MinD-Mag 147

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EINE M VON NEBENAN in die Abendschule und qualifiziert sich wieder hoch. Die vielen gebrochenen Lebensläufe hier finde ich wirklich cool! Ich hatte einen Oberarzt auf der Intensivstation, der mit sechzehn von der Schule gegangen ist, weil er lieber fotografieren wollte. Er hat zehn Jahre lang in Stockholm Promifotos geschossen. Irgendwann hatte er die Nase voll von dieser Schickimickigesellschaft, hat die Abendschule besucht, um sich die fehlenden Hochschulpunkte für das Medizinstudium zu erarbeiten, und mit 28 das Studium begonnen. Später hat er dann auch die Fachrichtung mehrfach gewechselt. So etwas ist hier völlig normal und wundert niemanden. Da es kein Prestigegehabe gibt, ist es auch nicht verpönt, in der „Hierarchie“ abzusteigen. Die Menschen freuen sich wirklich für einen, wenn man sich ein neues Tätigkeitsfeld erschließt. „Mal wieder kurz Anästhesistin.“ Klingt ziemlich mensatypisch. Du bist ja auch in Deutschland M-sozialisiert. Wann und wie kamst du zu Mensa? Ich glaube, mit achtzehn oder neunzehn. Ich konnte lesen und schreiben, als ich in die Schule kam, meine Eltern, die beide Lehrer waren, haben darüber verhandelt, was man mit mir machen solle. Mein Papa fand, dass ich gut in der zweiten Klasse anfangen könne, meine Mama fand, aus Sozialisierungsgründen solle man die Grundschule komplett durchlaufen. Letzteres ist dann passiert und ich bin brav zur Grundschule gegangen. Das war auch ganz super, aber am Gymnasium wurde es dann langweilig. Schließlich durfte ich von der 10.1 in die 11.2 springen. Als klar war, dass ein Medizinstudium eine Option für mich ist, habe ich den Medizinertest gemacht, und zwar ziemlich gut. Aber erstmal habe ich Physik studiert und im Studium Christian Severin aus Münster getroffen. Christian war damals schon Mensa-Mitglied. Er schlug mir vor, nach dem Mediziner- den Mensa-Test zu machen. Also bin ich hin und erinnere mich noch sehr gut an diesen Tag. Wir wurden vorher gefragt, ob wir Testerfahrung hätten. „Ja, ich habe gerade den Medizinertest gemacht“, sagte ich, und wurde angeguckt, also wäre ich ein Idiot und völlig fehl am Platz. Dann hab ich erstmal Medizin studiert und hatte genug anderes zu tun. Irgendwann während einer Nachtschicht habe ich im Internet gesurft, bin auf der Mensa-Seite gelandet und dachte: „Jetzt wirst du auch endlich mal Mitglied.“ Zum Stammtisch bin ich dann allerdings nicht so oft gegangen, weil alle immer wissen wollten, was ich denn gerne spiele, ich Spiele aber total blöd finde. Ich finde es sehr erfrischend, heute mit jemandem zu videochatten, bei dem nicht dauernd eine Katze durchs Bild läuft. Danke dafür! Na gern! Aber ein Ohr habe ich trotzdem immer nach hinten gerichtet, weil ich vor zwei Tagen neue Meerschweinchen bekommen habe, die gerade sozialisiert werden und mit dem alteingesessenen Meerschweinchen noch nicht so gut zurechtkommen. Deshalb muss ich immer hinhören, ob sich hinter mir jemand prügelt. Du hast also eine ganze Meerschweinchenkolonie? Im Moment sind es nur drei. Eigentlich habe ich immer vier. In den letzten Wochen hatten wir leider zwei plötzliche Todesfälle. Daher habe ich ganz frisch ein älteres Mädchen-Pärchen aus der Nachbarstadt adoptiert. Jetzt werde ich sehen, ob Helene, Malin und Elisabeth gut miteinander auskommen. Diese Meerschweinchenpassion hab ich immer schon gehabt. Als ich klein war, hatten wir eine Phase mit circa zehn Stück, frühe Prägung also. Zur Einschulung habe ich mein erstes eigenes bekommen. Das hieß Schnuckelchen, hat aber leider nicht mehr in die Schultüte gepasst. Irgendwann in der Pubertät hab ich es mal mit einer Ratte namens Sokrates versucht, aber nach deren Tod ging es zurück zu den Schweinchen. Eine Reinfektion mit Meerschweinchen im hohen Alter von achtzehn Jahren verläuft schlechter. Die Prognose ist ungünstig: Wer als Erwachsener mit Meerschweinchen anfängt, hört auch nicht mehr auf. 16 | mind magazin <strong>147</strong>/april 2022
MODELLBAU Ein M(ann) scheitert Eine Hommage an Kettenfahrzeuge, die Rolling Stones und an das Selbermachen. Von Andreas C. Matthiessen Ich bin Modellbauer. Natürlich kenne ich meine Grenzen, ein Mann muss seine Grenzen kennen (Zitat Clint Eastwood). Das Miniaturwunderland (kurz: MiWuLa – die größte Modelleisenbahnanlage der Welt) in Hamburg würde mir keine Lehrstelle geben, es mangelt an Phantasie, Begabung und Fertigkeit. D as hindert mich keineswegs daran, etwas zu bauen, was ferngelenkt durch die Gegend oder über Wasser kurvt. Ein Auto zu bauen, würde mir wenig Freude bereiten, ein Mann ist ernst und spielt nicht. Das Ding muss schon eine Daseinsberechtigung haben. Ich baute einst ein Kettenfahrzeug, um einen Fotoapparat durch Vogelbrutgebiete im Hamburger Hafen zu steuern. Die Vögel hatten weder Angst vor dem Ding, noch haben sie sich beim Brüten stören lassen. Sind teilweise schöne Bilder geworden, Autofocus gab es damals leider noch nicht. Kettenfahrzeug mit Aufgabe Jetzt wird das Kettenfahrzeug neu gebaut, und natürlich hat es eine Aufgabe. Seit es GPS gibt, trägt jeder Snowboarder einen Sender im Hinterteil implantiert, daher braucht die Bergwacht keine Bernhardiner mehr, um Lawinenopfer zu finden. Diese treuen Hunde und ihre Rumfässchen sind ausrangiert wie der VW Diesel, zu teuer, zu unwirtschaftlich, einfach nicht mehr zeitgemäß. Heute sind sie wegen mangelnder Nachfrage ausgestorben wie Mammut und Säbelzahntiger. Ich krame diverse Kunststoffplatten hervor. Irgendwie kann M daraus ein Getriebe bauen. mind magazin <strong>147</strong>/april 2022 | 17
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