Buch der Gefühle (Leseprobe)

Tip warf den Stock in die Luft und fing ihn ihm Flug wieder auf, dann drückte
er die Arme an die Brust und deutete einen Tanzschritt an, und die ganze
Zeit über wiederholte er begeistert: »Er lebt! Er lebt! Er lebt!«
L. Frank Baum: Im Reich des Zauberers von Oz
Begeisterung
Wie oft sind wir begeistert? Von einem Film, einem Song, einer Geschichte.
Doch dahinter steckt mehr: Begeisterung ist vor allem Enthusiasmus. Das
Wort stammt vom griechischen enthousiasmós: en bedeutet »in«, theós ist
»Gott« und ousìa das »Wesen«. Wörtlich bedeutet es also, dass man das Wesen
Gottes in sich trägt.
Dieses großartige Bild beschreibt die Kraft, die uns dazu bringt, uns in aufregende
Abenteuer zu stürzen, Zeit und Energie in etwas zu stecken, das uns
gefällt, oder uns für ein Projekt oder eine Idee leidenschaftlich zu begeistern.
Aber unser Enthusiasmus unterscheidet sich von dem der alten Griechen.
Sie sprachen von Enthusiasmus vor allem, wenn es um die Priesterin Pythia
ging, die zwischen den Menschen und dem Gott Apoll vermittelte. Verkündete
Pythia einen ihrer Orakelsprüche, so sprach Apoll durch sie. Er hatte von
ihr Besitz ergriffen.
Wie konnte das sein? Pythia lebte in Delphi, an einem Ort, der der Nabel
der Welt genannt wurde. Es war eine dunkle Höhle, in der Dämpfe aufstiegen.
Wer die Priesterin befragte, dem lieferte sie – besessen vom Enthusiasmus –
ihre Antworten.
»Wer wird den Krieg gewinnen?«, fragten die Heerführer. »Wo sollen wir
eine Stadt gründen?«, fragten die Feldherren. Die Priesterin, die Gott in sich
trug, gab jedoch niemals eine klare und eindeutige Antwort (das machen die
Götter so gut wie nie), sondern verkündete eine mysteriöse und geheimnis-
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