Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik Klausurtagung „Hospiz“ - Peter Godzik
Sterben eine Krankheit Sterben ist immer mit einer Krankheit verbunden. Sterben bedeutet im medizinischen Sinne krank sein. Sterben als Krankheit gehárt damit notwendig in das Krankenhaus. Obwohl wir aus vielerlei Untersuchungen wissen, daÖ sich 90 % aller BundesbÇrger ein Sterben zu Hause wÇnschen, beenden doch die meisten Menschen ihr Leben in Einrichtungen wie dem Krankenhaus, dem Altenheim oder dem Pflegeheim. Den eigenen Weg zu Ende zu gehen, wer wÇnschte sich das nicht? Es muÖ unser Ziel sein, unsere Patienten im Krankenhaus mit aller Behutsamkeit und ZurÇckhaltung zu begleiten, so daÖ sie das kánnen, den eigenen Weg zu Ende zu gehen. In der gelebten Wirklichkeit verstÑrkt die Angst das Sterben. Unsere heutige Gesellschaft wird von der weitverbreiteten Auffassung geprÑgt, daÖ alles im Leben ohne Schmerzen, ohne Schwierigkeiten, ohne Probleme, ohne Angst und Sorge vonstatten zu gehen habe, somit auch das Sterben. Es stellt sich die Frage, ob diese Vorstellung sachgerecht ist. Vielleicht erfolgen verschiedene Aggressionen stellvertretend gegen das Krankenhaus und seine dort in der Diagnose, Therapie, Pflege und Versorgung tÑtigen Mitarbeiter, weil das Problem des Todes auch in unserer Gesellschaft nicht ohne den Glauben – so meine ich – zu lásen ist. So werden VorwÇrfe erhoben, weil diese oder jene medizinische Behandlung zu viel oder zu wenig erfolgt sei, nur Apparatemedizin betrieben wÇrde und der Patient abgeschoben sei, weil nicht mehr zu machen gewesen sei. Dadurch entsteht zusÑtzlicher Druck auf die Mitarbeiter, von denen ohnehin die schon schwierige Aufgabe zu bewÑltigen ist, nÑmlich das Sterben eines Menschen. Damit sind von den Mitarbeitern im Krankenhaus gerade Schwestern und Pfleger unmittelbar konfrontiert. Zugleich wird das Sterben fÇr die Gesellschaft immer fremder. Wir sind gewohnt, Grenzbereiche des Lebens aus dem BewuÖtsein auszuklammern und Çbertragen gern Spezialisten die Verantwortung fÇr deren Versorgung. Wir delegieren die Verantwortung fÇr unser eigenes Sterben an fremde Helfer. Sterben gehárt nicht mehr selbstverstÑndlich zum Leben, wie in frÇheren Generationen. Es wurde zunehmend ein Tabu und der Umgang mit Tod und Sterben wird den „Professionellen“ Çberlassen. Das Sterben ist ein medizinischer ProzeÖ. Sterben ist ein LebensprozeÖ. Solange wir sterben, leben wir. Der Sterbende wird gleich behandelt wie der kranke Mensch. Im Sinne der gesetzlichen Definition des ä 2 KHG sind „KrankenhÑuser Einrichtungen, in denen durch Ñrztliche, pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder KárperschÑden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden kánnen, ...“. Im ä 2, Absatz 3, Satz 2 heiÖt es: „Den religiásen BedÇrfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen“. Die 42. Delegiertenversammlung des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes vom 2. 3. 1988 hat wie folgt Position bezogen und formuliert: „Die evangelischen KrankenhÑuser sehen ihre Aufgabe in der Heilung und Linderung von Leiden, aber auch – und das ist die ErgÑnzung zur Legaldefinition – in der Begleitung Schwerkranker und Sterbender einschlieÖlich deren Angeháriger.“ Krankenpflege bedeutet neben Gesundheit fárdern, Krankheit verhÇten, Gesundheit wiederherstellen und Leiden lindern, auch Sterbende begleiten. Aus christlicher Sicht begegnet uns in den uns anvertrauten Menschen das Ebenbild Gottes, die Schwester, der Bruder in Christus. Speziell zur Frage der „Sterbekliniken/Hospize“ haben die Delegierten zusÑtzlich er klÑrt: „Generell werden Sterbekliniken nicht fÇr erforder- 84
