Hochgefühle 01 2022

13.03.2022 Aufrufe

Seite 52 HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DE TER ALPENVEREINS Erinnerungen von Otto Umlauft (Serie 10/10) AM WEG ZUM NANGA PARBAT Tagebuch einer großen Reise Otto Umlauft sen. Rampur, Rupal-Tal, Donnerstag, 29. 5. 1975 Im Morgengrauen steige ich hinunter zum eiskalten RATU-Fluss, um mich zu waschen und Wasser zu holen. Die Träger aus der Umgebung hocken wartend bald um uns herum. Die Lasten werden vorbereitet, wobei ich sogar noch einen verschließbaren Seesack erbeuten kann und umpacke. Westlich von uns gleißt der Chongra Peak mit seinen steilen Eiswänden und es wäre unbeschreibbar schön, wenn nicht das stundenlange Feilschen mit den Trägern Unruhe und Anspannung mit sich bringen würde. Wir warten eben! Die Einigung wird mit Rps. 80,– erzielt. Es beginnt der Kampf um die Lasten. Von weit und breit eilen Träger und Eselbesitzer herbei. Ich breche mit Klaus Schoenwald auf. Der Rucksack ist schwer durch das Geld und der Weg steinig und schlecht. Dafür ist die Gegend schön und wird noch schöner. Von 9 bis 13 Uhr marschieren wir bis CHORIT und machen dort Teepause. Die Sonne brennt enorm und es ist fast windstill. Nach der Rast überqueren wir den CHHUNGPHAR-Gletscher, der mit urgewaltigen Randmoränen nur wenig Toteis zeigt, jedoch genug, fast ein Tragpferd zum Absturz zu bringen. Mit knapper Not wird es noch gehalten und hochgezogen. Wir nähern uns dem Almdorf Rupal über saftige, kurze Wiesen. Auch Wasser gibt es zur Genüge. Im Dorf selbst, auf 3.155 m Höhe, kommt die ganze Menge an Menschen und Tieren zum Stehen und wir beziehen unser Nachtlager neben Lasten und brünstigen Eseln. Hoch über uns leuchten die Schneefahnen, die vom Rakiotpeak, dem Silbersattel und dem Nanga- Vorgipfel über die schattige Südwand hinausgeblasen werden. Rund 5.000 m Höhenunterschied liegen zwischen uns und dem Gipfel. Um 19 Uhr ist es merklich kalt und die warme Suppe wird heiß begrüßt. Ich liege auf der Almwiese und schaue beglückt in die Sternenwelt. Beglückt, weil ich hier sein kann und die Wunder der Schöpfung erlebe in dem Kreis der Bergkameraden. Ist es denn nicht auch ein Wunder, wenn genau in jener Nacht, die wir erstmals unter dem Berg der Sehnsucht verbringen, die Venus genau darüber steht und bei ihrem strahlenden Untergang wie ausgemessen auf den Gipfel dieses Berges zielt. Fast eine Minute lang bleibt noch ein goldener Schein um die Spitze hängen, wie das Funkeln eines Edelsteines in der Bergkrone der Welt. Die Nacht ist sehr kalt. Wir frieren alle und ich bin froh über das erste Morgengrauen, das die Sterne über uns aufsaugt! Rupaltal, Freitag, 30. 5. 1975 Die Träger brechen früh auf und auch ich gehe gegen 4.45 Uhr. Ich muß bald im Hauptlager sein, wegen der Auszahlung. Zwischen Steinmauern geht es auf vielfach gewundenen Wegen durch die letzte Siedlung Rupal, die sogar noch eine Schule besitzt. Winzige Gerstenfelder sind eingestreut. Die steingebauten Häuser haben meist noch einen Aufbau aus Holz am erdbeschütteten Dach. Dort sitzen die neugierigen Bewohner und lassen die endlose und weit auseinandergezogene Kolonne an sich vorüberziehen. Die langen Schatten, die wir auf ebenen Stücken werfen, zeigen uns die frühe Tageszeit an. Die Sonne im Rücken wärmt uns sofort auf. Die Landschaft ist wunderschön, während wir immer steiler den Moränenrücken des Bahzingletschers emporsteigen. Die Blicke, die sich uns dabei in die Südflanke des Nanga Parbat auftun, sind von nicht zu schildernder Großartigkeit. Über die Alpe Tap eilen wir weiter zur Stelle des Hauptlagers. Eine halbe Stunde davor streiken die Träger, weil sie behaupten, ihr Ziel erreicht zu haben. Geld gibt es nur am Ende, bedeuten wir ihnen und warten auf herrlichen ebenen Almböden am Ufer eines klaren Quellbaches fast zwei Stunden auf sie. Hauptlager, 31. 5. 1975 Ein kalter, bewölkter Morgen. Natürlich wache ich früh auf und gehe zum Bach, mich zu waschen und zu rasieren. Schon in den frühen Morgenstunden sind drei Mann mit zwei Trägern zu Lager 1 West aufgebrochen. Zu Mittag kommen sie zurück. Vier Mann Gruppe Ost geht zur selben Zeit weg. Wenn der Pfeiler begehbar sein sollte, werde ich hinüber ins Basislager übersiedeln. Der Tag vergeht mit verschiedenen Arbeiten, die immer wieder unterbrochen werden durch den Blick auf die Berge um uns. Ich genieße jede Stunde. Außerdem kann ich in Ruhe meine Buchhaltung abschließen und deren völlige Richtigkeit feststellen. Gestern war ich scheinbar zu müde, um den vermeintlichen Fehler richtigstellen zu können. Ein kaltes Abendessen im Freien beschließt den Tag, nachdem die Lasten für acht Träger nach W-L 1 fertiggemacht worden sind. Sonntag, Hauptlager, 1. 6. 1975 Obwohl es im Zelt Minusgrade hatte und mein Waschlappen gefroren war, konnte ich unter der neuen „Bärendecke“ gut schlafen. Um 1 Uhr brechen 5 Mann mit 8 Trägern nach Lager 1 auf. Morgenwäsche am Bach, dann Stubenordnung im Zelt, Frühstück. Abrechnung mit Sarbaz über seine Gilgitfahrt. Dann gehe ich mit Wulf Trotter zu dem großen Moränensee unter dem „Hänge-Gletscher“. Der See lädt zum Waschen und zum Fotografieren ein. Es ist ein schöner zweistündiger, gemütlicher Spaziergang. Mittags rechne ich die abgegangenen Träger, den Postläufer und das Fleisch ab und muß mit geringer Begeisterung meine eingeweichte Wäsche waschen. Die Mannschaft kommt bis auf Hubert und Thomas recht erschöpft zurück. Schließlich ziehen sich alle bei kaltem Wind in die Zelte zurück und schreiben und lesen. Ich beginne bei Kerzenlicht „Speer, Erinnerungen“.

