finale erreichte auch die für<br />

Rumänien startende Julia Sauter. Sie hat geheiratet<br />

und zog mit ihrem Mann, einem Eishockeyspieler,<br />

von Ravensburg nach Landshut. Die<br />

EM musste sie wegen einer Corona-<br />

Erkrankung auslassen, aber in Montpellier<br />

war sie längst wieder fit. Die<br />

Schweizerin Alexia Paganini kam erkältet<br />

nach Montpellier und wirkte daher<br />

vor allem in der Kür etwas müde. Eliska<br />

Brezinova konnte die gute Leistung von<br />

den Olympischen Spielen nicht wiederholen,<br />

sie wurde diesmal von Jozef Sabovcik<br />

betreut, weil der Vater mit einer anderen<br />

Läuferin bei dem Olympischen Jugendfestival<br />

war. Die zweite Österreicherin Stefanie<br />

Pesendorfer aus Linz konnte keinen der beiden<br />

Dreifachen im KP sauber stehen und war<br />

daher weit vom Finale entfernt.<br />

Die Ukrainerin Anastasiia Shabotova<br />

wurde von ihrem Verband nicht für<br />

Montpellier nominiert, weil sie angeblich<br />

eine Russland-Putinfreundliche<br />

Bemerkung von<br />

Evgeni Plushenko geliked hatte<br />

und damit in den sozialen Medien<br />

in der Ukraine einen Shitstorm<br />

ausgelöst hatte. Einst als<br />

Kind hatte sie sich schon einmal<br />

unbeliebt gemacht, damals<br />

in Russland, weil sie gepostet<br />

hatte, dass alle Tutberidze-<br />

Schülerinnen dopen. Damals<br />

musste sie den russischen<br />

Verband verlassen und für<br />

die Ukraine starten.<br />

Mariah Bell<br />

Alysa Liu, Fotos: Hella Höppner


22<br />

Weltmeisterschaften<br />

Amerikaner<br />

gewinnen im<br />

Paarlaufen<br />

Die Paarlaufkonkurrenz war an der Spitze<br />

am stärksten von den politischen und coronabedingten<br />

Krisen der Gegenwart betroffen.<br />

Zum einen fehlten die fünf besten<br />

Paare der Olympischen Spiele: Die beiden<br />

chinesischen Duos, die Platz eins und fünf<br />

belegt hatten, durften wegen der innerchinesischen<br />

Quarantäne nicht kommen.<br />

Die drei russischen Paare sowie die Weißrussen<br />

waren aus den bekannten Gründen<br />

gesperrt. Dies eröffnete den anderen Paaren<br />

ungeahnte Chance auf Medaillen und<br />

gute Plätze. Die Platzierungen ermöglichen<br />

in der kommenden Saison den USA,<br />

Japan, und Kanada je drei Startplätze sowie<br />

zwei für Georgien, Deutschland, Österreich,<br />

Frankreich, den Niederlanden<br />

und Großbritannien. Ob diese Länder auch<br />

zwei Paare haben und schicken, bleibt abzuwarten.<br />

Ob Russland bis dahin wieder<br />

starten darf und wenn ja, dann nur mit je<br />

einem Startplatz pro Disziplin, kann noch<br />

niemand beantworten.<br />

Paare | WM Montpellier<br />

KP Kür Pkt<br />

1 Alexa Knierim / Brandon Frazier<br />

Ver. Staaten 1 1 221.09<br />

2 Riku Miura / Ryuichi Kihara<br />

Japan 3 3 199.55<br />

3 Vanessa James / Eric Radford<br />

Kanada 5 2 197.32<br />

4 Karina Safina / Luka Berulava<br />

Georgien 4 4 191.74<br />

5 Minerva Fabienne Hase / <strong>No</strong>lan Seegert<br />

Deutschland 6 5 189.61<br />

6 Evelyn Walsh / Trennt Michaud<br />

Kanada 8 6 176.02<br />

7 Miriam Ziegler / Severin Kiefer<br />

Österreich 7 7 166.68<br />

8 Camille Kovalev / Pavel Kovalev<br />

Frankreich 9 8 153.73<br />

9 Daria Danilova / Michel Tsiba<br />

Niederlande 11 9 148.55<br />

10 Zoe Jones / Christopher Boyadji<br />

Großbritannien 10 10 144.24<br />

11 Dorota Broda / Pedro Betegon Martin<br />

Spanien 12 11 133.58<br />

12 Hailey Kops / Evgeni Krasnopolski<br />

Israel 14 12 126.45<br />

Ausgeschieden:<br />

– Ashley Cain-Gribble / Timothy Leduc<br />

Ver. Staaten 2 – 75.85<br />

– Sofiia Holichenko / Artem Darenskyi<br />

Ukraine 13 – 44.95<br />

Darüber hinaus erschienen auch einige andere<br />

Paare nicht: Das italienische Duo Sara Conti &<br />

Niccolo /Macci konnte nicht starten, weil Macci<br />

in Montpellier positiv getestet wurde. Das<br />

andere italienische Kunstlaufpaar Rebecca Ghilardi<br />

und Filippo Ambrosini reiste nicht an, weil<br />

Ghilardi zu Hause wohl Corona-positiv war.<br />

Ihre Karriere beendet haben vermutlich Nicole<br />

Della Monica und Matteo Guarise. Das<br />

gemeldete australische Kunstlaufpaar Anastasia<br />

Golubeva und Hektor Giotopoulos<br />

Moore fehlte ebenfalls wegen Corona. Das<br />

tschechische Duo Elizaveta Zhukova & Martin<br />

Bidar musste wegen einer Knöchelverletzung<br />

von Zhukova passen. Ihre gemeinsame<br />

Karriere vermutlich beendet haben die Kroaten<br />

Lana Petranovic und Antonio Souza-Cordeiro,<br />

die zuletzt bei Dmitri Savin in Sotchi<br />

trainiert haben. Nicht mehr an den Start<br />

gingen auch die Ungarn Ioulia Chtchtinina<br />

und Mark Maygar, nachdem Magyar kurz vor<br />

ihrem geplanten Olympiastart positiv auf<br />

Corona getestet wurde. Last but not least<br />

fehlten die neuen Schweizer Meister Jessica<br />

Pfund und Joshua Santillan. Über sie hat<br />

sich unser Schweizer Mitarbeiter Albert Rene<br />

Kolb informiert.<br />

»<br />

Albert Rene Kolb<br />

„Das schweizerisch-amerikanische Paarlaufpaar<br />

hatte die Mindestpunktzahl für<br />

EM und WM im Spätsommer geschafft. Es<br />

wollte eigentlich vor der Pandemie aufhören,<br />

dann kam die Idee mit der Schweiz.<br />

Allerdings musste ein Wartejahr in Kauf<br />

genommen werden, denn die Amerikaner<br />

verlangten etwa 100.000 Dollar für eine<br />

vorzeitige Freigabe für die verursachten<br />

Ausbildungskosten, behaupten die Verbandsleute.<br />

Also starteten sie erst in der<br />

Saison 2021/<strong>2022</strong> für die Schweiz. Ende<br />

<strong>No</strong>vember 2021 wurden sie Schweizermeister<br />

und erreichten die <strong>No</strong>minierung<br />

für die EM. Im Dezember habe ich drei<br />

Trainings von ihnen in Florida besucht. Da<br />

war noch alles klar. Dann kam im Januar<br />

die Meldung, dass Joshua Santillan Corona<br />

hat, also Startverbot bei der EM. Das war<br />

Pech. Danach hatte er eine gewisse Zeit<br />

Gesundheitsprobleme. Der Verband war<br />

nicht überzeugt von der Verfassung des<br />

Paares und meldete sie nicht für Montpellier.<br />

Das Paar hat sich nun entschieden,<br />

mit dem Wettkampfsport aufzuhören. Und<br />

die Schweiz verliert damit ein konkurrenzfähiges<br />

Paar.“<br />

«<br />

Knierim/Frazier Weltmeister<br />

Daher waren nur noch 14 statt ursprünglich<br />

etwa 25 oder 27 Paaren am Start, von denen<br />

sogar nur 12 den Wettbewerb auch beendeten.<br />

Aber diese nutzen die kleine Teilnehmerzahl,<br />

um mit guten Leistungen unvermutete<br />

Medaillen und gute Platzierungen zu erreichen.<br />

Allen voran die Amerikaner Alexa Knierim<br />

und Brandon Frazier, die als Olympia-<br />

Sechste plötzlich Favoriten für die WM waren<br />

und mit dieser Rolle problemlos umgehen<br />

konnten. Mit zwei fast fehlerfreien Programmen<br />

wurden sie die ersten Paarlauf-Weltmeister<br />

aus den USA, seitdem bei der WM<br />

1979 in Wien die Kalifornier Tai Babilonia &<br />

Randy Gardner mit ihrem Trainer John Nicks<br />

den Titel holten. Jetzt in Montpellier gingen<br />

Knierim & Frazier nach einem fehlerfreien<br />

und souveränen KP mit 76 Punkten knapp in<br />

Führung. Zur Musik von „House of the Rising<br />

Sun“ klappten alle Elemente, der 3T gut und alles<br />

andere erstklassig. In der Kür zu „Fix You“<br />

von Coldplay und zu “Redemption Through<br />

Love“ von Karl Hugo präsentierten die Schüler<br />

des ehemaligen Spitzenpaares Jenni Meno &<br />

Todd Sand die 3T-2T-Kombination etwas wacklig<br />

und disharmonisch. Aber alles andere gelang<br />

auch hier mit überwiegenden Elementebewertungen<br />

von +3 und +4. Frazier sagte später, es<br />

habe keine bessere Art geben können, ihre Saison<br />

zu beenden. Am Tag nach dem Schaulaufen<br />

flogen sie für eine zweiwöchige Schaulauftournee<br />

nach Japan, dann sollte eine USA-Tournee<br />

folgen, für beide die erste, da Paare in den USA<br />

wesentlich weniger populär sind als Einzelläufer.<br />

Knierim dankte ihrem Ehepartner Chris, der vor<br />

zwei Jahren seine Karriere beendete, damit sie<br />

ihre Träume erfüllen konnte. Und sie dankte<br />

Jungtrainer Michal Brezina, der ihr Stabilität bei<br />

den Sprüngen beibrachte.<br />

Ganz anders verlief die WM für das andere US-<br />

Paar Ashley Cain-Gribble und Timothy Le Duc<br />

aus Texas, die ebenfalls auf eine Medaille hofften.<br />

Im KP erhielten sie nach einem etwas eleganteren<br />

Vortrag zu „The White Crow“ über den<br />

russischen Balletttänzer Nurejev als Knierim/<br />

Frazier, aber einem Wackler von Cain-Gribble<br />

beim immerhin wieder versuchten 3R nur einen<br />

