Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik

24.12.2012 Aufrufe

Éngste und Erfahrungen zu sprechen, auch unsere Ohnmacht zuzugeben, aber auch, nicht dem Leben Tage zu geben, sondern dem Tage Leben. Krankenhaus und Hospizbewegung Mit der „Hospiz“-Frage wird die Frage nach einer Sterbebegleitung aufgeworfen, wie sie heute nach medizinischem Wissen und pflegerischem Kenntnisstand von ganzheitlicher Pflege im Rahmen des geltenden Gesundheitssystems und seiner Rechtsgrundlagen máglich ist. Die KrankenhÑuser muÖ es hart treffen. Die Entwicklung der Hospizbewegung hat ihre Ursache in der kritischen Frage nach dem Sterben im Krankenhaus. Die Diskussion um das Hospiz wird aber schwer ertrÑglich, wenn sie von dem Vorwurf ausgeht, daÖ in den KrankenhÑusern vieles so unmenschlich sei, daÖ man dort technokratisch und unpersánlich mit sterbenden Menschen umgehe und daÖ man Hospize brauche, um endlich dem Patienten eine menschliche Betreuung anbieten zu kánnen. Dieser Vorwurf geht an den RealitÑten vorbei, er belastet die KrankenhaustrÑger ganz allgemein und die gesamte Mitarbeiterschaft in den KrankenhÑusern zudem unberechtigterweise. Die KrankenhÑuser sind stolz auf das hohe Engagement ihrer Mitarbeiter und die dort erbrachten medizinischen und pflegerischen Leistungen. Den Mitarbeitern in den evangelischen KrankenhÑusern gebÇhrt unser hoher Respekt. Ich gehe davon aus, daÖ niemand in unserem Kreis den hohen Leistungsstandard der deutschen KrankenhÑuser vermissen máchte. Und immer noch gehen Patienten lieber in kirchliche als in staatliche KrankenhÑuser. Dieser Exkurs sei mir gestattet. SelbstverstÑndlich gibt es viele unterschiedliche Sterbesituationen und viele Máglichkeiten, darauf zu reagieren. Zugegeben: In einer pluralen Gesellschaft haben verschiedenartige Einrichtungen mit differenzierten Betreuungs- und Versorgungsmáglichkeiten fÇr sterbende Menschen nebeneinander Platz. Das Krankenhaus ist ein Ort, den wir zu gestalten haben. Das Hospiz kann neben weiteren denkbaren Alternativen ein anderer Ort sein, der anderen Anforderungen entsprechen will, „Sterbekliniken“ kánnen nicht die Funktionen eines Krankenhauses Çbernehmen. Nur zehn bis zwanzig Prozent der Deutschen sterben in der vertrauten hÑuslichen Umgebung. Eine Intensivierung der Hospizarbeit in Bezug auf die hÑusliche Betreuung und ZurÇstung der Angehárigen sowie Freunde erscheint sinnvoll. Angeblich erhalten nur zehn Prozent der Krebskranken eine ausreichende Schmerzbehandlung, die ein Verlassen des Krankenhauses ermáglichen wÇrde. Es wird die Énderung der BetÑubungsmittelverordnung gefordert, um vor allem schwer krebskranke Patienten bis zu ihrem Tod besser mit morphiumhaltigen Schmerzmitteln versorgen zu kánnen. Weiter wird gefordert: Der Staat soll sich am Bau von dezentralen Hospizen beteiligen. In diese Hospize sollen sich todkranke Patienten zurÇckziehen kánnen, die nicht in ihrer eigenen Wohnung bleiben oder nicht von Angehárigen aufgenommen werden konnten oder wollten. Angeblich wurden Kranke noch kurz vor dem Tod unnátig in eine Klinik gebracht. Die Angehárigen sind auf das Sterben eines Angehárigen nicht vorbereitet. Sie sind hilflos. Wenn die Angehárigen in der Stunde des Todes Ñrztlichen Beistand suchen, kommt oft nur der Notarzt in Frage. Aber statt die Verwandten oder Freunde in dieser schwierigen Situation zu unterstÇtzen, weist der Notarzt lieber den Sterbenden in ein Krankenhaus ein. Dem Notarzt wird vorgeworfen, sich seiner eigentlichen Aufgabe 86