lich gehalten, sinnvoll erscheint ein kirchliches gemeindenahes Hilfsangebot im ambulanten Bereich“. Das war 1988. Knapp vier Jahre sind vergangen. Bereits im November 1991 hat sich die Delegiertenversammlung wiederum mit der Betreuung Schwerkranker und Sterbender im Krankenhaus befaÖt. Der ProzeÖ geht weiter und ist neu angelaufen. Die Betreuung Schwerkranker und Sterbender im Krankenhaus Die immer gráÖer werdenden Máglichkeiten einer lebensverlÑngernden Medizin bringen die Frage nach einem „menschenwÇrdigen Sterben“ neu ins BewuÖtsein. Im Krankenhaus errechnet sich die personelle Besetzung bisher nach den durchschnittlich belegten Betten und nicht nach der PflegeintensitÑt der Kranken. Die moderne Medizin mit Diagnostik und Therapie bestimmt weitgehend den Arbeitsablauf. FÇr Schwerkranke und Sterbende mÇssen jedoch andere PrioritÑten gesetzt werden. Schwerstkranke und Sterbende benátigen mehr Pflege als Diagnostik und mehr Zeit. Der Pflegedienst steht stets in einem besonderen Spannungsfeld. Ihm wird von den verschiedenen Seiten mit groÖer und recht unterschiedlicher Erwartungshaltung begegnet. Der stÑndige Druck steigert sich selbst von innen heraus, weil die Krankenpflege sich selbst hohe Ziele setzt. Es gibt keine besondere Krankenpflege fÇr Sterbende. Es ist die Pflege von Menschen in besonderen Situationen mit verschiedenen BedÇrfnissen und Problemen. Durch den Schichtdienst bedingt, wechseln die Bezugspersonen. Innerhalb des Stationsteams bedarf es einer gut durchdachten Organisation zur Erledigung aller anfallenden TÑtigkeiten. Es ist Aufgabe und Chance der Krankenpflege, hier zu gewichten und Zeit fÇr die Versorgung und Betreuung Schwerstkranker und Sterbender zu gewinnen. Das Sterben im Krankenhaus muÖ Raum haben, und zwar im doppelten Sinne. Zuerst Raum im rÑumlichen Sinne. Es wÑre schán, wenn Patienten in Einzelzimmern sterben kánnten unter Bedingungen, die es zulassen, daÖ die Angehárigen ungestárt und geschÇtzt vor der âffentlichkeit dabei sein kánnten. Hilfreich kánnte eine besondere Ausgestaltung des Einzelzimmers sein, vielleicht ist auch ein besonderer Aufenthaltsraum fÇr Begleitpersonen vorhanden und vielleicht steht auch ein Aussegnungsraum zur VerfÇgung, um den Verstorbenen aufzubahren zu einer wÇrdigen Abschiednahme durch die Angehárigen. Aber nun ist auch Raum zu geben im Çbertragenen Sinne. Die Arbeit im Krankenhaus wird von Menschen getragen, vor allem von denen, die unmittelbar vor Ort in den KrankenhausrÑumen dem Patienten hautnah sind. Wir mÇssen unseren Mitarbeitern die BestÑtigung geben und ihre Leistung, ihren Willen, ihre Motivation, ihr Kánnen anerkennen. Wir mÇssen VerstÑndnis zeigen, wenn sich unsere Mitarbeiter innerlich Çberfordert fÇhlen, denn sie stecken in einer stÑndigen Auseinandersetzung mit dem Sterben und kánnen ihm nicht ausweichen. Wir mÇssen ihnen beistehen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten, eine eigene Beziehung zum Sterben zu entwickeln. Das ist kein leichter Weg zu helfen, vor allem ist den jÇngeren Mitarbeitern zu helfen, die sich ihre eigene Position zum Sterben noch aufbauen mÇssen, wohingegen routinierte Ñltere Mitarbeiter schon Çber einen Panzer mit funktionierenden Abwehrmechanismen verfÇgen. Auch sie bedÇrfen unseres Beistandes, aber in geringerem MaÖe. Wie kánnen wir vom Sterbenden lernen? Sterbende Menschen sind uns ein StÇck voraus. Sie verbergen ihre Éngste nicht mehr. Wir mÇssen lernen, miteinander Çber 85
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lich gehalten, sinnvoll erscheint ein kirchliches gemeindenahes Hilfsangebot im ambulanten<br />