HOCHGEFÜHLE – DAS IN DES KLAGENFURTER ALPENVEREINS Seite 53 Singen im Alpenverein Singen und Wandern ist unsere Freud Mit einer schönen Winterwanderung haben wir das vergangene Jahr abgeschlossen. Der Wörthersee war unser Ziel. Nachdem schon Tage davor der Nebel in Klagenfurt unsere Gemüter belastete, freuten wir uns umso mehr, dass wieder die Sonne strahlte. Der See glitzerte im Sonnenlicht, unter weihnachtlich geschmückten Bäumen sangen wir die schönsten Adventslieder und vergaßen so die unliebsame Coro- nazeit. Im vergangenen Jahr waren wir doch sehr eingeschränkt und konnten nur fünf Liederabende abhalten. An fünf Wanderungen haben Sängerinnen und Sänger mit Begeisterung teilgenommen. Alle waren sehr dankbar, konnten wir doch in freier Natur und geselliger Runde unsere Stimmen erklingen lassen. Besonders gut gefiel uns die Wanderung zur Kapelle Maria Waldesruh nahe der Ortschaft Preliebl. Singen im Pfarrzentrum Don Bosco Nun hoffen wir sehr, dass in nächster Zeit unsere Singabende wie geplant stattfinden können. Die Termine werden in den AV-Schaukästen bekannt gegeben. Natürlich sind wieder Wanderungen und auch Besuche Kärntner Kulturstätten geplant, Vorschläge dazu werden gerne angenommen. „Vorbei is da Winter“ Ein wunderschönes Lied vom allseits bekannten Kärntner Anton Schmid, das er kurz vor seinem Ableben im Jahr 1996 komponierte, möchte ich abschließend im Text wiedergeben: „Vorbei is da Winter, vorbei is die Nåcht, die Sunn håt ma wieda a neichs Fruahjåhr gebråcht. Da Schnee muaß zarinnan, es Eis muaß vargeahn, daham in mein Häuslan blüaht a Reasale schean. Du herzliabes Bleamle, mei Dånkn fångg an, weil mei Herz wieda låchn und hell aufjauchzn kånn.“ In diesem Sinne verbleibe ich mit herzlichen Grüßen eure Othi Die Vernunft kann nur reden. Es ist die Liebe, die singt. T. LECHNER Orthopädie Grübler Orthopädieschuhtechnik – Einlagenerzeugung Alle Schuh- und Einlagenreparaturen – Diabetesversorgung Specialservice Spezialservice für Bergschuhe Klagenfurt, St.-Veiter-Str. 183 Tel. 0463/41577 · tlechnerortho@aon.at

