FDP_Thueringen_Journal_#4_Gesamt_v3
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01/22
JOURNAL DER
FREIEN DEMOKRATEN
IM THÜRINGER
LANDTAG
DAS RICHTIGE
TUN UND
ES POPULÄR
MACHEN
SEITE 8/9
zu Thüringen!
Vernunft,
Vertrauen,
Verantwortung
Thomas L. Kemmerich
THÜRINGEN
NEU DENKEN
INHALT
Zurück in die Freiheit
Die Pandemie hat uns vieles gelehrt. Leider
auch dies: Thüringens Landesregierung hat
eine Corona-Politik im Blindflug betrieben.
Es ist kein Fehler, Fehler einzugestehen.
Die Politik gewinnt dadurch Glaubwürdigkeit
zurück.
SEITE 4
Die Ukraine und wir
Millionen Ukrainer befinden sich auf der
Flucht. Die Anteilnahme und Hilfsbereitschaft
der Menschen in unserem Bundesland ist
groß. Wie lassen sich die humanitären
Herausforderungen meistern, wie die wirtschaftlichen
Folgen?
SEITE 6
VORGESTELLT:
DIE FDP IM THÜRINGER LANDTAG
Dirk Bergner
Vizepräsident des Landtags
„Ich stehe dafür, dass Politik vor allem
vor der Haustür gemacht wird. Stadt
und Land auf Augenhöhe zu bringen,
bedeutet, Interessen und Notwendigkeiten
in Einklang zu bringen. Das gilt auch
in der Landwirtschaft. Ich sehe unsere
Land- und Forstwirte als Partner an,
denen ich mit Vertrauen begegne. Beim
Klimaschutz will ich überzeugen statt bevormunden.
Aus meiner Arbeit als Bauingenieur
ist es mir geläufig, Menschen
zusammenzuführen und manchmal mit
ökologischen Überlegungen sogar preiswertere
Ergebnisse zu erzielen.“
Dirk Bergner ist stellvertretender
Landesvorsitzender der FDP, Innenpolitiker
sowie Mitglied im Ausschuss für
Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten.
Seit 26 Jahren betreibt er ehrenamtlich
Kommunalpolitik, darunter 10 Jahre als
Bürgermeister von Hohenleuben.
So erreichen Sie
Dirk Bergner:
Markt 6
07973 Greiz
Telefon: (0 36 61) 4 53 99 69
E-Mail: wk@dirk-bergner.de
Franziska Baum
Bildungspolitische Sprecherin
„2022 wird hoffentlich ein Jahr der
Bildungschancen. Nach der Pandemie
müssen nicht nur Defizite aufgeholt werden.
Wenn wir es richtig anstellen, können
die Notlösungen der vergangenen
Schuljahre zu Zukunftschancen für das
Bildungssystem werden. Ich will dazu
beitragen, dass in Sachen digitale Schule
mehr Erfahrungsaustausch stattfindet.
Ich möchte mich für mehr Freiraum und
Modellversuche an Schulen einsetzen.“
Franziska Baum vertritt die FDP im Ausschuss
für Bildung, Jugend und Sport,
im Ausschuss für Justiz, Migration und
Verbraucherschutz sowie im Petitionsausschuss.
Sie lebt in Erfurt, ist für die
Parlamentarische Gruppe aber vor
allem in Nordthüringen unterwegs. Sie
mag Projekte, bei denen Menschen Verantwortung
für ihr direktes Lebensumfeld
übernehmen.
So erreichen Sie
Franziska Baum:
Altendorf 60
99734 Nordhausen
Telefon: 0171 260 34 98
E-Mail: mail@franziskabaum.de
Internet: www.franziskabaum.de
Robert-Martin Montag
Gesundheitspolitischer Sprecher
„Wir müssen den Reformstau im Gesundheitssystem
endlich auflösen. Es gibt
mehr zu tun, als nur die Bekämpfung der
Pandemie. Gerade für ein ostdeutsches
Flächenland wie Thüringen, in dem nicht
nur die Ärzteschaft, sondern auch die
Bevölkerung immer älter wird, ist es
zentral, dass die Probleme angegangen
werden. Ich setze mich für nachhaltige
und wirtschaftliche Strukturen ein, um für
die Patienten die beste Versorgung sicher
zu stellen.“
Robert-Martin Montag ist in Ruhla
aufgewachsen. Er studierte Politikwissenschaft,
Soziologie sowie Wirtschafts- und
Sozialgeschichte in Jena und Istanbul und
arbeitete als Referent für die FDP-Fraktion
im Thüringer Landtag. Seit 2019 ist
er nicht nur Abgeordneter für die Freien
Demokraten, sondern auch Generalsekretär
der Thüringer FDP.
So erreichen Sie
Robert-Martin Montag:
Salzunger Straße 1
36433 Bad Salzungen
Telefon: (01520) 2 95 90 26
E-Mail: wk@robert-martin-montag.de
Thomas L. Kemmerich
Sprecher der Parlamentarischen Gruppe
„Fasten ist der häufigste individuelle
Vorsatz. Viele Menschen möchten abnehmen,
andere das Auto oder das Handy
weniger nutzen. Fasten sollte auch
der Staat. Zum Beispiel an Bürokratie!
Machen wir 2022 zum Jahr eines von
überbordenden Regulierungen befreiten
Mittelstandes. Stärken wir die Menschen,
die mit ihrer täglichen Arbeit dazu
beitragen, dass Arbeitsplätze entstehen
sowie bestehen bleiben. Nach zwei
Jahren Pandemie brauchen Thüringen
und Deutschland einen Aufbruch. Mit
guten Vorsätzen allein ist es nicht getan.
Fangen wir an.“
Thomas L. Kemmerich ist gebürtiger Aachener
und lebt seit 1990 in Thüringen.
Er bringt in die Landespolitik nicht nur
die Erfahrung aus seiner Zeit im Bundestag
ein, sondern auch seine Sichtweise
als Unternehmer und Familienvater.
So erreichen Sie
Thomas L. Kemmerich:
Liebknechtstraße 16a
99085 Erfurt
Telefon: (03 61) 3 45 59 19
E-Mail: tlk.wk@fdpltth.de
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
stell Dir vor, es ist Krieg, und Keiner geht
hin. Vor 41 Jahren hat ein Künstler diesen
Satz an einen Bunker in Hamburg
gesprüht. Seine Worte berühren seither
Millionen von Menschen. Stell Dir vor, es
ist Krieg, und Keiner geht hin.
Seit dem 24. Februar 2022 ist dieser Satz
aktueller denn je. Seit diesem Tag herrscht
wieder Krieg in Europa, Millionen von
Menschen fliehen vor ihm. Die Friedensordnung,
wie wir sie seit der deutschen
Wiedervereinigung kannten, existiert
nicht mehr. Der russische Überfall auf die
Ukraine ist zugleich ein Angriff auf unsere
Werte – auf Freiheit, Demokratie und
Selbstbestimmung.
Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe,
herrscht noch immer Krieg. Wie wird die
Situation in einigen Tagen sein, wenn dieses
Journal aus der Druckerei kommt? Ist
der Krieg dann bereits vorbei? Oder müssen
wir noch immer um viele Unschuldige
bangen?
Es sind große Gefühle, die uns bewegen.
Wir sind empört und ohnmächtig. Wir
verspüren Angst. Gleichwohl beweisen
wir auch Entschlossenheit und Empathie.
Die Anteilnahme und Hilfsbereitschaft der
Menschen in unserem Bundesland ist großartig.
Sie ist ein hoffnungsvolles Zeichen
in diesen Zeiten.
Der Krieg in der Ukraine ist eine globale
Herausforderung. Aber auch die Thüringer
Landespolitik ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten
gefordert. Wir haben uns der humanitären
Krisensituation zu stellen. Wir
müssen auf die wirtschaftlichen Folgen reagieren.
Unser Land steht vor einer enormen
Kraftanstrengung, die wir nur gemeinsam
schultern können.
Hinter uns liegen zwei harte Jahre. Die Pandemie
hat viele von uns ans Äußerste gebracht.
Doch der Angriff auf die Ukraine zeigt, dass
es nicht ein Virus ist, der unsere Existenz am
Ärgsten bedroht. Es sind Menschen, vor denen
sich Menschen am meisten zu fürchten haben.
Umso mehr gilt, dass wir unser aller Zusammenleben
auf Basis der Vernunft gestalten müssen,
im Großen wie im Kleinen.
Was ist vernünftig? Der ehemalige Bundespräsident
Walter Scheel prägte einen Gedanken,
der mir sehr sympathisch ist. „Es
kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein,
das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers
ist es, das Richtige zu tun und es populär zu
machen.“
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Thomas L. Kemmerich
Erfolgreich in der Opposition
Worin besteht eigentlich das Selbstverständnis
der FDP im Thüringer Landtag? In einem
Interview spricht Thomas L. Kemmerich nicht
nur über die Aufgaben der Opposition.
Er verrät auch, warum er Politiker wurde.
SEITE 8
Selbstverantwortung macht Schule
Ständig zeigte sich in der Pandemie, dass
Schulen eigenverantwortlich entscheiden
müssen und dies auch können. Aus der
Notlösung kann ein Zukunftsmodell werden.
Franziska Baum möchte Schulen mehr
Selbstverantwortung zugestehen.
SEITE 10
Thüringen wird zum Vorreiter
Immer wieder sorgen Initiativen von
Gesundheitspolitiker Robert-Martin Montag
bundesweit für großes Aufsehen. Nun hat
der Landtag dank ihm ein Rezept gegen
medizinische Versorgungsengpässe auf
dem Land ausgestellt.
