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Angelika Reiser-Fischer: Cantate domino (Leseprobe)

Eine Limonadenflasche, die sehr effektvoll während einer Audienz beim Bischof in der Tasche explodiert. Eine Bach-Arie aus dem Weihnachtsoratorium auf der Polizeistation. Ein besonderes Abschiedsritual im Hafen von Kloster, bei dem sogar völlig Unbeteiligten die Tränen kommen. Ein Kapitän, der des Nachts zum zweiten Mal beerdigt wird. Ein Cello, auf dem so heftig musiziert wird, dass es zu qualmen beginnt. Die Erinnerungen der Musici Jenenses an ihre Sommer auf der Insel Hiddensee sind ein unerschöpflicher Quell von Geschichten, heiteren, besonderen, auch traurigen. Aber immer gewähren sie einen Blick in die Zeitgeschichte und auf die besonderen Umstände, unter denen sich junge und alte, professionelle und Hobby-Musiker aus inzwischen ganz Deutschland seit fast 60 Jahren in der kleinen Inselkirche von Kloster treffen – allen Widrigkeiten zum Trotz –, um unter einem gemeinsamen Motto zu musizieren: Cantate domino – Singt dem Herrn.

Eine Limonadenflasche, die sehr effektvoll während einer Audienz beim Bischof in der Tasche explodiert. Eine Bach-Arie aus dem Weihnachtsoratorium auf der Polizeistation. Ein besonderes Abschiedsritual im Hafen von Kloster, bei dem sogar völlig Unbeteiligten die Tränen kommen. Ein Kapitän, der des Nachts zum zweiten Mal beerdigt wird. Ein Cello, auf dem so heftig musiziert wird, dass es zu qualmen beginnt.

Die Erinnerungen der Musici Jenenses an ihre Sommer auf der Insel Hiddensee sind ein unerschöpflicher Quell von Geschichten, heiteren, besonderen, auch traurigen. Aber immer gewähren sie einen Blick in die Zeitgeschichte und auf die besonderen Umstände, unter denen sich junge und alte, professionelle und Hobby-Musiker aus inzwischen ganz Deutschland seit fast 60 Jahren in der kleinen Inselkirche von Kloster treffen – allen Widrigkeiten zum Trotz –, um unter einem gemeinsamen Motto zu musizieren: Cantate domino – Singt dem Herrn.

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wusste ja, wo sie da hinfuhren. Da kam ein Anruf, im Bass wäre ein Sänger<br />

ausgefallen. Ich war so froh, dass es noch geklappt hatte und ich teilnehmen<br />

durfte! Und bin sofort los, mit selbst-aufblasbarer Matratze, und habe im Eltern-<br />

Zimmer campiert.<br />

Was bedeuten dir die Musici?<br />

Ich bin vor allem wegen der Freunde dabei. Besonders mit Adam, aber auch mit<br />

vielen anderen verstehe ich mich gut. Inzwischen würde ich auch allein kommen,<br />

ohne die Eltern. Sogar den Küchendienst bekomme ich inzwischen hin. Es<br />

bedeutet mir sehr viel, dass ich bei den Musici dazu gehören darf. Denn hier<br />

fühle ich mich aufgehoben.<br />

Meine Gesundheit macht mir oft zu schaffen. Aber bei den Musici darf ich mich<br />

gesund fühlen. Hier kann ich gut üben, was mir im Alltag oft schwerfällt. Die<br />

Gruppe akzeptiert und respektiert mich, und deshalb gelingen mir hier Sachen,<br />

die ich mir sonst gar nicht erst zutrauen würde. Ich brauche da jemanden, der<br />

mich unterstützt. 2019 habe ich es so auch geschafft, in einem Film über die<br />

Musici mitzumachen, und beim Abschlussabend habe ich im Quartett Cello gespielt.<br />

Es ist so ein wohlwollender Umgang miteinander. Jeder versucht, diese Gemeinschaft<br />

zu erhalten und zu bereichern. Dazu diese Musik, verbunden mit dem<br />

Glauben. Manchmal gibt es auch schwierige Werke. Das kann herausfordernd<br />

sein. Aber ich bin auch da stolz, wenn ich ein Teil davon sein und mitwirken<br />

kann. Ich habe großen Respekt vor den künstlerischen Leitern und staune immer,<br />

welche passende Literatur sie finden, die in der knappen Probenzeit auch<br />

umgesetzt werden kann.<br />

Ja, und dann liebe ich auch diese Insel, nicht nur den schönen Strand mit tollen<br />

Sonnenuntergängen, sondern auch das Hochland und die Dünen-Heide.<br />

Haben die Musici dein Leben jenseits der Insel beeinflusst?<br />

Wenn ja – in welcher Weise?<br />

Die Freundschaften halten über die Inselzeit hinaus. Das war von Anfang an<br />

so, sogar als wir noch Kinder waren. Und die Rückendeckung, die ich von den<br />

Musici im Sommer bekomme, dieses Wohlwollen, das Füreinander wirken auch<br />

in meinen Alltag und geben mir dafür Sicherheit, so dass ich ihn immer ein<br />

bisschen besser hinkriege.<br />

In Leipzig gibt es ja viele Musici, und da sehe ich zu, dass ich dort bei den Treffen<br />

immer dabei sein kann. Die Erinnerungen an die Musici-Zeit im Sommer<br />

tragen mich das ganze Jahr, auch über schwere Momente hinweg, und wenn es<br />

mir mal nicht so gut geht.<br />

Was kannst du über die Musici erzählen? Welche Erinnerungen bleiben?<br />

Da ist vor allem die gemeinsame Zeit am Strand, die Feuerchen aus trockenen<br />

Ästen und Strandgut und das Baden an der Hucke. Dazu das Zusammensein in<br />

großer Gruppe auch mit den Kindern und Jugendlichen. Viele kenne ich noch<br />

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