Punkt weniger und schienen auf bestem Weg.<br />

Riku Miura und<br />

Ryuichi Kihara


23<br />

Vanessa James<br />

und Eric Radford<br />

durfte bald ins Hotel zurück und am Montag<br />

nach der WM mit Halskrause auch wieder zurück<br />

in die USA fliegen. Gesundheitlich bedenklich<br />

ist, dass sie schon mehr als einmal, auch<br />

schon als Einzelläuferin, hart stürzte und sich<br />

Gehirnerschütterungen zugezogen hatte.<br />

Die japanischen Silbermedaillengewinner Riku<br />

Miura & Ryuichi Kihara, Siebte bei den Olympischen<br />

Spielen, waren deutlich weniger stark als<br />

im Herbst 2021. Zwar hatten die Schüler von<br />

Bruno Marcotte im kanadischen Oakville zu<br />

Recht im KP zu „Hallelujah“ von Leonard Cohen<br />

höhere Komponenten als die beiden US-Teams.<br />

Aber beim weggeworfenen Wurflutz stürzte<br />

Miura beinahe und einige Levels waren niedriger<br />

als geplant. In der Kür zur Musik „Woman“<br />

von Shawn Philipps misslang beiden die geplante<br />

Sprungkombination 3T-2T-2T. Der Twist und<br />

die drei Hebungen waren ausgezeichnet, aber<br />

Miura stolperte beim 3S und ging beim Wurfrittberger<br />

zu Boden. Selbstkritisch meinte sie<br />

später, dass ihre Darbietung keine Medaille wert<br />

gewesen sei. Für die kommende Saison wollten<br />

sie noch härter trainieren, um auch am Saisonende<br />

noch fit zu sein. Trotzdem hofften sie,<br />

mehr Interesse für Paarlaufen in Japan zu wecken,<br />

denn in dieser Saison waren sie das einzige<br />

international vorzeigbare Paar des Landes.<br />

auf das Treppchen. Die Sprungkombination<br />

klappte nicht, aber alle anderen Elemente. Ihr<br />

Tempo hätte allerdings höher sein können. Radford<br />

dokumentierte, dass er auch ein anderes<br />

Leben führt, denn eine Woche nach der WM<br />

fand nahe Toronto das erste Konzert mit von<br />

ihm komponierter Musik statt. James (34) und<br />

Radford (37) wollten ein paar Wochen getrennten<br />

Urlaub machen und dann gemeinsam entscheiden,<br />

ob sie ihre Paarlaufkarriere fortsetzen<br />

oder beenden.<br />

Ein fehlerfreies KP glückte Karina Safina & Luka<br />

Berulava aus Georgien, dem mit 17 und 19 Jahren<br />

jüngsten und vielversprechenden Paar in<br />

Montpellier. In der Kür sprang Safina den Salchow<br />

nur doppelt, aber alle anderen Elemente<br />

gelangen. Wie die georgischen Einzelläufer ha-<br />

Weltmeisterschaften<br />

Die Kanadier Vanessa James & Eric<br />

Radford liefen besser als bisher,<br />

aber nicht wirklich erstklassig. Im<br />

KP waren sein 3T und ihr<br />

Wurfflip etwas unsauber, alles<br />

andere gelang. Dank der<br />

zweitbesten Kür zur Musik<br />

„Falling“ von Harry<br />

Styles kamen sie noch<br />

Nach dem KP hatte LeDuc gesagt, es sei wichtig,<br />

solidarisch mit der Ukraine zu stehen. Daher<br />

würde sie als ganz kleine Geste eine ukrainische<br />

Flagge auf ihrer Jacke tragen.<br />

Schon zu Beginn der Kür wirkte Cain-Gribble<br />

angesichts der Medaillenchancen sehr nervös.<br />

Nach gutem Twist ging sie beim 3R zu Boden,<br />

dann auch beim weggeworfenen Wurflutz. Beim<br />

parallelen 3S in der zweiten Minute stürzte sie<br />

ohne Einwirkung des Partners auf Brust und<br />

Kinn und konnte wegen des Schocks nicht<br />

mehr aufstehen. Das Paar musste die<br />

Kür abbrechen, Cain-Gribble wurde<br />

vom Eis getragen und ins Krankenhaus<br />

gefahren. Dort stellte<br />

man eine Gehirnerschütterung<br />

fest, aber sie<br />

Alexa Knierim und Brandon Frazier<br />

Fotos Hella Höppner


24<br />

Weltmeisterschaften<br />

ben sie Russland bei Ausbruch des Krieges vorsichtshalber<br />

verlassen und konnten sich in Bergamo<br />

auf die WM vorbereiten. Sie wollten Mitte<br />

<strong>April</strong> bei der nach Tallinn verschobenen Junioren-WM<br />

noch einmal an den Start gehen.<br />

Gute Plätze für Berliner und<br />

Österreicher<br />

Minerva Hase und <strong>No</strong>lan Seegert hatten sich<br />

zunächst in Berlin und dann in Bergamo vorbereitet.<br />

Aber ihr Trainer Dmitri Savin konnte<br />

dorthin mangels kostengünstigen Fluges nicht<br />

kommen, so dass sie nur online mit ihm und live<br />

mit Ondrej Hotarek arbeiteten. Aber mit EU-Visum<br />

durfte Savin nach Montpellier kommen. Sie<br />

waren ziemlich gut in Form und konnten ein<br />

versöhnliches Saisonende feiern. Selbst wenn<br />

man die abwesenden fünf besten Paare von den<br />

Olympischen Spielen dazurechnet, wären sie<br />

unter den besten zehn gelandet und ermöglichen<br />

damit zwei deutschen Paaren bei der<br />

nächsten WM in Saitama einen Start. Aufgrund<br />

der Weltrangliste konnten sie das KP in der<br />

besten Gruppe bestreiten. Hier gab es viele<br />

Pluspunkte für den 3T, den Wurfsalchow und<br />

nur kleine Wackler beim Twist und bei der <strong>Pirouette</strong>.<br />

Auch die Komponenten von etwa 7,8<br />

waren ansprechend. In der Kür gelangen neun<br />

Elemente gut, die 3T-2T-Kombination und der<br />

Wurfsalchow am besten, der Wurfrittberger<br />

mit Umsteigen. Nach ihren Programmen freuten<br />

sie sich über die anspornende Atmosphäre<br />

und den bei Olympia noch vermissten Beifall<br />

der Zuschauer. Hase sagte, das Laufen habe<br />

richtig Freude gemacht. Ob sie weitermachen,<br />

wollten sie ohne WM-Stress in Ruhe entscheiden.<br />

Das hängt natürlich auch davon ab,<br />

bei wem sie trainieren können, dürfen und<br />

wollen. Da gäbe es einen Berliner, den die DEU<br />

vor die Türe gesetzt hat…<br />

Die Kanadier Evelyn Walsh und Trennt Michaud<br />

waren als Ersatz für Kirsten Moore-Towers<br />

und Michael Marinaro gekommen, die<br />

wohl ihre Karriere nach Olympia beendet hatten.<br />

Im KP war ihr 3T sehr unsauber und der<br />

Wurfrittberger endete beinahe mit Sturz. In<br />

der Kür war die Toeloop-Kombination etwas<br />

verkorkst und Michaud landet den Salchow<br />

schief und auf zwei Füßen. Gelungen waren<br />

dagegen die Hebungen. Sie lobten die<br />

freundliche Atmosphäre der gesamten<br />

WM und wollen weitermachen. Miriam<br />

Ziegler und Severin Kiefer hatten schon<br />

vorher angekündigt, dass die WM ihr<br />

letzter Wettbewerb war. Der ursprünglich<br />

eingeplante Trainer Knut Schubert konnte<br />

sie wegen eines positiven Corona-<br />

Tests nicht begleiten, aber Kiefers<br />

Schwester. In beiden Programmen war<br />

der Twist wieder knapp und er landete im<br />

KP den Toeloop tief, während die anderen KP-<br />

Elemente glückten, am besten die Schrittfolge.<br />

In der Kür gelangen die meisten Elemente, nur<br />

die beiden weggeworfenen Sprünge endeten<br />

mit Sturz. Beide trugen (wie die aus der Ukraine<br />

stammende Olga Mikutina) als kleines Zeichen<br />

der Solidarität mit der Ukraine Masken<br />

und Jacken mit ukrainischer Flagge, hatten<br />

selbst Anstecker gebastelt und an andere verteilt.<br />

Kiefer sagte, es sei schon seltsam, dass<br />

es nicht sehr weit von Montpellier eine kriegerische<br />

Invasion gebe und sie bei einem Eiskunstlauf-Wettbewerb<br />

starteten. Kiefer will in<br />

Zukunft mit seiner Schwester als Trainer arbeiten<br />

und vielleicht dazu beitragen, dass Österreich<br />

wieder ein Paar bekommt. Auch die<br />

nicht mehr mit ihm liierte Ziegler will dem<br />

Verband irgendwie erhalten bleiben.<br />

Minerva Fabienne Hase<br />

und <strong>No</strong>lan Seegert<br />

Camille Kovalev und Ehepartner Pavel stürzten<br />

beide beim 3T im KP, die anderen Elemente<br />

glückten und durch die Kür kamen sie ohne<br />

großen Patzer. Wie für die anderen Franzosen<br />

und Annette Dytrt & Yannick Bonheur begann<br />

nach der WM eine knapp zweiwöchige Tour<br />

durch Frankreich. Einen zweiten Startplatz für<br />

die nächste WM eroberten auch die Niederländer<br />

Berliner Daria Danilova und Michel Tsiba,<br />

obwohl in beiden Programmen einiges danebenging.<br />

Anders als Österreich hat die Niederlande<br />

mit Nika Osipova & Dmitri Epstein ein zweites<br />

Paar. Sogar die Briten Zoe Jones & Christopher<br />

Boyadji landeten noch unter den besten Zehn<br />

und holten zwei Startplätze für 2023. Aber sie<br />

hatten schon angekündigt, dass dies ihr letzter<br />

Wettbewerb war. Die Spanier Dorota Broda &<br />

Pedro Betegon kamen als Ersatz für die bei den<br />

Olympischen Spielen positiv auf Clobestol getestete<br />

Laura Barquero, deren Fall noch nicht<br />

entschieden war. Ziemlich fehlerreich waren die<br />

Israelis Hailey Kops & Evgeni Krasnopolski.<br />

Miriam Ziegler und Severin Kiefer, Fotos: Hella Höppner<br />

Die Ukrainer Sofia Holichenko & Artem Darenskyi<br />