SEITE 12
Geschichte und Gegenwart
Noch immer leiden Tausende unter dem in
der DDR erlittenen Unrecht. Die Aufarbeitung
dieses Kapitels der Geschichte bleibt aktuell.
Sie ist unentbehrlich für den inneren Frieden
unserer Gesellschaft, sagt Dirk Bergner.
SEITE 14
2
3
Neustart
ZURÜCK IN
DIE FREIHEIT
Die Pandemie hat uns vieles gelehrt.
Leider auch dies: Thüringens Landesregierung
hat eine Corona-Politik
im Blindflug betrieben. Statt ihr
Handeln darauf auszurichten,
die Eingriffe in das private und
öffentliche Leben so zeitig als
möglich zu beenden, überzog
sie das Land mit Verboten
und widersprüchlichen
Regelungen. Das darf
nie wieder passieren!
ie Pandemie stellt unsere Gesellschaft
„Dseit zwei Jahren auf eine harte Probe.
Wir gedenken vieler Toter, wir stehen an
der Seite der Hinterbliebenen. Und dennoch
haben wir immer auch nach vorn zu blicken“,
betont Thomas L. Kemmerich, Sprecher der
Freien Demokraten. „Wir müssen aus den unmittelbaren
Erfahrungen der Pandemie ebenso
lernen wie aus politischen Fehlentscheidungen.
Letztere dürfen sich nicht wiederholen, nie wieder!
Der Schlüssel für den Neustart liegt im
Vertrauen des Staates in seine Bürger sowie
in deren Vertrauen in maßvolle und wirksame
Regelungen.“ Kemmerich hat dafür eine eingängige
Formel gefunden. Sie heißt 3V. Das Kürzel
lehnt sich nur sprachlich an bisherige Maßnahmen
wie 2G und 3G an. Tatsächlich bedeutet
3V einen völligen Paradigmenwechsel in der
Corona-Politik. 3V steht für den Dreiklang von
Vernunft, Vertrauen und Verantwortung.
Weder Lockdowns und Ausgangssperren noch
Zugangsbeschränkungen im Einzelhandel haben
erwiesenermaßen dazu beigetragen, das Pandemiegeschehen
einzudämmen. Dennoch hat
die rot-rot-grüne Landesregierung die Menschen
in Thüringen immer wieder aufs Neue mit kleinlichen
Regelungen überzogen. Zwischenzeitlich
listete ihre Corona-Verordnung sage und schreibe
56 Ordnungswidrigkeiten auf. Sie reichten
vom Nichteinhalten des Mindestabstands über
das Vernachlässigen der Kontaktnachverfolgung
bei sexuellen Dienstleistungen bis hin zu
möglichen Verstößen beim Gesangsunterricht.
Die beiden häufigsten Adjektive in dieser Verordnung
lauten „vorsätzlich“ und „fahrlässig“.
Sie kommen 110 Mal vor. „R2G hat zu keinem
Zeitpunkt verstanden, dass der Schlüssel zu einer
erfolgreichen Pandemie-Bekämpfung keineswegs
in Verboten, Strafandrohungen und einer überbordenden
Regulierungswut liegt“, sagt Thomas
L. Kemmerich. Die Landesregierung zog ihren
Kurs auch dann noch durch, als Gerichte längst
die Unverhältnismäßigkeit von Maßnahmen festgestellt
hatten.
„Es ist kein Fehler,
Fehler einzugestehen.
Die Politik gewinnt
dadurch Glaubwürdigkeit
zurück.“
Thomas L. Kemmerich
Thomas L. Kemmerich fordert dazu auf, aus diesen
Erfahrungen die richtigen Schlüsse für unser
weiteres Zusammenleben zu ziehen. Zwar kann
niemand verlässlich vorhersagen, wie sich das
Infektionsgeschehen künftig entwickelt. Aber
eines ist für ihn gewiss: „Jede einzelne Maßnahme
muss immer wieder daraufhin überprüft
werden, ob sie sowohl geeignet, erforderlich
als auch verhältnismäßig ist, um eine drohende
Gefahr zu bekämpfen. Werden derartige
Entscheidungen dagegen nach Gutsherrenart
gefällt, spaltet dies unsere Gesellschaft.“
Die Freien Demokraten setzen deshalb ganz
bewusst auf 3V – auf Vernunft, Vertrauen und
Verantwortung. „Nach zwei Jahren an Pandemie-Erfahrung
sollte auch eine rot-rot-grüne
Landesregierung den Menschen endlich zutrauen,
dass sie auf sich selbst achten können.
Eigenverantwortung sowie das Umsetzen von
Hygienemaßnahmen sind allemal besser als
der Drang, den Alltag bis ins kleinste Detail
reglementieren zu wollen.“
Diese Maßgabe muss das Leitbild für zukünftige
Entscheidungen sein. Wir dürfen weder den
Mittelstand noch Einzelhändler, weder Clubs,
Restaurants, Theater noch Kinos erneut in Situationen
bringen, in denen sie um ihre Existenz
fürchten müssen. „Die Politik hat sich vielmals
verrannt, so dass wir von einer hausgemachten
Impfungen helfen, schwere Krankheitsverläufe
zu vermeiden. Das weiß auch
Thomas L. Kemmerich. Trotzdem spricht
er sich gegen die Impfpflicht aus. Sie bedeutet
für ihn einen unverhältnismäßigen
Eingriff in die körperliche Selbstbestimmung.
Er positioniert sich sowohl gegen
eine allgemeine als auch gegen die einrichtungsbezogene
Impfpflicht. Angesichts
der inzwischen niedrigen Zahl schwerer
Fälle und der im Frühjahr erfahrungsgemäß
weiter abflauenden Infektionswelle
ist eine Impfpflicht verfassungsrechtlich
Krise in die andere gestolpert sind. Dabei sind
Tausende von Existenzen vernichtet worden.
Hunderttausende Arbeitsplätze gerieten in Gefahr“,
resümiert Kemmerich.
Schutzmaßnahmen sollen nach Ansicht der FDP
weiterhin überall dort greifen, wo besonders
gefährdete Menschen zusammenkommen, vor
allem in Heimen und in der häuslichen Pflege.
Dass auf Basis des neuen Infektionsschutzgesetzes
seit dem 20. März die Corona-Schutzmaßnahmen
größtenteils aufgehoben wurden, ist
richtig und wichtig. „Das Virus ist für unser aller
Zusammenleben nicht mehr die Gefahr, die es
einmal war. Es droht keine unmittelbare Überlastung
des Gesundheitssystems. Insbesondere
die Zahl der Intensivpatienten ist stark rückläufig“,
freut sich der Politiker.
Künftig soll es den Landesparlamenten überlassen
sein, zu entscheiden. Das beendet faktisch
die Verordnungspolitik der Landesregierung.
Thomas L. Kemmerich sieht dennoch die Gefahr,
dass der Ausnahmezustand zementiert
wird, statt ihn endgültig zu beenden. So könnten
Maßnahmen beschlossen werden, die es
eigentlich nicht mehr geben sollte: Abstandsgebote,
Maskenpflicht, diverse 2G- oder 3G-Regeln
– sofern es „hohe Fallzahlen“ gibt. Er ahnt:
Wenn weiterhin anlasslos getestet wird, werden
wir auch deshalb hohe Fallzahlen haben, da
dann auch symptomlose Infektionen einfließen.
„Es mutet absurd an, dass Deutschland sich an
Maßnahmen kettet, während alle Länder um
uns herum in die Normalität zurückkehren.“
NEIN ZUR IMPFPFLICHT
kaum zu halten. Zu denken gibt ihm auch,
dass sich trotz Impfungen zahlreiche Menschen
mit dem Virus infizieren.
Österreich war eines der ersten Länder
mit einer Impfpflicht. Inzwischen hat unser
Nachbar diese Regelung wieder gekippt.
Warum? Angesichts der zumeist milden
Verläufe während der Omikron-Welle
gab es keine Rechtfertigung mehr dafür. In
Deutschland läuft die Diskussion allerdings
auch in die andere Richtung: Gesundheitsminister
Lauterbach setzt auf die Pflicht.
4 5
Ukraine-Krieg
HUMANITÄRE
HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN,
AUF WIRTSCHAFTLICHE
FOLGEN REAGIEREN
Millionen Menschen sind
seit Ausbruch des Ukraine-
Kriegs auf der Flucht. Noch
ist nicht absehbar, wann
sie heimkehren können.
Wir müssen uns vorsorglich
darauf einstellen, ihnen über
einen längeren Zeitraum
hinweg Perspektiven und
Chancen in Thüringen
aufzuzeigen. Die Freien
Demokraten haben einen
6-Punkte-Plan vorgelegt.
1.
AUFNAHME UND UNTERBRINGUNG
DER GEFLÜCHTETEN
Bereits wenige Tage nach Ausbruch des
Kriegs gab es Initiativen, Sammelunterkünfte
für ukrainische Flüchtlinge zu schaffen und
freien Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Diese lobenswerten Anstrengungen bedürfen
zwingend eines professionellen Managements,
um über längere Zeiträume hinweg
tragfähig zu sein. Die Landesregierung ist
gefordert, in Abstimmung mit den Kommunen
zeitnah Strukturen und Vorgehensweisen zur
Registrierung aller Geflüchteten zu definieren.
Das schließt ein, all jene Schutzsuchenden
zu erfassen und zu betreuen, die individuell
in Thüringen eintreffen und bei Freunden und
Verwandten ein Zuhause finden.
Dabei sind auch Daten über den Ausbildungsstand
und den gesundheitlichen Zustand zu
erheben. Land und Kommunen sind gehalten,
über Schutzimpfungen, insbesondere gegen
Covid-19, zu informieren und Impfungen niedrigschwellig
anzubieten. In Absprache mit der
Kassenärztlichen Vereinigung, der Landesärztekammer
sowie der Krankenhausgesellschaft
sollten Möglichkeiten geschaffen werden,
dass bereits in Thüringen tätige ukrainischsprachige
Mediziner für Sprechstunden zur
Verfügung stehen.