zu entziehen. Aber sind es nicht primÑr rechtliche Fragen, die ein solches Handeln bewirken? In dem Arbeitsbericht fÇr die Generalsynode der VELKD vom 29. 11. 1990 heiÖt es: „Das Krankenhaus darf nicht in einseitiger Weise auf die BekÑmpfung von Krankheit und Tod hin organisiert werden, sondern muÖ auch der Annahme des Sterbens, dem Recht auf Sterben (Verzicht auf lebensverlÑngernde MaÖnahmen) und der Sterbebegleitung einen angemessenen Raum (im Denken und Handeln von Érzten und PflegekrÑften und in der Organisationsstruktur) zusichern.“ An anderer Stelle wird ausgefÇhrt: „Es ist Aufgabe der Kirchen, das Arbeitsfeld des Krankenhausseelsorgers so zu bemessen, daÖ er den Anforderungen im Krankenhaus gerecht werden kann. Seine TÑtigkeit macht die Begleitung von Sterbenden durch die Gemeinde nicht ÇberflÇssig.“ Die evangelischen KrankenhÑuser sehen in der Begleitung und Betreuung Sterbender eine besondere Aufgabe. Sie stellen sich dieser Herausforderung. Die evangelischen KrankenhÑuser sind zu vertrauensbildenden MaÖnahmen bereit, um die berechtigten Éngste vor einem Krankenhausaufenthalt im Finalstadium zu mildern und durch krankenhausspezifische MaÖnahmen den BedÇrfnissen Sterbender an gemessen Rechnung zu tragen. Die evangelischen KrankenhÑuser weisen in der Fortbildung des Ñrztlichen und des pflegerischen Dienstes auf die rechtlichen Aspekte der Behandlung Sterbender und damit auf das verfassungsrechtlich verbÇrgte Recht auf Selbstbestimmung auch im Finalstadium hin. In der Krankenpflegeausbildung werden die SchÇler/innen besonders mit der Betreuung und Versorgung sterbender Menschen vertraut gemacht. Hospize – eine LÅsung? Die BefÇrworter von Hospizen betonen besonders, daÖ der Sterbende heute weder zu Hause noch im Krankenhaus die fÇr ihn notwendige Zuwendung erfahren kann. Um ihn bestens betreuen und begleiten zu kánnen, sollten HÑuser geschaffen bzw. vorgehalten werden, die nur mit dieser Aufgabe betraut sind. Patienten, die dort eingewiesen werden oder Aufnahme finden, mÇÖten Çber ihre Krankheit aufgeklÑrt sein. Die Hoffnungslosigkeit des Falles sollte einwandfrei vorher diagnostiziert werden. Solche Hospize weisen sicherlich VorzÇge auf, dennoch finden sie nicht Çberall Zustimmung. Das gilt wie auch im Çbrigen fÇr spezielle Abteilungen oder Sterbezimmer in KrankenhÑusern. Mit der Unterbringung in einem Hospiz wird ein Patient máglicherweise in ein Sterbeghetto abgeschoben. Die Kontakte mit der AuÖenwelt, mit den Angehárigen, mit der bisher vertrauten Umgebung schwinden oder brechen ganz ab, besonders bei groÖer rÑumlicher Entfernung vom bisherigen Zuhause. Eine flÑchendeckende Versorgung wird ohnehin aus finanziellen GrÇnden Schwierigkeiten bereiten. Die Einlieferung in eine solche Klinik kann fÇr den Patienten einen nachhaltigen Schock bedeuten. Die schon vorhandene Angst wird extrem gesteigert; Selbstmordgefahr ist nicht auszuschlieÖen. Der Patient fÇhlt sich abgeschoben, aufgegeben. Die Einweisung bedeutet endgÇltigen Abschied vom Leben. Die Hoffnung auf mágliche Besserung, die ja nie ganz ausgeschlossen werden kann, wird vállig zerstárt und dem Patienten damit der Lebenswille genommen, der auch das Sterben erleichtern hilft. „Sterben ist nicht Tod, sondern intensivstes, weil auf kleinstem Raum zusammengedrÑngtes, Leben“. 87

zu entziehen. Aber sind es nicht primÑr rechtliche Fragen, die ein solches Handeln<br />

bewirken?<br />

In dem Arbeitsbericht fÇr die Generalsynode der VELKD vom 29. 11. 1990 heiÖt es:<br />