waren aus Kiew über Rumänien, Italien und<br />

Polen geflüchtet. Ihre Familien waren noch dort,<br />

die Männer in der Armee. Sie bestritten zwar<br />

ein kurzfristig einstudiertes neues KP zu ukrainischer<br />

Musik ohne dreifache Elemente und erhielten<br />

stehende Ovationen. Aber fast ohne<br />

Training erschien ihnen eine Kür zu gefährlich.<br />

Nach dem KP mussten in der Interviewzone<br />

etwa 45 Minuten von ihren traurigen Erlebnissen<br />

berichten. <br />

•••


Frühlings-Cup in Luxemburg<br />

In diesem Jahr konnte der Einzellaufwettbewerb<br />

Coupe du Printemps (Frühlings-<br />

Cup) im Luxemburger Vorort Kockelscheuer<br />

wieder stattfinden. Diesmal dominierten<br />

Japaner:<br />

Beste mit 190 Punkten in der Meisterklasse der<br />

Frauen war Rinka Watanabe, die im KP den 3A<br />

unterdrehte und beinahe stürzte, aber immerhin<br />

versuchte, ebenso wie eine knappe 3L-3T-Kombination<br />

und einen guten 3F. <strong>Pirouette</strong>n und<br />

Schrittfolge erhielten Level 4 und die Komponenten<br />

lagen bei 7,3. In der Kür musste die<br />

Sechste der japanischen Meisterschaften beim<br />

3A-Versuch zu Boden, aber vieles andere gelang<br />

sehr überzeugend. Zweite mit 178 Zählern und<br />

ohne-3A-Versuche wurde Riu Sumiyoshi, die in<br />

der Kür vier Sprünge nicht rückwärts landete,<br />

Dritte mit 154 Punkten die Neuseeländerin Jocelyn<br />

Hong. Beste Juniorin mit 182 Punkten war<br />

die Japanerin Ami Nakai vor der hochtalentierten<br />

Belgierin Nina Pinzarrone (162). Die einzige<br />

Deutsche im Feld war Paula Beryak aus Erfurt<br />

mit 92 Zählern auf Platz 12, ohne gelungene 2A<br />

oder Dreifache in der Kür.<br />

Bei den Männern gewann der Grand Prix-erfahrene<br />

Japaner Kazuki Tomono (WM-Fünfter 2018)<br />

Tallink<br />

Hotels Cup<br />

Ziemlich schwach besetzt war in diesem<br />

Jahr der kleine Einzellaufwettbewerb Tallink<br />

Hotels Cup.<br />

Er wurde nicht im 2014 fertiggestellten Tondiraba-Eislaufzentrum<br />

mit vier Eisflächen im Osten<br />

der estnischen Hauptstadt Tallinn abgehalten,<br />

in dem zuletzt im Januar <strong>2022</strong> die EM und<br />

die Vier-Kontinente-Meisterschaften stattgefunden<br />

hatten, sondern in der noch neueren<br />

Haabersti-Halle einige Kilometer westlich des<br />

Zentrums. Sieger in der Meisterklasse wurde Lokalmatador<br />

Arlet Levandi mit 221 Punkten. Im<br />

KP gelangen dem EM-14. der 3L und die 3F-3T-<br />

Kombination nicht sauber, aber 2A und die anderen<br />

vier Elemente (alles Level 4) erhielten<br />

Pluspunkte. Die Kür des 16-Jährigen glückte mit<br />

sieben Dreifachen (kein 3A), zwei 2A und zwei<br />

überwiegend mit +4 bewerteten Schrittfolgen<br />

makellos. Auf Rang zwei kam der Franzose Landry<br />

Le May mit 196 Zählern vor dem Schweden<br />

Gabriel Folkesson (186). Siegerin mit 163,89<br />

Punkten wurde die Estin<br />

Kristina Shkuleta-<br />

Gromova, die fünf der<br />

sechs versuchten<br />

Dreifachen in der Kür<br />

mehr oder weniger<br />

unterdrehte. 0,21<br />

Punkte dahinter landete<br />

die Italienerin<br />

Lara Naki Gutmann.<br />

mit 228 Punkten, einer 4T-2T-Kombination und<br />

einem 3A im KP, aber einem aufgerissenen Salchow.<br />

In der Kür glückte dem Zweiten der Vier-<br />

Kontinente-Meisterschaften <strong>2022</strong> dieselbe Kombination,<br />

aber anschließend waren vier Sprünge<br />

fehlerhaft. Silber mit 225 Punkten holte Landsmann<br />

Tatsuya Tsuboi, Bronze mit 205 Zählern<br />

der Franzose Landry Le May. Auf Rang sechs mit<br />

mageren 138 Punkten landete der für Deutschland<br />

startende Franzose Lotfi Sereir. Im KP war<br />

ein 3S der einzige saubere Sprung, in der Kür<br />

gelangen 3L und 3S.<br />

Gold bei den Junioren gewann der Spanier Pablo<br />

Garcia mit 151 Punkten. Zweiter wurde der seit<br />

vergangenem Sommer in Egna trainierende und<br />

inzwischen 19 Jahre alte Dortmunder Denis<br />

Gurdzhi, der im KP den Flip aufriss und auch die<br />

anderen Sprünge nicht einwandfrei landete. In<br />

der Kür gelangen vier Dreifache, drei andere<br />

Sprünge jedoch nicht ohne Minuspunkte, und er<br />

versuchte noch immer weder 3L noch 3A. 149<br />

Gesamtpunkte schaffte er auch schon vor einigen<br />

Jahren. Auf Rang drei mit 130 Punkten kam der<br />

Erfurter Tim England, der das KP gewonnen hatte.<br />

Herausragend beim Nachwuchs war der 12<br />

Jahre alte Belgier Denis Krouglov mit 123 Punkten,<br />

der in der Kür vier Dreifache meisterte. krk<br />

Arlet Levandi<br />

Foto: Höppner<br />

Anzeige<br />

Kazuki Tomono<br />

Foto: Timochova<br />

Heiß auf Eis<br />

Pokal<br />

in Ilmenau<br />

Zum sechsten Mal fand vom 4. bis 6.<br />

März in der auf dem Gelände einer ehemaligen<br />

Glashütte und einem abgerissenen<br />

Hotel im Jahr 2007 eingeweihten<br />

schmucken städtischen Eishalle der<br />

thüringischen Stadt Ilmenau der „Heiß<br />

auf Eis“ Pokal statt.<br />

Dieser Wettbewerb ist überwiegend breitensportlich<br />

und für den ganz jungen Nachwuchs<br />

orientiert. Aber wer meint, es sei schon Leistungssport,<br />

wenn man einen Doppellutz beherrscht,<br />

sieht das vielleicht anders. Nach<br />

langem Hin und Her gab das Juniorenpaar<br />

Janne Salatzki aus Berlin und Lukas Röseler<br />

aus Thüringen sein Wettbewerbsdebüt. Das<br />

KP liefen sie allerdings noch nicht und für die<br />

Kür mit 2S-2T-Kombination und Basis-Punkten<br />

für Hebungen und <strong>Pirouette</strong>n sowie Todesspirale<br />

mit Level 1 und einfachem Twist<br />

erhielten sie 53 Punkte. Für eine zukünftige<br />

Teilnahme an Junioren Grand Prix im kommenden<br />

Frühherbst würde das bei weitem<br />

noch nicht ausreichen. Aber bis dahin haben<br />

sie noch fünf Monate Trainingszeit, um ihre<br />

Punktzahl zumindest zu verdoppeln. Beste<br />

Nachwuchsläuferin war Nelly Olszowski aus<br />

Hessen, die in beiden Programmen einen 2A<br />

meisterte.krk<br />

25<br />

Weitere Wettbewerbe


26<br />

Junioren-WM Synchron<br />

Nach zweijähriger Pause fand Mitte März<br />

endlich wieder eine Junioren-Synchron-<br />

WM statt. Die Spitze der Nachwuchsmannschaften<br />

traf sich inmitten der Alpen<br />

in Innsbruck, Österreich, um sich zu<br />

messen. Aufgrund der Covid-19 Pandemie<br />

ergaben sich einige Schwierigkeiten<br />

im Trainingsalltag der Synchronteams.<br />

Viele konnten Wochen oder sogar Monate<br />

nicht gemeinsam aufs Eis gehen. Um<br />

die Sportlerinnen weiterhin motivieren zu<br />

können, setzten Trainer auf neuartige<br />

Methoden wie virtuelle Übungseinheiten<br />

oder Challenges. Der Fokus lag vor allem<br />

auf den eisläuferischen Fähigkeiten; die<br />

Basics des Eiskunstlaufens wurden im<br />

Detail betrachtet und erarbeitet. Vor allem<br />

im Synchroneiskunstlauf hat das<br />

Training der Grundlagen einen hohen<br />

Stellenwert. Erst wenn die sitzen, können<br />

Teams im Einklang laufen. Diese Steigerung<br />

der einzelnen Sportlerinnen konnte<br />

man bei der Junioren-WM in Innsbruck<br />

genauestens erkennen.<br />

JWM Synchron Innsbruck<br />

KP Kür Pkt<br />

1 Fintastic Junior – Finnland 1 1 205.61<br />

2 Skyliners Junior – Ver. Staaten 3 2 2<strong>04</strong>.39<br />

3 Elite Junior – Ver. Staaten 2 3 2<strong>04</strong>.11<br />

4 Musketeers Junior – Finnland 5 4 193.29<br />

5 Les Supremes Junior – Kanada 4 5 192.36<br />

6 Nexxice Junior – Kanada 7 6 172.68<br />

7 Spirit Junior – Schweden 6 8 165.15<br />

8 Seaside Junior – Schweden 8 7 159.93<br />

9 Ice Fire Junior – Polen 9 11 141.64<br />

10 Hot Shivers Junior – Italien 10 10 139.35<br />

11 Cool Dreams Junior – Schweiz 11 9 138.70<br />

12 Zazou Junior – Frankreich 12 12 126.68<br />

13 Magic Junior – Ungarn 13 14 122.71<br />

14 Harmonia Junior – Tschechien 15 13 119.21<br />

15 Le Soleil Junior – Polen 14 15 117.38<br />

16 Icicles Junior – Großbritannien 16 16 108.69<br />

17 Illuminettes Junior – Niederlande 17 17 103.76<br />

18 Mirum Junior – Spanien 19 18 97.25<br />

19 Skating Graces Junior – Deutschland 20 19 95.35<br />

20 Colibris Vienna Junior – Österreich 18 20 94.31<br />

21 Zagreb Snowflakes Junior – Kroatien 21 21 87.80<br />

22 Iceskateers Elite Junior – Australien 22 22 84.87<br />

23 Golden Roses Junior – Türkei 23 23 59.25<br />

Fintastic verteidigen Tite<br />

Die amtierenden Junioren-Weltmeisterinnen<br />

Fintastic aus Finnland holten sich erneut den<br />

Meistertitel. Auch sie konnten nicht wie gewohnt<br />

trainieren. Darum legte Trainerin Kaisa<br />

Arrateig den Fokus auf den detaillierten Ablauf<br />

der einzelnen Elemente: Jeder Schritt,<br />

jede Armbewegung und jeder Blick wurden bis<br />