2.
AUFNAHME VON GEFLÜCHTETEN
KINDERN IN KITAS UND SCHULEN
Unter den Geflüchteten sind vorrangig Kinder
und Jugendliche, von denen viele ihr Recht
auf Bildung in Anspruch nehmen wollen.
Das wird insbesondere Erzieher, Schulsozialarbeiter
und Lehrkräfte vor enorme Herausforderungen
stellen. Neben sprachlichen
Hürden müssen sie sich darauf vorbereiten,
mit traumatisierten Kindern zu arbeiten.
Die Landesregierung steht in der Pflicht, Kitas
und Schulen damit nicht allein zu lassen.
Sie muss den Schulen alle Informationen an
die Hand geben, damit diese auf den Bildungsstand
der Kinder eingehen und sie in
das Unterrichtsgeschehen einbinden können.
Außerdem müssen gemeinsam mit Volkshochschulen
und freien Bildungsträgern
weitere Sprach- und Betreuungsangebote
geschaffen werden. Auch wenn die meisten
Geflüchteten ukrainisch sprechen, kann
die Einbindung pensionierter Russischlehrer
eine Möglichkeit zur besseren Verständigung
sein.
Andererseits sollte schnellstmöglich eine
Grundlage dafür geschaffen werden,
dass Geflüchtete mit pädagogischer
Ausbildung unterstützend
im Unterricht und im Nachmittagsbereich
an Schulen
und in Kitas eingesetzt
werden können.
3. GEFLÜCHTETE
IN BERUFSAUS-
BILDUNG UND HOCH-
SCHULEN INTEGRIEREN
Für junge Geflüchtete steht die Frage,
eine begonnene Berufsausbildung fortzusetzen
oder aber eine Ausbildung aufzunehmen.
Hierfür müssen kurzfristig mit den Kammern
die Rahmenbedingungen abgestimmt
werden. Es ist insbesondere zu klären, wie
eine bisherige Ausbildung anerkannt werden
kann. Darüber hinaus steht die Frage des
Erwerbs von Deutschkenntnissen, etwa im
Kontext von zu absolvierenden Prüfungen.
Hier kann auf die Erfahrungen von Bildungsträgern
zurückgegriffen werden, die ohnehin
enge Verbindungen zur Ukraine pflegen.
Es ist gut, dass Studenten die Möglichkeiten
erhalten, ihr Studium in Thüringen fortzusetzen.
Hochschulen haben die Aufgabe, Rahmenbedingungen
vor allem für sprachliche
Verständigung zu schaffen. Die Hochschulen
sind internationale Studenten gewöhnt. Insofern
bauen wir auf diese Erfahrungen.
4. GESELLSCHAFTLICHEN
ZUSAMMENHALT BEWAHREN
In Thüringen lebten vor dem Ukraine-Krieg
bereits rund 4.500 Menschen aus der Russischen
Föderation und rund 2.700 aus der
Ukraine. Während der vergangenen 10
Jahre wurden 436 Staatsbürger der Ukraine
und 255 aus der Russischen Föderation
eingebürgert. Bereits zuvor kamen Tausende
Russland-Deutsche nach Thüringen. Sie alle
sind Teil unserer Gesellschaft.
Nun treffen viele weitere Menschen ein, darunter
Flüchtlinge russischer Herkunft. Die
gesamtgesellschaftliche Herausforderung
besteht auch darin, Versuchen entschlossen
zu begegnen, Menschen unterschiedlicher
Herkunft gegeneinander auszuspielen.
Dazu kann eine offene und sensible Auseinandersetzung
mit dem Ukraine-Krieg während
des Schulunterricht beitragen.
5.
„In Krisenzeiten zeigt
sich das wahre Ich – das
gilt für jeden Einzelnen
ebenso wie für die Gesellschaft.
Thüringen kann
und sollte sich von seiner
besten Seite zeigen. Die
Hilfen müssen gut strukturiert
und fair sein.“
Franziska Baum
DIE ENERGIEVERSORGUNG
SICHERN
Die Sicherstellung der Energieversorgung
ist eine europäische Herausforderung. Dennoch
muss sie zugleich zur Chefsache der
Thüringer Landesregierung werden. Sie hat
die Energiewende konsequenter als bislang
voranzutreiben und so die Unabhängigkeit
von Importen zu steigern.
Der Windkraft kommt zweifelsohne Bedeutung
bei, doch sie allein kann weder die Versorgung
absichern noch das Klima retten.
Thüringen braucht gerade in Krisenzeiten
keine symbolpolitischen Forderungen, sondern
einen technologieoffenen Ansatz. Wir
müssen uns stets die Frage stellen, wie wir
eine stabile Grundlastversorgung sicherstellen,
wenn kein Wind weht und keine Sonne
scheint.
In Thüringen sollten wir uns stärker als bisher
der klimafreundlichen Wasserkraft besinnen.
Nur sehr wenige der Talsperren und Wehre
verfügen über Anlagen zur Stromerzeugung.
Es gilt zu prüfen, wie auch mit ihrer Hilfe die
Versorgung in einem vertretbaren Aufwand
sichergestellt werden kann.
Auch der Anbau von Pflanzen zur Biogasund
Biokraftstoffproduktion ist auszuweiten.
Es ist ein Gebot der Vernunft, unsere Agrarflächen
optimal zu nutzen und die politische
Maßgabe der EU, vier Prozent der
Flächen stillzulegen, ruhen zu lassen. Jedes
zusätzliche Raps- und Maisfeld macht uns
etwas unabhängiger von Erdgas aus Russland.
6.
NEGATIVE AUSWIRKUNGEN AUF
DIE WIRTSCHAFT GERING HALTEN
Die hohen Strom- und Energiepreise belasten
nicht nur die Bürger enorm, sondern auch
die Wirtschaft. Zudem müssen viele Unternehmen
die Folgen der gegen Russland verhängten
Sanktionen mittragen. Lieferketten
sind unterbrochen, die Preise für Rohstoffe
steigen, Arbeitsplätze geraten in Gefahr.
Bei den Thüringer IHK sind 368 Unternehmen
mit Geschäftsbeziehungen nach Russland
registriert. Noch können wir die Konsequenzen
für diese und andere Firmen nicht
im Detail abschätzen. Gemeinsam mit dem
Thüringer Mittelstand muss sich die Landesregierung
alsbald einen Überblick verschaffen.
Betroffenen ist in enger Abstimmung mit dem
Bund zu helfen.
Dass die Bundesregierung bereits angekündigt
hat, Firmen zu unterstützen, die durch
den Krieg in Schieflage geraten, ist richtig
und wichtig. Ähnliche Programme bestanden
bereits während der Pandemie. Auf Dauer
stellen Hilfsgelder aber keine Alternative
dazu dar, Wertschöpfung zu betreiben.
6 7
Interview
LASST
UNS DAS
RICHTIGE
TUN UND ES
POPULÄR
MACHEN
Aufgabe der Opposition ist es, einen Gegenpol zur Regierung zu bilden und deren
Fehler aufzuzeigen. Darin erschöpft sich das Selbstverständnis der FDP aber nicht.
Immer wieder startet sie politische Initiativen. Ein Gespräch mit Thomas L. Kemmerich.
ERFOLGREICH
IN DER
OPPOSITION
MEHR MEDIZINER
FÜR THÜRINGEN
Im Herbst 2021 haben 286 Studenten in Jena ein
Studium der Humanmedizin aufgenommen. Das
waren 26 mehr als in den vergangenen Jahren.
Die politische Initiative dazu hatten wir als FDP-
Fraktion ergriffen.
Unsere Forderung, die Zahl der Studienplätze
um 10 Prozent zu erhöhen, war im Thüringer
Landtag zunächst auf massive Widerworte des
SPD-geführten Wissenschaftsministeriums gestoßen.
Dennoch haben wir mit Unterstützung
von Experten aus dem Gesundheitswesen weiterhin
beharrlich dafür geworben. Daraufhin
schlossen sich vier Parteien unserer Forderung
an, auch die SPD. Damit blieb dem Ministerium
keine andere Wahl: Es musste für zusätzliche
Studienplätze sorgen.
Wir sind überzeugt: Ein Gutteil jener Ärzte,
die wir hier ausbilden, können wir später
für die medizinische Versorgung in Thüringen
halten.
EINE GROSSE ANFRAGE
ZU EINER GROSSEN FRAGE
Die Kontrolle der Regierung durch das Parlament
ist ein tragendes Element unserer Demokratie. Diese
Kontrolle erfolgt auch durch das parlamentarische
Fragerecht. Dabei ragt wiederum die Große
Anfrage heraus. Sie befasst sich mit Problemen
von besonderem politischen Gewicht.
In der seit dem Jahr 2019 laufenden Legislaturperiode
hat bislang lediglich die FDP-Fraktion
eine Große Anfrage gestellt, und zwar zur Digitalstrategie
der Landesregierung. Auf der Basis
intensiver Recherchen listeten wir eine dreistellige
Zahl an Fragen auf. Das Antwortschreiben der
Regierung umfasst sage und schreibe 302 Seiten.
Es bestätigt, was viele im Alltag fühlen. Zwar hat
die Landesregierung vor fünf Jahren eine „Strategie
für die Digitale Gesellschaft“ beschlossen,
doch es bestehen massive Umsetzungsprobleme.
