FINE Das Weinmagazin - 01/2022
BORDEAUX Château Lafleur: Die Sphinx von Pomerol BORDEAUX Château L’Évangile: Fixstern am rechten Ufer BORDEAUX La Conseillante: Hinaus aus dem Schatten der Nachbarn! EDITORIAL Von prickelnden und stillen Größen CHABLIS Die Region im Überblick: Erfrischend zeitlos CHABLIS Vincent Dauvissat: Gänsehaut im Fasskeller CHABLIS Jean-Paul & Benoît Droin: Mit Tradition und Smartphone CHABLIS William Fèvre: Die Essenz des Chablis CHABLIS Domaine Long-Depaquit: Erfolgreich verweltlicht CHABLIS Domaine Raveneau: Das Erbe der Väter DAS GROSSE DUTZEND Rote Wucht von roten Böden: Monteverro WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase im »Kronenschlösschen« in Hattenheim KATALONIEN Torres, Teil 4: An den Mauern des Königsklosters DIE PIGOTT-KOLUMNE Zu Gast bei drei Champagnerhäusern TASTING Deutsche Spätburgunder aus dem Jahrgang 2008 INTERVIEW Olivier Krug und Arnaud Lallement CHAMPAGNE Die 100 wichtigsten Champagner, Teil 4 GENIESSEN Steak Tatar: Die pure Fleischeslust MOSEL Hofgut Falkenstein: Weltklasse aus dem Seitental WORTWECHSEL Warum es immer weniger Winzer und Weingüter gibt WEIN & ZEIT Die schwierige Frühzeit des VDP MOSEL Bischöfliche Weingüter Trier: Die großen Unbekannten ABGANG Sonne am Ende des Tunnels
BORDEAUX Château Lafleur: Die Sphinx von Pomerol
BORDEAUX Château L’Évangile: Fixstern am rechten Ufer
BORDEAUX La Conseillante: Hinaus aus dem Schatten der Nachbarn!
EDITORIAL Von prickelnden und stillen Größen
CHABLIS Die Region im Überblick: Erfrischend zeitlos
CHABLIS Vincent Dauvissat: Gänsehaut im Fasskeller
CHABLIS Jean-Paul & Benoît Droin: Mit Tradition und Smartphone
CHABLIS William Fèvre: Die Essenz des Chablis
CHABLIS Domaine Long-Depaquit: Erfolgreich verweltlicht
CHABLIS Domaine Raveneau: Das Erbe der Väter
DAS GROSSE DUTZEND Rote Wucht von roten Böden: Monteverro
WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase im »Kronenschlösschen« in Hattenheim
KATALONIEN Torres, Teil 4: An den Mauern des Königsklosters
DIE PIGOTT-KOLUMNE Zu Gast bei drei Champagnerhäusern
TASTING Deutsche Spätburgunder aus dem Jahrgang 2008
INTERVIEW Olivier Krug und Arnaud Lallement
CHAMPAGNE Die 100 wichtigsten Champagner, Teil 4
GENIESSEN Steak Tatar: Die pure Fleischeslust
MOSEL Hofgut Falkenstein: Weltklasse aus dem Seitental
WORTWECHSEL Warum es immer weniger Winzer und Weingüter gibt
WEIN & ZEIT Die schwierige Frühzeit des VDP
MOSEL Bischöfliche Weingüter Trier: Die großen Unbekannten
ABGANG Sonne am Ende des Tunnels
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WEIN & ZEIT XLII<br />
Dabei hatte es schon früher Weine aus Deutschland<br />
gegeben, die es an Ansehen mit den<br />
»grands vins« aus Frankreich hätten aufnehmen<br />
sollen. Aber wenn André Simon noch<br />
1950 (!) feststellen konnte, dass »hocks« die<br />
vielleicht besten Stillweine der Welt seien, dann<br />
bezog sich der Doyen der englischen Weinschriftstellerei<br />
nur auf Weißweine. Außerdem waren diese<br />
»fine wines« im Unterschied zu den Crus aus dem<br />
Bordelais und der Bourgogne zumeist entweder<br />
fruchtsüße, rassige Weine von Mosel und Saar oder<br />
Auslesen, Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen<br />
aus der Pfalz, Rheinhessen und dem Rheingau.<br />
Die Weine, die zu Beginn des neuen Jahrhunderts<br />
unter dem Signet »GG« auftraten, stellten<br />
damit das Gegenstück zu all jenem dar, das man seit<br />
Menschengedenken als »deutscher Spitzenwein«<br />