ins letzte Detail abgestimmt. So schaffte es<br />

das Nachwuchsteam der Helsinki Rockettes,<br />

seinen Meistertitel zu verteidigen.<br />

Nach dem KP lagen nur wenige Punkte zwischen<br />

den besten drei Teams. Das technisch<br />

wertvollste Programm stellte Team Elite Junior<br />

aus den USA auf die Beine. Mit 39,78 Punkten<br />

lagen sie technisch knapp vor Fintastic, doch<br />

dank der hohen Komponenten konnten die<br />

Finninnen nach dem KP in Führung gehen. Den<br />

technischen Vorsprung holten sich die Teams<br />

Elite Junior und Skyliners Junior dank ihrer Intersection.<br />

Sie erreichten das höchste technische<br />

Level für eine Whip Intersection im Gegensatz<br />

zu Team Fintastic, die hier nur Level 2<br />

für ihre Intersection bekommen haben.<br />

Ein starkes KP stellte auch das Schweizer<br />

Team Cool Dreams Junior auf die Beine. Das<br />

junge Team wird seit Beginn der Pandemie<br />

von der ehemaligen Nexxice-Läuferin Nadine<br />

Banholzer trainiert. Im Vorfeld des Bewerbes<br />

war der Wunsch des Teams, ihre Trainingsleistung<br />

abrufen zu können und ihre erste WM-<br />

Teilnahme in vollen Zügen genießen zu können.<br />

Sie konnten sich in dieser Saison gegen<br />

das zweite Schweizer Juniorenteam Starlights<br />

durchsetzen und durften deshalb die Schweiz<br />

bei dieser Junioren-WM vertreten. Viele der<br />

Sportlerinnen erreichen nach dieser Saison das<br />

Alterslimit für Juniorenteams, weshalb diese<br />

WM ihre erste und zugleich letzte war. Mit viel<br />

Power zeigten sie ihr KP zum Lied „Hustle“ von<br />

Pink, in dem sie mit ihrem stärksten Element,<br />

der Wandermühle, starteten. Kleine Abzüge gab<br />

es nur für das Twizzle-Element, das eines der<br />

schwierigsten Elemente des Synchroneiskunstlaufs<br />

ist. Ein weiteres Highlight ihres Programms<br />

war die Intersection, bei der das Publikum<br />

jubelte, als alle Läuferinnen das Durchkreuzen<br />

mit Bravur meisterten.<br />

Die Lokalmatadorinnen von Colibris Vienna Junior<br />

aus Wien durften ihr WM-Debüt vor Heimpublikum<br />

erleben. Mit ihrem KP zu „I’m still standing“<br />

stellten sie ihr Durchhaltevermögen und<br />

Wachstum als Team seit Beginn der Gründung<br />

des Mixed Age Team dar. Die Colibris Vienna Junior<br />

konnten mit ihrer Ausstrahlung und ihrer<br />

Energie am Eis überzeugen. Ein Highlight ihres<br />

KP war das Moves Element, das auch das Lieblingselement<br />

des Teams ist. Das Team strahlte<br />

nach ihrem Auftritt in der Tränenecke, nachdem<br />

sie ihr Ziel der persönlichen Bestleistung im KP<br />

erreicht hatten. Mit dabei waren Trainerin Sabine<br />

Konrath und ihre Co-Trainerin Päivi Putkonen<br />

aus Finnland, die seit heuer die Colibris Vienna<br />

Junior im Nachwuchsaufbau unterstützt.<br />

Auch das Chemnitzer Team Skating Graces Junior<br />

konnte sich in die Top 20 laufen. Das ehemalige<br />

Nachwuchsteam stieg heuer in die Junioren-Kategorie<br />

auf, da einige Läuferinnen das Alterslimit<br />

überschritten hatten. Wegen der kurzfristigen<br />

Team Skyliners Junior


27<br />

Crystal Ice Junior, Fotos: Alexander Kraus<br />

Junioren-WM Synchron<br />

Team Fintastic Junior, Fotos: Marka<br />

l bei Junioren-Synchron-WM<br />

Entscheidung des Aufstiegs entschieden die Trainer<br />

sich dafür, ein altes Programm für das KP zu<br />

recyceln. Die Skating Graces Junior zeigten ihr<br />

„Riverdance“-Programm mit einem Feen-Thema.<br />

Das Team war sehr aufgeregt, dennoch gelang es<br />

ihnen, ein starkes Programm zu präsentieren, das<br />

ihrer Trainingsleistung entspricht. Leider gab es<br />

zwei Stürze, doch das Team überzeugte dennoch<br />

mit starken Komponenten im Vergleich zu ihren<br />

österreichischen Konkurrentinnen.<br />

Starke Küren<br />

Nach einem gelungenem Wettkampftag haben<br />

sich alle Teams mit ihren Ritualen auf den Kürtag<br />

vorbereitet. Dabei fanden einige Videoanalysen<br />

und Mental-Trainingseinheiten statt. Diese Vorbereitungsphase<br />

spiegelte sich im Ergebnis der<br />

Küren wider: Mit nur 0,73 Punkten Vorsprung in<br />

der Kür konnte sich Team Fintastic durchsetzen<br />

und erhielt den Meistertitel. In der Kür gelang<br />

den Finninnen eine nahezu perfekte Whip Intersection.<br />

Sie meisterten auch die Königsdisziplin<br />

des Durchkreuzens: die Angled Intersection. Dennoch<br />

lagen sie mit ihren technischen Punkten<br />

hinter den Skyliners Junior, die ein allgemein anspruchsvolleres<br />

Programm liefen und um jeden<br />

Punkt kämpften. Doch die 65,20 technischen<br />

Punkte reichten nicht ganz, um in Führung zu<br />

gehen. Den Sieg hat Fintastic auch in der Kür<br />

wieder ihren Komponenten zu verdanken. Team<br />

Elite Junior rutschte einen Platz zurück, was auf<br />

die fehlende Präzision der einzelnen Elemente<br />

zurückzuführen ist. Das hippe Programm lud das<br />

Publikum zum Mitklatschen ein und brachte sehr<br />

viel positive Energie in die Halle. Auch das zweite<br />

finnische Team Musketeers legte unter erschwerten<br />

Bedingungen einen Zahn zu und konnte in<br />

der Kür einen Platz gut machen. Aufgrund der<br />

aktuellen Covid-19 Pandemie mussten einige<br />

Läuferinnen in Finnland zurückbleiben, so dass<br />

Anu Oksanen zwei Sportlerinnen von ihrem Seniorenteam<br />

Marigold Ice Unity einsetzen musste.<br />

Eine Top 10-Platzierung erreichte Team Cool<br />

Dreams Junior in der Kür. Mit seinem Lieblingselement,<br />

dem Pivot Block, konnten es stark in<br />

ihre futuristische Kür starten. Das Sci-Fi Thema<br />

wurde mit starken choreographischen Elementen<br />

untermalt. Auch Ihnen gelang es, eine Level<br />

4-Intersection abzuliefern und auch in diesem<br />

Programm war das Moves Element ihr stärkstes<br />

Element. Emotional wurde es, als die Läuferinnen<br />

das Eis verließen. Viele Tränen wurden vergossen,<br />

da einige Läuferinnen nächstes Jahr das<br />

Team aufgrund der Überschreitung der Altersgrenze<br />

verlassen müssen. Die letzten zwei Jahre<br />

hatten das Team zusammengeschweißt und sie<br />

möchten diese Zeit nicht missen.<br />

Die Skating Graces Junior konnten in der Kür<br />

nochmals alles geben und einen Platz gutmachen.<br />

Die Kür unter dem Thema „Malificent – die<br />

dunkle Fee“ ist das Pendant zu ihrem KP. Dabei<br />

war es den Trainerinnen wichtig, die erwachsene<br />

Seite des jungen Teams hervorzuheben – im Verlauf<br />

des Programms erkennt man die Entwicklung<br />

der Läuferinnen zu starken, erwachsenen<br />

Persönlichkeiten, entsprechend der eigentlichen<br />

Entwicklung des Teams von einem Nachwuchsteam<br />

zum Juniorenteam. Mit viel Anspannung<br />

gingen die Chemnitzerinnen in die Kür und<br />

konnten dort dennoch eine persönliche Bestleistung<br />

erlaufen. Sie eröffneten ihr Programm mit<br />

einer Synchron-<strong>Pirouette</strong> mit Level 3 und konnten<br />

von Element zu Element immer mehr Power<br />

in das Programm bringen. Besonders das Moves<br />

Element stellt ein Highlight ihres Programms<br />

dar. Hier haben sie den höchsten Level erreicht.<br />

Beim österreichischen Team lief es am Kürtag<br />

nicht ganz nach Plan. Das überraschende Erfolgserlebnis<br />

im KP führte zu mehr Aufregung.<br />

Nach einem spektakulären Start in ihre Kür mit<br />

einem Level 4-Moves Element applaudierte das<br />

heimische Publikum in voller Lautstärke. Doch<br />

bereits im zweiten Element schlich sich ein kleiner<br />

Fehler ein. Ein Sturz in der Intersection kostete<br />

einige wertvolle Punkte. Das Team kämpfte<br />

sich zurück und präsentierte ein solides Programm.<br />

Damit landeten sie am Ende unter den<br />

Top 20. Aus dieser WM möchte das Team Kraft<br />

und Motivation schöpfen, um weiterhin auf ihrem<br />

Erfolg aufbauen zu können. In der kommenden<br />

Saison möchten sie ihre Leistung stetig<br />

verbessern und das Ziel der nächsten WM-Teilnahme<br />

verfolgen. Ein großer Dank geht an den<br />

österreichischen Verband, die Fans und die Eltern<br />

der Läuferinnen von Team Colibris Vienna<br />

Junior, die sie in jeglicher Hinsicht unterstützt<br />

haben und ihre erste WM-Teilnahme auf heimischem<br />

Eis zum vollen Erfolg gemacht haben.<br />

Nach einer spannenden Junioren-WM ging es<br />

nun in die letzte Etappe der Synchron-Saison:<br />

Die „große WM“ in Hamilton Anfang <strong>April</strong>, bei<br />

der Synchronteams aus der gesamten Welt nach<br />

drei Jahren endlich wieder ihr Können unter Beweis<br />

stellen durften. Theresa Marka<br />

Team Elite Junior


28<br />

Deutschlandpokal<br />

Wenige gute Leistungen beim<br />