HOFFNUNG FÜR ALLE,
DIE AN LONG-COVID LEIDEN
Der 4. Juni 2021 war ein wegweisender Tag für
alle Patienten, die unter Long-Covid leiden sowie
unter der damit in Verbindung stehenden Erkrankung
ME/CFS. An diesem Tag hat der Thüringer
Landtag beschlossen, dass unter Beteiligung des
Universitätsklinikums Jena ein mitteldeutsches
Zentrum zur Erforschung von Long-Covid entstehen
soll.
Die Initiative dazu war von uns als FDP-Fraktion
ausgegangen. Gemeinsam mit Experten aus Medizin,
Wissenschaft und Versorgungswirtschaft
haben wir bundesweit den ersten strukturierten Lösungsansatz
erarbeitet, der Grundlagenforschung
und konkrete Versorgungsfragen miteinander
verbindet. Daraufhin hatte sich die CDU-Fraktion
entschlossen, die Initiative als Mitantragssteller zu
befürworten. Schließlich unterstützten auch die
R2G-Fraktionen unseren Vorschlag.
EINE KURIOSE, ABER
ERFOLGREICHE ABSTIMMUNG
Überraschend verlief die Beratung des Landtags
zur befristeten Zulassung von Nachtzielgeräten bei
der Jagd auf Schwarzwild. Den entsprechenden
Antrag hatten wir Freie Demokraten gestellt. Die
erfolgreiche Bejagung von Wildschweinen ist wichtig
im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest.
Und dies wiederum ist für unsere heimische Landwirtschaft
überlebensnotwendig.
Unmittelbar vor der Abstimmung sprach sich
die Landesregierung für unsere Initiative aus. Damit
war klar: Die regierungstragenden Fraktionen
würden nicht Nein sagen. Zu einem Ja wollten
sie sich jedoch auch nicht durchringen. Sie sowie
zwei Oppositionsfraktionen enthielten sich. In dieser
Konstellation reichten allein unsere Stimmen
aus, um die Änderung des Jagdgesetzes zu beschließen.
Derart kurios war im Landtag noch nie
abgestimmt worden.
Warum sind Sie Politiker geworden?
Thomas L. Kemmerich: Das geht auf ein Erlebnis
in der Schulzeit zurück. Wir diskutierten
über den Nationalsozialismus. Unser Geschichtslehrer
sagte: Es haben zu viele Menschen
geschwiegen und allenfalls im kleinen
Kreis opponiert. Er forderte uns auf, es künftig
besser zu machen. Wir sollten uns einmischen
und politisch beteiligen. Daran habe ich mich
ganz besonders im Jahr 2006 erinnert. Damals
fielen die Rathäuser der großen Städte
in Thüringen an die SPD. Für mich war das
fatal. Ich hatte mich schon immer als Liberaler
gesehen. Nun beschloss ich, mich auch erkennbar
als solcher zu engagieren. Ich wurde
Mitglied der Freien Demokraten und habe den
Liberalen Mittelstand in Thüringen gegründet.
Welche politischen Vorbilder haben Sie?
Ganz klar: Otto Graf Lambsdorff. Er hat
1982 mit einem Papier die äußerst desolate
Situation in Deutschland thematisiert
und zum Aufbruch aufgefordert.
Das war erstens sehr mutig, zweitens sehr klar
in der Ansprache und drittens erfolgreich. Die
Besinnung auf die soziale Marktwirtschaft
wurde zum Jobwunder. Die damit verbundene
wirtschaftliche Ausstrahlung trug auf ihre
Weise dazu bei, dass der Mauerfall stattfinden
konnte. Zum anderen möchte ich Walter
Scheel nennen. Er hat einen meiner politischen
Lieblingsgedanken geprägt: „Es kann nicht die
Aufgabe eines Politikers sein, das Populäre zu
tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige
zu tun und es populär zu machen.“
Scheel und Lambsdorff gehörten früheren Regierungen
an. Jetzt regiert die FDP im Bund
wieder mit, während sie in Thüringen in der
Opposition ist. Was macht mehr Spaß: Regierung
oder Opposition?
Es heißt ja, dass Opposition Mist sei. Das stimmt
durchaus. Richtig gestalten kann man nur in
Regierungsverantwortung. Wir sehen in Berlin,
wie schwierig aber auch das ist. Andererseits
ist Opposition in einer Demokratie von großer
Wichtigkeit. Als Parlamentarier habe ich zum
Beispiel umfangreiche Auskunfts- und Antragsrechte.
Zum Auftrag der Opposition gehört es,
das Regierungshandeln kritisch zu begleiten
und vernünftige Alternativen vorzuschlagen.
Wir zeigen der Öffentlichkeit damit natürlich
auch auf, dass es gut und wichtig ist, bei der
nächsten Wahl sein Kreuz bei uns zu machen.
Sie stimmten bei der Verabschiedung des
Landeshaushalts für 2022 mit Nein. Nach
rot-rot-grüner Lesart haben sie damit keine
Verantwortung fürs Land übernommen. Sind
Sie ein Drückeberger?
Nein, natürlich nicht. Die Landesregierung
hatte gehofft, dass wir einem Projekt zustimmen,
das in großen Linien nicht unserer Überzeugung
entspricht. Wenn R2G behauptet,
dass nur derjenige Verantwortung für Thüringen
übernimmt, der zustimmt, bedeutet dies
nichts Gutes. Kritik ist nicht verantwortungslos
und auch nicht zerstörerisch. Sie ist vielmehr
konstruktiv und deshalb wichtig für unser Land.
Wie zeigt sich das in der Haushaltspolitik?
Unser Credo ist und bleibt, dass Politik rechnen
kann und muss. Wir können nur so viel
Geld ausgeben, wie wir erwartbar einnehmen.
Wir wollen Prioritäten in Bereichen setzen,
die unser Land langfristig nach vorn bringen.
Liberale Haushaltspolitik bedeutet auch,
das versprochene Geld ankommen zu lassen.
Dass R2G im vergangenen Jahr mehr als 600
verplante Millionen nicht ausgegeben hat, ist
ein Armutszeugnis. Die Minderheitsregierung
hat weder einen Überschuss erwirtschaftet
noch sparsam gehandelt. Sie hat einfach nur
falsch geplant. Das setzt sich leider in diesem
Jahr so fort. Dass wir dies kraftvoll und laut
sagen, gehört zu unserem Selbstverständnis
von Opposition dazu.
Was bedeutet das Bestehen einer Minderheitsregierung
für Thüringen? Ist es Fluch
oder Segen?
Ein Segen? Nein, das geht sicher zu weit. Auf
jeden Fall steht Thüringen nominell besser da
als in der vorherigen Legislatur, als R2G noch
durchregieren konnte. Die jetzige Regierung
ist gezwungen, sich Mehrheiten zu suchen.
Allerdings findet viel zu oft keine Suche nach
inhaltlichen Mehrheiten statt. Das zeigte sich
beim sogenannten Stabilitätsmechanismus
von R2G und CDU, der letztlich nichts anderes
als eine Tolerierung von Rot-Rot-Grün
bedeutet hatte.
Wie das?
Es wurde keine erkennbar andere Politik umgesetzt
als die von Rot-Rot-Grün. Dafür stehen
wir als FDP nicht zur Verfügung. Nur wenn
die Suche nach Mehrheiten in einer anderen
Politik mündet, kann daraus überhaupt erst ein
Segen fürs Land werden.
Was würden Sie sofort anders machen?
Wir brauchen einen gesellschaftlichen Neustart.
Ich mache das gern an zwei Beispielen
fest. Viel zu viel in der gegenwärtigen
Schulpolitik verliert sich im Ungewissen.
Ausgerechnet der Regelschule, die von der
Mehrheit der Schüler besucht wird, mangelt
es an Attraktivität. Wir wollen ein Thüringen,
das ein konsistentes Bildungsangebot für die
heranwachsende Generation bietet und in
dem alle Schulformen gleichwertig behandelt
werden. Zum anderen sollte unser Land
stärker an der Seite der Wirtschaft stehen.
Zu deren größten Wünschen gehören weniger
Bürokratie, das Verabschieden aus der
digitalen Steinzeit sowie ein besser Zugang
zu Fachkräften aus dem Ausland.
Obwohl die Freien Demokraten im Landtag
die kleinste Gruppe stellen, gelingt es Ihnen
immer wieder, Mehrheiten für ihre parlamentarischen
Initiativen zu gewinnen. Was ist Ihr
Geheimnis?
Wir verstehen uns als konstruktive Opposition.
Wenn andere unsere Vorschläge nicht ablehnen
können, obwohl sie dies aus parteipolitischen
Gründen eigentlich möchten, müssen
unsere Ideen wohl gut sein.
8 9
Bildung
Unser Bildungssystem braucht ein Update.
Das galt zwar schon vor der Pandemie, doch
Corona hat die Dringlichkeit besonders vor
Augen geführt. Ständig zeigte sich, dass Schulen
eigenverantwortlich entscheiden müssen und dies
auch können. Aus dieser Notlösung kann ein
Zukunftsmodell werden – sofern wir den Schulen
mehr echte Selbstverantwortung zugestehen.
SELBSTVERANTWORTUNG
SOLL SCHULE MACHEN
Das
der Schulen
970
Schulen gibt es in
Thüringen, darunter
sind 99 Berufsschulen.
199.328
Schülerinnen und
Schüler lernen an
allgemeinbildenden Schulen.
49.119
Schülerinnen
und Schüler besuchen
Berufsschulen.
inder mit Förderbedarf und ihre
„KEltern brauchen Verlässlichkeit,
dass sie sich im Sinne des Kindes frei
für eine passende Schule entscheiden
können.“ Das fordert Franziska Baum,
bildungspolitische Sprecherin der FDP.
