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MinD-Mag 147

Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.

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EINE M VON NEBENAN<br />

de da unten besucht und eine<br />

kleine Rundfahrt zu diesen ganzen<br />

Orten, die auf -köping enden,<br />

gemacht. War ganz nett,<br />

aber wäre das meine erste Begegnung<br />

mit dem Land gewesen,<br />

wäre ich niemals hierher<br />

gezogen!<br />

Ich wohne ja aus gutem Grund<br />

in Nordschweden. Hier gibt<br />

es einfach Winter! Ganz, ganz<br />

schönen Winter! Jetzt gerade,<br />

also Mitte Januar, ist mein Mann<br />

auf dem Weg zu seiner Arbeit in<br />

Norwegen. Er wird heute Nacht<br />

in Riksgränsen festsitzen, weil<br />

er nicht über die Grenze kommt.<br />

Nicht wegen Corona, sondern<br />

weil da gerade 120 Zentimeter<br />

Schnee fallen. Das ist großartig!<br />

Und diesen Winter hatten wir<br />

hier – wohlgemerkt an der Küste!<br />

– zwischenzeitlich Temperaturen<br />

von minus zwanzig Grad.<br />

Blöderweise ist uns dadurch<br />

die Wasserleitung schon zweimal<br />

eingefroren, aber dafür<br />

kann man auf dem Meer Schlittschuh<br />

laufen! Man kann sich<br />

über die ganze Halbinsel auf<br />

Skiern fortbewegen! Man kann<br />

im Sommer und Herbst wandern,<br />

Blaubeeren und Moltebeeren<br />

pflücken, Elche bestaunen,<br />

die vor unserem Haus übers zugefrorene<br />

Wasser laufen, oder<br />

Rentiere. Kurz gesagt: Natur!<br />

Wenn man Musik mag, ist<br />

Schweden auch nicht schlecht!<br />

Folkmusik ist hier ganz groß. In<br />

Umeå findet einmal im Jahr ein<br />

Festival statt. Vor meinem ersten<br />

Besuch hatte ich so hundert<br />

Leute erwartet. Wie viele Leute<br />

leben schon in Nordschweden?<br />

Aber es war proppenvoll! Allein<br />

der größte Veranstaltungssaal,<br />

der etwa 1500 Menschen fasst,<br />

war bei jedem Konzert überfüllt.<br />

„Winterwonderland vor<br />

Weihnachten.“<br />

Egal, wohin du dich bewegst,<br />

überall steht eine Band und<br />

spielt Nyckelharpa und Fiddle.<br />

Irgendwo wird bestimmt getanzt.<br />

Leider kann ich sowas gar<br />

nicht.<br />

Du hast es gewagt, mit über dreißig<br />

noch ein Streichinstrument zu erlernen<br />

und bist glückliche Bratschistin<br />

geworden. Wie kam es dazu?<br />

Ich hab mein Leben lang Klavier<br />

und Orgel und irgendwann<br />

davor natürlich auch Blockflöte<br />

gespielt. Musik gab es also<br />

immer schon in meinem Leben,<br />

vor allem Singen. Mit Mitte<br />

zwanzig habe ich angefangen,<br />

im Freien Musical Ensemble<br />

Münster zu singen, einer Laiengruppe<br />

auf sehr hohem Niveau.<br />

Irgendwann fand ich das, was<br />

im Orchestergraben passierte,<br />

spannender als das Bühnengeschehen,<br />

und hatte mich mit ein<br />

paar Musikern angefreundet.<br />

Deren Proben und Spielen<br />

war ganz anders als das, was ein<br />

Chorsänger erlebt. Mein Lieblingsbeispiel<br />

ist immer das Einsingen:<br />

Auf Chorfestivals macht<br />

man ja immer so verrückte Kennenlernspiele,<br />

geht herum und<br />

soll sich anlachen und so. Die<br />

Orchestermusiker gucken einen<br />

dann nur mit einem Blick an,<br />

der fragt: Können wir jetzt bitte<br />

stimmen und anfangen?<br />

In einer Musicalproduktion<br />

musste meine Rolle dann dauernd<br />

eine Geige auf der Bühne<br />

hin- und hertragen. Zehn Vorstellungen<br />

lang habe ich dieses<br />

Instrument getragen, aber<br />

nie ausgepackt, bis der Konzertmeister<br />

sagte: „Komm, jetzt<br />

spiel doch mal!“<br />

Als ich direkt ein paar Töne für<br />

„Twinkle Twinkle Little Star“ gefunden<br />

habe, obwohl’s da doch<br />

gar keine Markierungen gibt,<br />

hat es mich völlig gepackt! Daraufhin<br />

sagte eine Freundin:<br />

„Lasst uns im Chor sammeln,<br />

und zum Geburtstag kriegst du<br />

fünf Teststunden für die Geige!“<br />

Der Konzertmeister schritt zum<br />

Glück ein und meinte: „Vergiss<br />

es. Mit der Geige wirst du in diesem<br />

Leben nichts mehr werden.<br />

Wenn es wirklich dein Ziel ist,<br />

im Orchester zu spielen, lernst<br />

du Bratsche.“<br />

Bratsche kannte ich bis dahin<br />

nur flüchtig. Also haben wir uns<br />

eines Abends zu Rotwein getroffen<br />

und Musik von Kim Kashkashian<br />

gehört. Da war ich hin<br />

und weg! Meine erste Testgeigenstunde<br />

begann damit, dass<br />

ich die Lehrerin fragte, ob es in<br />

Ordnung wäre, statt der Geige<br />

die Bratsche zu nehmen. Als ich<br />

14 | mind magazin <strong>147</strong>/april 2022

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