Kath_Teufen_Brosch_edikt_2022

grusswort des
pfarrers
Pfarrer Albert Wicki
Liebe Mitchristin,
lieber Mitchrist.
Einst gute Freundinnen und Freunde meiden sich, Verwandte
reden kaum noch miteinander. Seit Beginn der Covid-Pandemie zerreissen
leider immer mehr Freundschaften und Beziehungen. Andersdenkenden
im Alltag zu begegnen, endet oft in Streit.
Das Gift des Misstrauens hat heute viele Beziehungen erfasst.
Es braucht heutzutage Übung, sich vorurteilsfrei auf den anderen
einzulassen. Wie steht es in unserer Seelsorgeeinheit Gäbris um die
gemeinschaftliche Sorge, des Sich-umeinander-Kümmerns? Dort, wo
etwas krisenhaft wird, da bekommt man Angst und verschliesst sich
ein. Man ist dann wie in einem Kerker gefangen. Nicht selten kommt
dann auch mangelnde Wertschätzung hinzu, die Menschen für sich
selbst empfinden. In einer solchen Lage zuzugehen auf den anderen,
der anders denkt, hat aus meiner Sicht etwas Heilsames. Es braucht
dann Mut, mich mit jemandem zu treffen, der mir am Herzen liegt.
Schön, wenn wir einfach dem anderen zuhören und fragen: Wie geht
es dir? Das ist die Grundfrage: Wie geht es dir momentan?
Als Christinnen und Christen sagen wir ja gerne, dass der dreieinige
Gott uns bedingungslos liebt. Genau darum geht es, dass wir,
auch wenn wir nicht so lieben können wie Gott liebt, aber ein Stück
weit doch lernen, ohne Bedingungen den anderen anzunehmen.
Auch wenn er oder sie vielleicht eine Meinung vertritt, die ich absolut
nicht teile. Aber ich versuche dann zu verstehen, warum kommt die
andere Person zu diesem Schluss? Wenn ich mir wirklich Zeit nehme,
wenn ich versuche, mein Gegenüber zu verstehen, mich in diese
Person hineinzuversetzen, dann kann es sein, dass ich den Mitmen-
28 Edikt 2022