Sie hat einen entsprechenden Antrag
im Thüringer Landtag eingebracht. Er
verfolgt zwei Ziele. Zum einen gilt es,
Förderschulen für Kinder mit speziellem
Förderbedarf zu erhalten sowie in ihrer
Expertise zu stärken. Zum anderen will
die FDP sicherstellen, dass Eltern ihr
Schulwahlrecht vollumfänglich wahrnehmen
können. Deshalb muss dieses
Wahlrecht thüringenweit in allen
Schulamtsbezirken gleichermaßen berücksichtigt
werden. Eltern brauchen
außerdem Informationen über die Möglichkeiten
an den jeweiligen Schulen,
um überhaupt eine Entscheidung treffen
zu können.
DAS RECHT
AUF FREIE
SCHULWAHL
WAHREN
Woran krankt unser Bildungssystem?
Die Antwort ist nicht nur naheliegend,
sondern auch erschreckend. Das
Bildungssystem krankt an sich selbst. Über
viele Jahre hinweg hat die Politik zwar bis
in die Gestaltung der Schulbücher hineinregiert,
dabei aber zusehends die Talente und
Potenziale der Lehrer sowie Schüler aus den
Augen verloren. „Es sollten nicht wechselnde
Mehrheiten in Parlamenten sein, die über die
Bildungsbiografie von Menschen entscheiden.
Die Zukunft der Bildung liegt vielmehr
in der Selbstbeschränkung der politischen
Entscheider“, sagt Franziska Baum. Sie ist
die bildungspolitische Sprecherin der Freien
Demokraten im Thüringer Landtag.
Daran, dass das Schulsystem modernisiert
werden muss, hat sie angesichts der sich
ändernden sozialen und technologischen
Bedingungen keinerlei Zweifel. Ebenso
steht für sie fest: „Dieser Wandel muss federführend
dort geführt werden, wo die
eigentlichen Bildungsexperten tätig sind,
also in der Schule selbst.“ Wenn es nach
Franziska Baum ginge, dürften Thüringens
Schulen nicht nur über ihr pädagogisches
Profil selbst befinden, sondern sie würden
auch mehr Handlungsspielraum erhalten.
Dabei geht es um finanzielle Selbstverantwortung
sowie um personalpolitische
Handlungsfähigkeit. Die von der Kultusministerkonferenz
festgelegten bundesweiten
Bildungsstandards sind davon unberührt.
Sie bilden die Basis, auf der Schulen entscheiden,
welche pädagogischen Modelle
sie bevorzugen und welches Profil sie ausprägen.
Diese Freiheit haben die Schulen
theoretisch schon heute. Die Praxis sieht
oft anders aus. Wenn es dann darum geht,
Konzepte umzusetzen, findet die Verwaltung
plötzlich Gründe und Hindernisse ...
Ohne Schulfördervereine wären viele Aktivitäten
gar nicht möglich.
Wie zeitgemäß die Idee der selbstverantwortlichen
Schule ist, zeigte sich während der Pandemie.
Bei vielen Aufgaben – vom Hygienekonzept
bis hin zum digitalen Distanzunterricht
– waren die Schulen auf sich gestellt und „durften“
selbst entscheiden. Andererseits erschwert
ihnen das Prozedere rund um heutige Budgets
das Lösen konkreter Probleme. Diese Bürokratie
hat bereits viele Schulleitungen in die Flucht
geschlagen. Sicherlich hat der Schulträger für
viele Dinge Sorge zu tragen. Doch wie sehr
auch hier Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen,
zeigt sich etwa bei der digitalen
Ausstattung. Sie lässt nicht selten eine pädagogisch-konzeptionelle
Herangehensweise missen.
„Es ist an der Zeit, die komplette Verwaltung
rund um Schule neu zu denken. Dabei gebührt
Schulleitungen und Kollegien viel mehr Vertrauen.
Und es braucht personelle Unterstützung
für Verwaltungs- und Organisationsaufgaben“,
sagt Franziska Baum.
Das Konzept von der selbstverantwortlichen
Schule geht davon aus, dass beste Bildung nur
funktioniert, wenn die Akteure in den Schulen
die Möglichkeit erhalten, tatsächlich Verantwortung
zu übernehmen. „Schulen können sich
dann ganz konkret an ihrem lokalen Kontext
ausrichten und gemeinsam mit Partnern alles
umsetzen, was nötig ist, um ihre Schülerinnen
und Schüler optimal zu fördern.“
Franziska Baum ist wichtig, dass das Konzept
nicht ideologisch interpretiert wird. Deshalb
wünscht sie sich eine breite und intensive Debatte
über die Verteilung der Aufgaben im Bildungssystem.
„Eigenverantwortliches Handeln
motiviert und schafft Selbstvertrauen. Dass gilt
nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern
auch für Schule als Organisation. Sie kann sich
nur aus sich selbst heraus entwickeln. Dafür
müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen
setzen – und dann das notwendige Engagement
einfordern.“
6.657
Kinder haben
sonderpädagogischen
Förderbedarf.
12.980
Lehrerinnen sowie
4063 Lehrer unterrichten
in Thüringen,
davon 696 an Förderschulen.
2.852
Erzieherinnen und
254 Erzieher kümmern
sich speziell um jüngere Kinder.
„Schon lange wird über notwendige
Gelingensbedingungen für den gemeinsamen
Unterricht diskutiert. Sogar
im Entwicklungsplan ‚Inklusion‘ sind
förderliche Bedingungen dargestellt.
Wir wissen aber, dass sie nicht an allen
Schulen herrschen. Ohne entsprechende
Ausstattung – baulich, sächlich
sowie vor allem personell – wird
gemeinsamer Unterricht für Lehrkräfte
und Schüler schnell zur Überforderung.
Das ist kontraproduktiv sowohl
für die Bildungschancen der Kinder als
auch für das Erreichen einer inklusiven
Gesellschaft. Die Entwicklung eines
inklusiven Bildungssystems erfordert
auch, dass Kinder, die für ihre Entwicklung
besondere Betreuung und einen
sicheren Ort benötigen, entsprechende
Angebote vorfinden. Hier leisten
die Förderschulen eine hervorragende
Arbeit. Ihnen dürfen wir nicht die
Grundlage entziehen“, stellt Franziska
Baum klar.
10 11
Gesundheit
EIN REZEPT
GEGEN VERSORGUNGS-
ENGPÄSSE
In Thüringen wird zukünftig nicht nur die Niederlassung
von Ärzten im ländlichen Raum finanziell gefördert,
sondern auch die von Zahnärzten und Apothekern.
Das beschloss der Landtag auf Initiative der Freien
Demokraten. Robert-Martin Montag hat dieses Projekt
maßgeblich vorangetrieben. Wir sprachen mit ihm.
Herr Montag, warum möchten Sie gerade die Niederlassung
im ländlichen Raum fördern? In Erfurt, Jena und Weimar ist
es doch auch schön – und auch dort braucht es Praxen und
Apotheken …
Robert-Martin Montag: Das stimmt zweifelsohne. Thüringen hat
zum Beispiel die älteste Zahnärzteschaft in Deutschland. Viele
dieser Zahnärzte finden keinen Nachfolger, vor allem auf dem
Land ist dies so. Deshalb wird es gerade außerhalb der größeren
Städte schon in sehr naher Zukunft immer schwieriger
sein, einen Termin zu ergattern. Damit sich dieses Problem nicht
weiter verschärft, haben wir einen Vorschlag analog zu der
schon bestehenden Niederlassungsförderung der Ärzteschaft
gemacht.
Die Neugründung einer zahnärztlichen Einzelpraxis kostet
durchschnittlich eine halbe Million Euro. Bei Übernahmen von
Praxen werden 270.000 Euro fällig. Genügt eine Förderung
in Höhe von 40.000 Euro überhaupt als Anreiz?
Das muss letztlich jeder Zahnmediziner, jeder Arzt und jeder
Pharmazeut für sich entscheiden. Natürlich spielen auch andere
Faktoren eine Rolle, was die Attraktivität des ländlichen
Raums betrifft. Für die Politik sind hier noch viele Hausaufgaben
offen. Fakt ist: Bis vor kurzem wurde die Ansiedlung von
Pharmazeuten und Zahnärzten im ländlichen Raum überhaupt
nicht gefördert. Lediglich Humanmediziner erhielten Zuschüsse
vom Land; diese Förderung war bei 15.000 Euro gedeckelt.
Wir haben die Landesregierung in den vergangenen beiden
Jahren immer wieder auf die Problematik aufmerksam gemacht
und Lösungsvorschläge unterbreitet. Dass als Fördersumme jetzt
40.000 Euro möglich sind, ist ein großer Erfolg.
Warum ist Ihnen der Dreiklang von Arzt, Zahnarzt und Apotheker
so wichtig?
Die medizinische Versorgung muss immer als Kette gedacht werden.
Fehlt die Apotheke, kann der Arzt nicht ordnungsgemäß
versorgen, fehlt der Arzt, kann die Apotheke nicht überleben.
Deshalb ist uns eine gleichberechtigte Förderung sehr wichtig.
Eine solch komplexe Herangehensweise ist bisher einmalig in
Deutschland. Thüringen wird zum Vorreiter.
Sehen Sie nicht die Gefahr, das Problem fehlender Ärzte mit
einer Niederlassungsförderung lediglich geografisch zu verlagern?
Die Förderung von Niederlassungen im ländlichen Raum ist nur
ein Faktor, der die medizinische und pharmazeutische Versorgung
sichern wird. Natürlich braucht es auch insgesamt mehr
Ärzte und Apotheker. Deshalb haben wir eine weitere Initiative
im Thüringer Landtag auf den Weg gebracht. Wir möchten
die Zahl der Studienplätze für Zahnmedizin an der Universität
Jena erhöhen. Das ist uns Freien Demokraten bereits bei den
Studienplätzen für Humanmedizin gelungen. Allerdings wissen
wir seitdem, dass es angesichts der politischen Verhältnisse in
Thüringen eine gewisse Zeit braucht, hinter einer solchen Idee
eine Mehrheit zu versammeln.