Deutschlandpokal<br />

Janne und<br />

Erik Kummer<br />

Der Deutschlandpokal für Junior/innen und Nachwuchsläufer/innen,<br />

wieder einmal in Dortmund,<br />

soll eine Revanche für die Deutschen Meisterschaften<br />

sein. Er soll zeigen, was die deutschen<br />

Läufer seitdem gelernt haben und ist eine<br />

letzte Möglichkeit, die für die DEU-Kaderaufnahme<br />

notwendigen Punkte zu schaffen.<br />

Darya Grimm und Michail Savitskiy<br />

Fotos: Hella Höppner<br />

Die beste Leistung boten die Juniorentänzer Darya<br />

Grimm und Michal Savitskiy aus der Oberstdorfer<br />

Schule von Rostislav Sinicyn. Mit dreimal<br />

Level 4 im Rhythmustanz, allerdings nur Level 1<br />

bei der überwiegend getrennt gelaufenen Längsschrittfolge<br />

holten sie mit Elementebewertungen<br />

von +2 und +3 und Komponenten von etwa 6,9<br />

immerhin 63 Punkte. Eine ähnliche Leistung,<br />

vielleicht noch mit Level 2 beim Längsschritt,<br />

sollte in Tallinn für einen<br />

Platz im Mittelfeld locker reichen,<br />

zumal keine Russen dabei sind. In der<br />

Kür klappte ebenfalls vieles gut, nur bei der<br />

Längsschrittfolge stürzte Grimm kurz beim Rückwärtslaufen.<br />

Insgesamt 147 Punkte sind recht erfreulich,<br />

ohne Sturz wären es mehr als Level 2<br />

und 150 Zähler gewesen. Auf die Junioren-WM<br />

mussten sie sich ab 21. März zuerst eine Woche<br />

in Füssen und dann in Chemnitz vorbereiten und<br />

Grimm versäumte deshalb zwei Wochen Schule.<br />

Aus Berlin ging kein Junioren Tanzpaar an den<br />

Anders als sonst konnten diesmal auch die Teilnehmer<br />

der Junioren-WM starten, denn diese<br />

war im Februar von Anfang März auf Mitte <strong>April</strong><br />

verschoben worden. Allerdings ist ab Ende März<br />

das Eis in manchen Hallen wie zum Beispiel in<br />

Oberstdorf schon abgetaut, so dass die Läufer<br />

Probleme haben, einen alternativen Trainingsort<br />

zu finden, insbesondere wenn sie noch zur Schule<br />

gehen. International einigermaßen konkurrenzfähig<br />

waren von den in Dortmund Gestarteten<br />

streng genommen nur Louis Weissert und<br />

das Oberstdorfer Tanzpaar Darya Grimm und Michail<br />

Savitskiy. Niemand erwartet von ihnen Medaillen,<br />

aber man ist ja schon so bescheiden geworden,<br />

dass schon das Erreichen des Finales als<br />

Erfolg gefeiert wird. Von Jahr zu Jahr wird besonders<br />

bei den Einzelläufern offensichtlicher,<br />

dass die meisten kaum noch Fortschritte machen<br />

und trotz guter Trainingsbedingungen in den<br />

Stützpunkten und manchmal auch anderswo<br />

nicht mehr können und Punkte holen als vor drei<br />

oder fünf Jahren auch schon, wenn sie überhaupt<br />

noch aktiv sind - eine niederschmetternde<br />

Perspektive. In vielen Ländern rund um Deutschland<br />

gibt es seit Jahren immer wieder zumindest<br />

den einen oder die andere, die die Deutschen<br />

mit guten internationalen Leistungen locker<br />

überholen. Da kann die DEU nur noch staunend<br />

zuschauen. Hinzu kommt, was die <strong>Pirouette</strong><br />

schon oft geschrieben hat: Obwohl die medizinische<br />

Versorgung in Deutschland gut oder sehr<br />

gut ist, sind nirgendwo so viele Läufer immer<br />

wieder oder fast immer irgendwie verletzt. Ein<br />

Training ohne Handicaps stellt eine Ausnahme<br />

dar. Auch das ist eine Ursache für das Ausbleiben<br />

von Fortschritten.<br />

Louis Weissert


Sonja und Robert<br />

Löwenherz<br />

29<br />

Deutschlandpokal<br />

Luca Fünfer<br />

Olesya Ray<br />

Start - traurig. Mit 85 Gesamtpunkten noch<br />

weit von Grimm und Savitskiy entfernt sind die<br />

Chemnitzer Geschwister Janne und Erik Kummer,<br />

aber es ist erfreulich, dass sie starteten.<br />

Bei den Männern war Junioren-WM-Kandidat<br />

Louis Weissert mit 178 Punkten überlegen,<br />

denn immerhin meisterte er im KP einen guten<br />

3F. Allerdings gingen wieder einmal eine <strong>Pirouette</strong><br />

daneben und auch der zweite 3T der Kombination.<br />

In der stilvollen Kür (Komponenten bis<br />

7,0) klappten vier Dreifache einwandfrei, je ein<br />

3T war allerdings knapp unterdreht und gestürzt.<br />

Luca Fünfer aus Oberstdorf (Zweiter mit<br />

155 Zählern) lief ein fast fehlerfreies KP mit<br />

3L-3T (unterdreht) und 3F, aber in der Kür<br />

misslangen drei der fünf versuchten Dreifachen.<br />

Davide Calderari (153 Punkte, ebenfalls Oberstdorf)<br />

verpatzte im KP den Flip und eine <strong>Pirouette</strong>,<br />

aber in der Kür gelangen fünf Dreifache.<br />

Beste Juniorin war die für die Junioren-WM<br />

nominierte Olesya Ray aus Dortmund, auch<br />

wenn sie mit 130 Punkten 18 weniger holte<br />

als bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften.<br />

Diesmal war im KP keiner der versuchten<br />

Dreifachen einwandfrei und die Himmelspirouette<br />

erhielt nur Level 1. In der Kür glückten<br />

außer zwei 3T keine dreifachen Sprünge. Die<br />

Nächstplatzierten Kama Schelewski, Marilen<br />

Hirling, Anna Grekul, Hannah Dempfle, Ina<br />

Jungmann, Hannah Pfaffenrot und Fiona<br />

Wiens, einige sogar im DEU-Kader, waren meilenweit<br />

von internationalem Niveau entfernt,<br />

daher werden sie nicht für internationale<br />

Wettbewerbe eingesetzt. Nicht dabei in Dortmund<br />

waren die Chemnitzer Junioren-WM-<br />

<strong>No</strong>minierten im Paarlaufen, Letizia Roscher<br />

und Luis Schuster wegen eines positiven Corona-Tests.<br />

Und noch immer gaben Janne Salatzki<br />

und Lukas Röseler kein Debüt eines vollständigen<br />

Wettbewerbs, angeblich ebenfalls wegen<br />

eines positiven Corona-Tests.<br />

Nachwuchswettbewerbe<br />

Im Nachwuchsbereich gingen immerhin fünf<br />

Kunstlaufpaare an den Start, ein Erfolg des<br />

Nachwuchs-Bundestrainers Rico Rex, der im<br />

Facebook schrieb, dies sei auch dem entlassenen<br />

anderen Bundestrainer Alexander König zu ver-<br />

Kama Schelewski<br />

danken. Denn beide Trainer hatten sich die Arbeit<br />

in guter Kooperation geteilt, so wie international<br />

üblich. Aber für diejenigen, die König<br />

nicht mehr für die DEU arbeiten lassen, scheint<br />

Teamarbeit – anders als in deutschen Unternehmen<br />

- ein Fremdwort zu sein. Übrigens arbeitet<br />

König inzwischen, wenn es seine freien Tage und<br />

der Eisschnelllaufverband erlauben, immer wieder<br />

mit dem Oberstdorfer Paar Alisa Efimova und<br />

Ruben Blommaert auf deren Wunsch hin, so viel<br />

zu dem Vorwurf, er sei faul gewesen. Zur Wahrheit<br />

gehört aber auch, dass von den fünf Nachwuchspaare<br />

nur die Berliner Sonja und Robert<br />

Löwenherz, die bereits länger zusammen trainieren,<br />

schon wie ein wirkliches Paar auf dem Eis<br />

wirken. Aber Paarlaufen ist eben die anspruchsvollste<br />

Disziplin, hat aber bei guten Leistungen<br />

auch die besten internationalen Perspektiven.<br />

Nach einem Eistanzpaar beim Fortgeschrittenen<br />

Nachwuchs suchte man in Dortmund vergebens.<br />

Bei den Jungen vergibt man jetzt nach dem Muster<br />

einiger anderer Länder für jeden gestandenen<br />

Doppelaxel und dreifachen Sprung einen Bonus<br />

von einem Punkt. Mit fünf bzw. vier Extrapunkten<br />

kamen die beiden talentierten Berliner Soner<br />

Öztürk und Leon Rojkov auf 106 bzw. 100 Gesamtpunkte,<br />

sie machen wenigstens noch Fortschritte.<br />

Herausragend bei den Nachwuchs Mädchen<br />

waren in der Gruppe A Anna Gerke (113<br />

Zähler) aus Dortmund und Marie Bierwert, die in<br />

Regensburg angefangen hat, eine Zeitlang in<br />

Russland trainiert hat und jetzt in Oberstdorf mit<br />

Landestrainerin Tanja Luft und Aljona Savchenko<br />

arbeitet (109), ebenfalls mit fünf bzw. vier Extrapunkten.<br />

In der Gruppe B war Julia Grabowski<br />

aus Essen mit 1<strong>04</strong> Punkten einschließlich fünf<br />

Bonuspunkten überlegen. Klaus-Reinhold Kany<br />

Julia Grabowski<br />

Marie Bierwert<br />

Weblink zu den Ergebnissen:<br />

www.deu-event.de/results/<br />

dp<strong>2022</strong>/index.htm


30<br />

Olympisches Jugendfestival<br />

Olympisches<br />

Jugendfestival<br />

in Finnland<br />

Das Europäische Olympische Jugendfestival (EYOF) mit vielen Wintersportarten wurde<br />

in dieser Saison von Dezember auf März verschoben und fand im mittelfinnischen<br />

Wintersportort Vuokatti statt, wie alle anderen Sport-Wettbewerbe zurzeit ohne russische<br />

und weißrussische Athleten. Nur Einzelläufer aus drei Jahrgängen gehen hier im Eiskunstlaufen<br />

an den Start. Ziel ist, jungen Junioren von 14 bis 16 Jahren das Erlebnis von<br />

kleinen Olympischen Spielen zu vermitteln und sie so für die späteren großen und echten<br />