kannte. Geschmacklich und analytisch waren sie<br />
das, was nach dem seit 1971 geltenden Weingesetz<br />
unter »trocken« zu verstehen war. Als Weißweine<br />
sollten sie in dieser Kategorie zu den großen weißen<br />
Weinen aus Frankreich aufschließen, allen voran zu<br />
den burgundischen Chardonnays. Damit aber nicht<br />
genug: Auch trocken ausgebaute Spätburgunder und<br />
Lemberger (Blaufränkisch) aus den nördlichsten<br />
Weinbauregionen der Welt sollten es nun mit der<br />
internationalen Konkurrenz aufnehmen. Alles in<br />
allem, so der Plan, würde mit Einführung der weißen<br />
und roten Großen Gewächse nicht weniger als ein<br />
neues Kapitel in der Geschichte des Weinbaus in<br />
Europa, ja der gesamten Weinwelt aufgeschlagen<br />
werden.<br />
»Trockene Auslesen« waren rar –<br />
und bei Top-Gastronomen begehrt<br />
Doch wäre dieses Vorhaben unvollständig<br />
beschrieben, wollte man nur den Gegensatz zwischen<br />
den neuen GG und den klassischen Spitzenweinen<br />
aus Deutschland herausstellen. Noch stärker war der<br />
Gegensatz zwischen den Großen Gewächsen und den<br />
lieblichen, oft mit Süßreserve frisierten Spät- oder<br />
Auslesen, die noch in den 80er-Jahren den Ton in<br />
Deutschland angegeben hatten – von den lieblichen<br />
Massenweinen aus Rebsorten wie Müller-Thurgau<br />
oder auch Blauem Portugieser gar nicht zu reden.<br />
Am nächsten unter den besseren Weinen der 1960er--<br />
und 70er-Jahre kamen den GG noch die »trockenen<br />
Auslesen«. Die gab es allerdings nur in den seltenen<br />
guten Jahrgängen wie 1964 oder zuletzt 1971 und<br />
1976. In den wenigen Spitzenrestaurants jener Zeit<br />
waren sie umso begehrter.<br />
Daher liegt es nahe, die Geschichte der Großen<br />
Gewächse auch, wenn nicht vor allem als Teil<br />
jener Entwicklung zu schreiben, die in der Mitte<br />
der 70er-Jahre einsetzte und als das »deutsche<br />
Küchenwunder« bezeichnet wird (siehe <strong>FINE</strong><br />
3|2021). Spitzenköche wie Eckart Witzigmann,<br />
Heinz Winkler, Hans-Peter Wodartz oder Herbert<br />
Schönberner, aber auch die ersten Sommeliers in<br />
Deutschland, darunter der Herausgeber dieser Zeitschrift<br />
Ralf Frenzel, mussten damals die Nachfrage<br />
nach trockenen deutschen Weinen erst schaffen. Im<br />
vorigen Heft (<strong>FINE</strong> 4/2021) haben wir zudem den<br />
englischen Visionär Hugh Johnson gewürdigt, der<br />
mit dem Blick von außen die weithin traditionsvergessenen<br />
Spitzengüter langsam, aber sicher lehrte,<br />
dass Wein im Grunde »geography in a bottle« sein<br />
müsse. Diese Maxime hatte man in Deutschland in<br />
den 60er-Jahren bei der Erarbeitung eines neuen<br />
Weingesetzes für entbehrlich gehalten.<br />
An dieser Stelle soll nun eine dritte Facette ausgeleuchtet<br />
werden, ohne die es wohl niemals zu einer<br />
Kategorie namens GG gekommen wäre. Es geht<br />
um die quälend langsame Verwandlung des 1910<br />
gegründeten »Verbands Deutscher Naturweinversteigerer«<br />
(VDNV) in eine Marketingorganisation<br />
namens VDP. Bei diesem Prozess, der um 1970 einsetzte<br />
und dessen im Folgenden beschriebene erste<br />
Phase mit dem Rückzug des Präsidenten Erwein Graf<br />
Matuschka-Greiffenclau im Jahr 1989 endete, wurden<br />
die Grundlagen dafür gelegt, dass trockene Spitzenweine<br />
aus Deutschland in der ersten Dekade des<br />
21. Jahrhunderts die Weltbühne betreten konnten.<br />