DAS STILLE
LEIDEN BEENDEN
In Deutschland leiden mehr als 300.000 Menschen an
ME/CFS, darunter etwa 40.000 Kinder und Jugendliche.
Ein Großteil der Erkrankten kann nicht mehr arbeiten,
die Ausbildung absolvieren oder die Schule besuchen.
Robert-Martin Montag hat im Thüringer Landtag ein
Konzept unterbreitet, das als Blaupause für das gesamte
Bundesgebiet dienen könnte.
Einkaufen gehen. Mittagessen zubereiten.
Haare waschen. Arzttermine bewältigen.
Alltägliche kleine Momente im
Alltag von Millionen Menschen, an die sie
sich am nächsten Tag schon gar nicht mehr
erinnern. Für mehr als 300.000 Menschen
in Deutschland ist das anders. Sie leiden
an Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches
Fatigue Syndrom (ME/CFS). Dabei
handelt es sich um eine schwere neuroimmunologische
Erkrankung. Sie tritt zumeist
als Folge eines Infekts auf und kann alle
Systeme des Körpers betreffen.
Das Hauptsymptom der Erkrankung ist
eine hohe Belastungsintoleranz. Sie kann
eine massive und unverhältnismäßige Zustandsverschlechterung
nach körperlicher
und/oder kognitiver Anstrengung auslösen.
Zu den Symptomen gehören Muskel-, Gelenk-
und Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen
(Brain Fog), Störungen des Herz-
Kreislaufsystems, eine schwere Fatigue, nicht
erholsamer Schlaf. Diese Symptome von
ME/CFS können bereits bei kleinsten Belastungen
um ein Vielfaches verstärkt auftreten.
Bislang ist ME/CFS nicht heilbar. Es existieren
weder Biomarker noch zugelassene
Medikamente zur kausalen Therapie des
Krankheitsbildes. Die Behandlung erfolgt
im besten Fall symptomorientiert. „ME/CFS
ist keine seltene Erkrankung, sondern tritt in
Deutschland ebenso häufig auf wie Multiple
Sklerose. Trotzdem ist die Krankheit
wenig bekannt und unzureichend erforscht.
Für die erwachsenen Patienten besteht
derzeit kaum Aussicht auf Besserung und
Wiedereingliederung ins Berufsleben“, sagt
Robert Martin Montag, der gesundheitspolitische
Sprecher der FDP im Thüringer
Landtag.
Dramatisch ist die Lage auch für die 40.000
Kinder und Jugendlichen. Sie sind häufig
nicht in der Lage, die Schule zu besuchen.
Dies führt zu einer ernst zu nehmenden Benachteiligung
der Teilhabe an Bildung und
einem kindgerechten sozialen Leben.
Robert-Martin Montag hat gemeinsam mit
Patientenorganisationen und den auf diesem
Gebiet bundesweit führenden medizinischen
Experten, u.a. von der Berliner Charité und
der München Klinik, einen strukturellen Lösungsansatz
erarbeitet. Er verbindet die Bereiche
Forschung, Versorgung und Aufklärung
miteinander. Der FDP-Politiker möchte
Thüringen dabei zum Vorreiter machen. Er
weiß: „Die im Schulterschluss mit Medizinern
und Patienten erarbeiteten Lösungen
sind europaweit einzigartig. Das Konzept
adressiert die vorhandenen Lücken in Forschung
und Versorgung.“
Eine der führenden Expertinnen auf diesem
Gebiet, Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen
(Charité), sprach sich im Rahmen
einer Anhörung im Deutschen Bundestag
bereits dafür aus, das Thüringer Modell als
Grundlage heranzuziehen, um ähnliche
Strukturen deutschlandweit zu schaffen.
12 13
Innere Sicherheit
JA ZUM
STARKEN
RECHTSSTAAT
NEIN ZUM
ABBAU DER
BÜRGERRECHTE
Ähnlich konträr diskutiert der Landtag
die Videoüberwachung öffentlicher
Plätze. Sie wird immer dann reflexartig
gefordert, wenn es an Kriminalitätsschwerpunkten
wie dem Erfurter
Anger zu Gewalttaten kommt. Dirk
Bergner ist überzeugt: „Wer inmitten
von Menschen einen anderen angreift,
lässt sich auch nicht von einer
Kamera beeindrucken.“ Ohnehin kann
nicht kontinuierlich Personal vor Monitoren
sitzen, um alle Aufnahmen in
Echtzeit auszuwerten und gegebenenfalls
schnell Polizisten herbeizurufen.
„Die Videoüberwachung schafft letztlich
nur eine trügerische Sicherheit. Das ist nichts
anderes als ein Bärendienst am berechtigten
Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung“, hält der
Innenexperte fest. „Wir sollten an Brennpunkten
vor allem auf Polizeipräsenz setzen. Sie sorgt
für mehr Sicherheit als jede Technik.“
Allerdings ist der Personalmangel bei der
Thüringer Polizei groß. Viele Stellen sind unbesetzt,
etwa jeder zehnte Beamte erkrankt
„Für mehr Sicherheit
braucht es keine verschärften
Gesetze, sondern eine
personell und technisch
gut ausgestattete Polizei.“
Dirk Bergner
für längere Zeit. Noch dazu ist die Zahl der
Absolventen zu gering. Zwar beendeten im
vergangenen Herbst 189 Polizeianwärter ihre
Ausbildung. Theoretisch hätten es 67 mehr
sein können. Sie hatten ihre zweijährige
Ausbildung abgebrochen oder durften angesichts
der Prüfungsergebnisse nicht ins Beamtenverhältnis
übernommen werden. „Seit
Jahren weisen wir darauf hin, dass die Zahl
der Anwärter erhöht werden muss.
Doch offenbar ist der Polizeidienst in
Thüringen für potentielle Bewerber
nicht attraktiv genug. Die unzureichende
materielle Ausstattung, miserable
Ausbildungsunterkünfte sowie
die zu geringen Aufstiegschancen
sind keine gute Werbung“, resümiert
Dirk Bergner.
„Wenn jahrelang zu wenig Nachwuchs
bereitsteht, läuft das auf einen
stillen Personalabbau hinaus.“
Vor diesem Hintergrund haben die
Freien Demokraten eine parlamentarische
Initiative gestartet. Sie zielt nicht nur
darauf ab, die personelle Ausstattung der
Polizei zu stärken, die Beamten von Bürokratie
zu entlasten und die Digitalisierung
voranzutreiben. Nicht minder geht es darum,
Ungerechtigkeiten bei der Besoldung
abzuschaffen. Dirk Bergner sagt: „Wer unsere
Freiheit schützt, verdient nicht nur Respekt,
sondern auch eine leistungsgerechte
Bezahlung!“
Die Polizei schützt
unsere Freiheit und unsere
Sicherheit. Es muss deshalb
selbstverständlich sein, ihr
ausreichend Personal sowie
eine moderne Ausstattung
zur Verfügung zu stellen.
Doch nicht alles, was
technisch möglich ist,
sollten wir auch erlauben.
Thüringen ist Bummelletzter. Während in
anderen Bundesländern sogenannte Bodycams
bereits zur regulären Ausstattung von
Polizisten gehören, gelangten sie hierzulande
noch nicht über das Erprobungsstadium hinaus.
Dabei hatte die Thüringer Polizei bereits
vor fünf Jahren erstmals den Einsatz der kleinen
Videokameras getestet. Seitdem wird heftig gestritten,
ob und unter welchen Voraussetzungen
sie zum Einsatz kommen können.
Zumindest der Papierform nach klingen diese
Kameras vielversprechend. Polizisten tragen
sie direkt am Körper. Daher auch der Name:
Bodycam bedeutet Körperkamera. Sie zeichnet
auf, was unmittelbar vor dem jeweiligen
Beamten geschieht. Damit verbindet sich die
Hoffnung, dass die Kameras deeskalierend
wirken und davon abhalten, Polizisten anzugreifen.
Andererseits können solche Kameras
auch dazu beitragen, dass Polizeigewalt nicht
unverhältnismäßig ausgeübt wird. „So weit,
so gut. Was aber ist, wenn Beamte mit eingeschalteten
Bodycams in Privatwohnungen
gehen?“, fragt Dirk Bergner. Er ist der innenpolitische
Sprecher der FDP im Thüringer Landtag.
„Der Schutz der Privatsphäre und die Unverletzlichkeit
der Wohnung gehören zu den
Grundrechten. Deshalb ist der Einsatz von
Bodycams in Wohnungen verfassungswidrig.“
Auch Dirk Bergner hört ab und an das
Argument „Wer nichts zu verbergen hat,
muss auch nichts befürchten“. Für ihn klingt
in diesem Satz eine gehörige Portion an
Untertanengeist aus längst vergangenen
Zeiten mit. Er betont: „Grundrechte sind
keine Sonderrechte. Sie sind vielmehr unverhandelbare
Rechte eines jeden Bürgers.
Deshalb dürfen sie auch nicht polizeilichen
Maßnahmen zum Opfer fallen.“ Die FDP hat
einen Antrag im Landtag eingebracht, um
die Grundrechte für den Fall der Einführung
von Bodycams zu schützen. Während einer
Anhörung wurde er von Verfassungsrechtlern
befürwortet.