Olympischen Spiele zu motivieren.<br />

Sieger bei den Jungen wurde mit 209 Punkten<br />

der Este Arlet Levandi, 16 Jahre alter Sohn der<br />

Trainerin Anna Levandi, die 1984 unter ihrem<br />

Mädchennamen Anna Kondrashova WM-Zweite<br />

für die Sowjetunion geworden war. Als Einziger<br />

im Feld der 17 Jungen und 31 Mädchen hatte<br />

Arlet Levandi schon an großen ISU-Meisterschaften<br />

teilgenommen, in seinem Fall Platz 14<br />

bei der EM in Tallinn im Januar <strong>2022</strong> belegt.<br />

Diesmal glückte das KP mit guter 3L-3T-Kombination,<br />

zufriedenstellendem 3F mit kleiner Kantenwarnung<br />

und 2A (3A beherrscht er noch<br />

nicht) sowie sehr guten <strong>Pirouette</strong>n und ebensolcher<br />

Schrittfolge. In der Kür gelangen sechs<br />

gute Dreifache, nur der 3R ging daneben. Für<br />

die Schrittfolgen erhielt er im KP einmal und in<br />

der Kür zweimal sogar die Höchstbewertung<br />

von +5, was für junge Junioren sehr selten ist.<br />

Zweiter mit 187 Punkten wurde der Italiener<br />

Francesco Raffaele Zich, Dritter mit 185 Zählern<br />

der Schwede Casper Johansson. Auf Platz acht<br />

mit 155 Punkten landete der Schweizer <strong>No</strong>ah<br />

Bodenstein nach einem KP mit mehreren größeren<br />

und kleineren Fehlern (Platz 15), aber einer<br />

gelungenen Kür mit sechs Dreifachen.<br />

Arthur Mai dabei<br />

Einziger deutscher Teilnehmer war der Berliner<br />

Arthur Mai, der auf Platz 13 mit 134 Punkten<br />

landete. Der <strong>Pirouette</strong> sagte er, das Drumherum<br />

sei ein großes Erlebnis gewesen, angefangen<br />

mit der Eröffnungszeremonie, bei der ein richtiges<br />

kleines Olympisches Feuer entzündet wurde.<br />

„Es war super cool, auch mal andere Sportarten<br />

und Sportler kennenzulernen. In der Eishalle<br />

herrschte eine Mega-Stimmung, weil viele andere<br />

Sportler, auch viele Deutsche, zum Zuschauen<br />

gekommen waren. Die Reise war etwas<br />

abenteuerlich: Auf dem Hinflug ging es mit einer<br />

kleinen und klapprig wirkenden Propellermaschine<br />

von Helsinki nach <strong>No</strong>rden und dann<br />

noch einmal zweieinhalb Stunden mit dem Bus.<br />

Auf dem Rückflug hatte der Flug nach Helsinki<br />

Verspätung und wir verpassten den Anschlussflugi,<br />

so dass wir nicht direkt nach Berlin weiterfliegen<br />

konnten, sondern über Frankfurt und<br />

dort noch einmal umsteigen mussten. Ich war<br />

13 Stunden unterwegs und kam erst nach Mitternacht<br />

zu Hause an.“<br />

Im KP (Rang 12 mit den achtbesten Komponenten)<br />

klappte eine 3L-2T-Kombination, aber der<br />

Flip war nur doppelt und der Axel einfach. In<br />

der Kür war ein 3S halbwegs gelungen, aber einige<br />

andere Sprünge gelangen nicht wie ge-<br />

»<br />

plant. Sein Vater und „Manager“ schrieb dazu<br />

auf Facebook:<br />

„Nachdem sich Arthur bereits beim<br />

«<br />

Kurzprogramm<br />

zwei Grobfehler leistete, lief die Kür<br />

am Folgetag leider noch schlechter. Er hatte<br />

starke Konditionsprobleme und riss viele<br />

Sprünge auf, so dass es im Ergebnis seine<br />

schlechteste Saison-Leistung wurde. Die<br />

Trainerin führt es auf Arthurs zwei Wochen<br />

zurückliegende Corona-Erkrankung zurück.<br />

Schade, aber nicht zu ändern, mit Platz 13<br />

von 17 war er nach einer durchweg fairen<br />

Wertung noch gut bedient.“<br />

Platz 14 mit 134 Punkten belegte der Österreicher<br />

Tobias Oellerer, der früher mehr oder weniger<br />

Hobbyläufer war, aber im vorigen Jahr zu<br />

Lorenzo Magri nach Egna wechselte und jetzt<br />

leistungssportmäßig trainiert. Allerdings musste<br />

er in der Kür dreimal zu Boden, nachdem er zu<br />

Beginn einen 3L gut gestanden hatte.<br />

Die Französin Lorine Schild, die bei den Bavarian<br />

Open im Januar Dritte im Juniorinnenwettbewerb<br />

geworden war, gewann bei den Mädchen<br />

mit 166 Punkten. Das KP war mit 3L-2T-<br />

Kombination und 3F fehlerfrei und in der Kür<br />

glückten alle sechs versuchten Dreifachen.<br />

Zweite wurde die Finnin Olivia Lisko mit 155<br />

Zählern, Dritte die Schweizerin Sarina Joos<br />

(153) aus Zürich. Ihre Dreifachen im KP waren<br />

nicht einwandfrei, aber in der Kür gelangen fünf<br />

Tripelsprünge. Aus Deutschland war keine Läuferin<br />

dabei, weil niemand vorzeigbar war – ein<br />

Trauerspiel. Ulla Faig, die auch bei den Olympischen<br />

Spielen gewertet hatte, wirkte als Technische<br />

Kontrollerin und Ludwig Czoczek aus Hessen<br />

als Preisrichter, beide bei den Jungen. Offizieller<br />

deutscher Chefarzt für sämtliche Sportarten<br />

und Sportler war Dr. Sven Authorsen, der<br />

auch häufig als DEU-Arzt bei EM, WM und<br />

Olympischen Spielen dabei ist. <br />

<br />

Klaus-Reinhold Kany<br />

Arlet Levandi<br />

Fotos: Höppner<br />

Arthur Mai


Russische Stars trumpfen auf beim<br />

Teamwettbewerb in<br />

Saransk<br />

Für die russischen Kufenstars war der<br />

Teamwettbewerb ein kleiner Trost und<br />

gelungener Saisonabschluss, nachdem sie<br />

für die WM gesperrt waren. Ursprünglich<br />

sollte die Neuauflage dieses innerrussischen<br />

Wettkampfs „Pokal des Ersten Kanals“ Anfang<br />

März in Sotchi stattfinden, wurde<br />

dann zunächst nach Moskau und schließlich<br />

nach Saransk auf Ende des Monats,<br />

zeitgleich zur WM in Montpellier, verlegt.<br />

Der Termin war sicher kein Zufall, denn der<br />

russische Verband wollte seine LäuferInnen<br />

motivieren und sie sowie die Fans von der<br />

WM-Sperre ablenken. Es waren fast alle dabei,<br />

die auch in Montpellier hätten starten<br />

können und viele zeigten herausragende<br />

Leistungen, die bei der WM für einen Podestplatz<br />

gereicht hätten. Den Sieg und 10<br />

Millionen Rubel (umgerechnet 100.200<br />

Euro, Stand 30. März) Preisgeld sicherte sich<br />

das Team „Rote Maschine“ um Olympiasiegerin<br />

Anna Shcherbakova mit 145 Punkten<br />

vor „Zeit der Ersten“ mit Kapitän Mark Kondratiuk<br />

(141 Punkte). Das Format entsprach<br />

dem beim Teamwettbewerb bei den Olympischen<br />

Spielen, das heißt für den ersten Platz<br />

im Segment gab es 10 Punkte.<br />

Shcherbakova zeigte zwei erstklassige Programme<br />

mit einem 4F in der Kür, damit war sie Zweite<br />

im KP und gewann die Kürwertung für das<br />

rote Team. Einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag<br />

machte sich die Olympiasiegerin damit selbst ein<br />

schönes Geschenk. „Jetzt möchte ich mich ausruhen,<br />

aber das gilt nicht für die nächste Saison.<br />

Doch nicht nur für mich ist alles sehr unklar. Wir<br />

wissen nicht, was uns erwartet, und wir müssen<br />

sehen, wie die Situation sein wird“, kommentierte<br />

die Weltmeisterin von 2021.<br />

Kamila Valieva trat das erste Mal seit dem Olympiaskandal<br />

um ihren positiven Dopingtest vom<br />

Dezember wieder auf dem Eis auf. Die Europameisterin<br />

verzichtete auf den 3A in beiden Programmen<br />

und begnügte sich mit einem 4T in der<br />

Kür. Sie lief frei und gelöst und es sah so aus, als<br />

habe sie das Drama von Peking hinter sich gelassen<br />

(1./2.). Die Aufklärung ihres Falls zieht sich<br />

allerdings noch hin. Die russische Anti-Dopingagentur<br />

hat bis August Zeit, zu einem Ergebnis<br />

zu kommen, ob die Läuferin schuldig gesprochen<br />

und ob und wenn ja wie sie bestraft wird.<br />

Lisa Tuktamysheva debütierte ein neues KP zu<br />

Tanzmusik von Beyoncé, das sie im Februar mit<br />

Adam Solya einstudiert hatte, als sie noch hoffen<br />

konnte, zur WM zu fahren. Sowohl in diesem<br />

flotten KP als auch in der Kür zeigte sie eine<br />

perfekte Leistung, inklusiver dreier 3A (3./3.). Die<br />

Juniorin Sofia Samodelkina konnte trotz einer<br />

Verletzung 3A, 4S und 4R stehen, patzte nur<br />

beim 4L (5./4.). Adelia Petrosian, ebenfalls noch<br />

Juniorin, scheiterte an 4F, 4R und 4T in der Kür<br />

(5./5.). Maia Khromykh hatte wie ihre Trainingskameradin<br />

kein Glück mit ihren Vierfachen<br />

(4./6.). Alexandra Trusova hatte auf einen Start<br />

in Saransk verzichtet, weil sie nach ihrer Enttäuschung<br />

von Peking Abstand braucht.<br />

Mikhail Kolyada war wohl der Pechvogel der<br />

Saison, dem die drei wichtigsten Wettbewerbe,<br />

für die er sich qualifiziert hatte, versagt blieben:<br />

Kurz vor der EM hatte er sich verletzt, zu den<br />

Olympischen Spielen konnte er wegen einer Corona-Infektion<br />

nicht kommen und für die WM<br />

Mikhail Kolyada<br />

Foto: Timochova<br />

war er wie alle Russen gesperrt. In Saransk<br />

glänzte der Schüler von Alexei Mishin in beiden<br />

Programmen und war im Ausdruck und bei der<br />

Qualität der Elemente eine Klasse für sich. Er<br />

riskierte zwar „nur“ insgesamt drei 4T, aber holte<br />

bei allen Elementen viele Punkte. Den 4L will<br />

er zurückbringen (1./1.). Kolyada kündigte an,<br />

seine Karriere fortzusetzen: „Ich habe das Gefühl,<br />

dass ich mein Potenzial noch nicht ausgeschöpft<br />

habe“, sagte er.<br />

Kondratiuk präsentierte sich ebenfalls in starker<br />

Form. Der Europameister stand erstmals einen 4L<br />

im Wettbewerb, und zwar gleich in beiden Programmen.<br />

Insgesamt gelangen ihm vier Vierfache<br />

in der Kür, aber er stürzte in der Schrittfolge<br />

und da die Sprünge und der Laufstil noch ungeschliffen<br />

sind, bekam er weniger Pluspunkte und<br />

niedrigere Komponenten als Kolyada und blieb<br />

dahinter (3./2.). „Die ganze Saison bin ich nach<br />

dem Prinzip gelaufen, weniger ist mehr, aber hier<br />

habe ich die Taktik geändert und entschieden,<br />

dass ich volles Risiko laufe“, kommentierte er.<br />

Andrei Mozalev überzeugte mit solider Leistung<br />

in der Kür (5./3.). Petr Gumennik trat in der Kür<br />

anstelle von Alexander Samarin an und zeigte<br />

4L (knapp), 4R und 4S+2T (-/4.) Evgeni Semenenko<br />

hatte ein neues KP zum Adagio von Albinoni<br />

im Gepäck und blieb fehlerfrei, während er<br />

in der Kür zwei von vier geplanten Vierfachen<br />

doppelt sprang (2./5.). Makar Ignatov stürzte<br />

schwer beim 4R in beiden Programmen und<br />

machte weitere Fehler (4./6.). Samarin war im<br />

KP beim 4L zu Boden gegangen (6./-).<br />

Die Paare waren absolute Weltklasse und erlaubten<br />

sich so gut wie keine Fehler. Im KP kamen<br />

alle vier Duos sauber durch. Alexandra Boikova/Dmitri<br />

Kozlovskii konnten nach einer Saison<br />

mit einigen Höhen und Tiefen beweisen,<br />

dass mit ihnen nach wie vor zu rechnen ist. In<br />

der Kür riskierten sie erfolgreiche 3S-Euler-3S,<br />

liefen ihre „Malaguena“ mit Präzision und<br />

Power und schlugen erstmals in der Saison ihre<br />

Teamkameraden (3./1.). Anastasia Mishina/Alexander<br />

Galliamov rissen das Publikum mit ihren<br />

dynamischen Programmen mit und waren technisch<br />

makellos (2./2.). Die Olympiazweiten Evgenia<br />

Tarasova/Vladimir Morozov wackelten nur in<br />

der Kür beim dreifachen Wurfflip (1./3.). Daria<br />

Pavliuchenko/Denis Khodykin liefen ebenfalls<br />

auf höchstem Niveau. In jedem anderen Land<br />

der Welt außer in Russland wären sie sicher im<br />

Team für ISU-Meisterschaften und könnten um<br />

Medaillen laufen (4./4.).<br />

Im Eistanz gingen mit Viktoria Sinitsina/Nikita<br />

Katsalapov und Alexandra Stepanova/Ivan Bukin<br />

nur zwei Duos an den Start und es gab keine<br />

Überraschungen. Dem Teamwettbewerb war das<br />

„Sprungfestival“ vorgeschaltet, bei dem sich die<br />

LäuferInnen sowie erstmals die Paare maßen.<br />

Kondratiuk schoss hier den Vogel ab mit 4S-Euler-4S.<br />

Befürchtungen, dass der „Pokal des Ersten<br />

Kanals“ als politische Propagandaveranstaltung<br />

missbraucht werden könnte, bewahrheiteten<br />

sich nicht. Oleg Tinkoff, der Gründer der<br />

gleichnamigen Bank, die als neuer Titelsponsor<br />

auftrat, hatte sich außerdem kritisch zur aktuellen<br />

russischen Politik geäußert. Tatjana Flade<br />

31<br />

Channel 1 Pokal


32<br />

Schweizer Meister der unteren Kategorien<br />

Gold für Kimmy Vivienne<br />

Repond, bei der Kür in der<br />

Kategorie SIS Juniorinnen<br />

Damen.<br />

Naoki Rossi wird in<br />

überzeugender Art<br />

Schweizermeister<br />

<strong>2022</strong> der Junioren,<br />

hier während der<br />

Kür. Der 15-Jährige<br />

stand zweimal<br />

einen Dreifachaxel.<br />

Gina Zehnder & Beda-Leon Sieber<br />

auf dem ersten Rang bei den<br />

Junioren Eistanz während ihrer Kür.<br />

Nachrückende Kräfte der Schweiz<br />

Schweizer Meister<br />

der unteren Kategorien<br />

Nebst der Eliteklasse wurde in der Schweiz in diesem Jahr in<br />

14 weiteren Kategorien um Schweizermeistertitel gekämpft.<br />

Fotos von der Schweizermeisterschaft Junioren, Nachwuchs,<br />

Jugend und Mixed Age <strong>2022</strong> von Albert René Kolb.<br />

Karin Weber, während<br />

ihrer Kür, wird in Bulle<br />

Schweizermeisterin<br />

<strong>2022</strong> der Kategorie<br />

Mixed Age Damen.<br />

Diogo Vitoria holt Gold in<br />

der Kategorie Mixed Age Herren<br />

(während seiner Kür).<br />

Nachwuchs Knaben U15: Aurélien<br />

Chervet gewinnt Gold bei der Schweizermeisterschaft<br />

<strong>2022</strong> (Kür).<br />

Nika Bednyagina<br />

wird beim Nachwuchs<br />

Mädchen U15 Erste<br />

(Kurzprogramm).<br />

Leandra Tzimpoukakis siegt<br />

beim Nachwuchs Mädchen<br />

U14 (Kurzprogramm).<br />

Ean Weiler<br />

gewinnt Gold<br />

in der Kategorie<br />

Jugend<br />

Knaben U14,<br />

hier während<br />

seiner Kür.<br />

Sieg für <strong>No</strong>emi Joos in<br />

der Kategorie Jugend<br />

Mädchen U13 (während<br />

dem Kurzprogramm).<br />

Anastasia<br />

Brandenburg<br />

wird Schweizermeisterin<br />

der<br />

U12-Mädchen<br />

(während<br />

ihrer Kür).


