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MinD-Mag 147

Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.

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REZENSION<br />

Julia Peglow ist kein Digital<br />

Native, sie gehört – so beschreibt<br />

sie es – einer Generation<br />

an, die „mit einem Bein im<br />

analogen und mit dem anderen<br />

im digitalen Zeitalter steht“.<br />

Am Anfang stand die Euphorie,<br />

die Entdeckung des virtuellen<br />

Raumes, der Rausch und<br />

der Hype. Der erste Apple Mac<br />

Performa 630, erste Erfahrungen<br />

mit neuen Programmen wie<br />

Adobe Photoshop oder Macromedia<br />

Director.<br />

Julia berichtet von dem Gefühl,<br />

zu den Auserwählten zu gehören.<br />

Eine von denen zu sein, die<br />

dem virtuellen Raum als Designerin<br />

ein Gesicht gaben. Sie beschreibt<br />

es so: „Mitleidig schaute<br />

ich damals auf die Studenten<br />

und Professoren, die immer<br />

noch an ihren Printbroschüren<br />

Alle Fotos: Julia Peglow<br />

und Plakatserien arbeiteten. Sie<br />

waren jetzt – in meinen Augen –<br />

die Rückwärtsgewandten.“<br />

Danach folgt die Karriere in<br />

Agenturen und Kommunikationsbüros,<br />

und, man ahnt es<br />

schon, die Ernüchterung.<br />

Die schöne neue digitale Welt<br />

war nicht nur schön. Die Mit-Arbeit<br />

an einer neuen Wunderwelt<br />

verlor ihre Faszination und der<br />

Rausch wurde zum Kater.<br />

„Wir waren so mit uns selbst<br />

beschäftigt, dass wir gar nicht<br />

bemerkt haben, dass andere die<br />

Superstrukturen um uns errichtet<br />

haben, die das Internet heute<br />

zu einem kalten, kontrollierten<br />

und kommerziellen Ort machen.“<br />

Julia Peglow zog die Konsequenzen.<br />

Sie sah das Zerstörerische<br />

der unentwegten Beschleunigung,<br />

sie entdeckte den den<br />

Wert des „heilsamen“ Bücherlesens<br />

neu, und 2017 stieg sie<br />

aus ihrem bisherigen Berufsleben<br />

aus.<br />

Heute berät sie Unternehmen<br />

und schreibt auf ihrem Blog<br />

„diary of the digital age“.<br />

Ihr Buch (Untertitel: „Vom<br />

Surfen auf der Exponentialkurve<br />

der Digitalisierung und dem<br />

Riss in der Wirklichkeit einer<br />

Generation“) liest sich selbst<br />

wie ein Tagebuch. Man blickt ihr<br />

bei ihren Gedankengängen und<br />

dem Beschreiben ihrer schönen<br />

neuen Arbeitswelt praktisch<br />

über die Schulter.<br />

Das macht ihr Buch lebendig<br />

und nachvollziehbar. Darüber<br />

hinaus ist es herausragend<br />

schön gestaltet.<br />

Jede und jeder über 40 (und<br />

auch Jüngere) haben ihre eigenen<br />

Digitalisierungs-Erfahrungen.<br />

Ob im Job, an der Spielkonsole,<br />

im Zoom-Chat oder auf Social<br />

Media.<br />

Fast allen dämmert es, dass<br />

die strahlende neue Welt möglicherweise<br />

auch ein paar ziemlich<br />

dunkle Ecken hat. Die Stichworte<br />

sind bekannt: Datenschutz,<br />

Überwachung, Machtkonzentration,<br />

Künstliche<br />

Intelligenz. „Wir Internetkinder“<br />

ist keine Kampfschrift gegen das<br />

vermeintlich Böse da draußen.<br />

Aber es liefert ein paar ziemlich<br />

gute Ansätze zum Nachdenken<br />

über das, was in den letzten<br />

Jahrzehnten passiert ist.<br />

Julia Peglow<br />

Wir Internetkinder<br />

Verlag Hermann Schmidt<br />

29,80 Euro<br />

mind magazin <strong>147</strong>/april 2022 | 25

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