POLIZISTEN
IM AUSNAHME-
ZUSTAND
Kurz nachdem in Rheinland-Pfalz zwei Polizisten während
einer Kontrolle getötet worden sind, fielen auch in Thüringen
Schüsse auf Beamte. In der Nacht zum 16. Februar 2022
setzte ein Mann zunächst einen Notruf ab. Kaum waren die
Polizisten in Ziegenrück (Saale-Orla-Kreis) eingetroffen, flogen
die Kugeln. Verletzt wurde zum Glück niemand; es gab lediglich
Einschusslöcher in einem Streifenwagen.
„Solche Angriffe machen mich sehr betroffen. Den Polizisten
wünsche ich, dass sie den Vorfall gut verarbeiten können“, sagt
Dirk Bergner, innenpolitischer Sprecher der FDP. Für ihn steht
fest: Solche Situationen belasten weit mehr Beamte als am Tatort
anwesend waren. Ohnehin ist der emotionale Stress, dem Polizisten
ausgesetzt sind, enorm. So gilt es, das Erleben von Leid und
Tod zu verarbeiten. Verbale Angriffe sowie Hetzjagden in den
sozialen Medien verschärfen den psychischen Stress noch mehr.
Nicht zuletzt führen ein hoher Krankenstand sowie daraus resultierende
Mehrbelastungen dazu, dass bei Beamten mitunter die
Nerven blank liegen. Aus Gesprächen mit Polizisten weiß Dirk
Bergner, wozu derartige Erfahrungen führen können. Schlafstörungen
und Verlustängste sind die Folge, ein Suchtverhalten
wird begünstigt, Partnerschaften können zerbrechen.
Wie lässt sich diese Spirale durchbrechen? Ein Antrag, den die
FDP im Landtag gestellt hat, zeigt Wege auf. So sollen Polizisten
während ihrer Aus- und Fortbildung spezielle Seminare
zur Stress- und Konfliktbewältigung belegen. Nicht minder gilt
es, sich intensiv um betroffene Beamte zu kümmern. Landesweit
müssen Angebote für Supervisionen vorgehalten werden.
Unter fachlicher Einbindung der Meininger Polizeischule und in
der Obhut eines psychologisch erfahrenen Moderators können
Polizisten ihre Situation reflektieren.
14 15
Öffentlicher Dienst
Kommunen
DIESSEITS DES
KÄFFCHEN-HORIZONTS
EIN
EHRLICHER
KASSENSTURZ
Rund 99.000 Beschäftigte hat der öffentliche Dienst in Thüringen.
Sie sorgen dafür, dass unser Land funktioniert. Doch für Thüringens
größten Arbeitgeber wird es immer schwieriger, Nachwuchs zu
gewinnen. Ein modernes Personalmanagement ist überfällig –
sowie eine umfassende Aufgabenkritik.
Hans-Werner Baumann behauptet von sich,
bereits als Klugscheißer auf die Welt
gekommen zu sein. Kaum war er geboren,
ermahnte er die Hebamme, den Geburtsbericht
ordnungsgemäß auszufüllen. Derartiger
Arbeitseifer ist Oberamtsrat Alfred Clausen
suspekt. Viel lieber spielt er Beamten-Mikado:
Wer sich zuerst bewegt, verliert. Baumann
und Clausen sind die vermutlich bekanntesten
Beamten in Thüringen. Tag für Tag werfen sie
als Radio-Comedians die Frage auf: Was geht
noch mehr – außer einer Tasse Kaffee?
Was geht noch? Jenseits aller Klischees,
die Baumann und Clausen bedienen, ist es
genau diese Frage, vor der der öffentliche
Dienst in Thüringen steht. Bereits jetzt sind
bei der Polizei sowie im Bildungssektor zahlreiche
Stellen unbesetzt. Es fehlt aber auch
an IT-Fachleuten und Gesundheitspersonal.
Der Personalmangel wird sich eingedenk des
demographischen Wandels in all diesen Bereichen
weiter verschärfen. Wie dramatisch
die Lage ist, zeigt sich beispielsweise im Justizbereich.
„Schon heute können eine Vielzahl
der Gerichts- und sonstigen Verfahren
nicht mehr zügig und leider oft auch nicht
fristgemäß durchgeführt werden. Mehr als die
Hälfte der Richter und Staatsanwälte wird bis
zum Jahr 2030 in den Ruhestand gehen. Es
genügt seitens der Landesregierung nicht,
immer nur Löcher zu stopfen“, sagt Franziska
Baum, justizpolitische Sprecherin der FDP.
„Um eine handlungsfähige und effiziente Justiz
sicherzustellen, bedarf es eines langfristigen
Personalentwicklungskonzepts. Es muss wenigstens
bis zum Jahr 2035 reichen. Die Justiz als
eine Säule der Demokratie muss jederzeit und
qualitativ hochwertig arbeitsfähig sein. Jedem
Menschen in Thüringen ist der jederzeitige Zugang
zum Recht und damit auch die zeitnahe
Durchsetzbarkeit seiner Rechte sicherzustellen.“
Um ihre Forderung zu unterstreichen, haben die
Freien Demokraten einen Antrag im Thüringer
Landtag gestellt. Er zeigt in 13 Punkten detailliert
und konstruktiv auf, wie Thüringens Justiz
zukunftsfest aufgestellt werden kann.
Dieser Antrag gehört zu einer umfassenden
Initiative, die den gesamten öffentlichen
Dienst in den Blick nimmt. Allein auf mehr
Personal zu hoffen, ist der falsche Weg. Eine
Verwaltungsreform ist unumgänglich. „Verwaltungen
sind Dienstleister am Bürger, der
sie finanziert. Die Politik muss fragen, welche
Aufgaben die Verwaltungen zu leisten haben
und wie sie diese künftig leisten sollen“, sagt
Franziska Baum. Es ist dringend erforderlich,
dass die Landesregierung den öffentlichen
Dienst hinsichtlich seiner Struktur, seines Aufbaus
und seiner Aufgaben untersucht. Eine
solche Aufgabenkritik ist eine Grundvoraussetzung,
um den Personalbedarf verlässlich
planen zu können.
Aber auch Maßnahmen, die die Attraktivität
des öffentlichen Dienstes dauerhaft steigern,
sind geboten. Ansonsten wird Thüringens
größter Arbeitgeber im Wettbewerb um gut
qualifizierte Fachkräfte nicht mithalten können.
In der privaten Wirtschaft haben junge
Absolventen häufig nicht nur schnellere Aufstiegsmöglichkeiten,
sondern treffen auch auf
modernere Arbeitsbedingungen.
Baumann und Clausen geben sich zumindest
an dieser Stelle weit bescheidener. Ihnen genügt
die Aussicht auf ein Käffchen, um zufrieden
zu sein. Dann jauchzen sie glückselig ihr
legendäres „Bingo!“ Ach ja?
Vielen Thüringer Kommunen steht das Wasser bis zum
Hals, und dennoch drohen sie zu verdursten. Trotz
hoher Zuweisungen vom Land sind sie seit Jahrzehnten
unterfinanziert. Wie hoch der Investitionsstau tatsächlich
ist, wird auf Drängen der FDP jetzt erstmals ermittelt.
Sind die Kommunen wirklich arm dran –
oder verstehen sie es vielmehr, auf hohem
Niveau zu jammern? Man muss darauf nicht
mit Worten antworten. Es genügt, mit offenen
Augen durch Städte und Dörfer zu laufen.
Zahlreiche Schulgebäude und Kindergärten
harren ihrer Sanierung. Weder der Straßennoch
der Radwegebau gehen im erforderlichen
Maße voran. Kulturelle Angebote werden
eingeschränkt. Vereine erhalten zu wenig
Unterstützung.
Das Land muss helfen! Die Forderung klingt
wie ein Hilferuf. Tatsächlich sind Kommunen
aber keine Bittsteller. Dass ihnen vom Freistaat
alljährlich Steuergelder zugewiesen werden,
ist ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht. Allerdings
beziffert die Verfassung nicht, wie
hoch ihr Anteil am Steueraufkommen auszufallen
hat. An dieser Stelle kommt der KFA ins
Spiel, der Kommunale Finanzausgleich. Dahinter
verbirgt sich ein ebenso komplexes wie
umstrittenes Regelungswerk. Mit Hilfe vieler
Messzahlen und Stellschrauben soll der KFA
die Kommunen sowohl transparent als auch
gerecht finanzieren. Der Alltag in Thüringen
ist leider ein anderer. Dass teils erhebliche
Schieflagen bei der Mittelverteilung bestehen,
hat auch ein von der Landesregierung in Auftrag
gegebenes Gutachten bestätigt. Die
Kommunen sind chronisch unterfinanziert.
„Wir möchten den Kommunen
die Freiheit geben,
Investitionsentscheidungen
eigenverantwortlich und
ohne politische Bevormundung
treffen zu können.“
Dirk Bergner
Das liegt, so weiß Dirk Bergner, auch an einem
Webfehler im System des Thüringer KFA. Seit
Jahren macht der FDP-Kommunalexperte darauf
aufmerksam. So wird der Investitionsbedarf
der Kommunen maßgeblich anhand der in
den Vorjahren geplanten bzw. ausgegebenen
Gelder ermittelt. Das bedeutet letztlich einen
Teufelskreis. Kommunen, die es sich nicht leisten
konnten, zum Beispiel ihr Feuerwehrhaus
oder Straßen zu sanieren, hatten entsprechend
niedrige Ausgaben. Dieses Niveau wird bei
der Festlegung kommender Bedarfe zu einer
der Berechnungsgrundlagen. Damit wird die
Not nicht nur fortgeschrieben, sondern sogar
verschärft. „Dem jahrzehntelangen Investitionsstau
wird strukturell keine Rechnung getragen.