Zwangsläufig oder auch nur wahrscheinlich war<br />
diese Entwicklung nicht – im Rückblick kommt<br />
es eher einem Wunder gleich, dass es heute Große<br />
Gewächse gibt. Denn der Fortbestand eines Verbands<br />
von Spitzenweingütern als solchem war 1971<br />
alles andere als gewiss.<br />
Nahezu alles in der Welt des deutschen Weins<br />
hatte schon lange darauf hingedeutet, dass<br />
die Zeit jener Vereinigung von Gütern<br />
abgelaufen war, die seit 1930 mit dem Motto »Unsere<br />
Mitglieder besitzen Lagen von Weltruf« für sich<br />
geworben hatten. Vordergründig war es der Gesetzgeber,<br />
der den Untergang dieses oft als elitär verschriebenen<br />
Klubs herbeigeführt hatte. Der Begriff<br />
»Naturwein«, so hatte es sich seit den frühen 60er-<br />
Jahren abgezeichnet, sollte im längst überfälligen<br />
neuen Weingesetz verboten werden. Freilich sollte<br />
die in der Weinwelt einmalige und sehr deutsche<br />
Idee, dass durch Zusatz von Zucker »verbesserte«<br />
Weine nicht als Spitzenweine durchgehen könnten,<br />
in der Kategorisierung von »Qualitätsweinen mit<br />
Prädikat« fortleben. Der Untergang des VDNV war<br />
daher nicht zwangsläufig. Vielmehr lag schon früh<br />
die Option auf dem Tisch, den Begriff »Naturwein«<br />
durch »Prädikatswein« oder allgemein »Qualitätswein«<br />
zu ersetzen.<br />
Gegen ein Überleben sprach aber, dass der Verband<br />
sich in den ausgehenden 60er-Jahren in einem<br />
Zustand fortgeschrittener Selbstauflösung befand.<br />
Nominell bestand der VDNV aus sieben Regionalvereinen.<br />
Tatsächlich aber war das Vereinsleben in<br />
Südbaden wie an der Nahe längst erloschen, und wer<br />
sich im Rheingau, in der Rheinpfalz, in Rheinhessen,<br />
in Franken sowie an Mosel, Saar und Ruwer dem Verein<br />
zugehörig fühlte, war 1971 nicht zu ermitteln. Der<br />
damalige Vorsitzende des VDNV, Wolfgang Michel<br />
vom Weingut Domdechant Werner in Hochheim<br />
am Main, wusste es jedenfalls nicht.<br />
Warum also überhaupt an einem Zopf namens<br />
Bundesverband festhalten, wenn die meisten<br />
Güter mit dem neuen Weingesetz und seinem<br />
Bezeichnungsrecht gut glaubten leben zu können?<br />
Die weinbaupolitische Lobbyorganisation, als die<br />
der VDNV 1910 entstanden und vor allem vor der<br />
Verabschiedung des Weingesetzes von 1930 in<br />
Erscheinung getreten war, hatte sich offenkundig<br />
überlebt, und das nicht allein, weil schon seit den<br />
späten 50er-Jahren europäisches (Wein-)Recht den<br />
Handlungsspielraum des deutschen Gesetzgebers<br />
zunehmend einschränkte. Der VDNV hatte, wie<br />
man während einer Vorstandssitzung Mitte der 70er-<br />
Jahre rückblickend feststellte, auch aus anderen<br />
Gründen schon lange keine eigene Weinbaupolitik<br />
mehr betrieben. Der Bundesverband bestand nämlich<br />
nur aus dem Vorsitzenden, die Macht lag – wenn<br />
überhaupt – bei den Vorständen der Regionalvereine.<br />
In der Weinbaupolitik wiederum führte kein Weg<br />
an den Gremien des Deutschen Weinbauverbandes<br />
(DWV) vorbei. <strong>Das</strong>s dort die Genossenschaften und<br />
Die Mitgliederversammlung<br />
am 22. März 1971 unter dem<br />
Vorsitz von Wolfgang Michel<br />
war spärlich besucht. Peter<br />
von Weymarn verhinderte<br />
mit einer Rede die Auflösung<br />
des Verbands, dessen Leitung<br />
er im Jahr darauf übernahm<br />
WEIN & ZEIT <strong>FINE</strong> 1 | <strong>2022</strong> 131