Bereich“. Das war 1988. Knapp vier Jahre sind vergangen. Bereits im November<br />
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Die Betreuung Schwerkranker und Sterbender im Krankenhaus<br />
Die immer gráÖer werdenden Máglichkeiten einer lebensverlÑngernden Medizin bringen<br />
die Frage nach einem „menschenwÇrdigen Sterben“ neu ins BewuÖtsein.<br />
Im Krankenhaus errechnet sich die personelle Besetzung bisher nach den durchschnittlich<br />
belegten Betten und nicht nach der PflegeintensitÑt der Kranken. Die moderne<br />
Medizin mit Diagnostik und Therapie bestimmt weitgehend den Arbeitsablauf.<br />
FÇr Schwerkranke und Sterbende mÇssen jedoch andere PrioritÑten gesetzt werden.<br />
Schwerstkranke und Sterbende benátigen mehr Pflege als Diagnostik und mehr Zeit.<br />
Der Pflegedienst steht stets in einem besonderen Spannungsfeld. Ihm wird von den<br />
verschiedenen Seiten mit groÖer und recht unterschiedlicher Erwartungshaltung begegnet.<br />
Der stÑndige Druck steigert sich selbst von innen heraus, weil die Krankenpflege<br />
sich selbst hohe Ziele setzt.<br />
Es gibt keine besondere Krankenpflege fÇr Sterbende. Es ist die Pflege von Menschen<br />
in besonderen Situationen mit verschiedenen BedÇrfnissen und Problemen.<br />
Durch den Schichtdienst bedingt, wechseln die Bezugspersonen. Innerhalb des Stationsteams<br />
bedarf es einer gut durchdachten Organisation zur Erledigung aller anfallenden<br />
TÑtigkeiten. Es ist Aufgabe und Chance der Krankenpflege, hier zu gewichten<br />
und Zeit fÇr die Versorgung und Betreuung Schwerstkranker und Sterbender zu gewinnen.<br />
Das Sterben im Krankenhaus muÖ Raum haben, und zwar im doppelten Sinne. Zuerst<br />
Raum im rÑumlichen Sinne. Es wÑre schán, wenn Patienten in Einzelzimmern<br />
sterben kánnten unter Bedingungen, die es zulassen, daÖ die Angehárigen ungestárt<br />
und geschÇtzt vor der âffentlichkeit dabei sein kánnten. Hilfreich kánnte eine besondere<br />
Ausgestaltung des Einzelzimmers sein, vielleicht ist auch ein besonderer Aufenthaltsraum<br />
fÇr Begleitpersonen vorhanden und vielleicht steht auch ein Aussegnungsraum<br />
zur VerfÇgung, um den Verstorbenen aufzubahren zu einer wÇrdigen<br />
Abschiednahme durch die Angehárigen.<br />
Aber nun ist auch Raum zu geben im Çbertragenen Sinne. Die Arbeit im Krankenhaus<br />
wird von Menschen getragen, vor allem von denen, die unmittelbar vor Ort in<br />
den KrankenhausrÑumen dem Patienten hautnah sind. Wir mÇssen unseren Mitarbeitern<br />
die BestÑtigung geben und ihre Leistung, ihren Willen, ihre Motivation, ihr<br />
Kánnen anerkennen. Wir mÇssen VerstÑndnis zeigen, wenn sich unsere Mitarbeiter<br />
innerlich Çberfordert fÇhlen, denn sie stecken in einer stÑndigen Auseinandersetzung<br />
mit dem Sterben und kánnen ihm nicht ausweichen. Wir mÇssen ihnen beistehen,<br />
ihre Erfahrungen zu verarbeiten, eine eigene Beziehung zum Sterben zu entwickeln.<br />
Das ist kein leichter Weg zu helfen, vor allem ist den jÇngeren Mitarbeitern zu helfen,<br />
die sich ihre eigene Position zum Sterben noch aufbauen mÇssen, wohingegen routinierte<br />
Ñltere Mitarbeiter schon Çber einen Panzer mit funktionierenden Abwehrmechanismen<br />
verfÇgen. Auch sie bedÇrfen unseres Beistandes, aber in geringerem<br />
MaÖe.<br />
Wie kánnen wir vom Sterbenden lernen? Sterbende Menschen sind uns ein StÇck<br />
voraus. Sie verbergen ihre Éngste nicht mehr. Wir mÇssen lernen, miteinander Çber<br />
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