Das muss sich ändern“, sagt Bergner. Der Landtagsabgeordnete
ist selbst seit einem Vierteljahrhundert
aktiver Kommunalpolitiker, unter
anderem war er ehrenamtlicher Bürgermeister
in der Kleinstadt Hohenleuben.
Nach jahrelangem Drängen der FDP sind in
Thüringen wieder Investitionspauschalen eingeführt
worden. Seinem Ziel, für einen gerechteren
und auskömmlicheren KFA zu sorgen, ist
Bergner jetzt ein weiteres Stück näher gekommen.
Auf Antrag der Freien Demokraten hat
der zuständige Fachausschuss des Landtags die
Landesregierung aufgefordert, den Investitionsstau
bei allen Kommunen abzufragen. Nun hat
Bergner eine dringende Bitte an alle Kommunalverwaltungen:
„Nehmen Sie sich die Zeit, die
Anfrage gründlich zu beantworten.“ Er weiß,
dass Verwaltungen oft mit statistischen Abfragen
belastet werden. „In diesem Fall ist es aber
wirklich wichtig, einen detaillierten Überblick
zu geben. Wir werden darauf pochen, dass
der so ermittelte Investitionsstau in die künftige
Festsetzung des KFA einfließt.“
16 17
Geschichte & Gegenwart
FDP-Ikonen
WARUM DAS DDR-UNRECHT
EIN GROSSES THEMA BLEIBT
Das Erinnern an die Willkür in der DDR kennt markante
Daten, etwa den 17. Juni 1953 und den 13. August 1961.
Weitgehend dem Vergessen anheimgefallen ist der
26. Mai 1952. An diesem Tag beschloss der Ministerrat,
eine Sperrzone entlang der Westgrenze einzurichten.
Tausende Thüringer wurden daraufhin umgesiedelt.
Liebau liegt nahe Sonneberg in einem südlichen
Zipfel Thüringens. Von hier aus sind
es nur wenige Meter bis nach Bayern. Diese
besondere Lage sollte im Frühling 1952 das
Schicksal des Dörfchens besiegeln. Damals
lebten 65 Menschen in Liebau. Dann aber
zogen 62 Liebauer die Flucht in die Bundesrepublik
einer Zwangsumsiedlung vor. Nur
drei alte Leute, so heißt es in einem Bericht
der Staatssicherheit, blieben zurück. Das Dokument
trägt eine bezeichnende Überschrift:
„Betr. Aktion Ungeziefer“.
Ungeziefer, das waren nach offizieller Lesart
immerhin 1772 Familien aus Thüringen,
die nahe der Grenze zu Westdeutschland
lebten. Ihr vermeintliches Vergehen: Diese
5444 Menschen galten den Machthabern
der DDR als politisch nicht zuverlässig. Deshalb
sollten sie binnen weniger Tage ins
Landesinnere umgesiedelt werden.
IMPRESSUM
Ja zu Thüringen! – Das Journal
der FDP im Thüringer Landtag
Herausgeber: FDP im Thüringer Landtag
Redaktion: Oliver Holzer, Stefan Pilz,
Mirko Krüger (verantwortlich)
Parallel dazu begann entlang der Grenze
die Einrichtung einer fünf Kilometer breiten
Sperrzone. Sie wurde immer weiter ausgebaut
sowie militärisch gesichert.
„Die Aufarbeitung
des DDR-Unrechts ist
unentbehrlich für den
inneren Frieden unserer
Gesellschaft.“
Adresse: FDP im Thüringer Landtag
Jürgen-Fuchs-Straße 1, 99096 Erfurt
Tel.: (03 61) 37 72 799
Dirk Bergner
E-Mail: presse@freiedemokraten-landtag.de
Druck: GD Gotha Druck und Verpackung GmbH & Co.KG
Bildnachweis: S. 1: Kristin Döpel-Rabe, iStock/querbeet S. 2: Kristin Döpel-Rabe/Ebenbild S. 4: AdobeStock/KonstantinYuganov S. 5: AdobeStock/Anna S. 8: Kristin Döpel-Rabe/Ebenbild S. 10: Kristin Döpel-Rabe/Ebenbild S. 12: Kristin Döpel-Rabe/Ebenbild
S. 14: Kristin Döpel-Rabe/Ebenbild S. 15: AdobeStock/pattilabelle S. 16: iStock/gerenme S. 17: AdobeStock/HerbyMe, Kristin Döpel-Rabe/Ebenbild S. 18: Kristin Döpel-Rabe/Ebenbild S. 19: Nationaal Archief S. 20: chathupor
„In Folge der Grenzsicherung widerfuhr unzähligen
Menschen staatlich sanktionierte
Willkür, die bis heute tiefe Spuren hinterlässt.
Wir sind es diesen Opfern und allen anderen
Leidtragenden des DDR-Unrechts schuldig, in
der Aufarbeitung nicht nachzulassen“, sagt
Dirk Bergner, Vizepräsident des Thüringer
Landtags. Er erinnert an das düstere Kapitel
der Zwangsadoptionen sowie an das bisher
nur unzureichend aufgearbeitete Leid vieler
Heimkinder.
Die FDP hat eine umfängliche Initiative gestartet,
das Unrecht weiter aufzuarbeiten.
Außerdem sprechen sich die Freien Demokraten
dafür aus, dass der Freistaat an zentraler
Stelle ein Denkmal errichtet. „Wir werben für
ein Denkmal der Freiheit, das die Opfer ehrt.
Wir werben für ein Denkmal, das daran erinnert,
dass sich ein Volk friedlich die Freiheit
erkämpft hat. Wir werben für ein Denkmal,
das uns mahnt, dass Demokratie nicht
selbstverständlich ist und dass Grund- und
Menschenrechte verteidigt werden müssen“,
betont Dirk Bergner.
Das Dorf Liebau existiert nicht mehr. 1975
wurde es auf staatlichen Geheiß abgerissen.
Ein Gedenkstein erinnert daran, dass sich die
Bewohner der Behandlung als „Ungeziefer“
durch Flucht entzogen haben.
Diese Publikation ist auf Umweltpapier
gedruckt und ist kostenfrei zu beziehen.
Der Weiterverkauf ist untersagt.
www.freiedemokraten-landtag.de
fdplandtagth fdplandtagth @fdplandtagth
Design und Umsetzung: Samt & Seidel KG
Dass Walter Scheel
sowohl Außenminister
war als auch Bundespräsident,
wissen die
meisten. Dass er aber
auch Vizepräsident der
Liberalen Weltunion
war, wohl die wenigsten.
Dabei wirkte
Scheel in diesem Amt
so, wie er sich selbst
am liebsten sah: als
Weltpräsident, der
zusammenführte statt
zu spalten.
1946 trat Scheel der FDP bei. Über
seine vorherige Mitgliedschaft in der
NSDAP wurde bis weit in seine politischen
Amtszeiten diskutiert. Dass ihm
diese Ideologie fremd war, bewies
Scheel in seinem politischen Leben
indes ständig. 1968 wurde er Bundesvorsitzender
der FDP. Er verfasste
mit Karl-Hermann Flach und Werner
Maihofer die Freiburger Thesen als
neues Grundsatzprogramm der Liberalen.
Im Parlament hatte Scheel bis
dahin schon seit 1961 als Minister
für wirtschaftliche Entwicklung und
Zusammenarbeit im Kabinett Adenauers
gearbeitet. Auch unter Bundeskanzler
Ludwig Erhard war er Minister.
Beide Male jedoch trat Scheel
vorzeitig zurück. 1962 wegen der
Spiegel-Affäre, 1969 im Streit der
schwarz-gelben Koalition über den
Bundeshaushalt.
Nach der Bundestagswahl 1969
wirkte er maßgeblich auf die Bildung
einer sozialliberalen Bundesregierung
hin und wurde im Kabinett
von Willy Brandt am 22.
Oktober 1969 zum Vizekanzler und
zum Bundesminister des Auswärtigen
ernannt. 1970 besuchte Walter
Scheel als erster deutscher Außenminister
Israel, das 1965 diplomatisch
anerkannt worden war. Scheel
gilt gemeinsam mit Brandt als Vater
der Entspannungspolitik und der
neuen Deutschlandpolitik.
Der gesellschaftlichen Erneuerung
und Modernisierung blieb Scheel
auch als Bundespräsident treu. Er
verweigerte 1976 einem Gesetz
zur Abschaffung der Gewissensprüfung
bei Kriegsdienstverweigerern
seine Unterschrift. Im Volk war
Scheel beliebt, was wohl auch mit
etwas ganz Unpolitischem zu tun
hatte. 1973 nahm er zugunsten der
Aktion Sorgenkind das Volkslied
„Hoch auf dem gelben Wagen“ auf
Schallplatte auf. Bis kurz vor seiner
Wahl zum Bundespräsidenten verkaufte
sich die Platte über 300.000
Mal. Scheel hielt sich 15 Wochen
in den deutschen Singlecharts und
erreichte als beste Platzierung die
Position 5. Autor des Liedes war der
im Weimarer Land geborene Rudolf
Baumbach. Dessen ehemaliges
Wohnhaus in Meiningen ist heute
ein Teil der Meininger Museen.
Eine zweite Amtszeit war Scheel
trotz seiner Popularität nicht vergönnt.
1979 trat er nicht mehr an,
die politischen Mehrheitsverhältnisse
ergaben nur wenig Chancen für eine
Wiederwahl.
„Eine Demokratie ist immer auf dem Wege
zu sich selbst. Sie ist nie fertig. Nur Staaten,
in denen die Freiheit nicht viel gilt, behaupten
von sich, sie hätten das Klassenziel erreicht.“
DER WELT-
PRÄSIDENT
Walter Scheel
(1919 – 2016)
18 19
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