Seite 52 HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DE TER ALPENVEREINS<br />

Erinnerungen von Otto Umlauft (Serie 10/10)<br />

AM WEG ZUM<br />

NANGA PARBAT<br />

Tagebuch einer großen Reise<br />

Otto Umlauft sen.<br />

Rampur, Rupal-Tal,<br />

Donnerstag, 29. 5. 1975<br />

Im Morgengrauen steige ich hinunter zum eiskalten<br />

RATU-Fluss, um mich zu waschen und Wasser zu holen.<br />

Die Träger aus der Umgebung hocken wartend<br />

bald um uns herum. Die Lasten werden vorbereitet,<br />

wobei ich sogar noch einen verschließbaren Seesack<br />

erbeuten kann und umpacke.<br />

Westlich von uns gleißt der Chongra Peak mit seinen<br />

steilen Eiswänden und es wäre unbeschreibbar<br />

schön, wenn nicht das stundenlange Feilschen mit<br />

den Trägern Unruhe und Anspannung mit sich bringen<br />

würde. Wir warten eben!<br />

Die Einigung wird mit Rps. 80,– erzielt. Es beginnt<br />

der Kampf um die Lasten. Von weit und breit eilen<br />

Träger und Eselbesitzer herbei. Ich breche mit Klaus<br />

Schoenwald auf. Der Rucksack ist schwer durch<br />

das Geld und der Weg steinig und schlecht. Dafür<br />

ist die Gegend schön und wird noch schöner. Von<br />

9 bis 13 Uhr marschieren wir bis CHORIT und machen<br />

dort Teepause. Die Sonne brennt enorm und es<br />

ist fast windstill. Nach der Rast überqueren wir den<br />

CHHUNGPHAR-Gletscher, der mit urgewaltigen Randmoränen<br />

nur wenig Toteis zeigt, jedoch genug, fast<br />

ein Tragpferd zum Absturz zu bringen. Mit knapper<br />

Not wird es noch gehalten und hochgezogen.<br />

Wir nähern uns dem Almdorf Rupal über saftige, kurze<br />

Wiesen. Auch Wasser gibt es zur Genüge. Im Dorf<br />

selbst, auf 3.155 m Höhe, kommt die ganze Menge<br />

an Menschen und Tieren zum Stehen und wir beziehen<br />

unser Nachtlager neben Lasten und brünstigen<br />

Eseln. Hoch über uns leuchten die Schneefahnen, die<br />

vom Rakiotpeak, dem Silbersattel und dem Nanga-<br />

Vorgipfel über die schattige Südwand hinausgeblasen<br />

werden. Rund 5.000 m Höhenunterschied liegen zwischen<br />

uns und dem Gipfel. Um 19 Uhr ist es merklich<br />

kalt und die warme Suppe wird heiß begrüßt.<br />

Ich liege auf der Almwiese und schaue beglückt in die<br />

Sternenwelt. Beglückt, weil ich hier sein kann und die<br />

Wunder der Schöpfung erlebe in dem Kreis der Bergkameraden.<br />

Ist es denn nicht auch ein Wunder, wenn<br />

genau in jener Nacht, die wir erstmals unter dem<br />

Berg der Sehnsucht verbringen, die Venus genau darüber<br />

steht und bei ihrem strahlenden Untergang wie<br />

ausgemessen auf den Gipfel dieses Berges zielt. Fast<br />

eine Minute lang bleibt noch ein goldener Schein um<br />

die Spitze hängen, wie das Funkeln eines Edelsteines<br />

in der Bergkrone der Welt. Die Nacht ist sehr kalt. Wir<br />

frieren alle und ich bin froh über das erste Morgengrauen,<br />

das die Sterne über uns aufsaugt!<br />

Rupaltal, Freitag, 30. 5. 1975<br />

Die Träger brechen früh auf und auch ich gehe gegen<br />

4.45 Uhr. Ich muß bald im Hauptlager sein, wegen<br />

der Auszahlung. Zwischen Steinmauern geht es auf<br />