„Das Krankenhaus darf nicht in einseitiger Weise auf die BekÑmpfung von Krankheit<br />

und Tod hin organisiert werden, sondern muÖ auch der Annahme des Sterbens, dem<br />

Recht auf Sterben (Verzicht auf lebensverlÑngernde MaÖnahmen) und der Sterbebegleitung<br />

einen angemessenen Raum (im Denken und Handeln von Érzten und<br />

PflegekrÑften und in der Organisationsstruktur) zusichern.“ An anderer Stelle wird<br />

ausgefÇhrt: „Es ist Aufgabe der Kirchen, das Arbeitsfeld des Krankenhausseelsorgers<br />

so zu bemessen, daÖ er den Anforderungen im Krankenhaus gerecht werden<br />

kann. Seine TÑtigkeit macht die Begleitung von Sterbenden durch die Gemeinde<br />

nicht ÇberflÇssig.“<br />

Die evangelischen KrankenhÑuser sehen in der Begleitung und Betreuung Sterbender<br />

eine besondere Aufgabe. Sie stellen sich dieser Herausforderung. Die evangelischen<br />

KrankenhÑuser sind zu vertrauensbildenden MaÖnahmen bereit, um die berechtigten<br />

Éngste vor einem Krankenhausaufenthalt im Finalstadium zu mildern und<br />

durch krankenhausspezifische MaÖnahmen den BedÇrfnissen Sterbender an gemessen<br />

Rechnung zu tragen.<br />

Die evangelischen KrankenhÑuser weisen in der Fortbildung des Ñrztlichen und des<br />

pflegerischen Dienstes auf die rechtlichen Aspekte der Behandlung Sterbender und<br />

damit auf das verfassungsrechtlich verbÇrgte Recht auf Selbstbestimmung auch im<br />

Finalstadium hin. In der Krankenpflegeausbildung werden die SchÇler/innen besonders<br />

mit der Betreuung und Versorgung sterbender Menschen vertraut gemacht.<br />

Hospize – eine LÅsung?<br />

Die BefÇrworter von Hospizen betonen besonders, daÖ der Sterbende heute weder<br />

zu Hause noch im Krankenhaus die fÇr ihn notwendige Zuwendung erfahren kann.<br />

Um ihn bestens betreuen und begleiten zu kánnen, sollten HÑuser geschaffen bzw.<br />

vorgehalten werden, die nur mit dieser Aufgabe betraut sind. Patienten, die dort eingewiesen<br />

werden oder Aufnahme finden, mÇÖten Çber ihre Krankheit aufgeklÑrt sein.<br />

Die Hoffnungslosigkeit des Falles sollte einwandfrei vorher diagnostiziert werden.<br />

Solche Hospize weisen sicherlich VorzÇge auf, dennoch finden sie nicht Çberall Zustimmung.<br />

Das gilt wie auch im Çbrigen fÇr spezielle Abteilungen oder Sterbezimmer<br />

in KrankenhÑusern.<br />

Mit der Unterbringung in einem Hospiz wird ein Patient máglicherweise in ein Sterbeghetto<br />

abgeschoben. Die Kontakte mit der AuÖenwelt, mit den Angehárigen, mit<br />

der bisher vertrauten Umgebung schwinden oder brechen ganz ab, besonders bei<br />

groÖer rÑumlicher Entfernung vom bisherigen Zuhause. Eine flÑchendeckende Versorgung<br />

wird ohnehin aus finanziellen GrÇnden Schwierigkeiten bereiten. Die Einlieferung<br />

in eine solche Klinik kann fÇr den Patienten einen nachhaltigen Schock bedeuten.<br />

Die schon vorhandene Angst wird extrem gesteigert; Selbstmordgefahr ist<br />

nicht auszuschlieÖen. Der Patient fÇhlt sich abgeschoben, aufgegeben. Die Einweisung<br />

bedeutet endgÇltigen Abschied vom Leben. Die Hoffnung auf mágliche Besserung,<br />

die ja nie ganz ausgeschlossen werden kann, wird vállig zerstárt und dem Patienten<br />

damit der Lebenswille genommen, der auch das Sterben erleichtern hilft. „Sterben<br />

ist nicht Tod, sondern intensivstes, weil auf kleinstem Raum zusammengedrÑngtes,<br />

Leben“.<br />

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