Mao Asada beim<br />

Denis Ten Memorial 2019<br />

Foto: Flade<br />

Für den Herbst 2024<br />

ist die Eröffnung ihrer<br />

eigenen Eishalle „Mao<br />

Rink Tachikawa Tachihi“<br />

in Tokio geplant. Asada weist seit langem<br />

darauf hin, dass es weniger Eisbahnen als im<br />

Ausland gibt, weshalb viele japanische Sportler<br />

das Land verlassen müssten, um ausreichende<br />

Trainingsmöglichkeiten zu erhalten. Besonders<br />

enttäuschend war die Schließung der Citizen<br />

Plaza in Shinjuku, die fast ein halbes Jahrhundert<br />

lang die Haupttrainingsstätte für viele<br />

Athleten dargestellt hatte. Asada will mit dieser<br />

neuen Halle den Eiskunstlauf in Japan fördern<br />

und popularisieren.<br />

33<br />

Neues aus Japan<br />

Satoko Miyahara beim<br />

Cup of China 2019<br />

Foto: Carmichael<br />

Miyahara beendet<br />

Wettkampf-Karriere<br />

Keine japanische Athletin ist weltweit so sehr<br />

für ihre Eleganz und Anmut gelobt worden wie<br />

Satoko Miyahara. Seit 2014 hatte sie vier Jahre<br />

in Folge die Goldmedaille bei den Japanischen<br />

Nationalmeisterschaften gewonnen, 2016 siegte<br />

sie bei den Vier-Kontinente-Meisterschaften in<br />

Taiwan. 2015 gewann sie Silber, 2018 noch einmal<br />

Bronze bei der WM. Doch anlässlich ihres<br />

24. Geburtstags am 26. März gab sie in ihrem<br />

Blog und in den sozialen Medien das Ende ihrer<br />

Wettkampfkarriere bekannt. „Ich habe beschlossen,<br />

mich vom Leistungssport zurückzuziehen.<br />

Seit langem habe ich darüber nachgedacht,<br />

wann der richtige Zeitpunkt für eine solche Ankündigung<br />

wäre, und ich habe mich für meinen<br />

Geburtstag entschieden. Diese Saison war eine<br />

der wichtigsten in meinem Leben. Ich habe mich<br />

mit mir selbst befasst, jeden Tag genossen und<br />

mich mehr gefordert als je zuvor.“<br />

Als Fünfte der Japanischen Meisterschaft qualifizierte<br />

sich Miyahara nicht für die Olympischen<br />

Winterspiele in Peking. Sie wolle dem<br />

Eiskunstlauf jedoch keineswegs den Rücken<br />

kehren, sondern sich ganz ihren Träumen widmen<br />

und neue Wege beschreiten, sagte die<br />

Läuferin und kündigte an, dass sie als erste Japanerin<br />

mit der Show „Stars On Ice“ durch ganz<br />

Kanada touren werde.<br />

Mao Asada sucht neue<br />

Herausforderungen<br />

„Ich glaube nicht, dass ich mein Leben weiterhin<br />

in Schlittschuhen verbringen werde“, hatte<br />

Mao Asada den japanischen Medien im vergangenen<br />

<strong>April</strong> nach Beendigung ihrer dreijährigen<br />

Tournee mitgeteilt. Seitdem war es, abgesehen<br />

von einigen Werbeverträgen und Fernsehauftritten,<br />

ruhig um Mao geworden. Doch Ende Februar<br />

sollte eine Beobachtung neue Hoffnung in<br />

den Herzen der Fans erwecken: Mao Asada besucht<br />

kontinuierlich die Eisbahn. „Nach der<br />

Thanks-Tour hatte sie etwa einen Monat lang<br />

pausiert. Seitdem trainiert sie wieder fünf Tage<br />

die Woche. Sie bereitet sich auf eine neue Tournee<br />

vor“, sagte ein Angestellter der Eisbahn dem<br />

Magazin Josei Jishin.<br />

In der TV-Show TBS Birthday am 19. Februar<br />

brachte Mao etwas Licht ins Dunkel: „Ich<br />

möchte unbedingt etwas Neues ausprobieren.<br />

Es ist jetzt etwa drei Monate her, dass ich mit<br />

Paarlauf angefangen habe. Da ich bisher nur im<br />

Einzellauf war, muss ich noch eine Menge lernen“,<br />

so wurde sie von Sponnichi zitiert. „Die<br />

Wurfsprünge haben mir am Anfang ein bisschen<br />

Angst gemacht, da ich das Timing des<br />

Sprungs nicht selbst beeinflussen kann. Bisher<br />

bin ich immer alleine gesprungen, ich wurde<br />

noch nie geworfen. Inzwischen ist mir ein doppelter<br />

Wurfsprung gelungen. Da ich alleine<br />

dreifache Sprünge landen kann, denke ich, dass<br />

ich auch dreifache Wurfsprünge schaffen würde.<br />

Aber jetzt stehe ich noch am Anfang.“<br />

Über ihren Partner wollte sie noch keine Auskunft<br />

geben, aber die Gerüchteküche brodelt,<br />

seit der ehemalige Paarläufer Ryo Shibata bei<br />

ihrer Trainingshalle gesichtet wurde. Bis 2018<br />

trainierte Ryo mit Narumi Takahashi, danach<br />

begann er eine Karriere als Trainer. Ob Mao<br />

plant, als Paarlauf auch in den Leistungssport<br />

zurückzukehren, wurde nicht thematisiert.<br />

Sicher ist jedoch,<br />

Anzeige<br />

dass sie einige weitere<br />

Jahre in ihren<br />

Schlittschuhen verbringen<br />

wird.<br />

Rika Kihira kehrt zurück<br />

Rika Kihira, WM-Siebte 2021, hat die ganze<br />

Olympiasaison verpasst, nachdem sie sich einen<br />

Ermüdungsbruch zugezogen hatte. Umso mehr<br />

freuten sich ihre Fans, als die zweimalige Vier-<br />

Kontinente-Meisterin am 20. Februar mit einem<br />

Beitrag in den sozialen Medien, der sie beim<br />

Training zeigte, neue Hoffnung schürte. „Ich<br />

möchte mich bei allen bedanken, die mich immer<br />

unterstützen“, hieß es darin. Nur fünf Tage<br />

später brachte sie ihre Dankbarkeit bei der Eisshow<br />

Prince Ice World in der Higashi Fushimi Ice<br />

Arena in Tokio zum Ausdruck. Sie begeisterte das<br />

Publikum mit ihrem Programm „Rain“, bei dem<br />

sie nicht nur eine fehlerfreie Schrittfolge zeigte,<br />

sondern auch den 2A sauber landete. Für Kihira<br />

war dies der erste öffentliche Auftritt nach einer<br />

langen Erholungsphase von etwa sieben Monaten.<br />

Am 18. März teilte die Läuferin in ihren sozialen<br />

Medien mit, dass sie sicher in Brian Orsers<br />

Schule in Kanada angekommen sei und darauf<br />

hinarbeite, an den Olympischen Spielen 2026 in<br />

Mailand teilzunehmen.<br />

<br />

Maria Laura Brandmann Mitsuoka<br />

Rika Kihira beim<br />

Grand Prix Finale<br />

in Turin 2019<br />

Foto: Höppner


34<br />

Ellen Brockhöft<br />

Eislaufgeschichte<br />

Eislaufgeschichte<br />

Ellen Brockhöft<br />

Protagonistin eines neuen Frauenbildes<br />

in Sport und Gesellschaft<br />

Obwohl Ellen Brockhöft sieben Mal<br />

den Deutschen Meistertitel gewann<br />

und zweimal Vizeweltmeisterin war, gehört<br />

sie zu den großen Unbekannten der<br />

deutschen Eiskunstlauf-Geschichte. Wie<br />

ihre Lebensgeschichte zeigt, verkörperte<br />

sie neben ihren sportlichen Erfolgen<br />

auch ein neues Frauenbild.<br />

Ellen Gertrud Auguste Brockhöft wurde am<br />

29. <strong>April</strong> 1893 als Tochter von Lois Rehra und<br />

Auguste Gebhard in Berlin geboren. Ihr Vater<br />

war vermögend und besaß das „Hotel & Restaurant<br />

Zum Gerstensaft“. Mit täglichen Salon-Konzerten<br />

und phantasievollen thematischen<br />

Dekorationen zählte es zu den damaligen<br />

Sehenswürdigkeiten der Stadt. Ellen begann<br />

erst im Jahr 1912 im Alter von 19 Jahren,<br />

Eiskunstlaufen ernsthaft im Berliner<br />

Schlittschuh-Club (BSchC) zu trainieren. Der<br />

Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte nur<br />

kurzzeitig Auswirkungen auf die Fortsetzung<br />

ihrer Laufbahn. Eigentlich gab es einen Beschluss<br />

des Deutschen Eislauf-Verbandes, aus<br />

Gründen des Patriotismus und der Solidarität<br />

kein Training und keine Wettbewerbe durchzuführen.<br />

Im Ergebnis wurden landesweit<br />

keine Eisbahnen hergerichtet. Einzig die<br />

Kunsteisbahn im Admiralspalast in der<br />

Friedrichstraße bestand als Teil des Unterhaltungsetablissements<br />

fort. Entgegen<br />

der Verbandsanordnung nahmen<br />

der BSchC und Berliner Eislauf-Verein<br />

von 1886 im Winter 1915/16<br />

den offiziellen Trainingsbetrieb<br />

wieder auf. Sie begründeten<br />

ihr Vorgehen mit der Erhaltung<br />

der internationalen Konkurrenzfähigkeit<br />

und beriefen<br />

sich auf die sportlichen Aktivitäten von<br />

Vereinen in Österreich. Am 5. März 1916<br />

wurde mit der „BSC-Damenmeisterschaft“ im<br />

Berliner Admiralspalast der erste Eiskunstlaufwettbewerb<br />

nach Kriegsbeginn in<br />

Deutschland ausgetragen.<br />

Hier tauchte der Name Ellen Rehra<br />

erstmalig in der Sportpresse auf.<br />