vielfach gewundenen Wegen durch die letzte Siedlung<br />

Rupal, die sogar noch eine Schule besitzt. Winzige<br />

Gerstenfelder sind eingestreut. Die steingebauten<br />

Häuser haben meist noch einen Aufbau aus Holz am<br />

erdbeschütteten Dach. Dort sitzen die neugierigen<br />

Bewohner und lassen die endlose und weit auseinandergezogene<br />

Kolonne an sich vorüberziehen. Die<br />

langen Schatten, die wir auf ebenen Stücken werfen,<br />

zeigen uns die frühe Tageszeit an. Die Sonne im Rücken<br />

wärmt uns sofort auf. Die Landschaft ist wunderschön,<br />

während wir immer steiler den Moränenrücken<br />

des Bahzingletschers emporsteigen. Die Blicke,<br />

die sich uns dabei in die Südflanke des Nanga Parbat<br />

auftun, sind von nicht zu schildernder Großartigkeit.<br />

Über die Alpe Tap eilen wir weiter zur Stelle des<br />

Hauptlagers. Eine halbe Stunde davor streiken die<br />

Träger, weil sie behaupten, ihr Ziel erreicht zu haben.<br />

Geld gibt es nur am Ende, bedeuten wir ihnen und<br />

warten auf herrlichen ebenen Almböden am Ufer<br />

eines klaren Quellbaches fast zwei Stunden auf sie.<br />

Hauptlager, 31. 5. 1975<br />

Ein kalter, bewölkter Morgen. Natürlich wache ich<br />

früh auf und gehe zum Bach, mich zu waschen und<br />

zu rasieren. Schon in den frühen Morgenstunden<br />

sind drei Mann mit zwei Trägern zu Lager 1 West<br />

aufgebrochen. Zu Mittag kommen sie zurück. Vier<br />

Mann Gruppe Ost geht zur selben Zeit weg. Wenn<br />

der Pfeiler begehbar sein sollte, werde ich hinüber<br />

ins Basislager übersiedeln. Der Tag vergeht mit verschiedenen<br />

Arbeiten, die immer wieder unterbrochen<br />

werden durch den Blick auf die Berge um uns. Ich genieße<br />

jede Stunde. Außerdem kann ich in Ruhe meine<br />

Buchhaltung abschließen und deren völlige Richtigkeit<br />

feststellen. Gestern war ich scheinbar zu müde,<br />

um den vermeintlichen Fehler richtigstellen zu können.<br />

Ein kaltes Abendessen im Freien beschließt den<br />

Tag, nachdem die Lasten für acht Träger nach W-L 1<br />

fertiggemacht worden sind.<br />

Sonntag, Hauptlager,<br />

1. 6. 1975<br />

Obwohl es im Zelt Minusgrade hatte und mein<br />

Waschlappen gefroren war, konnte ich unter der neuen<br />

„Bärendecke“ gut schlafen. Um 1 Uhr brechen 5<br />

Mann mit 8 Trägern nach Lager 1 auf. Morgenwäsche<br />

am Bach, dann Stubenordnung im Zelt, Frühstück.<br />

Abrechnung mit Sarbaz über seine Gilgitfahrt.<br />

Dann gehe ich mit Wulf Trotter zu dem großen Moränensee<br />

unter dem „Hänge-Gletscher“. Der See lädt<br />

zum Waschen und zum Fotografieren ein. Es ist ein<br />

schöner zweistündiger, gemütlicher Spaziergang.<br />

Mittags rechne ich die abgegangenen Träger, den<br />

Postläufer und das Fleisch ab und muß mit geringer<br />

Begeisterung meine eingeweichte Wäsche waschen.<br />

Die Mannschaft kommt bis auf Hubert und Thomas<br />

recht erschöpft zurück. Schließlich ziehen sich alle<br />

bei kaltem Wind in die Zelte zurück und schreiben<br />

und lesen. Ich beginne bei Kerzenlicht „Speer, Erinnerungen“.

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