30.03.2022 Aufrufe

MinD-Mag 147

Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.

Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

LEBEN MIT KINDERN<br />

gründen. Und dann verfolgt uns<br />

das „anders“ über die Woche.<br />

Das ist nicht gut. Für uns alle.<br />

Obwohl wir immer mehr damit<br />

zurechtkommen, das „anders“<br />

für jeden von uns so individuell<br />

zu formulieren, dass es sich netter,<br />

besser, gemeinsamer, wohliger,<br />

liebevoller und passender<br />

anfühlt.<br />

Im Falle des morgendlichen<br />

oder spontanen „anders“ habe<br />

ich mir angewöhnt, ganz tief zu<br />

atmen, mich zu regulieren und<br />

dann das jeweilige Kind zu fragen:<br />

„Doll dringend, dringend<br />

oder heute Nachmittag dringend?“<br />

Im Fall von doll dringend:<br />

„Was hilft dir jetzt sofort, was<br />

brauchst du, weil du weißt, dass<br />

du in die Schule musst?“<br />

Grummelchenkarten<br />

rausholen<br />

Im Fall von dringend: „Ist es<br />

jetzt dringend oder kann es vertagt<br />

werden? Was braucht es<br />

zum Vertagen?“<br />

Im Fall von Nachmittag dringend:<br />

„Wir holen nachher die<br />

Grummelchenkarten*** raus<br />

und dann besprechen wir das<br />

‚anders‘.“<br />

Oft funktioniert die Strategie.<br />

In manchen Fällen muss<br />

das „anders“ schnell auf einem<br />

Post-it verschriftlicht werden,<br />

manchmal reicht eine Umarmung,<br />

ein Mutzauber**** und<br />

manchmal eine paradoxe Intervention:<br />

Also zum Beispiel irgendwas<br />

Bescheuertes, um die<br />

Spannung zu entladen.<br />

Vom Umgang mit<br />

Störgefühlen<br />

Ähnlich ist es mit Störgefühlen.<br />

So wichtig Störgefühle sind,<br />

weil sie Reflexionsprozesse auf<br />

allen Ebenen, vor allem auf der<br />

Beziehungsebene, anstoßen<br />

und ein wunderbares Tool im<br />

systemischen Coaching, in der<br />

Beratung und Therapie sind, so<br />

unpraktisch und anstrengend<br />

sind sie ehrlicherweise im Alltag.<br />

Ein Beispiel: Unser Sohn wollte<br />

lernen, wie man Fußball<br />

spielt. Uns wurde ein einwöchiges<br />

Sommercamp empfohlen<br />

und einer seiner besten Freunde<br />

war auch mit dabei. Jeden Morgen<br />

das Gleiche: Abfahrt um<br />

8:30 Uhr, Freund einsammeln<br />

und einmal quer durch die Stadt.<br />

Circa 40 Minuten Fahrdauer.<br />

Montag und Dienstag war alles<br />

gut. Mittwoch: Unser Sohn<br />

(8) zieht sich an. Merklich langsamer<br />

als die Tage zuvor, will<br />

nichts essen. Es ist 8:15 Uhr.<br />

Wohlweislich sind wir früh aufgestanden,<br />

haben alles fertig gepackt,<br />

alles Wichtige besprochen.<br />

Denkste!!!<br />

8:20 Uhr: Sohn: „Mama, ich<br />

will nicht.“ (Störgefühl des Kindes)<br />

Ich: „Wieso?“<br />

Schweigen. Schweigen. Tränen.<br />

(Uih! Massives Störgefühl<br />

des Kindes)<br />

Ich: „Ach je. Was ist los?“<br />

Sohn: „Nichts.“<br />

Ich: „Aha.“<br />

Schweigen.<br />

Sohn: „Mama, morgen soll ich<br />

Punkte spielen.“<br />

Ich: „Aha.“<br />

Sohn: „Ich kann keine Punkte<br />

spielen.“<br />

Ich: „Aha.“<br />

Sohn: „Mama du verstehst<br />

das nicht.“ Noch mehr Tränen.<br />

(UIUIUIUIUIUIUI!)<br />

Sohn: „Ich soll 300 Punkte<br />

erreichen und weiß doch gar<br />

nicht, wie das geht. Wie können<br />

die das denn von mir verlangen.<br />

Nach zwei Tagen Training!“<br />

„Das sind<br />

schlechte Lehrer“<br />

8:25 Uhr: Ich: „Ah, verstehe<br />

ich das richtig? Ihr sollt Punkte<br />

erreichen und du hast das Gefühl,<br />

du kannst es nicht.“<br />

Sohn: „Ja, hat mir ja keiner gezeigt.<br />

Die haben uns gar nicht<br />

richtig gezeigt, wie das geht.<br />

Das sind schlechte Lehrer. Wie<br />

soll ich es denn dann können?“<br />

Unauffälliger Blick zur Uhr,<br />

ich fange an zu schwitzen.<br />

Ich: „Mmh. Und du willst besonders<br />

gut sein, richtig?“<br />

Sohn: „Ja, Mensch Mama, darum<br />

geht es doch!“<br />

Ich: „Mmh.“ (Lieber Gott, ich<br />

brauche eine Eingebung! Hilfe!<br />

Irgendwas Altbewährtes. Jetzt<br />

sofort. Übung, Übung, nicht alles<br />

sofort können müssen, altes<br />

Thema, von allen in der Familie.<br />

Hilfe!)<br />

*** Weiner, Christine: Erzähl doch mal von dir! Wie sich Ihr Kind öffnet. Kindercoaching für den Alltag, Ariston<br />

**** Neumeyer, Annalisa: Einführung in das therapeutische Zaubern, Carl-Auer<br />

30 | mind magazin <strong>147</strong>/april 2022

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!