Hinter der späteren Bundestrainerin<br />

Thea Frenssen und Gertrud<br />

Müller erlief sie den dritten<br />

Platz. Am 31. Oktober 1916 heiratete<br />

sie den Prokurist Friedrich<br />

Heinrich Brockhöft<br />

(2.7.1891 - 15.4.1942). Das<br />

Ehepaar lebte im väterlichen<br />

Hotelgebäude in der<br />

Chausseestraße 101.<br />

Beim „Damen-Laufen“<br />

des BSchC am 19. De-<br />

Ellen Brockhöft als Professional in der Schweiz<br />

Quelle: Schönheit des Eislaufs<br />

zember 1916 belegte<br />

sie nunmehr<br />

mit dem Nachnamen<br />

Brockhöft hinter<br />

Thea Frenssen, Margarethe<br />

Klebe und Gertrud<br />

Müller den vierten<br />

Platz. Ihre erste internationale<br />

Podiumsplatzierung erreichte<br />

Ellen Brockhöft in der<br />

Konkurrenz der Juniorinnen beim<br />

„Internationalen Kunstlaufen“, veranstaltet<br />

vom Wiener Eislauf-Verein (WEV) am 18.<br />

Februar 1917, das einem Städtewettkampf<br />

von Wien und Berlin entsprach. Im Feld der<br />

acht Starterinnen erlief sie hinter Herma von<br />

Szabo (WEV) und Elly Winter (BSchC) einen<br />

hervorragenden 3. Platz. Bei der nachfolgenden<br />

Klubmeisterschaft des BSchC am 18./19.<br />

März 1917 wurde sie bei den Seniorinnen nur<br />

Fünfte. Besser lief es bei den Deutschen<br />

Meisterschaften am 10. Februar 1918 in Oppeln.<br />

Dort belegte sie bei den Juniorinnen<br />

hinter Elisabeth Böckel (BSchC) den 2. Platz.<br />

Ihr erster Trainer war der aus dem Krieg zurückgekehrte<br />

Werner Rittberger und nachfolgend<br />

Andor Szende.<br />

Rekordtitelträgerin bei Deutschen<br />

Meisterschaften<br />

Nachdem Brockhöft bei den Deutschen Meisterschaften<br />

1920 in Berlin hinter Elly Winter<br />

noch den 2. Platz belegte, holte sie ein Jahr<br />

später ihren ersten deutschen Meistertitel.<br />

Von 1923 bis 1928 reichte ihre bis dahin einzigartige<br />

Siegesserie bei Deutschen Meisterschaften.<br />

Sie wurde nur 1922 durch Elly Winter<br />

unterbrochen. Ihr Rekord von sieben Meisterschaftserfolgen<br />

im Damenbereich hatte bis<br />

Gaby Seyfert Bestand, die in der DDR zehn Titel<br />

gewann. Ein erstes Achtungszeichen setzte<br />

sie bei den sogenannten Deutschen Kampfspielen<br />

1922 in Garmisch-Partenkirchen, als<br />

sie sich zwischen den zwei Wiener Läuferinnen<br />

Herma von Szabo und Gisela Reichmann<br />

auf den zweiten Platz einreihte. Ihren Leistungszenit<br />

hatte Ellen Brockhöft in den Jahren<br />

1924 und 1925. Bei ihrem WM-Debüt<br />

1924 in Oslo wurde sie auf Anhieb Zweite.<br />

Am 9. Februar 1925 siegte sie beim Internationalen<br />

Kunstlaufen von St. Moritz vor der<br />

Britin Ethel Muckelt. Bei der anschließenden<br />

WM in Davos konnte sie ihren Erfolg aus dem<br />

Vorjahr wiederholen und erneut die Silbermedaille<br />

erringen. International stand die Deutsche<br />

Meisterin im Schatten der dieses Jahrzehnt<br />

dominierenden Olympiasiegerin von<br />

1924, Herma von Szabo (WEV). Da deutsche<br />

Sportler 1924 von den Olympischen Spielen<br />

noch ausgeschlossen waren, entging Ellen<br />

Brockhöft ein olympischer Medaillengewinn.<br />

1925 wurden die zweimalige Vizeweltmeisterin<br />

zum prestigeträchtigen Ball der deutschen<br />

Sportpresse in Frankfurt eingeladen, was<br />

heute der Veranstaltung „Sportler des Jahres“<br />

entspricht. Eine Knieoperation schien die<br />

Fortsetzung ihrer sportlichen Karriere zu gefährden.<br />

Diese verursachte einen Rückgang<br />

ihrer Leistungsfähigkeit. Nachdem sie bei den


35<br />

WM 1926 in Stockholm nach der Pflicht wegen<br />

zu großer Kälte zur Kür nicht mehr antrat,<br />

siegte sie am 13. Februar 1926 bei dem im<br />

Rahmen der „WM-Woche“ der Herren und Paare<br />

im Berliner Sportpalast ausgetragenen „Damen-Kunstlaufen“.<br />

Preisrichterskandal<br />

Einen Bruch ihrer erfolgreichen Karriere stellten<br />

die WM 1927 in Oslo dar, die von dem größten<br />

Preisrichterskandal der 1920er Jahre geprägt<br />

waren. In jeweils 3:2-Entscheidungen siegte vor<br />

heimischem Publikum erstmals Sonja Henie vor<br />

der Titelverteidigerin Herma von Szabo, womit<br />

ihre internationale Erfolgsserie begann. Auf den<br />

3. Platz wurde die zweite norwegische Läuferin<br />

Karen Simensen vor Ellen Brockhöft eingestuft.<br />

Hintergrund der äußerst umstrittenen 3:2-Entscheidungen<br />

des Preisgerichts war, dass drei der<br />

fünf Preisrichter aus <strong>No</strong>rwegen kamen, die mit<br />

ihrer Majorität die Plätze für Henie und Simensen<br />

sicherten. Der kurzfristig gemeldete schwedische<br />

Preisrichter Roth wurde vom Veranstalter<br />

nicht mehr zugelassen, da man das Preisgericht<br />

als offiziell feststehend erklärte. Der ISU-Kongress<br />

1927 beschloss daraufhin, dass nur noch<br />

ein Preisrichter pro Land in einem Wettbewerb<br />

zugelassen ist. Nach diesem Wertungsskandal<br />

nahmen Herma von Szabo nur noch im Paarlaufen<br />

und Ellen Brockhöft nicht mehr an den Damen-WM<br />

teil.<br />

Ein versöhnlicher Saisonabschluss gelang der<br />

deutschen Serienmeisterin mit ihrem Sieg vor<br />

der favorisierten Melitta Brunner (WEV) beim<br />

„Damen-Kunstlaufen“ der Internationalen<br />

Sportwoche am 12. März 1927 in Berlin. Mit<br />

Werner Rittberger ging sie auch beim Walzerwettbewerb<br />

an den Start. Sie belegten<br />

hinter Hedwig Just / Eugen Richter (WEV)<br />

und Else Flebbe / Bruno Grauel (BSchC) den<br />

dritten Platz. Enttäuschend verlief ihre einzige<br />

Teilnahme an Olympischen Winterspielen<br />

1928 in St. Moritz. Als Aspirantin auf einen<br />

Medaillengewinn gehandelt, landete die inzwischen<br />

34jährige in der Pflicht nur auf den<br />

achten Platz. In der Kür erlief sie sogar nur<br />

den zehnten Platz und fiel in der Gesamtwertung<br />

auf Rang neun zurück. Sie schloss<br />

ihre Amateurlaufbahn mit einem dritten<br />

Platz hinter Fritzi Burger und Melitta Brunner<br />

beim „Damen-Seniorenlaufen“ im Rahmen<br />

der Herren-WM am 26. Februar 1928 in Berlin<br />

erfolgreich ab.<br />

Erfolgreich als Professional und im<br />

Geschäftsleben<br />

Im Dezember 1929 gaben die Tageszeitungen<br />

ihren Wechsel zu den Professionals bekannt.<br />

Sie erhielt von der Verwaltung des Kunsteisstadions<br />

in St. Moritz ein Engagement als<br />

Eislauflehrerin. Dort lernte sie den Bonner<br />

Modehausbesitzer Klaus (Nikolaus) Henseler<br />

kennen, den sie am 11. September 1930 in Berlin<br />

heiratete. Ihre erste Ehe wurde am 19. Februar<br />

1930 geschieden. 1930/31 arbeitete sie an<br />

der Seite von Otto Gold - dem ersten Doppelaxel-Springer<br />

und späteren Meistertrainer - in<br />

Arosa und nahm an zahlreichen Schaulaufen<br />

teil. Überraschend beantragte sie 1936 bei der<br />

ISU die Re-Amateurisierung, die ihr ab 4. <strong>April</strong><br />

1937 gewährt wurde. Sie wollte wahrscheinlich<br />

als Preisrichterin fungieren. Der Zweite Weltkrieg<br />

und die nachfolgende Sperre deutscher<br />

Sportler und Funktionäre verhinderten diese<br />

Laufbahn. Ab 1947 bildete das „Modehaus Ellen<br />

Henseler“ in der Kaiser-Friedrich-Straße 10 in<br />

Bonn ihr neues Lebenswerk. Dies war die ehemalige<br />

Wohnung der Familie, die Am Berghang<br />

9 ihr neues Domizil bezog. Am 19. Dezember<br />

1977 verstarb Ellen Henseler im Alter von 84<br />

Jahren. Obwohl sie sich selbst nicht als Frauenrechtlerin<br />

sah und sich gegen die Vermännlichung<br />

des Damenkunstlaufens<br />

aussprach,<br />

verkörperte<br />

sie als erfolgreiche<br />

Sportlerin, Professional<br />

und Geschäftsfrau<br />

mit selbstbestimmter<br />

Ehe eine<br />

neue Rolle der Frau<br />

Die <strong>Pirouette</strong> auf Facebook<br />

in der Gesellschaft.<br />

Dr. Matthias Hampe<br />

Ellen Brockhöft<br />

Eislaufgeschichte<br />

Ellen Brockhöft (rechts)<br />

mit Herma von Szabo bei<br />

den WM 1925 in Davos<br />

Quelle: Archiv Narodowe<br />

Archiwum Cyfrowe


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