Sommerabend in Balga - Stadtgemeinschaft Tilsit eV
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Kahlholz<br />
Das kle<strong>in</strong>e verträumte Dörfchen Kahlholz lag auf der äußersten Spitze unserer Halb<strong>in</strong>sel,<br />
dem sogenannten „Kahlholzer Haken“. Von hier hatte man e<strong>in</strong>en Rundblick von<br />
erstaunlicher Größe und Weite. Die Steilküste fiel steil <strong>in</strong> die Tiefe und die Wassermassen<br />
höhlten im Lauf der Zeit die Küste aus, so daß tiefe Löcher <strong>in</strong> der Lehmwand waren. Auf<br />
dieser schmalen Steilküstenkante befand sich der sogenannte Kirchensteig, es war der<br />
kürzeste Weg zur Kirche, etwa 2½ km. Das Dorf lag nahe am Haff und die Uferbefestigungen<br />
wurden durch die schweren Früjahrs‐ und Herbststürme immer wieder beschädigt. 1939<br />
zählte das Dorf 240 E<strong>in</strong>wohner und es waren, wie auch <strong>in</strong> den anderen Dörfern, u.a. Bauern,<br />
Fischer und Seefahrer dort ansässig. Die Kahlholzer waren eifrige Kirchgänger, die Bauern im<br />
gesamten „Kirchspiel“ hatten <strong>in</strong> der Kirche ihr eigenes Gestühl, sowie für den Gutsbesitzer<br />
von Glasow e<strong>in</strong>e eigene Empore, man nannte sie Chor, e<strong>in</strong>gerichtet war. In Kahlholz gab es<br />
e<strong>in</strong>e Schule, auch e<strong>in</strong> Gasthaus, und 1938/39 baute man e<strong>in</strong>e breite Straße von Kahlholz<br />
nach <strong>Balga</strong>, trotzdem wurde der Kirchensteig viel genutzt.<br />
Es soll vorgekommen se<strong>in</strong>, daß manch e<strong>in</strong> Fußgänger oder Radfahrer, dem der<br />
Kirchenschnaps besonders geschmeckt hatte, der schmale Steig zum Verhängnis wurde und<br />
er sich plötzlich am Strand wiederfand.<br />
Wolitta<br />
Wolitta war unser kle<strong>in</strong>stes und weit entferntes Kirchdorf. 1939 wohnten nur 94 Menschen<br />
im Dorf und es bestanden 20 landwirtschaftliche Betriebe. 8 Fischer g<strong>in</strong>gen dort ihrer Arbeit<br />
nach. Im Jahre 1864 baute man dort e<strong>in</strong> Wasserhebewerk um die Überschwemmungen zu<br />
beseitigen und die schlechten Wiesen befahrbar und ertragreicher zu machen. Auf den<br />
angelandeten Flächen vor der Küste wuchs e<strong>in</strong>e Menge Schilfrohr. Das Rohr wurde geerntet<br />
und zum Dachdecken <strong>in</strong> den umliegenden Dörfern verkauft. 1929 wurde e<strong>in</strong>e Rohrweberei<br />
e<strong>in</strong>gerichtet und die Erzeugnisse wurden als Gipsrohr von den Baustoffhändlern erworben.<br />
E<strong>in</strong>en guten Ruf hatte der Wolittaer Kohl, er wurde <strong>in</strong> Mengen angebaut, war sehr fe<strong>in</strong>rippig<br />
und schmackhaft und wurde auf den Märkten <strong>in</strong> Heiligenbeil, Z<strong>in</strong>ten und Braunsberg<br />
abgesetzt, auch mit der Eisenbahn verladen. Wolitta lag nahe der Bahnstation Wolittnick.<br />
Selbst <strong>in</strong> diesem kle<strong>in</strong>en Ort gab es e<strong>in</strong>e Schule.<br />
Noch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Episode am Rande. Der <strong>Balga</strong>er Gendarm, auch für Wolitta zuständig, war<br />
e<strong>in</strong> sehr humaner Polizeibeamter, der selten e<strong>in</strong>en Strafzettel ausschrieb, aber trotzdem<br />
e<strong>in</strong>en gewisssen Nachweis erbr<strong>in</strong>gen sollte. Se<strong>in</strong>e Rettung waren dann die Wolittaer Bauern,<br />
die ihre Heuschober zu dicht an ihre Häuser bauten. Sie bekamen ihre Strafzettel und<br />
mußten fünf Reichsmark berappen.<br />
Nach dem wir uns bisher mit unseren Kirchdörfern etwas befasst haben, wollen wir endlich<br />
zu dem sonntäglichen Gottesdienst <strong>in</strong> unserer Kirche kommen. Die uns so vertrauten<br />
Glocken, die damals per Hand von unserem Küster und Luis Höflich gezogen wurden, luden<br />
zum Kirchgang e<strong>in</strong>. Kaum war der letzte Glockenton verklungen, marschierte Luis Höflich mit<br />
strammen Schritten vom vorderen zum h<strong>in</strong>teren Kirchenteil, natürlich von allen Augen<br />
© Fördervere<strong>in</strong> Burg und Kirche <strong>Balga</strong> e.V. ‐ www.balga.de<br />
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